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Krisen-Kommunikation: Wie du als Betriebsrat glaubwürdig agierst.

Aktualisiert: 10. Apr. 2020

Corona breitet sich in Deutschland weiter aus. Politiker verabschieden drastische Maßnahmen, um die Verbreitung einzudämmen. Auch wenn diese auf unsere Gesundheit abzielen, wirken sie sich stark auf unsere Wirtschaft aus. Die Betriebe müssen die Wirkung dieser Maßnahmen vorausahnen und darauf aufbauend Entscheidungen treffen. Das hat Konsequenzen für die Belegschaft und den Beschäftigungsstand. Betriebsräten ist in diesem Prozess häufig unklar, wie sie sich verhalten sollen, wofür sie stimmen sollen und in welchen Fragen sie überhaupt mitbestimmungsberechtigt sind. Wir haben deshalb einen Experten gefragt: Rudolf Reitter, Berater für Betriebsräte und erfahrener Referent. Von ihm wollten wir wissen, wie Betriebsräte in Krisenzeiten agieren und kommunizieren sollten.

Corona fordert Mitbestimmung! Allgemeine Schutzmaßnahmen wie beispielsweise verpflichtende Händedesinfektionen oder Anordnung von Homeoffice, etc. sind mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat hat also ein Wörtchen mitzusprechen. Er hat diesbezüglich auch ein Initiativrecht. Auch vorübergehende Betriebsschließungen und Änderung der Arbeitszeiten bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Das gilt insbesondere auch für die Einführung von Kurzarbeit. Übrigens ist im Infektionsschutzgesetz §56 ganz klar geregelt, dass der Arbeitgeber den Lohn bei einer angeordneten Quarantäne weiterzahlen muss.

Bloß nicht überrumpeln lassen!

Politiker und Unternehmen behaupten momentan das Eine, um im nächsten Augenblick genau das Gegenteil umzusetzen. „Es wird keine Schulschließungen geben!“ Keine 24 Stunden sieht die Sache anders aus. „Die Geschäfte bleiben offen!“ Am nächsten Tag wird auch dieses Versprechen revidiert. „Wir produzieren weiter!“ Mittlerweile ist klar, dass es jede Menge Werksschließungen geben wird. Natürlich steckt dahinter keine böse Absicht. Die Dynamik der Ereignisse ist derzeit schlicht überwältigend. Es bleibt allerdings festzuhalten: Politiker und Unternehmen überschlagen sich mit vollmundigen Ankündigungen. Und kommen kurze Zeit später in der realen Welt an. Da bleibt uns Betriebsräten nur eines: Möglichst ruhig und sachlich reagieren! Und immer im Sinne einer verantwortlichen Mitbestimmung handeln!

Immer auf Sicht fahren!

In Zeiten, in denen wir wenig wissen und über die Zukunft nur wenig sagen können, sollten wir dafür sorgen, dass wir nicht zu schnell unterwegs sind. Viele Akteure möchten dennoch mit 130 km/h über die Autobahn heizen. Auf Sicht fahren bedeutet aber, eben nur so weit zu planen, wie ich sehen kann. Und für die Kommunikation bedeutet es, keine großspurigen Vorhersagen zu machen, sondern auf Basis des aktuellen Informationsstands Lösungen und Maßnahmen zu entwickeln. Der Betriebsrat ist hier immer mit im Boot, weil alle Maßnahmen zum Verhalten bei Pandemien nach §87 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind. Und persönliche finde ich eine gemeinsame Kommunikation und Sprachen von Betriebsrat und Arbeitgeber wichtig. Das verleiht den KollegInnen Sicherheit.

Die Diskussionen im Betriebsrat sollten zielgerichtet sein!

In meinen Seminaren und Workshops arbeite ich sehr gerne mit dem DISG- Verhaltensmodell von Persolog. Jeder Mensch hat einen Haupt-Verhaltensstil, der vor allem unter Stress zutage tritt. Im DISG-Modell gibt es dominante, initiative, stetige und gewissenhafte Verhaltenstypen. (Hieraus ergibt sich „D-I-S-G“.) Dominante Menschen suchen zuallererst nach Lösungen. Den „Initiativen“ ist es wichtig, ihre persönliche Meinung loszuwerden. Stetige Menschen würde am liebsten gar nichts tun. Und die gewissenhaften Menschen benötigen mehr Informationen, um eine Entscheidung treffen zu können.



Aus dem DISG-Modell folgen klassische Verhaltens- und Kommunikationsmodelle: Wenn ein neues Thema auf den Tisch kommt, preschen dominante Menschen vor und rufen: „Da müssen wir jetzt dies und das tun.“ Die gewissenhaften Personen fordern: „Wir benötigen mehr Informationen bevor wir entscheiden können.“ Und so geht es weiter. Ein initiativer Mensch sagt: „Mir ist bei dem Thema dies und jenes wichtig.“ Und kurz vor Schluss meldet sich eine stetige Person und gibt zu bedenken: „Wieso machen wir da überhaupt etwas? Es hat sich doch alles so und so bewährt.“



Methodisch vorgehen und Themen strukturieren

Ein solches Szenario ist euch selbst sicherlich aus euren Betriebsratssitzungen vertraut. Mit dem Tool „Themen strukturieren“ könnt ihr aber dieses Durcheinander in eine zielgerichtete Diskussion verwandeln und hierbei alle mit einbeziehen. Hierbei geht ihr in vier Schritten vor:

  1. SCHRITT: Aktuellen Stand klären. Wo stehen wir gerade? Was können wir mit Gewissheit sagen?

  2. SCHRITT: Handlungsanlass klären. Wieso machen wir bei diesem Thema etwas?

  3. SCHRITT: Die Meinung der Belegschaft einholen.

  4. SCHRITT: Die Position des Betriebsrats schriftlich festhalten. Und zwar kurz und knackig. Zum Handeln auffordern. Zum Einhalten der Maßnahmen animieren.


Ein Beispiel: Wie mein ein zielgerichtetes Anschreiben an die Belegschaft entwirft!

Das Tool „Themen strukturieren“ ist nicht nur effektiv im Hinblick auf die Diskussionen in eurem Betriebsrat, sondern ihr könnt damit auch Schreiben und Aushänge an die Belegschaft formulieren. Und zwar welche, die zugleich beschäftigten-orientiert und zielgerichtet sind. Gestaltet das Schreiben einfach nach folgendem Muster:

Corona – Pandemie bei [Betrieb / Unternehmen]

  1. Aktuellen Stand beschreiben: In unserem Betrieb gibt es zurzeit so und so viel Infizierte. Die Situation in der Produktion sieht so aus; die Situation in den Büros gestaltet sich folgendermaßen […]

  2. Handlungsanlass klären: Um unsere MitarbeiterInnen und deren Familien zu schützen, schlagen wir folgende Maßnahmen vor […]

  3. Meinungen einholen: Bitte teilt uns eure Ideen und Sichtweisen zur Eindämmung der Pandemie bei uns im Betrieb mit.

  4. Position des Betriebsrats beschreiben: Geschäftsleitung und Betriebsrat haben folgende Maßnahmen beschlossen: "Die Kantine ist geschlossen. Bitte bringt eure Verpflegung selbst mit. Bitte wascht euch regelmäßig und gründlich die Hände. Homeoffice: Solltet ihr keinen Laptop haben, dann nehmt euren PC mit nach Hause. Im Betrieb nutzen wir Microsoft Teams, etc. […]

In welchen Bereichen benötigt ihr unsere Hilfe und Unterstützung? Bitte meldet euch im Personalbüro oder beim Betriebsrat. Bleibt gesund! Eure Geschäftsleitung, euer Betriebsrat

Tipps zur Umsetzung

Stimmt das Schreiben mit allen Mitgliedern des Betriebsrats ab! Koordiniert die Inhalte mit der Geschäftsleitung und der Personalabteilung. Nutzt alle Kanäle die euch zur Verfügung stehen – also E-Mail, Infoboards, Intranet, Briefpost, etc. Die Beschäftigten entscheiden, wie sie die Informationen lesen möchten. Und bitte veröffentlicht die Schreiben und Aushänge in den Muttersprachen der Beschäftigten im Betrieb! Wichtige Regeln beim Kommunizieren lauten:

• Kürzer geht immer! • Versetzt euch in die Situation der Beschäftigten. • Welche Informationen benötigen sie? • Was gibt Sicherheit? • Was wirft zu viele Fragen auf?

Probiert es einfach mal aus. Wenn ihr unsicher seid, könnt ihr mir eure Texte gerne zur Kontrolle zusenden. Viel Erfolg und bleibt gesund!

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Wir hoffen, dass euch klar geworden ist, wie ihr in der Corona-Krise eure Mitbestimmungsrechte aussehen, wie ihr eure Diskussionen im Betriebsrat sinnvoll gestaltet und was ihr an die Beschäftigten eures Betriebs kommunizieren solltet. Falls ihr Fragen habt, ist Rudolf Reitter gerne bereit, euch weiterzuhelfen! Kontaktiert ihn einfach!!

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Rudolf Reitter ist freiberuflicher Trainer und Berater. Sein zentrales Thema ist „Erfolgreiche Teamarbeit im Betriebsrat“. Dies ist auch der Titel seines Buches.

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