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145 Ergebnisse gefunden für „“

  • Schicksalsjahr der Demokratie 2024

    Putin, Hamas, Trump und die Logik der Zerstörung – und wie das Ganze mit den Protesten der Bauern zusammenhängt Vortrag von Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik) auf der Jahresarbeitstagung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit der IG Metall | 18.01.2024 in Sprockhövel Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen zweier Kriegsschauplätze: der Ukraine und Israel/Palästinas. Wladimir Putin und die Hamas verbindet dabei eines. Sie setzen weniger auf Eroberung als auf blanke Zerstörung, auch unter Mithilfe ihrer Gegner, wie im Falle Israels. Diese Entgrenzung droht die normativ gebundenen liberalen Demokratien ins Hintertreffen geraten zu lassen – erst recht bei einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps im November. Auch in Deutschland erleben wir eine Krise der demokratischen Fundamente. Die Corona-Leugner-Proteste und die Bauernproteste zeigen, dass es in der Gesellschaft eine Verrohung der politischen Kultur gibt. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da sie die Demokratie und den Rechtsstaat untergräbt. Gewerkschaften spielen als Garanten für soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung in dieser Gemengelage eine wichtige Rolle. Wie die IG Metall Bildungsarbeit dazu beitragen kann, die Werte der Demokratie zu stärken und Menschen zu demokratischem Engagement zu befähigen, diskutieren wir mit Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik).

  • Lernen, zu überzeugen: Trainingslager für gute VKL-Arbeit

    Halbzeit bei den Vertrauensleutewahlen – gibt es eine Strategie, wie die Neuen in ihr Amt finden? Wir haben darüber mit Dirk Voss und Heiko Ramm, Bildungsberater und Mitglieder der Vertrauenskörperleitung bei Airbus in Hamburg gesprochen. »Sich einzumischen, seine Position überzeugend zu vertreten, aber auch mal zurückzustecken und zuzuhören, bis du genau weißt, worum es geht: Das alles ist nicht von alleine da, das musst du lernen.« Dirk Voss, Mitglied der Vertrauenskörperleitung (VKL) bei Airbus in Hamburg, weiß aus eigener Erfahrung, wie es den neu gewählten Vertrauensleute beim Flugzeugbauer geht. »Die Kolleg*innen sind teilweise schon seit Jahren Metaller*innen und bei den Tarifrunden immer vorne mit dabei. Aber der Schritt, sich vor Ort sichtbar und ansprechbar als Vertrauensmann oder Vertrauensfrau zu zeigen, braucht Mut. Und eine Idee, wie die eigene Überzeugung und das Bekenntnis zur IG Metall bei den Kolleg*innen ankommt, muss man sich erst erarbeiten.« Heiko Ramm ist zusammen mit Dirk Voss bei der Vertrauenskörperleitung für die politische Bildung der Metaller*innen bei Airbus verantwortlich. Beide beraten die Kolleg*innen zum Bildungsurlaubsprogramm der IG Metall. Heiko erinnert sich noch gut an seinen eigenen Weg von jemandem, der bei Ungerechtigkeiten gerne den Mund aufmacht, zu einem politisch denkenden und handelnden Menschen. Es war ein Seminar, das ihn dabei entschieden weitergebracht hat: »Im Seminar ›Arbeitnehmer*innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft (A1 )‹ habe ich auf einmal gesehen, dass alles zusammengehört: meine Rolle als Beschäftigter, aber vor allem, wie ich diese Rolle immer wieder neu verändern kann – ich bin eigentlich erst mit dem Einstiegsseminar für (neugewählte) Vertrauensleute zu einem ›richtigen‹ Vertrauensmann geworden.« Das A1-Seminar findet direkt bei euch vor Ort statt und vermittelt die Grundlagen für die Tätigkeiten als Vertrauensperson im Betrieb. Dirk zieht bei seiner Idee einer Bildungsstrategie für die Vertrauensleute eine Parallele zum Sport: »Wenn die Kolleg*innen neu in die Vertrauensleutearbeit einsteigen, müssen sie erstmal Teil des Teams werden. Dafür braucht es ein Trainingslager«. »Und genau das sei die eine Woche Bildungsurlaub mit der IG Metall. Bei Airbus gibt es bei 20.000 Beschäftigten über 400 Vertrauensleute, »und wir haben fast 70 Kolleg*innen, die neu dabei sind, direkt angesprochen und viele von ihnen für das Einstiegsseminar geworben.« Und um was genau geht es dabei?  »Es gibt einen Überblick über den rechtlichen Rahmen, in dem wir uns bewegen und einem tiefen Einblick in die Arbeit und Strukturen IG Metall“, erklärt  Heiko. Das Wichtigste aber sei, »dass die neuen Vertrauensleute erkennen, dass es nur gemeinsam geht! Allein kannst du gute Ideen für Veränderung haben, aber nur im Team bist du stark genug, um diese auch anzuschieben und umzusetzen.« Auch deswegen finden die Einführungsseminare regional statt – es geht darum, die Kolleg*innen aus den anderen Betrieben in der Region kennenzulernen. Es werden Netzwerke geknüpft und Freundschaften entstehen, die oft ein ganzes Gewerkschaftsleben halten. »Ich freue mich immer, wenn im Seminar das Interesse für politische Bildung geweckt wurde und ich gleich im Anschluss die nächste Qualifizierung mit den Kolleg*innen planen kann“, sagt Dirk.« Und Heiko stimmt ihm zu: »Nach dem Seminar ist vor dem Seminar. Und die Bildungsprogramme der IG Metall sind voll mit spannenden Themen!«  Er empfiehlt seinen Kolleg*innen gleich weitere Seminare der VLkompakt-Reihe… Infos über das passende VL-Seminar findest du bei deiner IG Metall vor Ort. Hier findest du einen Überblick über die Spezialisierungsangebote für Vertrauensleute

  • Stark gegen Diskriminierung

    Als Lehre aus Hanau: »Bildungsinitiative Ferhat Unvar« gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung Ferhat Unvar wurde am 19. Februar 2020 in Hanau von einem Rechtsterroristen erschossen. Er ist einer von neun Menschen, die bei dem rassistischen Anschlag ihr Leben verloren: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Die Mutter von Ferhat hätte in Trauer und Wut verharren können. Aber Serpil Temiz Unvar  tat etwas anderes: Zusammen mit Freund:innen von Ferhat und anderen Menschen aus Hanau gründete sie die Bildungsinitiative Ferhat Unvar. Die Idee: Junge Menschen sensibel zu machen für verschiedenste Formen von Diskriminierung und sie im Umgang damit zu stärken. Dafür entwickelten sie – unterstützt von der Bildungsstätte Anne Frank – Workshop-Formate und bildeten junge Teamende aus, die in Schulen und anderen Gruppen zu Fragen wie diesen arbeiten: Was ist eigentlich Diskriminierung? Gibt es noch mehr Diskriminierung als Rassismus oder Sexismus? Was empfinde ich persönlich als diskriminierend und wie gelingt es mir, mich in die Betroffenen einzufühlen? Denn bei Diskriminierung zählt nicht Absicht, sondern Wirkung. Die Workshops finden in geschützten Räumen und ohne Lehrkräfte statt, sie sind von Jugendlichen für Jugendliche. Rund 25 Teamende wurden dafür in fünftägigen Seminaren zu Trainer*innen ausgebildet und reisen nun für die meist dreistündigen Veranstaltungen durch das ganze Bundesgebiet. »Es geht uns darum, dass die jungen Menschen Strategien entwickeln, wie sie sich eine Meinung bilden, wie sie eine Haltung entwickeln können«, erklärt Cat Patiño, Bildungsreferentin* bei der Initiative. Dazu gehöre auch, Medien kritisch zu nutzen und dabei Stereotype zu erkennen und zu hinterfragen. Aber es geht auch um Handlungsstrategien: Spielerisch probieren die Jugendlichen aus, wie sie sich in Situationen verhalten können, die sie als diskriminierend erleben. Nach Jahren rein ehrenamtlicher Tätigkeit wird das Projekt inzwischen finanziell gefördert, so dass es einige bezahlte Stellen gibt, »allerdings nicht dauerhaft. Wir müssen uns jedes Jahr wieder um Förderung bemühen«, sagt Cat Patiño. Für die Zukunft wünscht Cat sich, dass die demokratiestabilisierende Arbeit dauerhaft gesichert wird. »Denn wir betrachten das, was in Hanau passiert ist, nicht als Einzelfall, sondern sehen, dass eine Parallelgesellschaft existiert. Deshalb ist es so wichtig, junge Menschen immun gegen demokratiegefährdende Ideologien und misstrauisch zu machen gegen vermeintlich einfache Antworten«. Die IG Metall arbeitet mit der Bildungsinitiative auf unterschiedlichen Ebenen zusammen. Auch auf dem letzten Gewerkschaftstag konnten sie ihre Arbeit den Delegiert:innen vorstellen. Zusammen eint uns unser Ziel einer diskriminierungsfreien und vielfältigen Bildungsarbeit. Direkt zur Bildungsinitiative

  • Wie du deinen Bildungsurlaub ins nächste Jahr rettest!

    Der Bildungsurlaub ist eine großartige Möglichkeit, sich für Weiterbildung freistellen zu lassen. Fast alle Bundesländer haben dazu gesetzliche Regelungen. Was viele nicht wissen - nicht genutzter Bildungsurlaub kann zum Teil in das nächste Jahr übertragen werden. Oft reicht dazu eine formlose Mitteilung an den Arbeitgeber mit der Bitte, die fünf Tage im kommenden Jahr gutzuschreiben oder den Bildungsurlaub zu “verblocken”  und die Urlaubstage aus zwei oder mehr Jahren zu einer längeren Maßnahme zusammenzulegen. Aber Achtung: Vielfach endet die Frist am  31.12. In kritischen Fällen kann man sich den Eingang des Schreibens bestätigen lassen. In der Tabelle haben wir zusammengefasst, in welchem Bundesland welche Regelungen gelten und wo eine Übertragung möglich ist - genaue Informationen zu Zeiten und Ablauf findest du auf den Webseiten der Länder. Eine kurze Übersicht mit allen Links bietet der DGB hier. Eine allgemeine Übersicht zum Thema Bildungsurlaub findest du hier. Baden-Württemberg Nicht genutzter Bildungsurlaub kann nicht übertragen werden Bayern Arbeitnehmer*innen in Bayern haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub Berlin Übertragung auf das folgende Kalenderjahr nicht möglich, aber Zusammenfassung von zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren auf max. zehn Tage Brandenburg Übertragung auf das folgende Kalenderjahr nicht möglich, aber Zusammenfassung von zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren auf zehn Tage Bremen Jede*r Vollzeitbeschäftigte hat Anspruch auf 10 Bildungsurlaubstage innerhalb von 2 Kalenderjahren. Nicht genutzte Tage können nicht auf den folgenden Zweijahreszeitraum übertragen werden. Hamburg Anspruch auf 10 Arbeitstage innerhalb von 2 Kalenderjahren. Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/ Verblockung auf 4 Jahre möglich Hessen Bildungsurlaub kann ins Folgejahr übertragen werden, schriftliche Erklärung bis zum 31. Dezember notwendig Mecklenburg-Vorpommern Keine Angabe im Gesetz zur möglichen Übertragbarkeit nicht genutzter Tage. Niedersachsen Der Anspruch des Vorjahres kann im laufenden Jahr geltend gemacht werden. Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/Verblockung auf maximal 4 Jahre möglich. Nordrhein-Westfalen Jährlicher Anspruch auf Freistellung verfällt am Jahresende. Der Anspruch von 2 Kalenderjahren kann jedoch kumuliert werden (mit schriftlicher Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber) Rheinland-Pfalz Keine Angabe im Gesetz zur möglichen Übertragbarkeit nicht genutzter Tage. Saarland Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/Verblockung auf 2 Jahre möglich Sachsen Arbeitnehmer*innen in Sachsen haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub Sachsen-Anhalt Der Anspruch von zwei Kalenderjahren kann zusammengefasst werden Schleswig-Holstein Übertragung möglich, "Verblockung" erfordert Mitteilung vor dem 30. September im laufenden Jahr. Zustimmung des Arbeitgebers notwendig für rückwirkende Verblockung im Folgejahr Thüringen Nur bei Ablehnung oder Rücknahme des Bildungsurlaubsantrags durch den Arbeitgeber. Keine gesetzliche Regelung für Zusammenfassung

  • Gender Pay Gap – und nun? Equal Pay!

    In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 18% weniger als Männer für gleiche Arbeit. Das Entgelttransparenzgesetz reicht nicht aus, um Equal Pay zu garantieren. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16.02.2023 erklärt die schlechtere Bezahlung von Frauen bei gleicher Arbeit als gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie verlangt von Arbeitgebern ab 2026, Lohnlücken zu veröffentlichen und zu adressieren. Was ist die Rolle der Betriebsräte? Auch wenn sich viel getan hat, sind wir, was die Bezahlung anbelangt, noch nicht gleich auf – Frauen verdienen immer noch im Durchschnitt 18 Prozent weniger für gleiche oder vergleichbare Arbeit als Männer! Das ist fast ein Fünftel des Gehalts, eine ordentliche Lücke und damit ein „Pay Gap“. Zwar gibt es in Deutschland ein Gesetz, welches Abhilfe schaffen soll – das Entgelttransparenzgesetz. Aber die Zahlen zeigen, dass es nicht reicht, um gleiche Bezahlung – Equal Pay – zu garantieren. Denn die Arbeitgeber*innen rechtfertigen die höheren Löhne für männliche Kollegen oft mit dem Geschlechterstereotyp (Männer würden eben besser verhandeln) und der grundsätzlichen Vertragsfreiheit – doch hier gab es dieses Jahr einen echten Paukenschlag des Bundesarbeitsgerichts: Die Forderung des männlichen Kollegen nach mehr Geld bei Gehaltsverhandlungen ist kein Argument dafür, der Kollegin für die gleiche Arbeit weniger zu zahlen! (BAG, Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21) Denn das Verhandlungsgeschick hat mit der Arbeitsleistung nichts zu tun. Eine schlechtere Bezahlung einer Frau, nur weil der besser bezahlte Mann anders verhandelt hat, ist damit eine gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die Frau hat Anspruch auf die gleiche Bezahlung und auf ein angemessenes Schmerzensgeld. Und nicht nur das BAG wurde dieses Jahr zu diesem Thema aktiv Die Europäische Union hat eine Entgelttransparenz-Richtlinie erlassen, die der deutsche Gesetzgeber bis zum Juni 2026 in nationales Recht umsetzen muss. Diese hat es in sich: Alle Beschäftigten haben einen Auskunftsanspruch gegenüber der Arbeitgeberseite, mit dem sie in Erfahrung bringen können, wie sie im durchschnittlichen Vergleich verdienen. Arbeitgeber*innen ab 100 Beschäftigten müssen regelmäßig Daten veröffentlichen, die die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zeigen – liegt die Lücke über 5 Prozent, dann müssen Arbeitgeber*innen die Gründe analysieren und Abhilfe schaffen. Bewerber*innen haben Anspruch auf Information über die Höhe des Einstiegsgehalts oder die Gehaltsspanne. Doch was hat all das mit Eurer Arbeit im Betriebsrat zu tun? Viel, denn Entgeltgleichheit ist ein Thema der Gleichstellung – Euer Thema nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG welches sich lohnt, ins Auge gefasst zu werden. Auch ist der Betriebsrat vor allem da, um Arbeitgeber*innen bei der Einhaltung von Gesetzen auf die Finger zu schauen. Bereits ohne Umsetzung der neuen Richtlinie besagt das Entgelttransparenzgesetz, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich zu bezahlen ist und zwar unabhängig vom Geschlecht. Das BAG hat nun geklärt, dass Verhandlungsgeschick diesen Grundsatz nicht aushebeln kann. Weiterhin verbietet das AGG die Diskriminierung wegen des Geschlechts. All das bedeutet, dass der Betriebsrat proaktiv auf Entgeltgleichheit achten sollte. Ihr solltet beim Blick in die Lohn- und -gehaltslisten nach geschlechtsbezogenen Lücken Ausschau halten, um Arbeitgeber*innen zur Rede zu stellen. Bei Einstellungen, Versetzungen und Ein-/Umgruppierungen solltet Ihr ebenfalls ein Augenmerk auf das Gehalt legen, um – falls ein Gender Pay Gap auffällt – die Zustimmung zur Maßnahme zu verweigern, da Arbeitgeber*innen damit gegen das Entgelttransparenzgesetz und das AGG verstoßen und die betroffene Person benachteiligen. Nicht zuletzt ist diese Entwicklung ein wichtiges Signal – nicht der Einzelne mit seinem Verhandlungsgeschick bestimmt die Regeln, es kommt mehr auf das Kollektiv an, die Solidarität und damit gewinnen auch Tarifverträge und die Gewerkschaften an Gewicht. Weiter so BAG! Unsere Arbeitsrecht-Kolumne "Alles was Recht ist" erscheint in loser Folge, aber fester Besetzung: Angela Kolovos hält permanent Ausschau nach interessanten Fällen für Betriebsrät:innen. Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen, hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

  • Resilienz: Die Stärkung von Individuen, Betrieben und Organisationen

    Es ist naheliegend, dass die Popularität des Begriffs Resilienz mit dem für viele Menschen gestiegenen Arbeits- und Existenzdruck zu tun hat. Der Begriff Resilienz und das dahinter stehende Konzept sind dabei nicht nur von individualpsychologischer Bedeutung. Der Begriff ist vielmehr auch für Teams und Organisationen interessant, die sich über die Krise hinaus für stürmische Zeiten wappnen möchten. Im folgenden Artikel fassen wir für euch die relevanten die Kerngedanken zusammen und lassen Sebastian Seuffert zu Wort kommen, der hierfür gewissermaßen doppelt qualifiziert ist: Er hat ein Resilienz-Training absolviert und stand als Vater zweier Kinder, hin- und hergerissen zwischen Berufs- und Privatleben, in den letzten Jahren vor so einigen psychischen Herausforderungen, insbesondere während der Pandemie. Was bedeutet der Begriff überhaupt? Wenn wir von „Resilienz“ sprechen, meinen wir psychische Widerstandskraft – also die Fähigkeit, Krisen, Traumata oder starke Belastungen zu bewältigen, sie ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen und gestärkt oder zumindest gesund aus ihnen hervorzugehen. So werden zum Beispiel Kinder als resilient bezeichnet, die in einem sozialen Umfeld aufwachsen, das durch Risikofaktoren wie Armut oder Gewalt gekennzeichnet ist und als Erwachsene dennoch zu einer erfolgreichen Lebensführung in der Lage sind. Einige Ansätze stellen sogar Wachstumspotentiale fest: Demnach sind Menschen besonders resilient, die an Krisen wachsen und Veränderungen als Chance begreifen. Das Gegenteil von Resilienz wird allgemein durch den Begriff „Vulnerabilität“ ausgedrückt. „Insbesondere die Corona Zeit hat gezeigt, wie schnell sich alles ändern kann - wie bei vielen andern war das der Härtestest. Morgens das Kind ‚homeschoolen‘, während nebenbei noch das jüngere Geschwisterkind beschäftigt werden musste. Das Ganze – wie bei vielen Müttern und Vätern – alleine zu Hause, während meine Partnerin weiter zur Arbeit ging. Gleichzeitig musste ich der eigenen Vollzeitstelle im Home Office gerecht werden. Da wurden die Tage lang und die Gefahr, in stressigen Situationen dünnhäutig zu reagieren oder aus der Haut zu fahren, erhöhte sich. Um dem entgegenzuwirken, bedurfte es einer hohen psychischen Widerstandsfähigkeit, der ‚Resilienz‘. Resilienz kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie ‚Abprallen‘.“ Individuelle und organisationale Relevanz Der Begriff Resilienz kann nicht nur auf einzelne Menschen, sondern auch auf Gruppen oder Organisationen und Unternehmen bezogen werden. Ein Team ist demnach resilient, wenn es seine Funktionen angesichts äußeren oder inneren Wandels aufrechterhält oder wenn es sie im Notfall auf erträgliche und allmähliche Weise einschränkt. Es ist fähig, sich schnell an plötzliche oder unvorhergesehene Umweltveränderungen anpassen, die den Zusammenhalt und die Erfüllung der Teamaufgabe gefährden. Resilienz stellt sich in diesem Zusammenhang als ein komplexer interaktiver Prozess dar, der sich zwischen den Mitgliedern eines Teams oder einer Organisation in Abhängigkeit von soziologischen und ökonomischen Determinanten ereignet. „Lange vor der Pandemie habe ich im Rahmen meiner Ausbildung zum Betrieblichen Suchtbeauftragen den Begriff zum ersten Mal gehört und mein Team überzeugt, sich auf ein Resilienz- und Achtsamkeitstraining einzulassen. An dem zweitägigen Intensivkurs nahmen alle freigestellten Betriebsrät*innen teil. Man sprach über die besondere Rolle im Betrieb, die hohen Anforderungen, die an die unterschiedlichen Personen und Personengruppen geknüpft sind oder das vermeintliche Erfordernis der ständigen Erreichbarkeit. All das (und noch jede Menge mehr) saugen einem regelrecht die Energie aus und leeren stetig das eigene ‚Energiefass‘. Bleibt der Füllstand dieses Fasses über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Level, kommt es zur Phase des allmählichen Ausbrennens, die mit einer klinischen Depression enden kann.“ Gerade in der betrieblichen Gesundheitsförderung gewinnt das Resilienz-Konzept immer mehr an Bedeutung. Es wird als eine vielversprechende Möglichkeit zur Prävention von psychischer Beanspruchung, negativen Stressfolgen und Burnout angesehen. Da auch in den nächsten Jahrzehnten mit einer zunehmenden Stressbelastung in Unternehmen gerechnet werden muss, wird die Förderung der Resilienz zu einem zusätzlichen Interventionsansatz der Gesundheitsförderung neben der Verringerung der eigentlichen Stressbelastung. Ist Resilienz erlernbar? Während in der Frühphase der Resilienzforschung Resilienz als eine angeborene Eigenschaft verstanden wurde, geht man mittlerweile davon aus, dass Resilienz Einstellungen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten voraussetzt, die sich fördern und trainieren lassen. Daher haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Akademien und Unternehmensberatungen auf Resilienztraining und -stärkung spezialisiert. Sie stützen sich auf unterschiedliche theoretische Modelle und Ansätze. „Von immenser Wichtigkeit ist es, für sich selbst herauszufinden, welche Aktivitäten, Gedanken, Geschehnisse, Momente, etc. dazu beitragen, das Energielevel zu steigern, oder um im Bild zu bleiben: das Fass wieder zu füllen. Das können ganz einfache Sachen sein. Mein Energiebringer ist in den letzten Jahren das Wandern geworden. Ganz egal ob alleine oder mit der ganzen Familie. Auch das Tanzen trägt erheblich zur Wiederbefüllung des Speichers bei. Sollte das Energiefass wieder einmal bedrohlich leer werden, packe ich am Wochenende meinen Rucksack, schnüre meine Stiefel und laufe los. Der Weg ist das Ziel.“ Beispielsweise stellen manche Ansätze die Teamarbeit in den Vordergrund und helfen bei der Aushandlung konkreter Maßnahmen zur Krisenprävention. Gemeinsam werden Belastungssituationen und Ressourcen analysiert oder wertschätzende Zusammenarbeit definiert. Andere Ansätze wiederum konzentrieren sich eher auf ausreichende individuelle Regeneration und individuelle Grundeinstellungen wie Achtsamkeit, Optimismus, Lernbereitschaft oder Vertrauensfähigkeit. Hilfreiche Strategien zu Stärkung der organisationalen Resilienz können z.B. sein: die Analyse von eigenen Stärken und Schwächen die Reduktion von Risiken das Vorhalten von Reserven der Aufbau von Frühwarnsystemen und Aktionsplänen die Stärkung von Problemlösefähigkeiten in Bezug auf Mitarbeiter, Führungskräfte und Teams die Festigung sozialer Kontakte und des Zusammenhalts innerhalb der Organisation die Entwicklung gemeinsamer Werte und einer Kultur der gegenseitigen Unterstützung Politische Risiken des Ansatzes Der Resilienz-Ansatz hat auch Gegner. Hierbei dürfte besonders ein Kritikpunkt für uns, als Gewerkschaft genau abzuwägen sein: Seine mutmaßliche Tendenz, problematische oder krisenhafte Verhältnisse als gegeben zu akzeptieren und lediglich einen neuen Umgang mit ihnen zu finden. Die Ausübung bzw. Anwendung der entsprechenden Methoden darf also nicht einseitig dazu führen, dass die politischen Akteure und insbesondere die Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung entlassen werden, für arbeitnehmerfreundliche Arbeitsbedingungen zu sorgen. Insbesondere müssen wir vermeiden, dass Arbeitgeber den Druck erhöhen, wenn sie das Gefühl bekommen, ihre nun Stress-resistenter Mitarbeiter*innen „packen diesen jetzt noch besser“. Kritiker wie Klaus Ottomeyer oder Thomas von Freyberg sehen in diesem Kontext sogar die Gefahr der Individualisierung gesellschaftlicher Risiken und der Privatisierung sozialer Verantwortung. Ottomeyer spricht vom „Neoliberalismus in der Psychotherapie“. Der Resilienz-Hype suggeriere, dass ein Allheilmittel gegen Krisen und Probleme aller Art gefunden worden sei. -- Uns interessiert: Was haltet ihr von dem Ansatz? Und was unternehmt ihr, um eure Resilienz zu steigern? Bitte schreibt uns! Quellen: Haufe Online-Redaktion: Was ist Resilienz? Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen. Literaturtipp: Jutta Heller: 30 Minuten – Resilienz für Unternehmen, Offenbach am Main (Gabal) 2018. Zur Person von Sebastian Seuffert: Sebastian Seuffert, 41 Jahre alt, ist hauptamtlicher Bildungsreferent am Bildungszentrum Lohr-Bad Orb. Der Satz eines damaligen Betriebsratskollegen ist Sebastian bis heute in besonderer Erinnerung geblieben: „Ich halte ja eigentlich nichts von solch esoterischen Quatsch, aber dieses Resilienz-Training war absolut genial!“ Er ist überzeugt: „Solche Weiterbildungen können helfen.“

  • In Bildung investieren, auf allen Ebenen

    Unsere Bildungsarbeit schafft Orte zum Denken und Reflektieren, Räume, in denen Austausch stattfindet und sich Netzwerke bilden. Umso wichtiger ist es, dass diese Räume auch Orte zum Wohlfühlen sind. Damit unsere Kolleg*innen in optimaler Umgebung lehren und lernen können, stellen wir uns und unsere Angebote immer wieder selbst auf den Prüfstand. So bauen wir im Bildungszentrum Bad Orb derzeit das Haupthaus um. Bis Anfang 2025 sollen dort zwei große Tagungsräume, ein attraktiv gestaltetes Restaurant und ein großzügiger Wellnessbereich mit Blick über das Tal entstehen. In Beverungen wurde von 2021 bis 2023 ein neues Bettenhaus gebaut und in Betrieb genommen, das mehr Komfort bietet. Zudem laufen derzeit umfangreiche Umbaumaßnahmen der Bestandsgebäude. Im Zuge dieser infrastrukturellen Erneuerung vergrößern wir die bestehenden Zimmer und passen diese in der Ausstattung dem Komfort der Zimmer im Neubau an. In den Jahren 2024 und 2025 sollen zudem die öffentlichen Bereiche des Bildungszentrums neugestaltet werden. Speiseraum und Wellnessbereich werden ebenfalls, genauso wie wir zeitgleich die Ausstattung der Seminarräume auf den neusten Stand bringen. Im Freizeitbereich erweitern wir das Angebot durch zusätzliche E-Bikes und einiges mehr. Das Bildungszentrum Berlin wird ab 2025 komplett abgerissen und neugebaut. Der Bildungsbetrieb kann währenddessen aber in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Wir haben mit dem „Adrema“ ein stillgelegtes Hotel gefunden, das in 2024 auf unsere Bedürfnisse angepasst und 2025 bezogen wird. Dort stehen uns 130 Zimmer, entsprechende Seminarkapazitäten und ein Spa-Bereich zur Verfügung. Wir befinden uns dann mitten in Berlin, zwischen Charlottenburg und Moabit, nahe des Regierungsviertels. Das Hotel liegt an der Spree, von der Außenterrasse des Speisesaals blickt man direkt aufs Wasser. Das neue Haus in Berlin-Pichelsee bietet dann einen neuen Spa-Bereich, eine Dachterrasse, einen großen multifunktionalen Konferenzsaal, umlaufenden Balkone und natürlich Technik auf dem allerneusten Stand sowie Räumlichkeiten für Kinderbetreuung. Die Kritische Akademie Inzell verfügt seit der Corona-Pandemie über einen vollumfänglich ausgestatteten Technik-Raum für Online-Seminare, um euch weiterhin auch virtuell bestmögliche Lernerfahrungen bieten zu können. Im Jugendbildungszentrum Schliersee konnten wir durch den Umbau des Gästehauses zusätzlich zu den bereits vorhandenen Doppelzimmern zehn moderne Einzelzimmer mit Seeblick schaffen. Bei Ankunft erhalten alle Gäste eine Glasflasche, die sie jederzeit an der Getränkestation auffüllen können. Das in 2023 neu gestaltete Foyer mit großzügiger Kaffee- und Vitalecke bietet die Möglichkeit, sich in den Seminarpausen in gemütlicher Atmosphäre zu stärken. Die dazugehörige Lounge lädt zum aktiven Austausch ein. Nach einem anstrengenden Seminartag können Gäste in der Panoramasauna mit Ausblick in die oberbayrischen Alpen entspannen. Das Bildungszentrum Sprockhövel hat bereits vor wenigen Jahren einen kompletten Neubau erhalten. Weiterbildung und der Erwerb von Zusatzqualifikationen spielt sowohl für Referent*innen als auch für Kolleg*innen in anderen Hausbereichen eine große Rolle: Ob Supervisor*in, Coach, Mediator*in, Systemische Berater*in, Qualifizierung zu aktuellen Themen und Techniken, für gesunde Küche, Service- oder Verwaltungsthemen – wir bauen fortlaufend unser Fachwissen aus. Im Kompetenzzentrum Bildung und Digitales stehen Laptops und Tablets für Seminarteilnehmende zur Verfügung, die Anschaffung moderner Ton-, Kamera- und Videotechnik ermöglicht die Durchführung hybrider Veranstaltungen sowie Online- und hybride Seminare. Auch Nachhaltigkeit spielt in unseren Häusern natürlich eine große Rolle. Neben einem digitalen Zeitschriftenangebot schaffen wir mehr E-Bikes für die Mobilität vor Ort an und investieren in die Installation weiterer E-Ladesäulen. In unseren Küchen verwenden wir saisonale und regionale Lebensmittel und Handtücher tauschen wir nicht täglich aus, sondern nur auf ausdrücklichen Wunsch. Derzeit bietet Bildungszentrum Sprockhövel ganzjährig Kinderbetreuung an, Inzell in den bayerischen und baden-württembergischen Schulferien. In allen anderen Bildungszentren organisieren wir eine Kinderbetreuung auf Anfrage.

  • Kernkompetenzen stärken: Die tarifpolitische Bildungsoffensive gemeinsam gestalten

    Wir sprechen mit Irene Schulz über die Notwendigkeit einer Tarifpolitischen Offensive, die Kernkompetenzen der IG Metall und über die Wünsche der aktiven IG Metaller*innen. Warum braucht die IG Metall eine Tarifpolitische Bildungsoffensive? Wie wurde die Idee entwickelt? Irene Schulz: Wir haben unsere mehr als 1.000 Veränderungspromotor*innen aus den Zukunftsreihen des Projekts „IG Metall vom Betrieb aus denken“ befragt. 80 Prozent gaben an, die Komplexität der Tarifverträge und Gesetze hinterließe viel Unsicherheit. Bei der Frage „Wo wünschst du dir mehr Wissen und Kompetenz?“ standen Tarifverträge als Antwort ganz oben. Diese Ergebnisse verstehen wir als Auftrag. Denn sie reihen sich ein in die guten Gründe, unsere Kernkompetenz als IG Metall nicht nur abzusichern, sondern weiterzuentwickeln. Wir hatten bei den letzten BR-Wahlen mehr als 40 Prozent erstmalig gewählte Betriebsräte, bei den Vertrauensleuten sieht es ähnlich aus. Auch geht ein großer Teil unserer erfahrenen hauptamtlichen Sekretär*innen und Bildungsreferent*innen zeitnah in den wohlverdienten Ruhestand. Unsere jüngeren Kolleg*innen stehen für einen Generationenwechsel. Hier haben wir großen Qualifizierungsbedarf. Gleichzeitig sind unsere Mitglieder, Vertrauensleute und Betriebsräte täglich mit Tariffragen konfrontiert. Deshalb trägt die Offensive auch den Titel „365 Tage Tarif“. Es geht nicht nur um die Gestaltung erfolgreicher Tarifrunden, sondern auch um die dauerhafte erfolgreiche Anwendung unserer Tarifverträge in den Betrieben. Gute Arbeits- und Lebensbedingungen und gerechte Entgelte sind unser Anspruch, den wir konsequent – auch unter veränderten Arbeitsprozessen in den Betrieben - umsetzen wollen. Dieser Anspruch führt bekanntermaßen zu Konflikten mit den Arbeitgebern. Deshalb brauchen wir mehr Wissen, Beteiligungskompetenz und Mobilisierungs- und Konfliktfähigkeit. Was ist genau geplant, wo stehen wir gerade? Irene Schulz: Der Vorstand hat sein Go für das Vorhaben gegeben. Wir investieren in den nächsten vier Jahren in tarifpolitische Projekte, Qualifizierungsreihen und die Ausbildung von tarifpolitischen Expert*innen für die Geschäftsstellen, Bezirke und Betriebe. Aktuell befinden wir uns in der Vorbereitung der ersten Umsetzungsphase. In drei Projektphasen sollen Kolleg*innen qualifiziert werden und auch selbst qualifizieren. Diese Qualifizierung wird vor Ort in betrieblichen Projektreihen durchgeführt, an denen Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam teilnehmen. Wir bilden Referent*innen aus, etablieren einen flexiblen Trainer*innenpool und fördern den Austausch und die Vernetzung zwischen den Bezirken. Als Grundlage orientieren wir uns am Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken" und übernehmen Erfolgsfaktoren wie Personal- und Teamentwicklung, projektbasiertes Arbeiten und innovative Lernmethoden. Das Projekt ist eine logische Fortführung unserer in den vergangenen Jahren erfolgreich implementierten innovativen Ansätze in der Bildungsarbeit und ermöglicht uns, die tarifpolitischen Herausforderungen noch breiter und wirksamer anzugehen. Es stärkt unsere Tarifkompetenz und unsere Rolle als Gestalterin bei den zentralen Fragen „Arbeitszeit und Geld“. Welche konkreten Impulse sind vom Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ in die Bildungsoffensive übergegangen? Irene Schulz: Wir denken betriebliche Umsetzung und Qualifizierung noch stärker zusammen. Die enge und bewährte Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Bildungszentren ist bei der Ausbildung von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Referent*innen, bei den tarifpolitischen Projekten und der konzeptionellen Abstimmung eine hervorragende Voraussetzung für den Erfolg. Mit der Qualifizierung unserer eigenen Leute setzen wir auf Nachhaltigkeit. Die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in Tandems ist ein weiteres Erfolgsrezept. Wir brauchen fachliches, tarifpolitisches Know-how und genauso Anwendungs-, Beteiligungs- und Ansprachekompetenz. Und wir werden auch hier die Offensive nutzen, um mehr Referent*innen auszubilden, da wir beim Schwerpunkt Entgelt und Arbeitszeitgestaltung Nachwuchsbedarf haben. Welche Bedeutung hat das Projekt für die Mitglieder, Vertrauensleute und Betriebsräte der IG Metall? Irene Schulz: Eine große Bedeutung, das haben unsere Befragungen gezeigt. Der Wunsch unserer aktiven Metaller*innen nach mehr Sicherheit, mehr Wissen, mehr Power, um zu beteiligen und zu mobilisieren, wenn es darauf ankommt, ist allgegenwärtig. Tariffragen sind Macht- und Verteilungsfragen. Das fängt bei der Anwendung von Tarifverträgen im Betrieb an und spitzt sich in Tarifbewegungen zu. Die Erwartung der Beschäftigten und unserer Mitglieder ist klar adressiert. Bildung kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten, um unsere Kernkompetenz in den Betrieben abzusichern. Das Besondere an der Offensive ist, dass sie ganzheitlich angelegt ist, von allen Organisationseinheiten getragen wird und tarifpolitisch in den Bezirken verantwortet wird. In den nächsten drei bis vier Jahren investieren wir verstärkt und mit viel Power in die Ausbildung tarifpolitischer ehren- und hauptamtlicher Expert*innen, in die Umsetzung von betrieblichen Projekten und in die Qualifizierung von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Handlungskollektiven. Das ist eine sehr gute, eine extrem wichtige Investition.

  • Die Spaltung überwinden – Fallbeispiele aus dem Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken"

    Im Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ haben die Beteiligten ihre eigenen Anliegen aufgegriffen und in sogenannten Zukunftsreihen konkret bearbeitet. Vom Aufbau der Vertrauensleutearbeit über den Kampf um einen Tarifvertrag bis hin zur Verbesserung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit war die Bandbreite der betrieblichen Projekte extrem groß. Exemplarisch stellen wir hier zwei Praxisbeispiele vor. Sie zeigen, wie die Kolleg*innen eines Betriebs erfolgreich die Spaltung der Belegschaft überwunden und wie sie ein Zeichen gegen Rassismus in der Arbeitswelt gesetzt haben. Fallbeispiel 1: Betriebliche Spaltung überwinden In vielen Betrieben ist die Spaltung zwischen verschiedenen Teilen der Belegschaft ein weit verbreitetes Problem. Dies war auch bei der HDO GmbH, einem mittelständischen Unternehmen für Druckguss- und Oberflächentechnik in Nordrhein-Westfalen, der Fall. Durch die Ausgliederung einer Servicegesellschaft hatte sich die Belegschaft in "Beschäftigte erster und zweiter Klasse" aufgeteilt, wie es Ralf Sadrowsky, der Betriebsratsvorsitzende bei HDO, ausdrückt. "Bei uns arbeiten insgesamt 520 Beschäftigte, allerdings aufgeteilt in zwei Betriebe," erzählt Ralf. "Über 270 Beschäftigte bei uns und etwas mehr als 250 in der HDO Service GmbH, die oft unter einem Dach, teils sogar in denselben Räumen tätig sind." Während die HDO GmbH einen Betriebsrat und Tarifverträge hatte, fehlten diese grundlegenden Schutzmechanismen in der ausgelagerten Servicetochter. Versuche, dort einen Betriebsrat zu wählen, scheiterten mehrmals. Betriebsrat und IG Metall-Aktive entschlossen sich, das Problem anzugehen. Unterstützt durch das Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ begannen sie einen neuen Weg einzuschlagen. Ihr Ziel: Die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats für alle Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur HDO GmbH oder HDO Service GmbH. „Wir hatten keine Ahnung, ob und wie das möglich ist“, sagt Ralf. „Real sind wir ganz klar ein Betrieb, aber wie sieht es juristisch aus?“ Doch nicht nur rechtliche Fragen waren zu klären, sondern auch ganz praktische: Wie geht man mit Gegenwind vom Arbeitgeber um? Wie können Kandidatinnen und Kandidaten gewonnen werden? Und wie beteiligt man die ganze Belegschaft am besten an der Tätigkeit des Betriebsrats? „Dass wir das alles am Ende gemeistert haben, liegt daran, dass wir gelernt haben, strukturiert, mit Plan und guten Methoden an die Sache heranzugehen.“ So wurden zunächst die offenen Fragen und Probleme gesammelt. Dann wurden Lösungswege gesucht und in sinnvolle Schritte unterteilt: kleine, lösbare Aufgaben, in geordneter Reihenfolge. Zu jedem einzelnen Schritt gab es die passenden Trainings. Dabei wurde von Anfang an das gesamte Gremium mit einbezogen. Rechtsberatung, Eins-zu-eins-Gespräche mit der Belegschaft und schließlich den Arbeitgeber über die Wahlen informieren – am Ende war ihr Engagement von Erfolg gekrönt und ein gemeinsamer Betriebsrat für alle Beschäftigten gewählt. Dies war nicht nur ein Sieg für die Mitbestimmung, sondern auch ein großer Erfolg für die IG Metall selbst. Im Betrieb konnten sie ihren Organisationsgrad nochmal um fünf Prozent steigern. Zwischendrin mussten sie jedoch auch Rückschläge einstecken: „Es gab immer wieder Situationen, da hat nichts geklappt und wir sind in ein Loch gefallen“, sagt Ralf „Aber: ‚Scheitern ist sexy‘ war unser Slogan. Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben wir uns gegenseitig hochgezogen und nach vorne geschaut.“ Dass sich ein Handlungskollektiv selbst Ziele steckt und dann von einem Coach dabei begleitet wird, Weg und Arbeitsschritte zu finden und umzusetzen – diesem Konzept gehört für Ralf die Zukunft. „Meiner Meinung nach brauchen wir Seminarleiter*innen, die eine Gruppe lenken wie ein Fußballtrainer: Unser Saisonziel ist, im oberen Drittel anzukommen. Ja, und ihr seid jetzt dran und müsst eure Trainingsziele selber setzen. Was braucht ihr dafür? Was können wir euch an die Hand geben? Ich glaube, das ist die Zukunft der Bildungsarbeit.“ Fallbeispiel 2: Zeichen setzen – gegen Rassismus Die IG Metall vertritt nicht nur die Interessen von Arbeitnehmer*innen. Sie ist auch eine der größten Organisationen von Kolleg*innen mit Migrationsbiographie in Deutschland. Zahlreiche Mitglieder ohne deutschen Pass sind in Betriebsräten und anderen Gremien aktiv. Sie gewinnen mehr neue Mitglieder als jede andere Gruppe. Kolleg*innen aus und um Stuttgart wollten ihre Stimme stärker in der Organisation verankern und gleichzeitig gesellschaftspolitische Anliegen in die Öffentlichkeit tragen. Sasun Ascioglu, Vertrauensmann bei Mahle Filtersysteme in Stuttgart und Seyma Topcuoglu, Vertrauensfrau bei Mercedes-Benz in Sindelfingen, hatten eine klare Vision: Die antirassistischen Positionen der IG Metall stärker sichtbar zu machen und die migrationspolitischen Arbeitskreise in der IG Metall besser miteinander zu vernetzen. Unterstützt durch das Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken" wurde das Projekt zur Interkulturellen Woche 2022 ins Leben gerufen. Diese ist eine bundesweite Initiative, mit der Kommunen, Gewerkschaften, Migrant*innenorganisationen, Religionsgemeinschaften, Schulen und Sportvereine ein Zeichen gegen Rassismus setzen und gesellschaftliche Lernprozesse anregen wollen. Sie findet alljährlich um den 21. März, den Internationalen UN-Tag gegen Rassismus, statt. „Wir hatten vor, uns als IG Metall Stuttgart dort inhaltlich einzumischen und präsent zu sein“, sagt Sasun. Und so brachten Sasun und Seyma gemeinsam mit weiteren jungen Kolleginnen und Kollegen aus dem Arbeitskreis Migration der IG Metall Stuttgart ihre Idee als Projekt bei „IG Metall vom Betrieb aus denken“ ein. In vier Workshop-Modulen wurde das Vorhaben konkretisiert, ganz im Sinn einer klassischen Aktionsplanung: Welche Inhalte wollen wir einbringen? Welche Akzente wollen wir setzen? Mit wem müssen wir sprechen, was für Material brauchen wir? Was müssen wir sonst noch bedenken? Dabei wurden sie unterstützt von den Bildungsreferent*innen der IG Metall. So wurde das Vorhaben für sie zum Lernlabor für projektorientiertes Arbeiten. „Wir haben mit einer Projektumfeldanalyse – der sogenannten PUMA-Methode – angefangen und geschaut: Wer sind die Stakeholder, wo sind die Nahtstellen des Projekts?“ erzählt Sasun. „Wir haben Arbeitsmethoden erlernt, die uns inzwischen bei vielen Themen weiterbringen. Und so ist jeder und jede auch über sich selbst hinausgewachsen: „Ich habe am Internationalen Tag gegen Rassismus eine Rede gehalten“, berichtet Seyma. „Das hätte ich mir vorher nie zugetraut. Aber in diesem Projekt habe ich mich selbst weiterentwickelt.“ Zwei Dinge haben ihr dabei geholfen: „Ich habe gelernt, wie man mit der MISLA-Methode (Motivation, Ist-Zustand, Soll-Zustand, Lösung, Appell) einen überzeugenden Redebeitrag strukturieren kann. Und ich habe in dem Projekt gemerkt, dass ich nicht allein bin. Wir sind viele, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir achten aufeinander und stärken uns gegenseitig.“ Diese Initiative zeigte, wie Bildung und Engagement Hand in Hand gehen können, um nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch in die Stadtgesellschaft insgesamt hineinzuwirken und auszustrahlen. Grundsätzlich wollen Sasun und Seyma den Schwung des Projekts nun nutzen, um die Vernetzung der Migrationsarbeitskreise innerhalb der IG Metall zu verbessern. „Dafür haben wir auch beim WerkstattKongress in Leipzig zahlreiche gute Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen geknüpft“, sagt Seyma. Alles in allem war das Projekt ein Erfolg, und es war nachhaltig: Alle Projektbeteiligten bekamen bei der Umsetzung des Vorhabens von den Bildungsreferent* innen neue Methoden und Instrumente an die Hand, die sie in ihrem betrieblichen Alltag und ihrem gewerkschaftspolitischen Engagement vielfältig einsetzen. ___________________________________________________________________________ Ihr könnt die vollständige Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" auf unserer Website herunterladen und noch tiefer in die spannenden Projekte und Ideen eintauchen Unser Dank gilt allen, die an dem Projekt und dieser Broschüre mitgewirkt haben.

  • Innovativ und nah dran: Die Broschüre zum Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken"

    Das Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ hat neue Impulse in der und für die Bildungsarbeit gesetzt. Die Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" zeigt anschaulich anhand konkreter Beispiele aus dem Projekt, wie sich unsere Arbeit in den letzten Jahren verändert hat, mit welchen praxis- und beteiligungsorientierten Methoden wir beachtliche Ergebnisse und nachhaltige Erfolge in den Betrieben erreichen konnten. Bildungsarbeit gestaltet die Zukunft Wir haben dieses zukunftsweisende Veränderungsprojekt der IG Metall unter schwierigen Bedingungen gestartet, insbesondere durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Aber wir sind kreativ geblieben und haben innovative Ansätze erprobt, um die Bildungsarbeit in Bewegung zu halten. Wir haben neue Möglichkeiten wie das Coaching von betrieblichen Handlungskollektiven, kollegiale Beratung und Fallbearbeitung etabliert und uns von starren Hierarchien gelöst zugunsten einer flexiblen und reaktionsschnellen Organisation von kollektiven Lernprozessen. Mit dem Konzept der „Zukunftsreihen“ sind wir neue Wege gegangen, indem wir Lern- und Gestaltungsprozesse zusammengeführt und dabei Nachhaltigkeit und Wirkung im Blick behalten haben. Im Mittelpunkt standen betriebliche Projektvorhaben, die durch Methoden-, Prozess- und fachliche Kompetenzentwicklung begleitet werden. Die „Zukunftsreihen“ bilden das Fundament dieses Projekts. In ihnen haben wir in den letzten Jahren 1.400 Veränderungspromotor*innen in den Betrieben ausgebildet, empowert und vernetzt. Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg und zeigt, wie lebendig unsere Gewerkschaft in Bewegung ist. Exemplarisch stellen wir in der Broschüre einige ausgewählte Projekte aus unseren Bezirken vor. Lernmomente für die Zukunft Was nehmen wir aus dem Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ mit für die Zukunft? In verschiedenen Gesprächsrunden berichten Akteur*innen darüber, wie wir Bildungsarbeit weiterdenken können und müssen, um den Herausforderungen der Transformation zu begegnen. Wir wollen uns weiterhin nicht von externen Zwängen treiben lassen, sondern eine ökologisch und sozial gerechte Transformation erreichen – einen #FairWandel. Wir sind stolz darauf, dass wir als Team der Gewerkschaftlichen Bildungsarbeit in dieser schwierigen Zeit gemeinsam Resilienz bewiesen und unsere (digitalen) Kompetenzen konsequent und solidarisch weiterentwickelt haben. Unsere Bildungsarbeit wird sich weiterhin innovativ und nah an den Bedarfen der Beschäftigten orientieren. Sie wird inspirieren, Potenziale entfalten und unsere demokratische Streitkultur stärken. Wir sind überzeugt, dass Bildungsarbeit ein zentraler Schlüssel für eine lebendige Gewerkschaft und eine gerechte Zukunft ist. Die Broschüre ist eine Einladung, gemeinsam diesen Weg weiterzugehen, Neues auszuprobieren und unsere IG Metall zu stärken. Denn Bildungsarbeit gestaltet die Zukunft – und wir gestalten Bildungsarbeit. Ihr könnt die vollständige Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" hier herunterladen und noch tiefer in die spannenden Projekte und Ideen eintauchen. Unser Dank gilt allen, die an dem Projekt und dieser Broschüre mitgewirkt haben.

  • Volkswagen: Transformation im Betrieb

    Volkswagen stellt die Weichen auf Umbau statt Abbau. Das neue Kraftzentrum des Konzerns entsteht am Stammsitz in Wolfsburg und soll das Unternehmen in eine nachhaltige Zukunft inklusive langfristiger Beschäftigungssicherung führen. Wie schafft Wolfsburg einen fairen Wandel? Ein Gespräch mit Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG. (Redaktion) Bei VW seid ihr mit dem Thema "Transformation" schon ziemlich weit. Die Unternehmens-Strategie stellt in den nächsten Jahren die Elektrifizierung und die Digitalisierung, genauer, die Software-Integration, in den Mittelpunkt. Inwieweit wurde die Belegschaft in diesen Strategieprozess einbezogen? (Daniela) Als Belegschaftsvertretung haben wir mit dem Zukunftspakt und in der "Roadmap Digitale Transformation" ein Fundament für die Anforderungen der Zukunft gelegt, das die Beschäftigten zum Teil des Wandels macht und die richtigen Bedingungen dafür schafft. Zum Beispiel legen wir weiter großen Wert darauf, die Kompetenzen, die benötigt werden, im eigenen Haus zu entwickeln und Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren. Nicht nur in der klassischen Ausbildung. Die Fakultät 73 ist ein anderes gutes Beispiel. In zwei Jahren hat hier jede*r die Möglichkeit, außerhalb von formalen Voraussetzungen, Software-Entwickler*in zu werden. Erst vor wenigen Tagen haben weitere 91 Absolvent*innen ihren Abschluss gemacht und wechseln in einen Fachbereich oder zu unserer Software-Tochter “Cariad”. Dieser Umbau soll bis 2030 nahezu alle Bereiche des Unternehmens, auch am Stammwerk in Wolfsburg betreffen. Welche Möglichkeiten eröffnet dieser Umbau für die Mitbestimmung und wie kann der Betriebsrat gestalterisch in diesen Prozess eingreifen? Durch unsere Fachgremien und Kommissionen sind wir schon immer im Gestaltungsprozess einbezogen. Viele Impulse für aktuelle Prozesse sind daraus hervorgegangen. Wir verstehen uns als Volkswagen-Betriebsrat aber immer so, dass wir uns mit eigenen Ideen aktiv einbringen. Wir warten nicht auf Vorschläge und äußern uns dann dazu, wir bringen uns unter anderem in den Gremien aktiv ein. Für uns als Betriebsrat bedeutet es die Chance, den Wandel im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Statt den Wandel passieren zu lassen und anschließend die Bedingungen zu verändern, sorgen wir von vornherein dafür, dass die Zukunft des Konzerns gemeinsam mit den Beschäftigten entsteht. Die mit dem Umbau einhergehenden neuen Produktionsweisen machen auch eine neue Ablauf- und Aufbauorganisation nötig. Die Arbeit wird künftig anders organisiert. Andere Unternehmen im Automobilbereich sind hier schon weiter. Was wird vor dem Hintergrund der starken Unternehmenskultur von Volkswagen trotz aller Weiter-Qualifizierungen nur schwer aufzuholen sein bei der Wandlung des Unternehmens? Drastischem Personalabbau, der ja auch mit neu-organisierten Abläufen einhergeht, haben wir bei Volkswagen einen Riegel vorgeschoben. "Fairänderung" stand bei uns immer im Vordergrund. Das ist unsere Unternehmenskultur. Das mag manchmal längere Prozesse bedeuten, das nehmen wir aber in Kauf, wenn das Ergebnis stimmt. Wir müssen als Volkswagen den ONE-Family Gedanken im Blick behalten, das war und ist unsere Stärke. Wir haben schon einige große Veränderungen hinter uns und wir haben sie immer gemeistert und sind auch mit den Veränderungen zu dem Konzern geworden, der wir heute sind. Oft wird bei Veränderungsprozessen vor allem auf technische Faktoren geachtet, aber es geht dabei immer auch um Menschen.Wie begleitet ihr diese Transformation, damit sie eine faire ist? Und worauf sollten Kolleginnen und Kollegen in anderen Betrieben achten, die vor ähnlichen Transformationsprozessen stehen? Es braucht eine geregelte Mitbestimmung durch festgelegte Gremien, um Veränderungen umzusetzen. Das klingt sehr prozessorientiert, aber es stellt sicher, dass die Arbeitnehmervertretung immer angemessen informiert wird und sich so einbringen kann. Außerdem gilt: Nicht alles, was neu daherkommt, muss auf das eigene Unternehmen passen, man sollte individuell schauen, wie man Transformation im eigenen Bereich umsetzen kann. Der Austausch innerhalb der Branche kann aber hilfreich sein. Und am wichtigsten ist sicher: Transformation findet nicht auf der Überholspur statt. Strukturelle Fehler, die durch voreiliges Handeln gemacht wurden, lassen sich schwer korrigieren. Die kommende BR-Amtszeit wird hinsichtlich der Weiterbildung und der Qualifizierung anspruchsvoll. Worauf legt ihr als Gremium ein besonderes Augenmerk? Wir brauchen ein noch breiteres Angebot für alle Kolleginnen und Kollegen (auch und besonders in den Produktionsbereichen) und die Möglichkeit des informellen Lernens ohne komplizierte Bürokratie, wo uns unsere neue Lernplattform “degreed” hilft. Die Grundlage ist aber, dass alle Beschäftigten konkret und individuell auf sie zugeschnitten wissen, wie ihr Weg bei Volkswagen aussieht. Nur zu sagen, dass Qualifizierung nötig ist, ohne das Ziel zu nennen, funktioniert nicht. Der persönliche Kontakt und Empathie durch Vorgesetzte und Betriebsrät*innen spielen dabei eine große Rolle. Es gibt auch viele Kolleg*innen, die erstmalig als Betriebsrät*in gewählt werden. Welchen persönlichen Rat möchtest du ihnen mit auf den Weg geben? Volkswagen ist stark durch den Zusammenhalt in der Belegschaft. Wir sind alle Teil eines großen Ganzen. Deshalb schaut nicht nur auf euch, sondern seid auch empathisch und unterstützend gegenüber eurem Team und allen Kolleginnen und Kollegen. Liebe Daniela, Dankeschön für deine Zeit und das Gespräch! Daniela Cavallo absolvierte 1994 eine Ausbildung bei Volkswagen, studierte berufsbegleitend BWL und ist seit 2013 Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Seit 2021 ist sie an der Spitze der Arbeitnehmervertretung; „ein wichtiger Moment nicht nur für Volkswagen, sondern für die gesamte Gewerkschaftsbewegung". (Handelsblatt)

  • Ein Gespräch mit ChatGPT über die Betriebsratsarbeit

    Künstliche Intelligenz und ChatGPT verändern jetzt gerade unsere Arbeit und sind fester Bestandteil unseres Bildungsprogramms. Welche Möglichkeiten eröffnen diese Technologien bei der Interessenvertretung – und worauf müssen wir achten? KI-Systeme können fehlerhafte Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Arbeitnehmer haben können. Seit der Veröffentlichung von ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer), dem neuen, KI-gestützten Sprachbot aus dem Hause OpenAI ist das Internet voll mit Spekulationen darüber, wie sehr dieses Tool unsere Arbeit und unser Leben verändern wird. Dass es das tun wird, sind sich alle einig. Kein Tag, an dem nicht eine Geschichte über einen neuen Einsatz des Programms publik wird. Sträfliche wie z.B. Studierende, die von ChatGPT ihre Hausarbeiten oder gar Bachelor Arbeit haben schreiben lassen. Oder nützliche, wie z. Bsp. Code von Webseiten erstellt, Excel-Formeln entwickelt oder auch kreativer Austausch zwischen Mensch und Maschine im Rahmen einer besseren Themenfindung aussehen kann. Wo es (uns) bisher noch ein bisschen an Information fehlt, ist zur Frage, wie denn Betriebsräte mit ChatGPT umgehen können oder umgehen sollen. Und genau diese Lücke soll dieses Interview, das wir als Anfang einer Serie ansehen, schließen. Und daher haben wir den gefragt, der (die?) es eigentlich am besten wissen sollte: Den Chatbot selber. Vorab – Es gibt keine spezifischen Anforderungen für Betriebsräte in Bezug auf ChatGPT. Allgemein gilt jedoch, dass sie sich über die Funktionsweise, die Datensicherheit und den Einsatz von KI-Systemen in ihrem Unternehmen informieren sollten. Es empfiehlt sich, die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie die Datenschutzgesetzgebung zu verstehen. Und zu überwachen, wie KI-Systeme im betreffenden Unternehmen eingesetzt werden. Los geht's! ChatGPT, welche Risiken siehst du beim Einsatz von KI, worauf müssen die Interessenvertreter der Arbeitnehmer besonders achten? Beim Einsatz von KI gibt es einige Risiken, auf die Interessenvertreter der Arbeitnehmer besonders achten sollten: Datenschutz: KI-Systeme können eine große Menge an Daten sammeln, verarbeiten und speichern, einschließlich sensibler Informationen über Arbeitnehmer. Es ist wichtig, dass Unternehmen den Datenschutz und die Datensicherheit sicherstellen. Diskriminierung: KI-Systeme können diskriminierende Entscheidungen treffen, insbesondere wenn sie auf unvollständigen oder verzerrten Daten trainiert werden. Es ist wichtig, dass KI-Systeme regelmäßig auf Diskriminierung überprüft werden. Arbeitsplatz-Automatisierung: KI-Systeme können bestimmte Arbeitsplätze automatisieren und somit Arbeitsplätze gefährden. Es ist wichtig, dass Unternehmen eine sozial verantwortungsvolle Umsetzung von KI-Systemen sicherstellen und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bereitstellen. Fehlerhafte Entscheidungen: KI-Systeme können fehlerhafte Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Arbeitnehmer haben können. Es ist wichtig, dass KI-Systeme regelmäßig überprüft und verbessert werden, um solche Fehler zu minimieren. Um diese Risiken zu minimieren, sollten Interessenvertreter der Arbeitnehmer sicherstellen, dass ihre Unternehmen eine transparente und ethische KI-Politik verfolgen und dass sie in Entscheidungen zum Einsatz von KI-Systemen einbezogen werden. Wie sieht eine ethische KI-Politik in Unternehmen aus bzw. was muss darin geregelt werden? Eine ethische KI-Politik in Unternehmen sollte folgende Aspekte beinhalten: Datenschutz: Regeln für die Verwendung und den Schutz persönlicher Daten, einschließlich der Überwachung der Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung. Verantwortung und Überwachung: Klare Regeln und Verfahren zur Überwachung und Verantwortung für Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden. Diskriminierung und Bias: Regeln zur Verhinderung von Diskriminierung und Vorurteilen in den Entscheidungen von KI-Systemen, einschließlich regelmäßiger Überprüfungen auf Diskriminierung. Transparenz: Transparente Kommunikation über den Einsatz von KI-Systemen, einschließlich der erwarteten Auswirkungen auf Arbeitnehmer. Ethik und Menschenrechte: Regeln, die sicherstellen, dass KI-Systeme im Einklang mit ethischen und menschenrechtlichen Überlegungen eingesetzt werden. Weiterbildung und Schulung: Regeln zur Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern im Umgang mit KI-Systemen. Regelmäßige Überprüfungen: Regelmäßige Überprüfungen des Einsatzes von KI-Systemen, um sicherzustellen, dass sie ethisch und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Diese Aspekte können in einer schriftlichen KI-Politik festgehalten werden, die regelmäßig überprüft und aktualisiert wird, um sicherzustellen, dass sie den neuesten Entwicklungen und Anforderungen entsprechen. Wie kann ein Gremium selber ChatGPT einsetzen, um seine Arbeit zu erleichtern. Hast du da Vorschläge? Ja, ein Gremium kann ChatGPT einsetzen, um seine Arbeit zu erleichtern, indem es folgende Anwendungsbereiche nutzt: Protokollführung: ChatGPT kann als Protokoll Führungs-Tool verwendet werden, um die wichtigsten Punkte einer Sitzung zusammenzufassen und zu dokumentieren. Informationsbeschaffung: ChatGPT kann als Informationsbeschaffung-Tool verwendet werden, um schnelle Antworten auf Fragen zu liefern und umfangreiche Recherchearbeiten zu erleichtern. Entscheidungsunterstützung: ChatGPT kann als Entscheidungsunterstützungs-Tool verwendet werden, um Informationen und Daten zu analysieren, Prognosen zu erstellen und Entscheidungen zu unterstützen. Übersetzung: ChatGPT kann als Übersetzungs-Tool verwendet werden, um Texte oder gesprochene Sprache in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Es ist wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die Ergebnisse von ChatGPT immer von einem menschlichen Überprüfer überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden. Können Betriebsräte von ChatGPT auch Auskünfte aus dem Betriebsverfassungsgesetz bekommen? Ja, Betriebsräte können von ChatGPT Auskünfte aus dem Betriebsverfassungsgesetz erhalten. ChatGPT ist ein großes Sprachmodell, das mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert wurde, einschließlich Gesetzestexten wie dem Betriebsverfassungsgesetz. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die von ChatGPT gelieferten Informationen immer von einem qualifizierten Rechtsanwalt oder Fachmann überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden. Und kennt sich ChatGPT auch mit aktueller Rechtsprechung im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes aus? ChatGPT ist mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert worden, einschließlich Gesetzestexten und Rechtsprechung. Es kann daher in der Lage sein, Informationen über aktuelle Rechtsprechung im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes bereitzustellen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die von ChatGPT bereitgestellten Informationen immer von einem qualifizierten Rechtsanwalt oder Fachmann überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden. Es ist möglich, dass ChatGPT aktuelle Rechtsprechung nicht vollständig erfasst hat, und es ist immer am besten, sich an einen Fachmann zu wenden, um die aktuellste und genaueste Rechtsinformationen zu erhalten. Ok, dann zum Thema Projektmanagement: Kann ChatGPT einen Prozessplan mit mehreren Schritten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein müssen, entwickeln? Ja, ChatGPT kann einen Prozessplan mit mehreren Schritten entwickeln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein müssen. ChatGPT ist ein großes Sprachmodell, das mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert wurde, einschließlich Prozesse und Projektmanagement-Methoden. Es kann daher eine Schritt-für-Schritt-Anleitung oder einen Zeitplan für einen bestimmten Prozess bereitstellen, wenn es entsprechende Anfragen erhält. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100% ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollte der von ChatGPT bereitgestellte Prozessplan immer von einem erfahrenen Projektmanager überprüft und angepasst werden, um sicherzustellen, dass er den Anforderungen des Projekts entspricht. Was empfiehlst du Betriebsräten in Bezug auf den Einsatz mit ChatGPT Ich empfehle Betriebsräten folgendes, wenn sie über den Einsatz von ChatGPT nachdenken: Verstehen Sie ChatGPT's Stärken und Schwächen: ChatGPT ist ein mächtiges Sprachmodell, aber es ist wichtig zu verstehen, dass es keine 100% ige Genauigkeit garantieren kann und dass es immer am besten ist, die von ChatGPT bereitgestellten Informationen von einem qualifizierten Fachmann zu überprüfen. Nutzen Sie ChatGPT als Unterstützungswerkzeug: Betriebsräte sollten ChatGPT als Werkzeug nutzen, um ihre Arbeit zu unterstützen und zu beschleunigen, aber nicht als Ersatz für die Entscheidungen und Überlegungen eines erfahrenen und qualifizierten Gremiums. Überprüfen Sie die von ChatGPT bereitgestellten Informationen: Es ist wichtig, die von ChatGPT bereitgestellten Informationen immer von einem qualifizierten Fachmann zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie korrekt und aktuell sind. Verwenden Sie ChatGPT in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Vorschriften: Betriebsräte sollten sicherstellen, dass sie ChatGPT in Übereinstimmung mit allen relevanten Gesetzen und Vorschriften einsetzen, einschließlich Datenschutzgesetzen und Gesetzen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte. Insgesamt sollten Betriebsräte ChatGPT als Werkzeug nutzen, um ihre Arbeit zu erleichtern, aber immer sicherstellen, dass sie ihre Entscheidungen und Überlegungen selbst durchführen und auf die Meinung eines qualifizierten Fachmanns zurückgreifen. Kannst du als ChatGPT auch offizielle Briefe verfassen, zum Beispiel zur Mitteilung der Beschlussfassung des Gremiums über die Entsendung eines ihrer Betriebsräte zu einer Weiterbildung zu einem bestimmten Thema und einem konkreten Datum? Ja, ich kann als ChatGPT offizielle Briefe verfassen, einschließlich Briefen zur Mitteilung der Beschlussfassung des Gremiums. Hier ist ein Beispiel für einen Brief, der die Entsendung eines Betriebsrates zu einer Weiterbildung ankündigt: Sehr geehrte Damen und Herren, Wir, das Betriebsratsgremium, möchten Ihnen mitteilen, dass Herr/Frau [Name des Betriebsrates] zu einer Weiterbildung im Bereich [Thema der Weiterbildung] entsandt wird. Die Weiterbildung findet statt am [Datum der Weiterbildung]. Wir sind davon überzeugt, dass diese Weiterbildung für Herrn/Frau [Name des Betriebsrates] von großem Nutzen sein wird und ihm helfen wird, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, um seine Arbeit als Betriebsrat effektiver und effizienter ausführen zu können. Wir danken Ihnen im Voraus für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei dieser Angelegenheit. Mit freundlichen Grüßen, [Name des Betriebsratsvorsitzenden] Betriebsratsgremium. ChatGPT - auch wenn es komisch klingt, aber wir danken dir für das Gespräch. Zu guter Letzt Wir möchten als Redaktion auch darauf hinweisen, dass es gleich mehrere kritische öffentlich geführte Diskussionen über die Entwicklung und Verwendung von Künstlicher Intelligenz gibt. Unter anderem über die Vereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Fragestellungen oder heute schwer abschätzbare Gefahren, wie Beispielsweise vorgetragen von Elon Musk und weiteren Tech-Unternehmern oder ganzen Volkswirtschaften wie im Falle Italien.

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