In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 18% weniger als Männer für gleiche Arbeit. Das Entgelttransparenzgesetz reicht nicht aus, um Equal Pay zu garantieren. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16.02.2023 erklärt die schlechtere Bezahlung von Frauen bei gleicher Arbeit als gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie verlangt von Arbeitgebern ab 2026, Lohnlücken zu veröffentlichen und zu adressieren. Was ist die Rolle der Betriebsräte?
Auch wenn sich viel getan hat, sind wir, was die Bezahlung anbelangt, noch nicht gleich auf – Frauen verdienen immer noch im Durchschnitt 18 Prozent weniger für gleiche oder vergleichbare Arbeit als Männer! Das ist fast ein Fünftel des Gehalts, eine ordentliche Lücke und damit ein „Pay Gap“.
Zwar gibt es in Deutschland ein Gesetz, welches Abhilfe schaffen soll – das Entgelttransparenzgesetz. Aber die Zahlen zeigen, dass es nicht reicht, um gleiche Bezahlung – Equal Pay – zu garantieren.
Denn die Arbeitgeber*innen rechtfertigen die höheren Löhne für männliche Kollegen oft mit dem Geschlechterstereotyp (Männer würden eben besser verhandeln) und der grundsätzlichen Vertragsfreiheit – doch hier gab es dieses Jahr einen echten Paukenschlag des Bundesarbeitsgerichts: Die Forderung des männlichen Kollegen nach mehr Geld bei Gehaltsverhandlungen ist kein Argument dafür, der Kollegin für die gleiche Arbeit weniger zu zahlen! (BAG, Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21) Denn das Verhandlungsgeschick hat mit der Arbeitsleistung nichts zu tun. Eine schlechtere Bezahlung einer Frau, nur weil der besser bezahlte Mann anders verhandelt hat, ist damit eine gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die Frau hat Anspruch auf die gleiche Bezahlung und auf ein angemessenes Schmerzensgeld.
Und nicht nur das BAG wurde dieses Jahr zu diesem Thema aktiv
Die Europäische Union hat eine Entgelttransparenz-Richtlinie erlassen, die der deutsche Gesetzgeber bis zum Juni 2026 in nationales Recht umsetzen muss. Diese hat es in sich:
Alle Beschäftigten haben einen Auskunftsanspruch gegenüber der Arbeitgeberseite, mit dem sie in Erfahrung bringen können, wie sie im durchschnittlichen Vergleich verdienen.
Arbeitgeber*innen ab 100 Beschäftigten müssen regelmäßig Daten veröffentlichen, die die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zeigen – liegt die Lücke über 5 Prozent, dann müssen Arbeitgeber*innen die Gründe analysieren und Abhilfe schaffen.
Bewerber*innen haben Anspruch auf Information über die Höhe des Einstiegsgehalts oder die Gehaltsspanne.
Doch was hat all das mit Eurer Arbeit im Betriebsrat zu tun?
Viel, denn Entgeltgleichheit ist ein Thema der Gleichstellung – Euer Thema nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG welches sich lohnt, ins Auge gefasst zu werden. Auch ist der Betriebsrat vor allem da, um Arbeitgeber*innen bei der Einhaltung von Gesetzen auf die Finger zu schauen. Bereits ohne Umsetzung der neuen Richtlinie besagt das Entgelttransparenzgesetz, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich zu bezahlen ist und zwar unabhängig vom Geschlecht. Das BAG hat nun geklärt, dass Verhandlungsgeschick diesen Grundsatz nicht aushebeln kann. Weiterhin verbietet das AGG die Diskriminierung wegen des Geschlechts.
All das bedeutet, dass der Betriebsrat proaktiv auf Entgeltgleichheit achten sollte.
Ihr solltet beim Blick in die Lohn- und -gehaltslisten nach geschlechtsbezogenen Lücken Ausschau halten, um Arbeitgeber*innen zur Rede zu stellen. Bei Einstellungen, Versetzungen und Ein-/Umgruppierungen solltet Ihr ebenfalls ein Augenmerk auf das Gehalt legen, um – falls ein Gender Pay Gap auffällt – die Zustimmung zur Maßnahme zu verweigern, da Arbeitgeber*innen damit gegen das Entgelttransparenzgesetz und das AGG verstoßen und die betroffene Person benachteiligen.
Nicht zuletzt ist diese Entwicklung ein wichtiges Signal – nicht der Einzelne mit seinem Verhandlungsgeschick bestimmt die Regeln, es kommt mehr auf das Kollektiv an, die Solidarität und damit gewinnen auch Tarifverträge und die Gewerkschaften an Gewicht. Weiter so BAG!
Unsere Arbeitsrecht-Kolumne "Alles was Recht ist" erscheint in loser Folge, aber fester Besetzung: Angela Kolovos hält permanent Ausschau nach interessanten Fällen für Betriebsrät:innen. Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen, hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
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