Title
I'm a paragraph. I'm connected to your collection through a dataset. Click Preview to see my content. To update me, go to the Data Manager.
Seminarinhalte
My Items
I'm a title. Click here to edit me.
RESPEKT! Unser Seminarangebot 2025
Mit der Respekt!-Initiative zeigen wir: Wir stehen für ein respektvolles Miteinander ein und setzen klare Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung! Rassistische und demokratiefeindliche Aussagen begegnen uns auf der Straße, in Betrieben, in Medien und Politik. Gewaltsame Angriffe auf eine offene Gesellschaft nehmen zu. Für uns Metaller*innen gehört das Aufstehen gegen Rechts zum Selbstverständnis. Wir positionieren uns öffentlich und treten mit unserer politischen Bildungsarbeit für demokratische Grundwerte ein. AKTIONSFORMATE. Ihr wollt im Betrieb ein Zeichen für einen respektvollen Umgang setzen? Ihr habt einen konkreten Anlass im Betrieb? Die Respekt-Initiative unterstützt euch bei der Durchführung betrieblicher Aktivitäten gegen Rassismus. Die IG Metall-Roadshow ist im Respekt!-Design buchbar. Ausgestattet ist sie mit Materialien und Angeboten zum Informieren und Mitmachen. AKTIONSFONDS. Die Respekt!-Initiative beteiligt sich an Aktionen und Veranstaltungen gegen Rassismus und für Demokratie. Wir übernehmen bei Kooperationsveranstaltungen mit Geschäftsstellen, Gremien oder Vereinen 50 Prozent der Veranstaltungskosten, maximal 2.000 €. Voraussetzung dafür ist eine Kontaktaufnahme mit der Respekt!-Initiative im Vorfeld der Aktion. Bitte sprecht eure IG Metall-Geschäftsstelle vorab an. WORKSHOPANGEBOTE Respekt!-Workshop für Auszubildende Mit dem Respekt!-Workshop sensibilisieren wir Auszubildende zum Thema Diskriminierung und ermutigen sie dazu, Zivilcourage zu zeigen. Der eintägige Workshop ist konzipiert für Gruppen von bis zu 18 Auszubildenden. Er wird während der Arbeitszeit im Betrieb durchgeführt. Kämpfer*innen für Demokratie und Menschenrechte In der Ausbildungsreihe könnt ihr euch als Gruppe von Aktiven aus einer Geschäftsstelle gemeinsam mit konkreten Herausforderungen befassen. Die Reihe wird auf Anfrage in Zusammenarbeit mit einem Bildungszentrum durchgeführt. Individuelle Workshops auf Anfrage Für eure individuellen betrieblichen Situationen und Themen bieten wir auch passgenaue Workshop-Angebote an. Dazu schreibt uns einfach eine Mail oder ruft uns an. Unsere Seminare 2025 »HAST DU SCHON GEHÖRT …?« GEGEN GERÜCHTEKÜCHEN UND SPALTUNG 13.04.– 16.04.2025 WA01625 Beverungen zum Seminar> 28.09.– 01.10.2025 WA04025 Beverungen zum Seminar> KAMPF UM DEMOKRATIE UND ARBEITERRECHTE 05.01.– 10.01.2025 BD00225 Berlin zum Seminar> 13.04.– 17.04.2025 BV01625 Berlin zum Seminar> 22.06.– 27.06.2025 BC0262 Berlin zum Seminar> 20.07.– 25.07.2025 BC03025 Berlin zum Seminar> 12.10.– 17.10.2025 BD04225 Berlin zum Seminar> DEMOKRATIE UND FASCHISMUS 05.01.– 10.01.2025 BC00225 Berlin zum Seminar> 09.03.– 14.03.2025 BD01125 Berlin zum Seminar> 13.04.– 17.04.2025 BC01625 Berlin zum Seminar> 09.06.– 13.06.2025 BC02425 Berlin zum Seminar> 13.07.– 18.07.2025 BD02925 Berlin zum Seminar> 27.07.– 01.08.2025 BC03125 Berlin zum Seminar> 07.12.– 12.12.2025 BC05025 Berlin zum Seminar> WOFÜR WIR STREITEN WOLLEN: DEMOKRATIE, VIELFALT, SOLIDARITÄT! 12.01.– 17.01.2025 BC00325 Berlin zum Seminar> 21.04.– 25.04.2025 BD01725 Berlin zum Seminar> 14.12.– 19.12.2025 BC05125 Berlin zum Seminar> "ENT-RÜSTET EUCH!" 02.02.– 07.02.2025 BV00625 Berlin zum Seminar> 31.08.– 05.09.2025 BD03625 Berlin zum Seminar> MEILENSTEINE GEWERKSCHAFTLICHER SOLIDARITÄT ALS ORIENTIERUNG FÜR MORGEN 13.04.– 17.04.2025 BD01625 Berlin zum Seminar> 27.04.– 02.05.2025 BC01825 Berlin zum Seminar> 02.11.– 07.11.2025 BC04525 Berlin zum Seminar> METHODENWERKSTATT MIGRATIONSGESCHICHTE 04.05.– 28.02.2025 SK10925 Sprockhövel zum Seminar> 10.08.– 26.09.2025 SK13925 Sprockhövel zum Seminar> POLITISCHE MYTHEN ENTKRÄFTEN – POSITIONEN UND EIGENE ARGUMENTE SCHÄRFEN 18.05.– 23.05.2025 SI02125 Sprockhövel zum Seminar> 16.11.– 21.11.2025 SI04725 Sprockhövel zum Seminar> AKTIV GEGEN RECHTSPOPULISMUSUND SPALTUNG IM BETRIEB 12.01.– 17.01.2025 WB00325 Beverungen zum Seminar> 19.01.– 24.01.2025 BD00425 Berlin zum Seminar> 16.03.– 21.03.2025 BC01225 Berlin zum Seminar> 06.07.– 11.07.2025 BC02825 Berlin zum Seminar> 31.08.– 05.09.2025 WB03625 Beverungen zum Seminar> 23.11.– 28.11.2025 BC04825 Berlin zum Seminar> DER BETRIEBLICHE GLEICHSTELLUNGSBERICHT 12.01.– 15.01.2025 BO00325 Berlin zum Seminar> 25.05.– 28.05.2025 BO02225 Berlin zum Seminar> BLICK ZURÜCK – SCHRITT NACH VORN Reihe 1 23.02.– 25.02.25 OA00925 Bad Orb zum Seminar> Reihe 1 08.04.– 11.04.25 OA06525 Bad Orb zum Seminar> Reihe 2 21.09.– 23.09.25 OE03925 Bad Orb zum Seminar> Reihe 2 28.10.– 31.10.25 OA09425 Bad Orb zum Seminar> MUT ZUR DEMOKRATIE – RECHTEN TENDENZEN BEHERZT ENTGEGENTRETEN Reihe 1 25.05. – 28.05.25 BC02225 Berlin zum Seminar> Reihe 1 07.09.– 10.09.25 BV03725 Berlin zum Seminar> Reihe 2 01.06.– 04.06.25 BC02325 Berlin zum Seminar> Reihe 2 19.10.– 22.10.25 BD04325 Berlin zum Seminar> Für Referent*innen RECHTE PAROLEN, DEMOKRATIEFEINDLICHKEIT UND ANDERE STÖRUNGEN 23.02.– 28.02.2025 BC00925 Berlin zum Seminar> 21.04.– 25.04.2025 BC01725 Berlin zum Seminar> 26.10.– 31.10.2025 BD04425 Berlin zum Seminar> Nur §37,6, §179,4 AKTIV FÜR GLEICHE RECHTE UND GEGEN DISKRIMINIERUNG IM BETRIEB (REIHE) 23.02.– 28.02.2025 SK10925 Sprockhövel zum Seminar> 21.09.– 26.09.2025 SK13925 Sprockhövel zum Seminar> BETRIEBLICHE ÖFFENTLICHKEITSARBEIT – DEMOKRATIE STÄRKEN 08.07.– 11.07.2025 BE02825 Berlin zum Seminar> 07.12.– 10.12.2025 BT05025 Berlin zum Seminar> BESCHWERDE VON BESCHÄFTIGTEN UND BETRIEBLICHE BESCHWERDESTELLEN 26.01.– 31.01.2025 KG00525 Inzell zum Seminar> 23.11.– 28.11.2025 KE04825 Inzell zum Seminar> RECHTSRUCK IN DER ARBEITSWELT 17.02.– 20.02.2025 KE00825 Inzell zum Seminar> 19.10.– 22.10.2025 KA04325 Inzell zum Seminar> EIN BR FÜR ALLE: WIE DIVERSITY MANAGEMENT ZU EINEM INKLUSIVE ARBEITSUMFELD BEITRÄGT 29.07.– 01.08.2025 SK23125 Sprockhövel zum Seminar> Jugend AUS DER GESCHICHTE LERNEN (JUGEND III) 19.01.– 31.01.2025 JA00425 Schliersee zum Seminar> 11.05.– 23.05.2025 SL12025 Sprockhövel zum Seminar> 02.11.– 14.11.2025 JA04525 Schliersee zum Seminar> "SOLIDARITÄT? TAMAM, HAYDE!" - LERNEN AUS MIGRANTISCHEN KÄMPFEN" 30.11.– 05.12.2025 SL04925 Sprockhövel >zum Seminar ERINNERN, WAS NOCH ZU TUN IST - DEN HISTORISCHEN ANTIFASCHISMUS (ER)LEBEN IN HEIDERUH 17.08.– 22.08.2025 JB03425 Heideruh Der aktuelle Seminar-Flyer als PDF Wenn ihr Interesse an unseren Angeboten habt, meldet euch bei: Susanne Jasper susanne.jasper@igmetall.de 069 6693 2407 Melanie Kittel melanie.kittel@igmetall.de 069 6693 2448 Heloise Rost heloise.rost@igmetall.de 0160 533 01 14 respekt@igmetall.de
Themenwoche Bildung Digital
2. bis 4. Dezember 2024 – online Die Themenwoche Bildung Digital geht in die dritte Runde und findet vom 2. bis 4. Dezember 2024 online statt. Das Angebot richtet sich an alle Bildungsreferent*innen sowie alle interessierten Aktiven. Einige Workshops sind speziell für hauptamtliche Kolleg*innen vorgesehen. Bei den Moodle-Angeboten berücksichtigen wir zudem die unterschiedlichen Kenntnisstände der Teilnehmenden. Die jeweilige Zielgruppe ist im Ablaufplan farbig markiert und erklärt. Interessierte können sich separat zu jedem Workshop anmelden , ohne dabei durchgehende drei Tage am Stück teilnehmen zu müssen. Wer die gesamten drei Tage dabei sein möchte, ist aber natürlich herzlich eingeladen, dies zu tun. ABLAUF – WAS ERWARTET DICH? Eröffnet wird die Themenwoche am 2.12.2024 um 8:30 Uhr mit einem Input von Prof. Dr. Christine Zeuner mit dem Titel Utopie- und Demokratiefähigkeit – zum Begriff der politischen Bildung bei Oskar Negt . Im Anschluss beginnen die verschiedenen Workshops und Diskussionsformate zu gesellschaftspolitischen Themen, Methoden und Tools, KI und Bildungsarbeit, Moodle und zu zahlreichen weiteren Bildungsangeboten der IG Metall. Dazwischen gibt es zudem verschiedene offene Austauschforen für die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch. Wir runden die Veranstaltung am Mittwoch, den 4.12.2024, um 14 Uhr mit einer Diskussionsrunde zu einem Input von Albrecht von Lucke mit dem Titel Mehr (geschichts-)politische Bildung wagen! ab. → Einen genauen Ablaufplan findest Du hier als Download. ANMELDUNG – WIE KANN ICH TEILNEHMEN? Bitte registriere Dich für jeden Workshop separat. Die jeweiligen Links findest Du im → Ablaufplan . Anmeldefrist ist der 22.11.2024. FREISTELLUNG Für diese Veranstaltung übernehmen wir den Verdienstausfall. Wenn du diesen in Anspruch nehmen möchtest, schicke uns bitte eine Mail an → ref-bildung@igmetall.de BLEIB INFORMIERT! – WO FINDE ICH WAS? Die Themenwoche wird über den Moodle-Kurs → Themenwoche Bildung Digital 3.0 (Einschreibeschlüssel: digital) begleitet. Hier findest du alle Informationen, Abläufe, Dokumentationen, aber auch Hinweise bei z. B. kurzfristigen Änderungen oder Zugängen. Bleib also up-to-Date und schreibe dich als Nutzer*in in den Kurs ein!Du hast noch keinen Moodle-Account? Dann registriere Dich unter dieser → Seite . Tipp: Ein Besuch im Kurs lohnt sich auch schon vorab zur Veranstaltung. WEITERE FRAGEN? Dann melde dich einfach unter → ref-bildung@igmetall.de Wir freuen uns schon auf Dich und eine tolle bunte Runde Anfang Dezember! Dein Bildungsteam bei der IG Metall i.A. Antonia Steinijans, Sabine Künzel und Guido Brombach
»Sei deine eigene Heldin« – starke Persönlichkeiten für eine starke Demokratie
In Emden wurden Ende August die ersten Demokratiekämpfer*innen ausgebildet. Ein Besuch in der Halbzeit des zweieinhalbtägigen Seminars. Die Demokratie steht unter Druck. Um sie aktiv zu verteidigen, bildet die IG Metall Demokratiekämpfer*innen aus. Bundesweit und für betriebliche und überbetriebliche Gruppen bietet die Gewerkschaft in den nächsten Monaten die vierteilige Seminarreihe an, die Metaller*innen fit machen soll für die Diskussionen, die zur Zeit in immer mehr Betrieben, Familien und Freundeskreisen stattfinden. Das erste Seminar hat nun in Emden stattgefunden – mit 25 Menschen aus sieben Betrieben, von Jungendausbildungsvertretungen bis zu Seniorenausschuss-Mitgliedern, aus betrieblichen Arbeitsgruppen ebenso wie aus Arbeitskreisen der IG Metall-Geschäftsstelle. Zweieinhalb Tage lang ging es zum einen um Inhaltliches: Worin genau besteht die Bedrohung der Demokratie? Was wollen rechte Organisationen und warum gewinnen sie gerade in diesen Zeiten so viele Anhänger*innen? Zum anderen haben die Teilnehmenden Argumentationstrainings praktiziert, sich mit Argumentationen auseinandergesetzt und damit, dass es nicht die eine Antwort gibt, die man auf einem Zettel in der Tasche hat. »Vielmehr geht es darum, sich empathisch mit denen auseinanderzusetzen, die an der Demokratie zweifeln, auf sie zuzugehen, Sorgen und Nöte anzuhören und dann gemeinsam solidarische Lösungen zu entwickeln«, erklärt Chaja Boebel, im Ressort Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik des IG Metall-Vorstands verantwortliche Koordinatorin für das Engagement der Gewerkschaft gegen demokratiefeindliche Tendenzen und Referentin des Seminars. Franka Helmerich, erste Bevollmächtigte der IG Metall Emden hatte die Fortbildung für ihre Region schon mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 und die Betriebsratswahlen 2026 organisiert: »Wir wollen jetzt schon in unseren Gremien in den Betrieben Multiplikator*innen unt er den Kolleg*innen finde n, um dem Rechtsruck entgegenzutreten«. Auch in Emder Betrieben gebe es Menschen, die rechte Positionen vertreten, die – vor allem über soziale Medien – geteilt und verbreitet würden . »Wir wollen die Kolleg*innen stärken, damit sie sich im täglichen Austausch, egal ob an der Werkbank oder auf dem Geburtstag der Schwiegermutter, behaupten können«. Genau das hatte viele der Teilnehmenden motiviert, an dem Seminar teilzunehmen: Torsten arbeitet bei VW und findet: »Die politische Landschaft bei uns wird immer brisanter, und wir brauchen die Demokratie, um unsere Arbeitsplätze und unsere soziale Absicherung zu schützen«. Die Transformation, in der auch Volkswagen stecke, mache vielen Menschen Angst, aber »Angst führt leicht zu Populismus, und wir brauchen konkrete Ziele, Leitplanken und Sicherheit«. Teilnehmerin Kathrin begegnet besonders im privaten Bereich immer mal wieder rassistischen Äußerungen. In dem Seminar habe sie nun gelernt, «dass viel zu wenig bekannt ist, was in den Ländern passiert, in denen rechtsextreme Parteien an der Macht sind – beispielsweise was dort mit Arbeitnehmer*innen geschieht«. Und Teilnehmer Julian treibt an, »dass bei den Wahlen immer mehr rechte Parteien gewählt werden, die nicht hinter der Demokratie stehen und alle Errungenschaften, die wir in den letzten Jahrzehnten erreicht haben, zunichtemachen wollen«. Genau dagegen kämpft die IG Metall: »Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass wir Mitglieder haben, die im Betrieb arbeiten und undemokratische Parteien wählen. Diese bringen ihr Gedankengut in die Organisation ein und könnten, wenn wir nicht gut aufgestellt sind, die Debatte dominieren und uns von unseren in der Satzung verankerten Grundwerten wegzubewegen versuchen«, erklärt Chaja. Denn dass die IG Metall in den Betrieben eine starke Macht ist, die im Interesse der Kolleg*innen vieles erkämpft, »ist im Betriebsratsgremium nur möglich, wenn wir mit einer starken, gemeinsamen Stimme sprechen«. Und so sollen die Demokratiekämpfer*innen auch helfen, eine Art Resilienz gegen rechte Ideen und rechte Listen bei den nächsten Betriebsratswahlen zu entwickeln. Starke, glaubwürdige und empathische Persönlichkeiten sollen das sein, die in der Lage sind, in Diskussionen für eine demokratische solidarische Kultur einzustehen. Das zu lernen – auch darum ging es in Emden. »Sei deine eigene Heldin, dein eigener Held«, hat eine Teilnehmerin gesagt und damit gemeint: »Sei sichtbar als die Person, die du bist.« Denn natürlich sei jede und jeder Teil eines Kollektivs, aber eben auch jemand, die alleinerziehende Mutter ist, jemand mit einem großen Interesse an der Natur oder an der Kunst. »Je mehr die Menschen etwas finden, wo sie bei dir andocken können und sehen, dass du trotz deiner persönlichen Herausforderungen bereit bist, dich für den Erhalt der Demokratie einzusetzen, desto mehr können sie sich an dir orientieren«, erklärt Chaja. Und so haben die Teilnehmenden in Emden ihre betrieblichen und persönlichen Lebenswirklichkeiten miteinander verknüpft. Sie haben viel über die spezifische Situation vor Ort diskutiert und wollen Handlungskollektive bilden, die auch dann arbeitsfähig bleiben, wenn der Ausbildungsgang beendet ist. Es geht beispielsweise um Aktionen der JAV, schon bei den Begrüßungsrunden der neuen Auszubildenden das Thema an Hand sozialer Ungleichheit anzusprechen, es geht um eine bessere Vernetzung der Geschäftsstelle mit anderen demokratischen Träger*innen der Zivilgesellschaft in Emden, es geht darum, beispielsweise direkt an den Arbeitsplätzen im VW-Werk als Vertrauensleute-Team interaktionsfähig zu werden. Auch bei den Senior*innen ist eine Idee entstanden: beispielsweise wollen sie Bündnisse schaffen, vielleicht mit dem Sozialverband oder »Omas gegen Rechts«. Die in diesem ersten Modul der Reihe entwickelten Ideen werden nun mit Leben gefüllt und im nächsten Teil der Reihe weiter bearbeitet. Damit auch morgen gilt, weswegen Melanie sich entschieden hat, Demokratiekämpfer*in zu werden: »Ich möchte, dass wir Vielfalt erleben, dass wir verschiedene Ansichten diskutieren können, dass wir in unserem Verhalten und Tun nicht eingeschränkt werden. Das macht mich glücklich.« Mehr Infos gibt es hier: IG Metall, Gewerkschaftliche Bildungsarbeit Susanne Jasper, susanne.jasper@igmetall.de Timo Kwiatkowski, timo.kwiatkowski@igmetall.de
Sprechfähig werden
»Demokratie stärken – Beteiligung fördern« heißt das Projekt, mit dem in den IG Metall-Bezirken betriebliches Engagement gegen rechte Positionen gestärkt werden soll. Im Bezirk Niedersachsen/Sachsen Anhalt unterstützt Felix Wesche die Arbeit vor Ort. Wir haben ihn bei einem Besuch in der Geschäftsstelle Celle-Lüneburg begleitet. »Engagement gegen Rechts ist seit langem Teil der DNA unserer Geschäftsstelle. Wir arbeiten vor Ort erfolgreich in einem breiten antifaschistischen Bündnis. Im Frühjahr haben wir beispielsweise die Proteste gegen den AfD-Landesparteitag in Celle mit organisiert.« Lennard Aldag, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Lüneburg, ist überzeugter Antifaschist: »Als Metaller*innen nehmen wir unsere Verantwortung aus der Geschichte ernst. Wir organisieren jährlich Stadtrundgänge zum Thema Nationalsozialismus und Verfolgung der Gewerkschaften und intervenieren in aktuellen Auseinandersetzungen gegen Rechts.« Aktuell aber hat sich etwas verändert: »In der Konfrontation mit rechten Stimmungen oder Positionierungen in den Betrieben stoßen wir an Grenzen«. Lennard und sein Kollege, Gewerkschaftssekretär Ralf Müller, nehmen wahr: »Der Wandel in den Betrieben schafft Unsicherheit, die Leute sind offen für einfache Antworten.« Regionale Perspektive wichtig Das liegt auch an der Region: »Wir sind eine extreme Flächen-Geschäftsstelle, unsere großen M+E-Betriebe liegen in der strukturschwachen Grenzregion zu Sachsen-Anhalt, hier pendeln viele Kolleg*innen aus der Altmark zur Arbeit – eine Gegend mit hohen Affinitäten zu AfD-Positionen. Themen wie Rassismus und die Ablehnung der ›da oben‹ spielen eine zentrale Rolle«, sagt Ralf. Denn trotz Tarifverträgen und guter Eingruppierungen machten sich viele Beschäftigte Sorgen um ihre Zukunft – das gelte vor allem für Männer mittleren Alters und mit mittlerem Bildungsabschluss. Azubis hingegen engagierten sich überwiegend sogar offensiv gegen die AfD. »Da fehlt uns die Sprechfähigkeit« Gespräche darüber, warum diese Kolleg*innen ihre Hoffnungen ausgerechnet auf die AfD setzten, seien oft gar nicht so leicht: »Denn im persönlichen Gespräch bekennen sich zwar einige zur AfD, im betrieblichen Kontext aber gibt es eine ›Schamgrenze«. Die wehren jedes Gespräch darüber ab«, erzählt Lennard. Es sei zuweilen nicht leicht, im Kontakt zu bleiben »Da fehlt uns die Sprechfähigkeit.« bringt es Ralf auf den Punkt. Es sind genau solche Tendenzen, die die IG Metall veranlasst haben, 2019 den „Verein zur Bewahrung der Demokratie“(VBD) zu gründen. Der soll Kolleg*innen in Betrieben und IG Metall-Geschäftsstellen darin unterstützen, sich gegen rechte Tendenzen zu wehren und so Demokratie und Mitbestimmung zu schützen (siehe Info ). Demokratie stärken – Beteiligung fördern Und das tut Felix Wesche. Er ist Leiter des Projekts „Demokratie stärken – Beteiligung fördern“ im Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt des VBD. Im Gespräch mit Ralf und Lennard hat er eine klare Antwort: »Wichtig ist die offene Auseinandersetzung«. Denn seien die Fronten erst verhärtet, könnten sich rechte Strukturen in den Betrieben etablieren. Er selber hat ausführlich zu rechten Netzwerken mit gewerkschaftlichem Bezug recherchiert: »Da gibt es eine offen rechtsextreme Vereinigung, die sich Gewerkschaft nennt, aber im Kern gewerkschaftsfeindliche Arbeit macht.« Wo extrem rechte oder populistische Akteur*innen präsent seien, versuchten sie, die Arbeit der IG Metall zu untergraben und verbale Gegnerschaft zu artikulieren. Dabei fehle ihnen meist jede Idee von konstruktiver Arbeit. Hier setzt deshalb das Projekt »Demokratie stärken« an: »Wir schauen genau hin, wo versteckte oder offene Verbindungen zu organisierten Rechtsextremen bestehen, wo sich betriebliche Akteur*innen jenseits des Betriebes offen antidemokratisch äußern oder organisieren – wir wollen die Wölfe im Schafspelz entlarven«, erklärt Felix das Vorgehen. Konkrete Unterstützung Aber der Verein leistet auch ganz konkrete Unterstützung in betrieblichen Auseinandersetzungen um rechtsextreme Positionen. Lennard weiß dabei ziemlich genau, was fehlt: »Die Argumente, mit denen wir konfrontiert werden, sind oft irrational, falsch wiedergegeben, aus dem Kontext gerissen und sehr populistisch. Wenn wir widersprechen, wird gleich das nächste Argument rausgeholt – diese Form der Auseinandersetzung kann sehr schnell ermüdend werden oder einfach zur offenen Ablehnung führen. Uns fehlen Kompetenzen und einfache Antworten, um im betrieblichen Alltag sprechfähig zu werden.« Genau die hat Felix: »Hier setzen wir an: Wir sammeln Argumentationsmöglichkeiten, bieten niedrigschwellige Gegenargumente. Und wenn es gewollt ist, organisieren wir für Gremien auch Argumentationstrainings.« Doch es geht ihm um mehr: »Wir müssen offen bleiben für die Auseinandersetzung mit den Kolleg*innen. Wenn die Verbindung dicht ist, sind die Menschen für uns weg.« Es sei wichtig, dass sich die Kolleg*innen angesprochen fühlten und Themen behandelt würden, die sie bewegten. Lennard ergänzt: »Und gleichzeitig müssen wir auch wissen, wann es gut ist und klare Kante gezeigt werden muss.« Es brauche ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, adäquat zu reagieren. Wir brauchen Demokratiekämpfer*innen! Besondere Aufmerksamkeit erforderten dabei die sozialen Medien „Oft bekommen wir nur am Rande mit, wenn in Chatgruppen oder bei Facebook einzelne Kolleg*innen Memes oder Posts teilen oder Stories basteln, die eindeutig rechtsextreme Verweise oder Inhalte haben«, erzählt Ralf. »Denn schlussendlich kommt es auf die Kolleg*innen an: Wir müssen sie ermutigen und befähigen, in der betrieblichen Situation zu intervenieren und klar zu machen, dass unsere Ideen von Solidarität und Miteinander die Lösungen für gesellschaftliche Probleme sind und nicht Ausgrenzung und Diskriminierung.« Dabei unterstütze der VBD unter anderem mit Hintergrundrecherche und strategischer Beratung. Die Bildungsarbeit der IG Metall sorgt darüber hinaus dafür, dass die Gewerkschafter*innen eine stabile Grundhaltung entwickeln und sich trauen, sie klar und deutlich zu äußern. Lennard bringt es auf den Punkt: »Wir brauchen Demokratiekämpfer*innen!« Der Verein zur Bewahrung der Demokratie ist ein aktuell in vier Bezirken der IG Metall (BaWü, NDS-LSA, BBS und NRW) ansässiger Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen rechtsextreme Aktivitäten in Betrieben vorzugehen. Er wurde als Resultat eines Beschlusses vom Gewerkschaftstag 2019 gegründet. Neben der konkreten Arbeit im Betrieb gehört auch das Monitoring und die Recherche sowie Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit in den haupt- und ehrenamtlichen Gremien der IG Metall zu seinen Aufgaben. Es ist geplant und beschlossen, die VBD-Strukturen zu erweitern und in jedem Bezirk eine Ansprechperson einzurichten.
Demokratie lernen
Chaja Boebel war bis vor kurzem im IG Metall Bildungszentrum Berlin verantwortlich für gesellschaftspolitische Themen, hat dort beispielsweise Argumentationstrainings gegen Rechtspopulismus, gesellschaftspolitische Weiterbildungen oder Geschichtsseminare organisiert und durchgeführt. Nun ist sie im Ressort Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik des IG Metall-Vorstands verantwortliche Koordinatorin für das Engagement der Gewerkschaft gegen demokratiefeindliche Tendenzen. Chaja, was genau ist deine Aufgabe beim IG Metall-Vorstand? Ich bin für die Ausgestaltung der Aktivitäten der IG Metall gegen Rechtsextremismus und für Demokratie verantwortlich und arbeite dabei immer noch sehr stark inhaltlich und bildungsbezogen. Warum ist das gerade nötig? Es gibt eine sehr große Bereitschaft, rechts zu wählen. Wir tun uns mit befreundeten Gewerkschaften und Institutionen zusammen, um klar zu machen, was auf dem Spiel steht. Wählen denn Gewerkschaftsmitgliedern überhaupt rechts? Ja, durchaus. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Gewerkschafter*innen sogar leicht überdurchschnittlich zu rechtem Denken und Wahlverhalten neigen. Und dabei sind unsere Mitglieder – die industriell geprägten Facharbeiter – besonders stark vertreten. Die Rahmenbedingungen haben sich einfach so verändert, dass die Unsicherheit groß ist. Dagegen setzen wir auf Bildung. Inwiefern? Man läuft ja Gefahr, sich treiben zu lassen und auf die Inhalte, etwa der AfD, nur zu reagieren und beispielsweise die ganze Zeit über Flüchtlinge zu diskutieren. Aber wir wollen eigene Themen setzen. Und welche sind das? Es geht uns um soziale Gerechtigkeit, um eine Transformation, die alle mitnimmt, um sichere Arbeitsplätze. Kann man Demokratie lernen? Ja, das muss man sogar. Von dem Soziologen Oskar Negt stammt das Zitat »Demokratie ist die einzige Staatsform, die gelernt werden muss«. Und zwar in den Betrieben, aber auch darüber hinaus. Und welchen Beitrag leisten dabei die Bildungsangebote der IG Metall? Wir erarbeiten beispielsweise, wie sich Kompromisse aushandeln lassen. Denn Politik beruht ja immer auf Kompromissen. Niemand kann seine Interessen komplett durchsetzen, wenn am Ende alle gut mit der Lösung leben wollen. Populisten behaupten aber etwas anderes. Und es geht um historische Bezüge: Wann haben Gewerkschaften und politische Parteien in der Vergangenheit wie entschieden? Und was hat sich mittel- und langfristig daraus ergeben? Es gibt Seminare, in denen wir ganz konkret in die 1920er Jahre und auf den damaligen Kampf um die Demokratie schauen. Ist die Nachfrage nach Veranstaltungen zum Thema Rechtspopulismus gerade höher als sonst? Ja, sehr viel höher. Wir haben deshalb beispielsweise die Zahl der Seminare »Aktiv gegen Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft« verdoppelt. Und wir wollen mit einer neuen Ausbildungsreihe 1.000 Betriebsrät*innen und Vertrauensleute zu »Demokratiekämpfer*innen« ausbilden. Generell haben wir in den letzten Jahren vermehrt unser zentrales Bildungsangebot ergänzt um Formate, die aktuellen Anforderungen flexibel begegnen. Da ging es zum Beispiel um den Umgang mit rechten Akteur*innen im Betrieb, um Verschwörungsvorstellungen, Antisemitismus und Rassismus, aber auch um Themen wie den Krieg in der Ukraine oder die Debatten in Folge der Terroranschläge der Hamas. Wir haben dazu Wochenendseminare, Diskussionsrunden und Online-Workshops in Betrieben, Geschäftsstellen und Bezirken der IG Metall durchgeführt. Immer nach dem Grundsatz: Wenn ein Thema wichtig für Euch ist, dann meldet Euch und wir schauen, ob wir dazu eine Veranstaltung anbieten können. So möchte ich das auch weiterhin machen. Warum engagieren sich Gewerkschaften eigentlich gegen Rechts? Wir sind qua Satzung dazu verpflichtet, uns demokratiegefährdenden Strukturen entgegenzustellen. Mitbestimmung geht nicht ohne Beteiligung. Nicht umsonst möchte die AfD ja am liebsten die Tarifautonomie aufweichen und die Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen ganz außen vor lassen. Zeigt der Blick in andere europäische Ländern, was uns drohen könnte? Ja. In Österreich beispielsweise haben ÖVP und FPÖ die 12 Stunden-Tage wieder eingeführt, in Ungarn haben Arbeitgeber durch das so genannte »Sklavengesetz« das Recht, von ihren Mitarbeitenden bis zu 400 Überstunden im Jahr einzufordern. Aus den Betrieben kommt ja oft der Wunsch, mit einfachen Antworten auf die ebenfalls einfachen, aber falschen Argumente der Rechtspopulisten reagieren zu können. Ist das realistisch? Nein, es gibt keine einfachen Antworten. Auch wenn die Rechtspopulist*innen so tun, als ob. Uns geht es darum, nicht einfach Rechten-Bashing zu machen, sondern sie inhaltlich zu stellen. Es geht darum, an der eigenen Haltung zu arbeiten und zu fragen: Gibt es für die Probleme, die wir haben, nicht auch solidarische Lösungen? Denn die gibt es natürlich. Also viel Arbeit? Ja, aber es geht nicht anders. Mit unseren Bildungsangeboten zeigen wir den Wert der Demokratie und warum es nötig ist, sich für sie zu engagieren. Denn Demokratie erkennt unterschiedliche Positionen an. Rechtsextreme schließen alle aus, die nicht ihrer Meinung sind. Sind eigentlich alle Betriebe gleich anfällig für derartige Gedanken? Nein. Man kann sagen: Wenn Mitbestimmung gut läuft, dann sind Belegschaften immuner gegen rechtsextreme Verlockungen. Denn dann wissen sie genau, was es zu verteidigen gilt.
IG Metall Wyjaśnia
Z edukacją na rzecz sprawiedliwej mobilności: Bartosz Marosz dba o polskie Koleżanki i polskich Kolegów, którzy pracują w Niemczech. Bo tylko ten, kto je zna , może egzekwować swoje prawa. Historia Bartosza Marosza i IG Metall zaczęła się w laboratorium w Meklemburgii-Pomorzu Przednim. Polak pracował tam w kontroli procesów produkcji. Jego pracodawca postanowił zlecić końcową produkcję podwykonawcy, który zamierzał zatrudniać przede wszystkim polskich pracowników na złych umowach i za płacę poniżej minimalnej. Jeden z kolegów przyprowadził kilku z nich do laboratorium Bartosza: »Wyjaśnij im, że to są złe umowy«. Bartosz to zrobił. I poinformował ich również, w jaki sposób niemiecki system Związków Zawodowych może im pomóc się bronić. I tak koledzy się zorganizowali. Bartosz, który sam w 2011 roku przeprowadził się z rodziną z Polski do Niemiec i początkowo pracował jako pracownik tymczasowy w odlewni żelaza w Ueckermünde, od tamtej pory angażował się w IG Metall, budując mosty wewnątrz polskiej społeczności. A ta jest duża - zwłaszcza na północy: »Tylko w Rostocku mieszka 20 000 polskich obywateli, w Bremie i Hamburgu po około 40 000«, tłumaczy Bartosz. Do tego dochodzą liczni pracownicy transgraniczni dojeżdżający na dzień i tydzień – w Meklemburgii-Pomorzu Przednim około 15 000. Wiele firm osiedla się w pobliżu granicy z Polską, aby przyciągnąć polskich pracowników. »Są zakłady, w których załoga składa się w 80 procentach z Polaków«, mówi Bartosz. Z reguły nie wiedzą oni, jak działają Związki Zawodowe w Niemczech i jakie prawa mają jako pracownicy. Aby sprawiedliwa mobilność nie była ograniczana przez bariery językowe ani brak świadomości praw pracowniczych, IG Metall stawia na komunikację w języku ojczystym. I tak cztery lata temu Bartosz dostał szansę, aby stać się zawodowym budowniczym mostów, najpierw pracując w stowarzyszeniu blisko związanym ze Związkiem Zawodowym »Dau Wat«. Obecnie uczestniczy w rocznym programie szkoleniowym dla sekretarzy związkowych w IG Metall-Küste. Jest kimś w rodzaju przedstawiciela IG Metall dla polskich pracowników w Niemczech. Stosowane są tradycyjne narzędzia związkowej komunikacji: media społecznościowe, seminaria, filmy, ulotki, oferty doradcze w zakładach i poza nimi – wszystko po polsku. W jednym z filmów Bartosz wyjaśnia po polsku IG Metall, dostępne są ulotki i formularze członkowskie po polsku, a jego grupa na Facebooku, skupiająca Polaków pracujących w Niemczech, ma już ponad 2000 członków. Od 2022 roku seminaria po polsku są również częścią programu edukacyjnego IG Metall. Bartosz jest również zapraszany jako wsparcie w sprawach związkowych na szczeblu ponadregionalnym. Na przykład w Maas Aviation: W zakładzie malowania samolotów na terenie Airbus w Hamburgu Finkenwerder pracuje »około 98 procent polskich pracowników«, opowiada Bartosz. Chociaż na terenie Airbus obowiązuje zasada IG Metall, że wszyscy pracujący tam mogą wybierać Rady zakładowe i są objęci układami zbiorowymi, «IG Metall nie mógł dotrzeć do tych kolegów. Była bariera językowa, a Mężowie zaufania i Rady zakładowe z Airbus nie mogli nawet wejść do hal«, opowiada Bartosz. Bartosz dowiedział się o problemie i bezpośrednio zwrócił się do kolegów: «Wyjaśniłem im, jak działają Związki Zawodowe w Niemczech i dlaczego to dla nich ważne«. Długa rozmowa telefoniczna, spotkanie online i w końcu wizyta na Finkenwerder. »Teraz wybrali pierwszą w Niemczech polskojęzyczną Radę zakładową. I wszyscy są członkami IG Metall«, opowiada Bartosz z dumą. Teraz ma być oczywiście także seminarium dla Rad zakładowych po polsku. Bartosz wciąż buduje takie mosty i cieszy się, że »moja własna historia może być wzorem«. I jest już zadomowiony. «W zakładach, w których wcześniej pracowałem, zawsze byłem ‚tym Polakiem’. Teraz, w IG Metall, dla wszystkich jestem Bartoszem«.
Der IG Metall-Erklärer
Mit Bildung für eine faire Mobilität: Bartosz Marosz kümmert sich um polnische Kolleg*innen, die in Deutschland arbeiten. Denn nur wer Bescheid weiß, kann seine Rechte wahrnehmen. Die Geschichte von Bartosz Marosz und der IG Metall begann in einem Labor in Mecklenburg-Vorpommern. Der Pole arbeitete hier in der Prozesskontrolle. Sein Arbeitgeber hatte entschieden, die Endfertigung an einen Subunternehmer zu geben und der wollte dafür vor allem polnische Mitarbeitende mit schlechten Verträgen und unterhalb des Mindestlohns anstellen. Ein Kollege brachte einige von ihnen in Bartosz Labor: »Erklär denen mal, dass das schlechte Verträge sind«. Das tat Bartosz. Und informierte sie auch gleich noch darüber, wie das deutsche Gewerkschaftssystem ihnen dabei helfen könnte, sich dagegen zu wehren. Und so organisierten sich die Kolleg*innen. Bartosz, der selber 2011 mit seiner Familie von Polen nach Deutschland zog und hier zunächst als Leiharbeiter in einer Eisengießerei in Ueckermünde arbeitete, engagierte sich fortan für die IG Metall, baute immer wieder Brücken in die polnische Community. Und die ist groß – besonders im Norden: »Allein in Rostock leben 20.000 polnische Bürger*innen, in Bremen und in Hamburg jeweils um die 40.000«, ordnet Bartosz die Dimension ein. Dazu die vielen Tages- und Wochenpendler*innen – in Mecklenburg-Vorpommern rund 15.000. Denn es gibt viele Unternehmen, die sich gezielt an der polnischen Grenze ansiedeln, um polnische Arbeitskräfte anzulocken. »Es gibt Betriebe, da besteht die Belegschaft zu 80 Prozent aus Pol*innen«, sagt Bartosz. Die wissen in der Regel nicht, wie Gewerkschaften in Deutschland funktionieren, welche Rechte sie als Arbeitnehmer*innen haben. Damit faire Mobilität nicht an Sprachbarrieren scheitert oder daran, dass die Kolleg*innen ihre Rechte nicht kennen und sie deshalb nicht einfordern, setzt die IG Metall auf landessprachliche Ansprache. Und so bekam Bartosz vor vier Jahren die Chance, hauptberuflicher Brückenbauer zu werden, arbeitete zunächst bei dem gewerkschaftsnahen Verein »Dau Wat«. Gerade macht er ein einjähriges Trainee-Programm zum Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall. Er ist so etwas wie der Außenbeauftragte der IG Metall für polnische Arbeitskräfte in Deutschland. Dabei kommen die üblichen Instrumente gewerkschaftlicher Ansprache zum Einsatz: Social Media, Seminare, Filme, Flyer, Beratungsangebote in den Betrieben und überbetrieblich – alles auf Polnisch. In einem Film erklärt Bartosz beispielsweise auf Polnisch die IG Metall, es gibt Flyer und Mitgliedsanträge auf Polnisch und seine Facebook-Gruppe von in Deutschland arbeitenden Pol*innen hat inzwischen über 2000 Mitglieder. Seit 2022 sind Seminare auf Polnisch auch Teil des Bildungsprogramms der IG Metall. Bartosz wird innerhalb der Gewerkschaft auch überregional als Unterstützer gerufen. So wie beispielsweise bei Maas Aviation: Bei dem Flugzeug-Lackierer auf dem Airbus-Gelände auf Hamburg Finkenwerder arbeiten »rund 98 Prozent polnische Beschäftigte«, erzählt Bartosz. Zwar gelte auf dem Airbus-Gelände eigentlich der IG Metall-Grundsatz, dass alle, die dort arbeiteten,Betriebsräte wählen können und tarifvertraglich abgesichert seien, »aber die IG Metall ist an die Kolleg*innen nicht rangekommen. Da gab es die Sprachbarriere, außerdem durften die Vertrauensleute und Betriebsräte von Airbus nicht mal in die Hallen«, erzählt Bartosz. Bartosz erfuhr von dem Problem und wandte sich direkt an die Kolleg*innen: »Ich habe ihnen erklärt, wie das mit Gewerkschaften in Deutschland funktioniert und warum das wichtig für sie ist«. Ein langes Telefonat, ein Online-Treffen und schließlich ein Besuch auf Finkenwerder. »Jetzt haben die den ersten polnischsprachigen Betriebsrat in Deutschland gewählt. Und alle sind Metaller«, erzählt Bartosz stolz. Nun soll es natürlich auch ein Betriebsräte-Seminar auf Polnisch geben. Immer wieder baut Bartosz solche Brücken und ist froh, dass »meine eigene Geschichte ein Vorbild sein kann«. Und er ist angekommen. »In den Betrieben, in denen ich früher gearbeitet habe, war ich immer ›der Pole‹. Jetzt, bei der IG Metall bin ich für alle der Bartosz«.
Agieren statt reagieren: Warum Wissen einen Vorsprung schafft
Martin Lott schult seit über 20 Jahren Betriebsräte zum Thema Entgeltgestaltung. Langweilig und kompliziert? Im Gegenteil!
Das Thema Entgelt-Eingruppierung ist für Martin Lott das »Brot- und Buttergeschäft« von Betriebsräten. Aber wie das mit Brot und Butter so ist: Sie sind so selbstverständlicher Alltag, dass sie nicht immer so gewürdigt werden, wie sie es verdienen. So beobachtet Martin Lott das auch mit dem Thema Eingruppierungen und im Speziellen mit ERA: Der Diplomingenieur berät und schult seit über 20 Jahren Betriebsräte zum Thema Entgeltgestaltung. Dabei geht es um Fragen, die bei jeder Einstellung, bei jeder Versetzung, aber auch bei jeder Überprüfung der Eingruppierungen zu beantworten sind: Wie funktioniert das mit der anforderungsbezogenen Entgeltgestaltung? Welche leistungsbezogenen Komponenten gibt es? Welche Zulagen? Vor rund 25 Jahren wurde ERA erkämpft, und schnell bildeten sich Expert*innen aus, die die Instrumente zu spielen wussten und das für ihre Kolleg*innen einsetzten. Doch jetzt braucht es eine neue Offensive. Denn nicht nur auf Seiten der Gewerkschaft verabschieden sich viele der Tarifexpert*innen in den Ruhestand, »sondern auch bei den Arbeitgebern findet ein Generationenwechsel statt. Da wird jetzt vieles in Frage gestellt, was jahrzehntelang selbstverständlicher Konsens war«, sagt Lott. Auf diese Fragen brauchen Betriebsräte entschlossene Antworten. Und nicht nur das: »Ich erlebe oft, dass Betriebsräte nur reagieren. Ich will sie aber in die Lage versetzen, von sich aus aktiv zu werden«. Nur dann könnten sie das Thema Eingruppierung strategisch einsetzen. Nur wer weiß, wie sich das Entgelt zusammensetzt, kennt die Hebel, an denen man ansetzen kann, um die Höhe zu verändern. »Wir reden beispielsweise immer über Transformation. Aber wenn sich die Anforderungen an Arbeitsplätze ändern, muss auch die Eingruppierung überprüft werden«, erklärt Lott. Für ihn ist das Thema Eingruppierung auch nach so langer Zeit noch ein »Herzensthema«: »Es geht schließlich um das Geld der Menschen, um ihre Lebensgrundlage!« Und es ist eines, das niemals in die Schublade gehört: »Wir müssen für Veränderungen ja immer die richtigen Hebel finden«. Dafür bietet Lott Seminare über die Betriebsratsakademien an, aber berät auch vor Ort in den Unternehmen. In strittigen Fällen wird er um Vermittlung gebeten oder um Begleitung, wenn das System ERA neu eingeführt oder alle Eingruppierungen überprüft werden sollen. Und auch wenn die Materie kompliziert ist, sei sie doch keineswegs langweilig: Weil jede und jeder ja persönliche Erfahrungen mit dem Thema hat, »sind die Seminare ausgesprochen lebens- und praxisnah. Es gibt immer sehr viele Beispiele und Berichte aus den Betrieben«, erzählt Lott. Für ihn ist dabei immer das Ziel: »Ins Handeln kommen!« Was ist ERA? Der erste Entgelt-Rahmentarifvertrag (ERA-TV) wurde 2003 in Baden-Württemberg abgeschlossen. Es folgten die anderen Tarifgebiete. ERA hat die bis dahin gültigen unterschiedlichen Regeln zur Entgeltfindung von ArbeiterInnen und Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie abgelöst. Seither gelten einheitliche Regeln für das Entgelt der Beschäftigten. In ERA gibt es – je nach Tarifgebiet – bis zu 17 Entgeltgruppen und diverse -stufen. Bei der betrieblichen Einführung des ERTV müssen alle Beschäftigten neu eingruppiert werden. Der Arbeitgeber macht dazu einen Vorschlag, dem der Betriebsrat zustimmen muss. Dies gilt auch bei personellen Einzelmaßnahmen, wenn Menschen eingestellt oder versetzt werden.
Werde Demokratiekämpfer*in!
Die Idee entstand beim Gewerkschaftstag 2023: Wie können wir Betriebsrät*innen und Vertrauensleute in den Betrieben darin unterstützen, die Demokratie zu bewahren? Was brauchen sie dafür? Wie können sie argumentativ bestehen in Zeiten, in denen vielen Menschen einfache Antworten attraktiver erscheinen als die manchmal komplizierten Spielregeln der Demokratie? Zusammen mit anderen Metaller*innen hat Jasmin Maschke – damals noch Bildungsreferentin im Bildungszentrum Sprockhövel – das Konzept der Ausbildungsreihe »Kämpfer*innen für Menschenrechte und Demokratie« entwickelt. Denn für diese Auseinandersetzungen braucht es Mut und Zuversicht sowie eine Strategie für den Umgang mit den Verhaltensweisen und Argumenten der Demokratiegegner*innen, um entgegenwirken zu können. Diese Ausbildungsreihe besteht aus zwei Online-Veranstaltungen sowie aus zwei 2,5-tägigen Workshops in Präsenz. Dabei geht es um große Fragen und um Verstehen: Warum ist die Demokratie zurzeit unter Druck? Was ist Rechtsextremismus und wie funktioniert er? Wie sollte Demokratie sein? Wie entwickeln wir selbst klare Haltungen und kommunizieren diese im Betrieb? Welche Strategien gibt es dabei und wie lassen die sich umsetzen? »Es geht darum, nicht nur gegen etwas zu sein, sondern dem ein positives Zukunftsbild entgegenzusetzen, wir wollen die Demokratiekompetenz und Haltung stärken, um sprach- und handlungsfähiger zu werden«. Davon ist Jasmin Maschke überzeugt. Die Ausbildungsreihen laufen über einen Zeitraum von maximal drei Monaten, denn die Demokratiekämpfer:innen sollen schnellstmöglich zum Einsatz kommen. Jeweils mehrere Kolleg*innen aus einem Betrieb können sich dafür zu »Handlungskollektiven« zusammenfinden und teilnehmen. Die ersten Veranstaltungen starten in den nächsten Wochen. In diesem Jahr können bis zu zehn Reihen bundesweit durchgeführt werden, im kommenden Jahr sogar mehr.
Dieses Fachwissen brauchen wir unbedingt
Als Michaela Heid 2006 in den Betriebsrat der Vacuumschmelze in Hanau nachrückte, sollte in dem Betrieb gerade das Entgeltrahmenabkommen (ERA) eingeführt werden. »Da kannst du dich drum kümmern«, sagte die damalige Betriebsratsvorsitzende. Und das hat Michaela Heid getan. Inzwischen ist sie stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und ERA-Expertin. »Wenn man sich gut damit auskennt, fällt es leicht, die Eingruppierung einzuschätzen, wenn jemand von seiner konkreten Tätigkeit erzählt.« Die Einführung von ERA sei schon eine große Umstellung gewesen. Seitdem ist für die Höhe der Bezahlung nicht mehr entscheidend, was man die meiste Zeit macht, sondern welche Tätigkeit der Arbeit »das Gepräge« gibt: »Das ist vielleicht eine Tätigkeit, die nur viermal im Jahr vorkommt, die ich aber beherrschen muss«, erklärt Michaela Heid. Im Betriebsrat jemanden zu haben, die oder der sich mit ERA auskennt, hält die Expertin für essenziell: »Dieses Fachwissen brauchen wir unbedingt«. Man müsse sich als Betriebsrat ja mindestens so gut auskennen, wie die Mitarbeitenden der Personalabteilung. Für sie ist Entgeltgestaltung einer der wichtigsten Aspekte der Betriebsratsarbeit. »Es geht ja ganz unmittelbar um das Geld der Kolleg*innen. Und dafür haben wir mit ERA einen Hebel. Die Systematik macht die einzelnen Arbeitsplätze vergleichbarer und sorgt für mehr Gerechtigkeit bei der Eingruppierung.« Eine exakte Wissenschaft sei die Eingruppierung trotzdem nicht: »Ich finde beispielsweise, dass Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeführt werden, oft schlechter bewertet werden als die von Männern«. Und auch die Erfahrung kommt für sie zu kurz: »Wenn sich bei jemandem die Tätigkeit an sich nicht ändert, bleibt er immer auf der gleichen Stufe«. Sie würde sich deshalb wünschen, dass die oft jahrzehntelange Erfahrung zu einer höheren Entlohnung führen würde. Heute ist in der Vaccumschmelze fast jeder Arbeitsplatz eingruppiert und exakt beschrieben. »Als Betriebsrat stimmen wir keiner Stellenausschreibung zu, zu der es keine exakte ERA gibt.« Sich in dem System zu Hause zu fühlen, das in Hessen aus elf Entgeltgruppen besteht, dauert: »Um da fit zu sein, braucht es viele Jahre«, sagt Michaela Heid. Sie rät deshalb: »Es ist wichtig, dass sich Leute aus dem Betriebsrat in das Thema tief einarbeiten«. Ihr Tipp: »Holt Euch jemanden ins Haus«. Bei der Vaccumschmelze wären beispielsweise Kolleg*innen von der IG Metall zusammen mit Martin Lott für einige Tage ins Unternehmen gekommen und hätten die einzelnen Arbeitsplätze betrachtet und mit den Betriebsrät*innen gemeinsam analysiert. »Das hat uns sehr geholfen. Da hatten wir viele AHA-Erlebnisse«. Die kontinuierliche Auseinandersetzung bleibt auch bei den Kolleg*innen im Betriebsrat positiv hängen: »Zur Entgeltreihe unserer Geschäftsstelle konnte ich jetzt schon einige Kolleg*innen zur Teilnahme motivieren.«
Wenn Entgelt zum Bildungsthema wird
IG Metall Hanau-Fulda | Wie Entgeltgestaltung, Bildungsarbeit und Beteiligung zusammengehören, und wieso immer wieder neu das Wissen über gewerkschaftliche Themen aktualisiert werden muss, haben wir vor Ort in der IG Metall Hanau Fulda nachgefragt. Matthias Ebenau, neu gewählter erster Bevollmächtigter startet mit Kevin Eckert und dem Team der Geschäftsstelle nach dem Sommer eine Bildungsreihe Entgeltgestaltung. Die Idee: beteiligungsorientierte Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben mit Tarif-Know-How verknüpfen das Thema zum verbindenden Element der Geschäftsstelle werden lassen. Das Ziel: Die IG Metall stärker machen! Kevin, ihr macht im Herbst für eure Geschäftsstelle eine Seminarreihe »Entgeltgestaltung«. Wie seid ihr dazu gekommen? Im letzten Jahr haben wir unser regionales Betriebsräte-Netzwerk wieder aufleben lassen. Bei den Netzwerk-Treffen kamen immer wieder Fragen zur Entgeltsystematik, Eingruppierungen, Leistungsverdichtung und Leistungsentgelte oder Leistungszulagen auf. Wir haben festgestellt, dass bei vielen Betriebsrät:innen das Fachwissen über die Möglichkeiten zur Entgeltgestaltung in den letzten Jahren durch den Generationenwechsel verlorengegangen ist, aber gleichzeitig ein großes Informationsbedürfnis besteht und die Bereitschaft da ist, eine gute betriebliche Entgeltpolitik voranzutreiben. Das hat uns motiviert, zusammen mit der BetriebsratsAkademie Mitte eine branchenübergreifende, regionale Seminarreihe »Entgeltgestaltung« zu entwickeln. Ziel ist, dass unsere Betriebsrät:innen fachliche und methodische Kompetenzen zu den tariflichen und rechtlichen Regelungen der Entgeltgestaltung erfahren, das nötige Rüstzeug bekommen und das Wissen in der betrieblichen Praxis auch anwenden und betriebspolitisch und beteiligungsorientiert umsetzen können. Matthias, du startest als neuer Bevollmächtigter in der Geschäftsstelle Hanau-Fulda gleich mit dem Schwerpunkt Entgelt. Hat die IG Metall vor Ort da eine Leerstelle? Eine Leerstelle im Sinne eines akuten Defizits sicher nicht. Aber wie überall sonst müssen auch wir einem voranschreitenden Kompetenzverlust aktiv entgegenwirken. Denn die Generation von Betriebsrät:innen und Vertrauensleuten, die die ERA-Tarifverträge seinerzeit aktiv in den Betrieben mit eingeführt haben, geht nach und nach in ihren Ruhestand. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass eine neue Generation von Entgelt-Expert*innen ausgebildet wird. Kevin, was hat das Thema Eingruppierung in den Betrieben mit Beteiligungsprozessen zu tun? Hofft ihr, die IG Metall Hanau-Fulda als Mitglieder-Geschäftsstelle nach vorne zu bringen? Wenn Betriebsräte Eingruppierungen rein auf dem tarif- oder betriebsverfassungsrechtlichen Weg – ohne die Beteiligung der Beschäftigten – regeln wollen, gibt es fast immer große Widerstände gegen die neue Eingruppierungsstruktur. Ohne Beteiligung der Belegschaft fällt meist auch die Eingruppierung niedriger aus – das kann nicht unser Interesse sein. Wir brauchen von Anfang an eine transparente und konsequente Beteiligung aller Beteiligten. Die Beschäftigten müssen mitgenommen werden, ihre Sichtweisen und Ideen sollen sie einbringen können und dazu befähigt werden, im Konfliktfall gute Eingruppierungen mit tarif- und betriebspolitischen Werkzeugen dann auch durchzusetzen. Und genau das macht dann unsere IG Metall stärker. In den Betrieben und auch in der Geschäftsstelle. Matthias, ist das Thema Entgelt und Eingruppierung bei euch ein Tarifthema oder ein Bildungsthema? Das sollte man meines Erachtens nicht trennen. Als sehr langjähriger ehren- und später hauptamtlicher Bildungsreferent für die IG Metall habe ich mal gelernt, dass gewerkschaftliche Bildung »Zweckbildung für die gesellschaftliche Auseinandersetzung« ist. Dieser Leitsatz kommt vielleicht auf den ersten Blick etwas kompliziert daher, sagt im Kern aber einfach aus, dass politische Praxis und Bildung sich in unserem gewerkschaftlichen Verständnis nicht trennen lassen. Deshalb ist unsere Qualifizierungsreihe ganz nah an den Betrieben und hat die Umsetzung des Gelernten immer direkt mit im Blick. Das gilt übrigens im größeren Maßstab genauso für die Tarifpolitische Bildungsoffensive, die die IG Metall gerade bundesweit gestartet hat.
Bildung mit Burg – Jasmin Maschke ist die neue Leiterin des IG Metall-Bildungszentrums Beverungen.
Als sie gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könnte, die Leitung des IG Metall Bildungszentrums Beverungen zu übernehmen, musste Jasmin Maschke nicht lange überlegen: Seit dem 1. April leitet sie nun das einzige Bildungszentrum der IG Metall mit Burg. Sie kam in Zeiten des Wandels: Das Gebäude wird gerade kernsaniert, und auch im Team steht ein Generationenwechsel an. Langjährige Mitarbeitende gehen in den Ruhestand, Neue kommen hinzu: »Da geht es um Teamentwicklung und darum, wie wir das wertvolle Erfahrungswissen erhalten können«, skizziert Jasmin Maschke. Ein positiver Aspekt ist, dass sie sich schon lange mit Themen wie Coaching, Supervision, Personalentwicklung und -auswahl befasst. . Ihr Weg zur IG Metall war dabei alles andere als vorgezeichnet: Jasmin Maschke hat Anfang der 2000er Jahre Krankenschwester in einer Psychiatrie gelernt. »Am Ende waren wir der erste Jahrgang, der nicht übernommen wurde. Erst später, beim Besuch des Jugend I Seminars, verstand ich die Hintergründe hierzu. Dem Unternehmen ging es um die Profitmaximierung, indem sie Personalkosten eingespart haben.« Eine Erkenntnis, die sicherlich geprägt hat. Zur IG Metall kam sie über ihre Frau: »Sie war damals in der Jugend- und Ausbildungsvertretung ihres Betriebes, und ich fand super, was die alles machten. Vor allem die Positionierung der IG Metall Jugend gegen Rechts sprach mich sehr an.« Die Kombination aus betrieblichen und gesellschaftspolitischen Themen: »Ich hatte das Gefühl, das könnte ein Ort für mich sein«. Und so entstand aus dem Gefühl ein Aktionismus und Jasmin Maschke wurde Mitglied und engagierte sich ehrenamtlich. Sie wurde zur Referentin ausgebildet und gab Seminare für junge Gewerkschafter*innen. Ihr Jugendsekretär ermutigte Jasmin, auf dem zweiten Bildungsweg ihren Fachhochschulabschluss zu absolvieren und zu studieren. Sie bekam ein Stipendium der Hans Böckler Stiftung und studierte Wirtschaftspsychologie. Und noch während Jasmin ihre Abschlussarbeit schrieb, bot die IG Metall ihr eine Stelle als Projektsekretärin an. Eineinhalb Jahre lang koordinierte sie die Aktivitäten der «Initiative Respekt! Kein Platz für Rassismus« für die IG Metall, anschließend arbeitete sie fast 12 Jahre lang als Bildungsreferentin im Bildungszentrum Sprockhövel. Nun also Beverungen. »Es geht sehr familiär zu. Das gilt für das Team im Bildungszentrum, aber auch für die Teilnehmenden. Einige sind mehrmals im Jahr hier«, berichtet Jasmin mit Anerkennung. Dafür, dass Beverungen so ein kleines Bildungszentrum sei, »sind wir inhaltlich sehr breit aufgestellt«. Aktuell sei etwa Digitalisierung ein wichtiges Thema und die Frage, wie sich diese sinnvoll in den Seminaren und Schulungen einsetzen lässt. Neu ist in Beverungen auch der Schwerpunkt Arbeits- und Gesundheitsschutz und damit verbundene Themen wie Teilhabepraxis und die Weiterbildung von Schwerbehinderten-Vertreter:innen. Jasmin setzt in Beverungen einen besonderen Fokus auf die Referent:innen Aus- und Weiterbildung , »und natürlich auf gesellschaftspolitische Themen wie Demokratie und Mitbestimmung«. Auch die von ihr mitentwickelten Seminare für »Demokratiekämpfer:innen« sollen nicht zu kurz kommen. Ebenso konzentriert sie sich auf Frauen- und Gleichstellungspolitische Themen, zu denen sie schon in Sprockhövel viel erarbeitet hat: »Beispielsweise die Frauenbildungswoche, in der 80 Frauen sich eine Woche lang austauschen, empowern und Netzwerke knüpfen – das ist schon etwas ganz Besonderes.« Ferdije Rrecaj, die bisherige Bildungsstättenleiterin , geht nun ihrer neuen Aufgabe als Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Augsburg nach. Wir wünschen ihr dort alles Gute und bedanken uns für die inspirierenden Jahre im Schatten der Burg.
Schicksalsjahr der Demokratie 2024
Putin, Hamas, Trump und die Logik der Zerstörung – und wie das Ganze mit den Protesten der Bauern zusammenhängt Vortrag von Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik) auf der Jahresarbeitstagung der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit der IG Metall | 18.01.2024 in Sprockhövel Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen zweier Kriegsschauplätze: der Ukraine und Israel/Palästinas. Wladimir Putin und die Hamas verbindet dabei eines. Sie setzen weniger auf Eroberung als auf blanke Zerstörung, auch unter Mithilfe ihrer Gegner, wie im Falle Israels. Diese Entgrenzung droht die normativ gebundenen liberalen Demokratien ins Hintertreffen geraten zu lassen – erst recht bei einem möglichen Wahlsieg Donald Trumps im November. Auch in Deutschland erleben wir eine Krise der demokratischen Fundamente. Die Corona-Leugner-Proteste und die Bauernproteste zeigen, dass es in der Gesellschaft eine Verrohung der politischen Kultur gibt. Diese Entwicklung ist besorgniserregend, da sie die Demokratie und den Rechtsstaat untergräbt. Gewerkschaften spielen als Garanten für soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung in dieser Gemengelage eine wichtige Rolle. Wie die IG Metall Bildungsarbeit dazu beitragen kann, die Werte der Demokratie zu stärken und Menschen zu demokratischem Engagement zu befähigen, diskutieren wir mit Albrecht von Lucke (Blätter für deutsche und internationale Politik).
Lernen, zu überzeugen: Trainingslager für gute VKL-Arbeit
Halbzeit bei den Vertrauensleutewahlen – gibt es eine Strategie, wie die Neuen in ihr Amt finden? Wir haben darüber mit Dirk Voss und Heiko Ramm, Bildungsberater und Mitglieder der Vertrauenskörperleitung bei Airbus in Hamburg gesprochen. »Sich einzumischen, seine Position überzeugend zu vertreten, aber auch mal zurückzustecken und zuzuhören, bis du genau weißt, worum es geht: Das alles ist nicht von alleine da, das musst du lernen.« Dirk Voss, Mitglied der Vertrauenskörperleitung (VKL) bei Airbus in Hamburg, weiß aus eigener Erfahrung, wie es den neu gewählten Vertrauensleute beim Flugzeugbauer geht. »Die Kolleg*innen sind teilweise schon seit Jahren Metaller*innen und bei den Tarifrunden immer vorne mit dabei. Aber der Schritt, sich vor Ort sichtbar und ansprechbar als Vertrauensmann oder Vertrauensfrau zu zeigen, braucht Mut. Und eine Idee, wie die eigene Überzeugung und das Bekenntnis zur IG Metall bei den Kolleg*innen ankommt, muss man sich erst erarbeiten.« Heiko Ramm ist zusammen mit Dirk Voss bei der Vertrauenskörperleitung für die politische Bildung der Metaller*innen bei Airbus verantwortlich. Beide beraten die Kolleg*innen zum Bildungsurlaubsprogramm der IG Metall. Heiko erinnert sich noch gut an seinen eigenen Weg von jemandem, der bei Ungerechtigkeiten gerne den Mund aufmacht, zu einem politisch denkenden und handelnden Menschen. Es war ein Seminar, das ihn dabei entschieden weitergebracht hat: »Im Seminar ›Arbeitnehmer*innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft (A1 )‹ habe ich auf einmal gesehen, dass alles zusammengehört: meine Rolle als Beschäftigter, aber vor allem, wie ich diese Rolle immer wieder neu verändern kann – ich bin eigentlich erst mit dem Einstiegsseminar für (neugewählte) Vertrauensleute zu einem ›richtigen‹ Vertrauensmann geworden.« Das A1-Seminar findet direkt bei euch vor Ort statt und vermittelt die Grundlagen für die Tätigkeiten als Vertrauensperson im Betrieb. Dirk zieht bei seiner Idee einer Bildungsstrategie für die Vertrauensleute eine Parallele zum Sport: »Wenn die Kolleg*innen neu in die Vertrauensleutearbeit einsteigen, müssen sie erstmal Teil des Teams werden. Dafür braucht es ein Trainingslager«. »Und genau das sei die eine Woche Bildungsurlaub mit der IG Metall. Bei Airbus gibt es bei 20.000 Beschäftigten über 400 Vertrauensleute, »und wir haben fast 70 Kolleg*innen, die neu dabei sind, direkt angesprochen und viele von ihnen für das Einstiegsseminar geworben.« Und um was genau geht es dabei? »Es gibt einen Überblick über den rechtlichen Rahmen, in dem wir uns bewegen und einem tiefen Einblick in die Arbeit und Strukturen IG Metall“, erklärt Heiko. Das Wichtigste aber sei, »dass die neuen Vertrauensleute erkennen, dass es nur gemeinsam geht! Allein kannst du gute Ideen für Veränderung haben, aber nur im Team bist du stark genug, um diese auch anzuschieben und umzusetzen.« Auch deswegen finden die Einführungsseminare regional statt – es geht darum, die Kolleg*innen aus den anderen Betrieben in der Region kennenzulernen. Es werden Netzwerke geknüpft und Freundschaften entstehen, die oft ein ganzes Gewerkschaftsleben halten. »Ich freue mich immer, wenn im Seminar das Interesse für politische Bildung geweckt wurde und ich gleich im Anschluss die nächste Qualifizierung mit den Kolleg*innen planen kann“, sagt Dirk.« Und Heiko stimmt ihm zu: »Nach dem Seminar ist vor dem Seminar. Und die Bildungsprogramme der IG Metall sind voll mit spannenden Themen!« Er empfiehlt seinen Kolleg*innen gleich weitere Seminare der VLkompakt-Reihe… Infos über das passende VL-Seminar findest du bei deiner IG Metall vor Ort. Hier findest du einen Überblick über die Spezialisierungsangebote für Vertrauensleute
Stark gegen Diskriminierung
Als Lehre aus Hanau: »Bildungsinitiative Ferhat Unvar« gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung Ferhat Unvar wurde am 19. Februar 2020 in Hanau von einem Rechtsterroristen erschossen. Er ist einer von neun Menschen, die bei dem rassistischen Anschlag ihr Leben verloren: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Die Mutter von Ferhat hätte in Trauer und Wut verharren können. Aber Serpil Temiz Unvar tat etwas anderes: Zusammen mit Freund:innen von Ferhat und anderen Menschen aus Hanau gründete sie die Bildungsinitiative Ferhat Unvar . Die Idee: Junge Menschen sensibel zu machen für verschiedenste Formen von Diskriminierung und sie im Umgang damit zu stärken. Dafür entwickelten sie – unterstützt von der Bildungsstätte Anne Frank – Workshop-Format e und bildeten junge Teamende aus, die in Schulen und anderen Gruppen zu Fragen wie diesen arbeiten: Was ist eigentlich Diskriminierung? Gibt es noch mehr Diskriminierung als Rassismus oder Sexismus? Was empfinde ich persönlich als diskriminierend und wie gelingt es mir, mich in die Betroffenen einzufühlen? Denn bei Diskriminierung zählt nicht Absicht, sondern Wirkung. Die Workshops finden in geschützten Räumen und ohne Lehrkräfte statt , sie sind von Jugendlichen für Jugendliche. Rund 25 Teamende wurden dafür in fünftägigen Seminaren zu Trainer*innen ausgebildet und reisen nun für die meist dreistündigen Veranstaltungen durch das ganze Bundesgebiet. »Es geht uns darum, dass die jungen Menschen Strategien entwickeln, wie sie sich eine Meinung bilden, wie sie eine Haltung entwickeln können«, erklärt Cat Patiño, Bildungsreferentin* bei der Initiative. Dazu gehöre auch, Medien kritisch zu nutzen und dabei Stereotype zu erkennen und zu hinterfragen. Aber es geht auch um Handlungsstrategien: Spielerisch probieren die Jugendlichen aus, wie sie sich in Situationen verhalten können, die sie als diskriminierend erleben. Nach Jahren rein ehrenamtlicher Tätigkeit wird das Projekt inzwischen finanziell gefördert, so dass es einige bezahlte Stellen gibt, »allerdings nicht dauerhaft. Wir müssen uns jedes Jahr wieder um Förderung bemühen«, sagt Cat Patiño. Für die Zukunft wünscht Cat sich, dass die demokratiestabilisierende Arbeit dauerhaft gesichert wird. »Denn wir betrachten das, was in Hanau passiert ist, nicht als Einzelfall, sondern sehen, dass eine Parallelgesellschaft existiert. Deshalb ist es so wichtig, junge Menschen immun gegen demokratiegefährdende Ideologien und misstrauisch zu machen gegen vermeintlich einfache Antworten«. Die IG Metall arbeitet mit der Bildungsinitiative auf unterschiedlichen Ebenen zusammen . Auch auf dem letzten Gewerkschaftstag konnten sie ihre Arbeit den Delegiert:innen vorstellen. Zusammen eint uns unser Ziel einer diskriminierungsfreien und vielfältigen Bildungsarbeit. Direkt zur Bildungsinitiative
Wie du deinen Bildungsurlaub ins nächste Jahr rettest!
Der Bildungsurlaub ist eine großartige Möglichkeit, sich für Weiterbildung freistellen zu lassen. Fast alle Bundesländer haben dazu gesetzliche Regelungen. Was viele nicht wissen - nicht genutzter Bildungsurlaub kann zum Teil in das nächste Jahr übertragen werden. Oft reicht dazu eine formlose Mitteilung an den Arbeitgeber mit der Bitte, die fünf Tage im kommenden Jahr gutzuschreiben oder den Bildungsurlaub zu “verblocken” und die Urlaubstage aus zwei oder mehr Jahren zu einer längeren Maßnahme zusammenzulegen. Aber Achtung: Vielfach endet die Frist am 31.12. In kritischen Fällen kann man sich den Eingang des Schreibens bestätigen lassen. In der Tabelle haben wir zusammengefasst, in welchem Bundesland welche Regelungen gelten und wo eine Übertragung möglich ist - genaue Informationen zu Zeiten und Ablauf findest du auf den Webseiten der Länder. Eine kurze Übersicht mit allen Links bietet der DGB hier . Eine allgemeine Übersicht zum Thema Bildungsurlaub findest du hier. Baden-Württemberg Nicht genutzter Bildungsurlaub kann nicht übertragen werden Bayern Arbeitnehmer*innen in Bayern haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub Berlin Übertragung auf das folgende Kalenderjahr nicht möglich, aber Zusammenfassung von zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren auf max. zehn Tage Brandenburg Übertragung auf das folgende Kalenderjahr nicht möglich, aber Zusammenfassung von zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren auf zehn Tage Bremen Jede*r Vollzeitbeschäftigte hat Anspruch auf 10 Bildungsurlaubstage innerhalb von 2 Kalenderjahren. Nicht genutzte Tage können nicht auf den folgenden Zweijahreszeitraum übertragen werden. Hamburg Anspruch auf 10 Arbeitstage innerhalb von 2 Kalenderjahren. Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/ Verblockung auf 4 Jahre möglich
Hessen Bildungsurlaub kann ins Folgejahr übertragen werden, schriftliche Erklärung bis zum 31. Dezember notwendig Mecklenburg-Vorpommern Keine Angabe im Gesetz zur möglichen Übertragbarkeit nicht genutzter Tage. Niedersachsen Der Anspruch des Vorjahres kann im laufenden Jahr geltend gemacht werden. Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/Verblockung auf maximal 4 Jahre möglich. Nordrhein-Westfalen Jährlicher Anspruch auf Freistellung verfällt am Jahresende. Der Anspruch von 2 Kalenderjahren kann jedoch kumuliert werden (mit schriftlicher Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber) Rheinland-Pfalz Keine Angabe im Gesetz zur möglichen Übertragbarkeit nicht genutzter Tage. Saarland Mit Zustimmung des Arbeitgebers ist die Kumulierung/Verblockung auf 2 Jahre möglich Sachsen Arbeitnehmer*innen in Sachsen haben keinen Anspruch auf Bildungsurlaub Sachsen-Anhalt Der Anspruch von zwei Kalenderjahren kann zusammengefasst werden Schleswig-Holstein Übertragung möglich, "Verblockung" erfordert Mitteilung vor dem 30. September im laufenden Jahr. Zustimmung des Arbeitgebers notwendig für rückwirkende Verblockung im Folgejahr Thüringen Nur bei Ablehnung oder Rücknahme des Bildungsurlaubsantrags durch den Arbeitgeber. Keine gesetzliche Regelung für Zusammenfassung
Gender Pay Gap – und nun? Equal Pay!
In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 18% weniger als Männer für gleiche Arbeit. Das Entgelttransparenzgesetz reicht nicht aus, um Equal Pay zu garantieren. Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 16.02.2023 erklärt die schlechtere Bezahlung von Frauen bei gleicher Arbeit als gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die EU-Entgelttransparenz-Richtlinie verlangt von Arbeitgebern ab 2026, Lohnlücken zu veröffentlichen und zu adressieren. Was ist die Rolle der Betriebsräte?
Auch wenn sich viel getan hat, sind wir, was die Bezahlung anbelangt, noch nicht gleich auf – Frauen verdienen immer noch im Durchschnitt 18 Prozent weniger für gleiche oder vergleichbare Arbeit als Männer! Das ist fast ein Fünftel des Gehalts, eine ordentliche Lücke und damit ein „Pay Gap“. Zwar gibt es in Deutschland ein Gesetz, welches Abhilfe schaffen soll – das Entgelttransparenzgesetz. Aber die Zahlen zeigen, dass es nicht reicht, um gleiche Bezahlung – Equal Pay – zu garantieren. Denn die Arbeitgeber*innen rechtfertigen die höheren Löhne für männliche Kollegen oft mit dem Geschlechterstereotyp (Männer würden eben besser verhandeln) und der grundsätzlichen Vertragsfreiheit – doch hier gab es dieses Jahr einen echten Paukenschlag des Bundesarbeitsgerichts: Die Forderung des männlichen Kollegen nach mehr Geld bei Gehaltsverhandlungen ist kein Argument dafür, der Kollegin für die gleiche Arbeit weniger zu zahlen! (BAG, Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21) Denn das Verhandlungsgeschick hat mit der Arbeitsleistung nichts zu tun. Eine schlechtere Bezahlung einer Frau, nur weil der besser bezahlte Mann anders verhandelt hat, ist damit eine gesetzlich verbotene Diskriminierung. Die Frau hat Anspruch auf die gleiche Bezahlung und auf ein angemessenes Schmerzensgeld. Und nicht nur das BAG wurde dieses Jahr zu diesem Thema aktiv Die Europäische Union hat eine Entgelttransparenz-Richtlinie erlassen, die der deutsche Gesetzgeber bis zum Juni 2026 in nationales Recht umsetzen muss. Diese hat es in sich: Alle Beschäftigten haben einen Auskunftsanspruch gegenüber der Arbeitgeberseite, mit dem sie in Erfahrung bringen können, wie sie im durchschnittlichen Vergleich verdienen.
Arbeitgeber*innen ab 100 Beschäftigten müssen regelmäßig Daten veröffentlichen, die die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern zeigen – liegt die Lücke über 5 Prozent, dann müssen Arbeitgeber*innen die Gründe analysieren und Abhilfe schaffen. Bewerber*innen haben Anspruch auf Information über die Höhe des Einstiegsgehalts oder die Gehaltsspanne.
Doch was hat all das mit Eurer Arbeit im Betriebsrat zu tun? Viel, denn Entgeltgleichheit ist ein Thema der Gleichstellung – Euer Thema nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG welches sich lohnt, ins Auge gefasst zu werden. Auch ist der Betriebsrat vor allem da, um Arbeitgeber*innen bei der Einhaltung von Gesetzen auf die Finger zu schauen. Bereits ohne Umsetzung der neuen Richtlinie besagt das Entgelttransparenzgesetz, dass gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich zu bezahlen ist und zwar unabhängig vom Geschlecht. Das BAG hat nun geklärt, dass Verhandlungsgeschick diesen Grundsatz nicht aushebeln kann. Weiterhin verbietet das AGG die Diskriminierung wegen des Geschlechts. All das bedeutet, dass der Betriebsrat proaktiv auf Entgeltgleichheit achten sollte.
Ihr solltet beim Blick in die Lohn- und -gehaltslisten nach geschlechtsbezogenen Lücken Ausschau halten, um Arbeitgeber*innen zur Rede zu stellen. Bei Einstellungen, Versetzungen und Ein-/Umgruppierungen solltet Ihr ebenfalls ein Augenmerk auf das Gehalt legen, um – falls ein Gender Pay Gap auffällt – die Zustimmung zur Maßnahme zu verweigern, da Arbeitgeber*innen damit gegen das Entgelttransparenzgesetz und das AGG verstoßen und die betroffene Person benachteiligen.
Nicht zuletzt ist diese Entwicklung ein wichtiges Signal – nicht der Einzelne mit seinem Verhandlungsgeschick bestimmt die Regeln, es kommt mehr auf das Kollektiv an, die Solidarität und damit gewinnen auch Tarifverträge und die Gewerkschaften an Gewicht. Weiter so BAG!
Unsere Arbeitsrecht-Kolumne "Alles was Recht ist" erscheint in loser Folge, aber fester Besetzung: Angela Kolovos hält permanent Ausschau nach interessanten Fällen für Betriebsrät:innen.
Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen, hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Resilienz: Die Stärkung von Individuen, Betrieben und Organisationen
Es ist naheliegend, dass die Popularität des Begriffs Resilienz mit dem für viele Menschen gestiegenen Arbeits- und Existenzdruck zu tun hat. Der Begriff Resilienz und das dahinter stehende Konzept sind dabei nicht nur von individualpsychologischer Bedeutung. Der Begriff ist vielmehr auch für Teams und Organisationen interessant, die sich über die Krise hinaus für stürmische Zeiten wappnen möchten. Im folgenden Artikel fassen wir für euch die relevanten die Kerngedanken zusammen und lassen Sebastian Seuffert zu Wort kommen, der hierfür gewissermaßen doppelt qualifiziert ist: Er hat ein Resilienz-Training absolviert und stand als Vater zweier Kinder, hin- und hergerissen zwischen Berufs- und Privatleben, in den letzten Jahren vor so einigen psychischen Herausforderungen, insbesondere während der Pandemie.
Was bedeutet der Begriff überhaupt? Wenn wir von „Resilienz“ sprechen, meinen wir psychische Widerstandskraft – also die Fähigkeit, Krisen, Traumata oder starke Belastungen zu bewältigen, sie ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen und gestärkt oder zumindest gesund aus ihnen hervorzugehen.
So werden zum Beispiel Kinder als resilient bezeichnet, die in einem sozialen Umfeld aufwachsen, das durch Risikofaktoren wie Armut oder Gewalt gekennzeichnet ist und als Erwachsene dennoch zu einer erfolgreichen Lebensführung in der Lage sind. Einige Ansätze stellen sogar Wachstumspotentiale fest: Demnach sind Menschen besonders resilient, die an Krisen wachsen und Veränderungen als Chance begreifen. Das Gegenteil von Resilienz wird allgemein durch den Begriff „Vulnerabilität“ ausgedrückt. „Insbesondere die Corona Zeit hat gezeigt, wie schnell sich alles ändern kann - wie bei vielen andern war das der Härtestest. Morgens das Kind ‚homeschoolen‘, während nebenbei noch das jüngere Geschwisterkind beschäftigt werden musste. Das Ganze – wie bei vielen Müttern und Vätern – alleine zu Hause, während meine Partnerin weiter zur Arbeit ging. Gleichzeitig musste ich der eigenen Vollzeitstelle im Home Office gerecht werden. Da wurden die Tage lang und die Gefahr, in stressigen Situationen dünnhäutig zu reagieren oder aus der Haut zu fahren, erhöhte sich. Um dem entgegenzuwirken, bedurfte es einer hohen psychischen Widerstandsfähigkeit, der ‚Resilienz‘. Resilienz kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie ‚Abprallen ‘ . “ Individuelle und organisationale Relevanz Der Begriff Resilienz kann nicht nur auf einzelne Menschen, sondern auch auf Gruppen oder Organisationen und Unternehmen bezogen werden. Ein Team ist demnach resilient, wenn es seine Funktionen angesichts äußeren oder inneren Wandels aufrechterhält oder wenn es sie im Notfall auf erträgliche und allmähliche Weise einschränkt. Es ist fähig, sich schnell an plötzliche oder unvorhergesehene Umweltveränderungen anpassen, die den Zusammenhalt und die Erfüllung der Teamaufgabe gefährden. Resilienz stellt sich in diesem Zusammenhang als ein komplexer interaktiver Prozess dar, der sich zwischen den Mitgliedern eines Teams oder einer Organisation in Abhängigkeit von soziologischen und ökonomischen Determinanten ereignet. „ Lange vor der Pandemie habe ich im Rahmen meiner Ausbildung zum Betrieblichen Suchtbeauftragen den Begriff zum ersten Mal gehört und mein Team überzeugt, sich auf ein Resilienz- und Achtsamkeitstraining einzulassen. An dem zweitägigen Intensivkurs nahmen alle freigestellten Betriebsrät*innen teil. Man sprach über die besondere Rolle im Betrieb, die hohen Anforderungen, die an die unterschiedlichen Personen und Personengruppen geknüpft sind oder das vermeintliche Erfordernis der ständigen Erreichbarkeit. All das (und noch jede Menge mehr) saugen einem regelrecht die Energie aus und leeren stetig das eigene ‚Energiefass‘. Bleibt der Füllstand dieses Fasses über einen gewissen Zeitraum unter einem bestimmten Level, kommt es zur Phase des allmählichen Ausbrennens, die mit einer klinischen Depression enden kann. “ Gerade in der betrieblichen Gesundheitsförderung gewinnt das Resilienz-Konzept immer mehr an Bedeutung. Es wird als eine vielversprechende Möglichkeit zur Prävention von psychischer Beanspruchung, negativen Stressfolgen und Burnout angesehen. Da auch in den nächsten Jahrzehnten mit einer zunehmenden Stressbelastung in Unternehmen gerechnet werden muss, wird die Förderung der Resilienz zu einem zusätzlichen Interventionsansatz der Gesundheitsförderung neben der Verringerung der eigentlichen Stressbelastung. Ist Resilienz erlernbar? Während in der Frühphase der Resilienzforschung Resilienz als eine angeborene Eigenschaft verstanden wurde, geht man mittlerweile davon aus, dass Resilienz Einstellungen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten voraussetzt, die sich fördern und trainieren lassen. Daher haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Akademien und Unternehmensberatungen auf Resilienztraining und -stärkung spezialisiert. Sie stützen sich auf unterschiedliche theoretische Modelle und Ansätze. „ Von immenser Wichtigkeit ist es, für sich selbst herauszufinden, welche Aktivitäten, Gedanken, Geschehnisse, Momente, etc. dazu beitragen, das Energielevel zu steigern, oder um im Bild zu bleiben: das Fass wieder zu füllen. Das können ganz einfache Sachen sein. Mein Energiebringer ist in den letzten Jahren das Wandern geworden. Ganz egal ob alleine oder mit der ganzen Familie. Auch das Tanzen trägt erheblich zur Wiederbefüllung des Speichers bei. Sollte das Energiefass wieder einmal bedrohlich leer werden, packe ich am Wochenende meinen Rucksack, schnüre meine Stiefel und laufe los. Der Weg ist das Ziel. “ Beispielsweise stellen manche Ansätze die Teamarbeit in den Vordergrund und helfen bei der Aushandlung konkreter Maßnahmen zur Krisenprävention. Gemeinsam werden Belastungssituationen und Ressourcen analysiert oder wertschätzende Zusammenarbeit definiert. Andere Ansätze wiederum konzentrieren sich eher auf ausreichende individuelle Regeneration und individuelle Grundeinstellungen wie Achtsamkeit, Optimismus, Lernbereitschaft oder Vertrauensfähigkeit. Hilfreiche Strategien zu Stärkung der organisationalen Resilienz können z.B. sein: die Analyse von eigenen Stärken und Schwächen die Reduktion von Risiken das Vorhalten von Reserven der Aufbau von Frühwarnsystemen und Aktionsplänen die Stärkung von Problemlösefähigkeiten in Bezug auf Mitarbeiter, Führungskräfte und Teams die Festigung sozialer Kontakte und des Zusammenhalts innerhalb der Organisation die Entwicklung gemeinsamer Werte und einer Kultur der gegenseitigen Unterstützung Politische Risiken des Ansatzes Der Resilienz-Ansatz hat auch Gegner. Hierbei dürfte besonders ein Kritikpunkt für uns, als Gewerkschaft genau abzuwägen sein: Seine mutmaßliche Tendenz, problematische oder krisenhafte Verhältnisse als gegeben zu akzeptieren und lediglich einen neuen Umgang mit ihnen zu finden. Die Ausübung bzw. Anwendung der entsprechenden Methoden darf also nicht einseitig dazu führen, dass die politischen Akteure und insbesondere die Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung entlassen werden, für arbeitnehmerfreundliche Arbeitsbedingungen zu sorgen. Insbesondere müssen wir vermeiden, dass Arbeitgeber den Druck erhöhen, wenn sie das Gefühl bekommen, ihre nun Stress-resistenter Mitarbeiter*innen „packen diesen jetzt noch besser“. Kritiker wie Klaus Ottomeyer oder Thomas von Freyberg sehen in diesem Kontext sogar die Gefahr der Individualisierung gesellschaftlicher Risiken und der Privatisierung sozialer Verantwortung. Ottomeyer spricht vom „Neoliberalismus in der Psychotherapie“. Der Resilienz-Hype suggeriere, dass ein Allheilmittel gegen Krisen und Probleme aller Art gefunden worden sei.
--
Uns interessiert: Was haltet ihr von dem Ansatz? Und was unternehmt ihr, um eure Resilienz zu steigern? Bitte schreibt uns! Quellen: Haufe Online-Redaktion: Was ist Resilienz? Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen. Literaturtipp: Jutta Heller: 30 Minuten – Resilienz für Unternehmen, Offenbach am Main (Gabal) 2018. Zur Person von Sebastian Seuffert: Sebastian Seuffert, 41 Jahre alt, ist hauptamtlicher Bildungsreferent am Bildungszentrum Lohr-Bad Orb . Der Satz eines damaligen Betriebsratskollegen ist Sebastian bis heute in besonderer Erinnerung geblieben: „Ich halte ja eigentlich nichts von solch esoterischen Quatsch, aber dieses Resilienz-Training war absolut genial!“ Er ist überzeugt: „Solche Weiterbildungen können helfen.“
In Bildung investieren, auf allen Ebenen
Unsere Bildungsarbeit schafft Orte zum Denken und Reflektieren, Räume, in denen Austausch stattfindet und sich Netzwerke bilden. Umso wichtiger ist es, dass diese Räume auch Orte zum Wohlfühlen sind. Damit unsere Kolleg*innen in optimaler Umgebung lehren und lernen können, stellen wir uns und unsere Angebote immer wieder selbst auf den Prüfstand. So bauen wir im Bildungszentrum Bad Orb derzeit das Haupthaus um. Bis Anfang 2025 sollen dort zwei große Tagungsräume, ein attraktiv gestaltetes Restaurant und ein großzügiger Wellnessbereich mit Blick über das Tal entstehen. In Beverungen wurde von 2021 bis 2023 ein neues Bettenhaus gebaut und in Betrieb genommen, das mehr Komfort bietet. Zudem laufen derzeit umfangreiche Umbaumaßnahmen der Bestandsgebäude. Im Zuge dieser infrastrukturellen Erneuerung vergrößern wir die bestehenden Zimmer und passen diese in der Ausstattung dem Komfort der Zimmer im Neubau an. In den Jahren 2024 und 2025 sollen zudem die öffentlichen Bereiche des Bildungszentrums neugestaltet werden. Speiseraum und Wellnessbereich werden ebenfalls, genauso wie wir zeitgleich die Ausstattung der Seminarräume auf den neusten Stand bringen. Im Freizeitbereich erweitern wir das Angebot durch zusätzliche E-Bikes und einiges mehr. Das Bildungszentrum Berlin wird ab 2025 komplett abgerissen und neugebaut. Der Bildungsbetrieb kann währenddessen aber in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Wir haben mit dem „Adrema“ ein stillgelegtes Hotel gefunden, das in 2024 auf unsere Bedürfnisse angepasst und 2025 bezogen wird. Dort stehen uns 130 Zimmer, entsprechende Seminarkapazitäten und ein Spa-Bereich zur Verfügung. Wir befinden uns dann mitten in Berlin, zwischen Charlottenburg und Moabit, nahe des Regierungsviertels. Das Hotel liegt an der Spree, von der Außenterrasse des Speisesaals blickt man direkt aufs Wasser. Das neue Haus in Berlin-Pichelsee bietet dann einen neuen Spa-Bereich, eine Dachterrasse, einen großen multifunktionalen Konferenzsaal, umlaufenden Balkone und natürlich Technik auf dem allerneusten Stand sowie Räumlichkeiten für Kinderbetreuung.
Die Kritische Akademie Inzell verfügt seit der Corona-Pandemie über einen vollumfänglich ausgestatteten Technik-Raum für Online-Seminare, um euch weiterhin auch virtuell bestmögliche Lernerfahrungen bieten zu können.
Im Jugendbildungszentrum Schliersee konnten wir durch den Umbau des Gästehauses zusätzlich zu den bereits vorhandenen Doppelzimmern zehn moderne Einzelzimmer mit Seeblick schaffen. Bei Ankunft erhalten alle Gäste eine Glasflasche, die sie jederzeit an der Getränkestation auffüllen können. Das in 2023 neu gestaltete Foyer mit großzügiger Kaffee- und Vitalecke bietet die Möglichkeit, sich in den Seminarpausen in gemütlicher Atmosphäre zu stärken. Die dazugehörige Lounge lädt zum aktiven Austausch ein. Nach einem anstrengenden Seminartag können Gäste in der Panoramasauna mit Ausblick in die oberbayrischen Alpen entspannen.
Das Bildungszentrum Sprockhövel hat bereits vor wenigen Jahren einen kompletten Neubau erhalten. Weiterbildung und der Erwerb von Zusatzqualifikationen spielt sowohl für Referent*innen als auch für Kolleg*innen in anderen Hausbereichen eine große Rolle: Ob Supervisor*in, Coach, Mediator*in, Systemische Berater*in, Qualifizierung zu aktuellen Themen und Techniken, für gesunde Küche, Service- oder Verwaltungsthemen – wir bauen fortlaufend unser Fachwissen aus. Im Kompetenzzentrum Bildung und Digitales stehen Laptops und Tablets für Seminarteilnehmende zur Verfügung, die Anschaffung moderner Ton-, Kamera- und Videotechnik ermöglicht die Durchführung hybrider Veranstaltungen sowie Online- und hybride Seminare. Auch Nachhaltigkeit spielt in unseren Häusern natürlich eine große Rolle. Neben einem digitalen Zeitschriftenangebot schaffen wir mehr E-Bikes für die Mobilität vor Ort an und investieren in die Installation weiterer E-Ladesäulen. In unseren Küchen verwenden wir saisonale und regionale Lebensmittel und Handtücher tauschen wir nicht täglich aus, sondern nur auf ausdrücklichen Wunsch. Derzeit bietet Bildungszentrum Sprockhövel ganzjährig Kinderbetreuung an, Inzell in den bayerischen und baden-württembergischen Schulferien. In allen anderen Bildungszentren organisieren wir eine Kinderbetreuung auf Anfrage.
Kernkompetenzen stärken: Die tarifpolitische Bildungsoffensive gemeinsam gestalten
Wir sprechen mit Irene Schulz über die Notwendigkeit einer Tarifpolitischen Offensive, die Kernkompetenzen der IG Metall und über die Wünsche der aktiven IG Metaller*innen.
Warum braucht die IG Metall eine Tarifpolitische Bildungsoffensive? Wie wurde die Idee entwickelt? Irene Schulz: Wir haben unsere mehr als 1.000 Veränderungspromotor*innen aus den Zukunftsreihen des Projekts „IG Metall vom Betrieb aus denken“ befragt. 80 Prozent gaben an, die Komplexität der Tarifverträge und Gesetze hinterließe viel Unsicherheit. Bei der Frage „Wo wünschst du dir mehr Wissen und Kompetenz?“ standen Tarifverträge als Antwort ganz oben.
Diese Ergebnisse verstehen wir als Auftrag. Denn sie reihen sich ein in die guten Gründe, unsere Kernkompetenz als IG Metall nicht nur abzusichern, sondern weiterzuentwickeln. Wir hatten bei den letzten BR-Wahlen mehr als 40 Prozent erstmalig gewählte Betriebsräte, bei den Vertrauensleuten sieht es ähnlich aus. Auch geht ein großer Teil unserer erfahrenen hauptamtlichen Sekretär*innen und Bildungsreferent*innen zeitnah in den wohlverdienten Ruhestand. Unsere jüngeren Kolleg*innen stehen für einen Generationenwechsel. Hier haben wir großen Qualifizierungsbedarf.
Gleichzeitig sind unsere Mitglieder, Vertrauensleute und Betriebsräte täglich mit Tariffragen konfrontiert. Deshalb trägt die Offensive auch den Titel „365 Tage Tarif“. Es geht nicht nur um die Gestaltung erfolgreicher Tarifrunden, sondern auch um die dauerhafte erfolgreiche Anwendung unserer Tarifverträge in den Betrieben.
Gute Arbeits- und Lebensbedingungen und gerechte Entgelte sind unser Anspruch, den wir konsequent – auch unter veränderten Arbeitsprozessen in den Betrieben - umsetzen wollen. Dieser Anspruch führt bekanntermaßen zu Konflikten mit den Arbeitgebern. Deshalb brauchen wir mehr Wissen, Beteiligungskompetenz und Mobilisierungs- und Konfliktfähigkeit.
Was ist genau geplant, wo stehen wir gerade? Irene Schulz: Der Vorstand hat sein Go für das Vorhaben gegeben. Wir investieren in den nächsten vier Jahren in tarifpolitische Projekte, Qualifizierungsreihen und die Ausbildung von tarifpolitischen Expert*innen für die Geschäftsstellen, Bezirke und Betriebe.
Aktuell befinden wir uns in der Vorbereitung der ersten Umsetzungsphase. In drei Projektphasen sollen Kolleg*innen qualifiziert werden und auch selbst qualifizieren. Diese Qualifizierung wird vor Ort in betrieblichen Projektreihen durchgeführt, an denen Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam teilnehmen. Wir bilden Referent*innen aus, etablieren einen flexiblen Trainer*innenpool und fördern den Austausch und die Vernetzung zwischen den Bezirken. Als Grundlage orientieren wir uns am Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken" und übernehmen Erfolgsfaktoren wie Personal- und Teamentwicklung, projektbasiertes Arbeiten und innovative Lernmethoden.
Das Projekt ist eine logische Fortführung unserer in den vergangenen Jahren erfolgreich implementierten innovativen Ansätze in der Bildungsarbeit und ermöglicht uns, die tarifpolitischen Herausforderungen noch breiter und wirksamer anzugehen. Es stärkt unsere Tarifkompetenz und unsere Rolle als Gestalterin bei den zentralen Fragen „Arbeitszeit und Geld“.
Welche konkreten Impulse sind vom Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ in die Bildungsoffensive übergegangen?
Irene Schulz: Wir denken betriebliche Umsetzung und Qualifizierung noch stärker zusammen. Die enge und bewährte Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Bildungszentren ist bei der Ausbildung von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Referent*innen, bei den tarifpolitischen Projekten und der konzeptionellen Abstimmung eine hervorragende Voraussetzung für den Erfolg.
Mit der Qualifizierung unserer eigenen Leute setzen wir auf Nachhaltigkeit. Die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen in Tandems ist ein weiteres Erfolgsrezept. Wir brauchen fachliches, tarifpolitisches Know-how und genauso Anwendungs-, Beteiligungs- und Ansprachekompetenz. Und wir werden auch hier die Offensive nutzen, um mehr Referent*innen auszubilden, da wir beim Schwerpunkt Entgelt und Arbeitszeitgestaltung Nachwuchsbedarf haben.
Welche Bedeutung hat das Projekt für die Mitglieder, Vertrauensleute und Betriebsräte der IG Metall? Irene Schulz: Eine große Bedeutung, das haben unsere Befragungen gezeigt. Der Wunsch unserer aktiven Metaller*innen nach mehr Sicherheit, mehr Wissen, mehr Power, um zu beteiligen und zu mobilisieren, wenn es darauf ankommt, ist allgegenwärtig. Tariffragen sind Macht- und Verteilungsfragen. Das fängt bei der Anwendung von Tarifverträgen im Betrieb an und spitzt sich in Tarifbewegungen zu. Die Erwartung der Beschäftigten und unserer Mitglieder ist klar adressiert. Bildung kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten, um unsere Kernkompetenz in den Betrieben abzusichern. Das Besondere an der Offensive ist, dass sie ganzheitlich angelegt ist, von allen Organisationseinheiten getragen wird und tarifpolitisch in den Bezirken verantwortet wird.
In den nächsten drei bis vier Jahren investieren wir verstärkt und mit viel Power in die Ausbildung tarifpolitischer ehren- und hauptamtlicher Expert*innen, in die Umsetzung von betrieblichen Projekten und in die Qualifizierung von Betriebsräten, Vertrauensleuten und Handlungskollektiven. Das ist eine sehr gute, eine extrem wichtige Investition.
Die Spaltung überwinden – Fallbeispiele aus dem Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken"
Im Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ haben die Beteiligten ihre eigenen Anliegen aufgegriffen und in sogenannten Zukunftsreihen konkret bearbeitet. Vom Aufbau der Vertrauensleutearbeit über den Kampf um einen Tarifvertrag bis hin zur Verbesserung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit war die Bandbreite der betrieblichen Projekte extrem groß. Exemplarisch stellen wir hier zwei Praxisbeispiele vor. Sie zeigen, wie die Kolleg*innen eines Betriebs erfolgreich die Spaltung der Belegschaft überwunden und wie sie ein Zeichen gegen Rassismus in der Arbeitswelt gesetzt haben.
Fallbeispiel 1: Betriebliche Spaltung überwinden In vielen Betrieben ist die Spaltung zwischen verschiedenen Teilen der Belegschaft ein weit verbreitetes Problem. Dies war auch bei der HDO GmbH, einem mittelständischen Unternehmen für Druckguss- und Oberflächentechnik in Nordrhein-Westfalen, der Fall. Durch die Ausgliederung einer Servicegesellschaft hatte sich die Belegschaft in "Beschäftigte erster und zweiter Klasse" aufgeteilt, wie es Ralf Sadrowsky, der Betriebsratsvorsitzende bei HDO, ausdrückt.
"Bei uns arbeiten insgesamt 520 Beschäftigte, allerdings aufgeteilt in zwei Betriebe," erzählt Ralf. "Über 270 Beschäftigte bei uns und etwas mehr als 250 in der HDO Service GmbH, die oft unter einem Dach, teils sogar in denselben Räumen tätig sind." Während die HDO GmbH einen Betriebsrat und Tarifverträge hatte, fehlten diese grundlegenden Schutzmechanismen in der ausgelagerten Servicetochter. Versuche, dort einen Betriebsrat zu wählen, scheiterten mehrmals. Betriebsrat und IG Metall-Aktive entschlossen sich, das Problem anzugehen. Unterstützt durch das Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ begannen sie einen neuen Weg einzuschlagen. Ihr Ziel: Die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats für alle Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur HDO GmbH oder HDO Service GmbH.
„Wir hatten keine Ahnung, ob und wie das möglich ist“, sagt Ralf. „Real sind wir ganz klar ein Betrieb, aber wie sieht es juristisch aus?“ Doch nicht nur rechtliche Fragen waren zu klären, sondern auch ganz praktische: Wie geht man mit Gegenwind vom Arbeitgeber um? Wie können Kandidatinnen und Kandidaten gewonnen werden? Und wie beteiligt man die ganze Belegschaft am besten an der Tätigkeit des Betriebsrats? „Dass wir das alles am Ende gemeistert haben, liegt daran, dass wir gelernt haben, strukturiert, mit Plan und guten Methoden an die Sache heranzugehen.“
So wurden zunächst die offenen Fragen und Probleme gesammelt. Dann wurden Lösungswege gesucht und in sinnvolle Schritte unterteilt: kleine, lösbare Aufgaben, in geordneter Reihenfolge. Zu jedem einzelnen Schritt gab es die passenden Trainings. Dabei wurde von Anfang an das gesamte Gremium mit einbezogen. Rechtsberatung, Eins-zu-eins-Gespräche mit der Belegschaft und schließlich den Arbeitgeber über die Wahlen informieren – am Ende war ihr Engagement von Erfolg gekrönt und ein gemeinsamer Betriebsrat für alle Beschäftigten gewählt. Dies war nicht nur ein Sieg für die Mitbestimmung, sondern auch ein großer Erfolg für die IG Metall selbst. Im Betrieb konnten sie ihren Organisationsgrad nochmal um fünf Prozent steigern.
Zwischendrin mussten sie jedoch auch Rückschläge einstecken: „Es gab immer wieder Situationen, da hat nichts geklappt und wir sind in ein Loch gefallen“, sagt Ralf „Aber: ‚Scheitern ist sexy‘ war unser Slogan. Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben wir uns gegenseitig hochgezogen und nach vorne geschaut.“ Dass sich ein Handlungskollektiv selbst Ziele steckt und dann von einem Coach dabei begleitet wird, Weg und Arbeitsschritte zu finden und umzusetzen – diesem Konzept gehört für Ralf die Zukunft. „Meiner Meinung nach brauchen wir Seminarleiter*innen, die eine Gruppe lenken wie ein Fußballtrainer: Unser Saisonziel ist, im oberen Drittel anzukommen. Ja, und ihr seid jetzt dran und müsst eure Trainingsziele selber setzen. Was braucht ihr dafür? Was können wir euch an die Hand geben? Ich glaube, das ist die Zukunft der Bildungsarbeit.“
Fallbeispiel 2: Zeichen setzen – gegen Rassismus Die IG Metall vertritt nicht nur die Interessen von Arbeitnehmer*innen. Sie ist auch eine der größten Organisationen von Kolleg*innen mit Migrationsbiographie in Deutschland. Zahlreiche Mitglieder ohne deutschen Pass sind in Betriebsräten und anderen Gremien aktiv. Sie gewinnen mehr neue Mitglieder als jede andere Gruppe. Kolleg*innen aus und um Stuttgart wollten ihre Stimme stärker in der Organisation verankern und gleichzeitig gesellschaftspolitische Anliegen in die Öffentlichkeit tragen.
Sasun Ascioglu , Vertrauensmann bei Mahle Filtersysteme in Stuttgart und Seyma Topcuoglu , Vertrauensfrau bei Mercedes-Benz in Sindelfingen, hatten eine klare Vision: Die antirassistischen Positionen der IG Metall stärker sichtbar zu machen und die migrationspolitischen Arbeitskreise in der IG Metall besser miteinander zu vernetzen.
Unterstützt durch das Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken" wurde das Projekt zur Interkulturellen Woche 2022 ins Leben gerufen. Diese ist eine bundesweite Initiative, mit der Kommunen, Gewerkschaften, Migrant*innenorganisationen, Religionsgemeinschaften, Schulen und Sportvereine ein Zeichen gegen Rassismus setzen und gesellschaftliche Lernprozesse anregen wollen. Sie findet alljährlich um den 21. März, den Internationalen UN-Tag gegen Rassismus, statt.
„Wir hatten vor, uns als IG Metall Stuttgart dort inhaltlich einzumischen und präsent zu sein“, sagt Sasun. Und so brachten Sasun und Seyma gemeinsam mit weiteren jungen Kolleginnen und Kollegen aus dem Arbeitskreis Migration der IG Metall Stuttgart ihre Idee als Projekt bei „IG Metall vom Betrieb aus denken“ ein. In vier Workshop-Modulen wurde das Vorhaben konkretisiert, ganz im Sinn einer klassischen Aktionsplanung: Welche Inhalte wollen wir einbringen? Welche Akzente wollen wir setzen? Mit wem müssen wir sprechen, was für Material brauchen wir? Was müssen wir sonst noch bedenken?
Dabei wurden sie unterstützt von den Bildungsreferent*innen der IG Metall. So wurde das Vorhaben für sie zum Lernlabor für projektorientiertes Arbeiten. „Wir haben mit einer Projektumfeldanalyse – der sogenannten PUMA-Methode – angefangen und geschaut: Wer sind die Stakeholder, wo sind die Nahtstellen des Projekts?“ erzählt Sasun. „Wir haben Arbeitsmethoden erlernt, die uns inzwischen bei vielen Themen weiterbringen.
Und so ist jeder und jede auch über sich selbst hinausgewachsen: „Ich habe am Internationalen Tag gegen Rassismus eine Rede gehalten“, berichtet Seyma. „Das hätte ich mir vorher nie zugetraut. Aber in diesem Projekt habe ich mich selbst weiterentwickelt.“ Zwei Dinge haben ihr dabei geholfen: „Ich habe gelernt, wie man mit der MISLA-Methode (Motivation, Ist-Zustand, Soll-Zustand, Lösung, Appell) einen überzeugenden Redebeitrag strukturieren kann. Und ich habe in dem Projekt gemerkt, dass ich nicht allein bin. Wir sind viele, die gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir achten aufeinander und stärken uns gegenseitig.“ Diese Initiative zeigte, wie Bildung und Engagement Hand in Hand gehen können, um nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch in die Stadtgesellschaft insgesamt hineinzuwirken und auszustrahlen.
Grundsätzlich wollen Sasun und Seyma den Schwung des Projekts nun nutzen, um die Vernetzung der Migrationsarbeitskreise innerhalb der IG Metall zu verbessern. „Dafür haben wir auch beim WerkstattKongress in Leipzig zahlreiche gute Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen geknüpft“, sagt Seyma. Alles in allem war das Projekt ein Erfolg, und es war nachhaltig: Alle Projektbeteiligten bekamen bei der Umsetzung des Vorhabens von den Bildungsreferent* innen neue Methoden und Instrumente an die Hand, die sie in ihrem betrieblichen Alltag und ihrem gewerkschaftspolitischen Engagement vielfältig einsetzen. ___________________________________________________________________________
Ihr könnt die vollständige Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" auf unserer Website herunterladen und noch tiefer in die spannenden Projekte und Ideen eintauchen Unser Dank gilt allen, die an dem Projekt und dieser Broschüre mitgewirkt haben.
Innovativ und nah dran: Die Broschüre zum Projekt "IG Metall vom Betrieb aus denken"
Das Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ hat neue Impulse in der und für die Bildungsarbeit gesetzt. Die Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" zeigt anschaulich anhand konkreter Beispiele aus dem Projekt, wie sich unsere Arbeit in den letzten Jahren verändert hat, mit welchen praxis- und beteiligungsorientierten Methoden wir beachtliche Ergebnisse und nachhaltige Erfolge in den Betrieben erreichen konnten.
Bildungsarbeit gestaltet die Zukunft Wir haben dieses zukunftsweisende Veränderungsprojekt der IG Metall unter schwierigen Bedingungen gestartet, insbesondere durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie. Aber wir sind kreativ geblieben und haben innovative Ansätze erprobt, um die Bildungsarbeit in Bewegung zu halten. Wir haben neue Möglichkeiten wie das Coaching von betrieblichen Handlungskollektiven, kollegiale Beratung und Fallbearbeitung etabliert und uns von starren Hierarchien gelöst zugunsten einer flexiblen und reaktionsschnellen Organisation von kollektiven Lernprozessen.
Mit dem Konzept der „Zukunftsreihen“ sind wir neue Wege gegangen, indem wir Lern- und Gestaltungsprozesse zusammengeführt und dabei Nachhaltigkeit und Wirkung im Blick behalten haben. Im Mittelpunkt standen betriebliche Projektvorhaben, die durch Methoden-, Prozess- und fachliche Kompetenzentwicklung begleitet werden. Die „Zukunftsreihen“ bilden das Fundament dieses Projekts. In ihnen haben wir in den letzten Jahren 1.400 Veränderungspromotor*innen in den Betrieben ausgebildet, empowert und vernetzt. Dies ist ein bemerkenswerter Erfolg und zeigt, wie lebendig unsere Gewerkschaft in Bewegung ist. Exemplarisch stellen wir in der Broschüre einige ausgewählte Projekte aus unseren Bezirken vor.
Lernmomente für die Zukunft Was nehmen wir aus dem Projekt „IG Metall vom Betrieb aus denken“ mit für die Zukunft? In verschiedenen Gesprächsrunden berichten Akteur*innen darüber, wie wir Bildungsarbeit weiterdenken können und müssen, um den Herausforderungen der Transformation zu begegnen. Wir wollen uns weiterhin nicht von externen Zwängen treiben lassen, sondern eine ökologisch und sozial gerechte Transformation erreichen – einen #FairWandel.
Wir sind stolz darauf, dass wir als Team der Gewerkschaftlichen Bildungsarbeit in dieser schwierigen Zeit gemeinsam Resilienz bewiesen und unsere (digitalen) Kompetenzen konsequent und solidarisch weiterentwickelt haben. Unsere Bildungsarbeit wird sich weiterhin innovativ und nah an den Bedarfen der Beschäftigten orientieren. Sie wird inspirieren, Potenziale entfalten und unsere demokratische Streitkultur stärken.
Wir sind überzeugt, dass Bildungsarbeit ein zentraler Schlüssel für eine lebendige Gewerkschaft und eine gerechte Zukunft ist. Die Broschüre ist eine Einladung, gemeinsam diesen Weg weiterzugehen, Neues auszuprobieren und unsere IG Metall zu stärken. Denn Bildungsarbeit gestaltet die Zukunft – und wir gestalten Bildungsarbeit.
Ihr könnt die vollständige Broschüre "Bildungsarbeit – innovativ und nah dran" hier herunterladen und noch tiefer in die spannenden Projekte und Ideen eintauchen. Unser Dank gilt allen, die an dem Projekt und dieser Broschüre mitgewirkt haben.
Volkswagen: Transformation im Betrieb
Volkswagen stellt die Weichen auf Umbau statt Abbau. Das neue Kraftzentrum des Konzerns entsteht am Stammsitz in Wolfsburg und soll das Unternehmen in eine nachhaltige Zukunft inklusive langfristiger Beschäftigungssicherung führen. Wie schafft Wolfsburg einen fairen Wandel? Ein Gespräch mit Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG.
(Redaktion) Bei VW seid ihr mit dem Thema "Transformation" schon ziemlich weit. Die Unternehmens-Strategie stellt in den nächsten Jahren die Elektrifizierung und die Digitalisierung, genauer, die Software-Integration, in den Mittelpunkt. Inwieweit wurde die Belegschaft in diesen Strategieprozess einbezogen? (Daniela) Als Belegschaftsvertretung haben wir mit dem Zukunftspakt und in der "Roadmap Digitale Transformation" ein Fundament für die Anforderungen der Zukunft gelegt, das die Beschäftigten zum Teil des Wandels macht und die richtigen Bedingungen dafür schafft. Zum Beispiel legen wir weiter großen Wert darauf, die Kompetenzen, die benötigt werden, im eigenen Haus zu entwickeln und Beschäftigte für neue Aufgaben zu qualifizieren. Nicht nur in der klassischen Ausbildung. Die Fakultät 73 ist ein anderes gutes Beispiel. In zwei Jahren hat hier jede*r die Möglichkeit, außerhalb von formalen Voraussetzungen, Software-Entwickler*in zu werden. Erst vor wenigen Tagen haben weitere 91 Absolvent*innen ihren Abschluss gemacht und wechseln in einen Fachbereich oder zu unserer Software-Tochter “Cariad”.
Dieser Umbau soll bis 2030 nahezu alle Bereiche des Unternehmens, auch am Stammwerk in Wolfsburg betreffen. Welche Möglichkeiten eröffnet dieser Umbau für die Mitbestimmung und wie kann der Betriebsrat gestalterisch in diesen Prozess eingreifen? Durch unsere Fachgremien und Kommissionen sind wir schon immer im Gestaltungsprozess einbezogen. Viele Impulse für aktuelle Prozesse sind daraus hervorgegangen. Wir verstehen uns als Volkswagen-Betriebsrat aber immer so, dass wir uns mit eigenen Ideen aktiv einbringen. Wir warten nicht auf Vorschläge und äußern uns dann dazu, wir bringen uns unter anderem in den Gremien aktiv ein. Für uns als Betriebsrat bedeutet es die Chance, den Wandel im Sinne der Beschäftigten zu gestalten. Statt den Wandel passieren zu lassen und anschließend die Bedingungen zu verändern, sorgen wir von vornherein dafür, dass die Zukunft des Konzerns gemeinsam mit den Beschäftigten entsteht.
Die mit dem Umbau einhergehenden neuen Produktionsweisen machen auch eine neue Ablauf- und Aufbauorganisation nötig. Die Arbeit wird künftig anders organisiert. Andere Unternehmen im Automobilbereich sind hier schon weiter. Was wird vor dem Hintergrund der starken Unternehmenskultur von Volkswagen trotz aller Weiter-Qualifizierungen nur schwer aufzuholen sein bei der Wandlung des Unternehmens? Drastischem Personalabbau, der ja auch mit neu-organisierten Abläufen einhergeht, haben wir bei Volkswagen einen Riegel vorgeschoben. "Fairänderung" stand bei uns immer im Vordergrund. Das ist unsere Unternehmenskultur. Das mag manchmal längere Prozesse bedeuten, das nehmen wir aber in Kauf, wenn das Ergebnis stimmt. Wir müssen als Volkswagen den ONE-Family Gedanken im Blick behalten, das war und ist unsere Stärke. Wir haben schon einige große Veränderungen hinter uns und wir haben sie immer gemeistert und sind auch mit den Veränderungen zu dem Konzern geworden, der wir heute sind.
Oft wird bei Veränderungsprozessen vor allem auf technische Faktoren geachtet, aber es geht dabei immer auch um Menschen.Wie begleitet ihr diese Transformation, damit sie eine faire ist? Und worauf sollten Kolleginnen und Kollegen in anderen Betrieben achten, die vor ähnlichen Transformationsprozessen stehen? Es braucht eine geregelte Mitbestimmung durch festgelegte Gremien, um Veränderungen umzusetzen. Das klingt sehr prozessorientiert, aber es stellt sicher, dass die Arbeitnehmervertretung immer angemessen informiert wird und sich so einbringen kann. Außerdem gilt: Nicht alles, was neu daherkommt, muss auf das eigene Unternehmen passen, man sollte individuell schauen, wie man Transformation im eigenen Bereich umsetzen kann. Der Austausch innerhalb der Branche kann aber hilfreich sein. Und am wichtigsten ist sicher: Transformation findet nicht auf der Überholspur statt. Strukturelle Fehler, die durch voreiliges Handeln gemacht wurden, lassen sich schwer korrigieren.
Die kommende BR-Amtszeit wird hinsichtlich der Weiterbildung und der Qualifizierung anspruchsvoll. Worauf legt ihr als Gremium ein besonderes Augenmerk? Wir brauchen ein noch breiteres Angebot für alle Kolleginnen und Kollegen (auch und besonders in den Produktionsbereichen) und die Möglichkeit des informellen Lernens ohne komplizierte Bürokratie, wo uns unsere neue Lernplattform “degreed” hilft. Die Grundlage ist aber, dass alle Beschäftigten konkret und individuell auf sie zugeschnitten wissen, wie ihr Weg bei Volkswagen aussieht. Nur zu sagen, dass Qualifizierung nötig ist, ohne das Ziel zu nennen, funktioniert nicht. Der persönliche Kontakt und Empathie durch Vorgesetzte und Betriebsrät*innen spielen dabei eine große Rolle.
Es gibt auch viele Kolleg*innen, die erstmalig als Betriebsrät*in gewählt werden. Welchen persönlichen Rat möchtest du ihnen mit auf den Weg geben? Volkswagen ist stark durch den Zusammenhalt in der Belegschaft. Wir sind alle Teil eines großen Ganzen. Deshalb schaut nicht nur auf euch, sondern seid auch empathisch und unterstützend gegenüber eurem Team und allen Kolleginnen und Kollegen.
Liebe Daniela, Dankeschön für deine Zeit und das Gespräch!
Daniela Cavallo absolvierte 1994 eine Ausbildung bei Volkswagen, studierte berufsbegleitend BWL und ist seit 2013 Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Seit 2021 ist sie an der Spitze der Arbeitnehmervertretung; „ein wichtiger Moment nicht nur für Volkswagen, sondern für die gesamte Gewerkschaftsbewegung". (Handelsblatt)
Ein Gespräch mit ChatGPT über die Betriebsratsarbeit
Künstliche Intelligenz und ChatGPT verändern jetzt gerade unsere Arbeit und sind fester Bestandteil unseres Bildungsprogramms. Welche Möglichkeiten eröffnen diese Technologien bei der Interessenvertretung – und worauf müssen wir achten?
KI-Systeme können fehlerhafte Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Arbeitnehmer haben können.
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT ( G enerative P re-trained T ransformer ), dem neuen, KI-gestützten Sprachbot aus dem Hause OpenAI ist das Internet voll mit Spekulationen darüber, wie sehr dieses Tool unsere Arbeit und unser Leben verändern wird. Dass es das tun wird, sind sich alle einig. Kein Tag, an dem nicht eine Geschichte über einen neuen Einsatz des Programms publik wird. Sträfliche wie z.B. Studierende, die von ChatGPT ihre Hausarbeiten oder gar Bachelor Arbeit haben schreiben lassen. Oder nützliche, wie z. Bsp. Code von Webseiten erstellt, Excel-Formeln entwickelt oder auch kreativer Austausch zwischen Mensch und Maschine im Rahmen einer besseren Themenfindung aussehen kann. Wo es (uns) bisher noch ein bisschen an Information fehlt, ist zur Frage, wie denn Betriebsräte mit ChatGPT umgehen können oder umgehen sollen. Und genau diese Lücke soll dieses Interview, das wir als Anfang einer Serie ansehen, schließen. Und daher haben wir den gefragt, der (die?) es eigentlich am besten wissen sollte: Den Chatbot selber.
Vorab – Es gibt keine spezifischen Anforderungen für Betriebsräte in Bezug auf ChatGPT. Allgemein gilt jedoch, dass sie sich über die Funktionsweise, die Datensicherheit und den Einsatz von KI-Systemen in ihrem Unternehmen informieren sollten. Es empfiehlt sich, die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie die Datenschutzgesetzgebung zu verstehen. Und zu überwachen, wie KI-Systeme im betreffenden Unternehmen eingesetzt werden.
Los geht's!
ChatGPT, welche Risiken siehst du beim Einsatz von KI, worauf müssen die Interessenvertreter der Arbeitnehmer besonders achten?
Beim Einsatz von KI gibt es einige Risiken, auf die Interessenvertreter der Arbeitnehmer besonders achten sollten: Datenschutz: KI-Systeme können eine große Menge an Daten sammeln, verarbeiten und speichern, einschließlich sensibler Informationen über Arbeitnehmer. Es ist wichtig, dass Unternehmen den Datenschutz und die Datensicherheit sicherstellen. Diskriminierung: KI-Systeme können diskriminierende Entscheidungen treffen, insbesondere wenn sie auf unvollständigen oder verzerrten Daten trainiert werden. Es ist wichtig, dass KI-Systeme regelmäßig auf Diskriminierung überprüft werden. Arbeitsplatz-Automatisierung: KI-Systeme können bestimmte Arbeitsplätze automatisieren und somit Arbeitsplätze gefährden. Es ist wichtig, dass Unternehmen eine sozial verantwortungsvolle Umsetzung von KI-Systemen sicherstellen und alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bereitstellen. Fehlerhafte Entscheidungen: KI-Systeme können fehlerhafte Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf Arbeitnehmer haben können. Es ist wichtig, dass KI-Systeme regelmäßig überprüft und verbessert werden, um solche Fehler zu minimieren. Um diese Risiken zu minimieren, sollten Interessenvertreter der Arbeitnehmer sicherstellen, dass ihre Unternehmen eine transparente und ethische KI-Politik verfolgen und dass sie in Entscheidungen zum Einsatz von KI-Systemen einbezogen werden.
Wie sieht eine ethische KI-Politik in Unternehmen aus bzw. was muss darin geregelt werden?
Eine ethische KI-Politik in Unternehmen sollte folgende Aspekte beinhalten: Datenschutz: Regeln für die Verwendung und den Schutz persönlicher Daten, einschließlich der Überwachung der Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung. Verantwortung und Überwachung: Klare Regeln und Verfahren zur Überwachung und Verantwortung für Entscheidungen, die von KI-Systemen getroffen werden. Diskriminierung und Bias: Regeln zur Verhinderung von Diskriminierung und Vorurteilen in den Entscheidungen von KI-Systemen, einschließlich regelmäßiger Überprüfungen auf Diskriminierung. Transparenz: Transparente Kommunikation über den Einsatz von KI-Systemen, einschließlich der erwarteten Auswirkungen auf Arbeitnehmer. Ethik und Menschenrechte: Regeln, die sicherstellen, dass KI-Systeme im Einklang mit ethischen und menschenrechtlichen Überlegungen eingesetzt werden. Weiterbildung und Schulung: Regeln zur Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitern im Umgang mit KI-Systemen. Regelmäßige Überprüfungen: Regelmäßige Überprüfungen des Einsatzes von KI-Systemen, um sicherzustellen, dass sie ethisch und verantwortungsvoll eingesetzt werden. Diese Aspekte können in einer schriftlichen KI-Politik festgehalten werden, die regelmäßig überprüft und aktualisiert wird, um sicherzustellen, dass sie den neuesten Entwicklungen und Anforderungen entsprechen.
Wie kann ein Gremium selber ChatGPT einsetzen, um seine Arbeit zu erleichtern. Hast du da Vorschläge?
Ja, ein Gremium kann ChatGPT einsetzen, um seine Arbeit zu erleichtern, indem es folgende Anwendungsbereiche nutzt: Protokollführung: ChatGPT kann als Protokoll Führungs-Tool verwendet werden, um die wichtigsten Punkte einer Sitzung zusammenzufassen und zu dokumentieren. Informationsbeschaffung: ChatGPT kann als Informationsbeschaffung-Tool verwendet werden, um schnelle Antworten auf Fragen zu liefern und umfangreiche Recherchearbeiten zu erleichtern. Entscheidungsunterstützung: ChatGPT kann als Entscheidungsunterstützungs-Tool verwendet werden, um Informationen und Daten zu analysieren, Prognosen zu erstellen und Entscheidungen zu unterstützen. Übersetzung: ChatGPT kann als Übersetzungs-Tool verwendet werden, um Texte oder gesprochene Sprache in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Es ist wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die Ergebnisse von ChatGPT immer von einem menschlichen Überprüfer überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden.
Können Betriebsräte von ChatGPT auch Auskünfte aus dem Betriebsverfassungsgesetz bekommen?
Ja, Betriebsräte können von ChatGPT Auskünfte aus dem Betriebsverfassungsgesetz erhalten. ChatGPT ist ein großes Sprachmodell, das mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert wurde, einschließlich Gesetzestexten wie dem Betriebsverfassungsgesetz. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die von ChatGPT gelieferten Informationen immer von einem qualifizierten Rechtsanwalt oder Fachmann überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden.
Und kennt sich ChatGPT auch mit aktueller Rechtsprechung im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes aus?
ChatGPT ist mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert worden, einschließlich Gesetzestexten und Rechtsprechung. Es kann daher in der Lage sein, Informationen über aktuelle Rechtsprechung im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes bereitzustellen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100 %ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollten die von ChatGPT bereitgestellten Informationen immer von einem qualifizierten Rechtsanwalt oder Fachmann überprüft und bestätigt werden, bevor sie für wichtige Entscheidungen verwendet werden. Es ist möglich, dass ChatGPT aktuelle Rechtsprechung nicht vollständig erfasst hat, und es ist immer am besten, sich an einen Fachmann zu wenden, um die aktuellste und genaueste Rechtsinformationen zu erhalten.
Ok, dann zum Thema Projektmanagement: Kann ChatGPT einen Prozessplan mit mehreren Schritten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein müssen, entwickeln?
Ja, ChatGPT kann einen Prozessplan mit mehreren Schritten entwickeln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein müssen. ChatGPT ist ein großes Sprachmodell, das mit einer Vielzahl von Informationen und Daten trainiert wurde, einschließlich Prozesse und Projektmanagement-Methoden. Es kann daher eine Schritt-für-Schritt-Anleitung oder einen Zeitplan für einen bestimmten Prozess bereitstellen, wenn es entsprechende Anfragen erhält.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ChatGPT ein maschinelles Lernmodell ist und keine 100% ige Genauigkeit garantieren kann. Daher sollte der von ChatGPT bereitgestellte Prozessplan immer von einem erfahrenen Projektmanager überprüft und angepasst werden, um sicherzustellen, dass er den Anforderungen des Projekts entspricht. Was empfiehlst du Betriebsräten in Bezug auf den Einsatz mit ChatGPT Ich empfehle Betriebsräten folgendes, wenn sie über den Einsatz von ChatGPT nachdenken: Verstehen Sie ChatGPT's Stärken und Schwächen: ChatGPT ist ein mächtiges Sprachmodell, aber es ist wichtig zu verstehen, dass es keine 100% ige Genauigkeit garantieren kann und dass es immer am besten ist, die von ChatGPT bereitgestellten Informationen von einem qualifizierten Fachmann zu überprüfen. Nutzen Sie ChatGPT als Unterstützungswerkzeug: Betriebsräte sollten ChatGPT als Werkzeug nutzen, um ihre Arbeit zu unterstützen und zu beschleunigen, aber nicht als Ersatz für die Entscheidungen und Überlegungen eines erfahrenen und qualifizierten Gremiums. Überprüfen Sie die von ChatGPT bereitgestellten Informationen: Es ist wichtig, die von ChatGPT bereitgestellten Informationen immer von einem qualifizierten Fachmann zu überprüfen, um sicherzustellen, dass sie korrekt und aktuell sind. Verwenden Sie ChatGPT in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Vorschriften: Betriebsräte sollten sicherstellen, dass sie ChatGPT in Übereinstimmung mit allen relevanten Gesetzen und Vorschriften einsetzen, einschließlich Datenschutzgesetzen und Gesetzen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte. Insgesamt sollten Betriebsräte ChatGPT als Werkzeug nutzen, um ihre Arbeit zu erleichtern, aber immer sicherstellen, dass sie ihre Entscheidungen und Überlegungen selbst durchführen und auf die Meinung eines qualifizierten Fachmanns zurückgreifen.
Kannst du als ChatGPT auch offizielle Briefe verfassen, zum Beispiel zur Mitteilung der Beschlussfassung des Gremiums über die Entsendung eines ihrer Betriebsräte zu einer Weiterbildung zu einem bestimmten Thema und einem konkreten Datum?
Ja, ich kann als ChatGPT offizielle Briefe verfassen, einschließlich Briefen zur Mitteilung der Beschlussfassung des Gremiums. Hier ist ein Beispiel für einen Brief, der die Entsendung eines Betriebsrates zu einer Weiterbildung ankündigt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir, das Betriebsratsgremium, möchten Ihnen mitteilen, dass Herr/Frau [Name des Betriebsrates] zu einer Weiterbildung im Bereich [Thema der Weiterbildung] entsandt wird.
Die Weiterbildung findet statt am [Datum der Weiterbildung].
Wir sind davon überzeugt, dass diese Weiterbildung für Herrn/Frau [Name des Betriebsrates] von großem Nutzen sein wird und ihm helfen wird, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, um seine Arbeit als Betriebsrat effektiver und effizienter ausführen zu können.
Wir danken Ihnen im Voraus für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei dieser Angelegenheit.
Mit freundlichen Grüßen, [Name des Betriebsratsvorsitzenden]
Betriebsratsgremium. ChatGPT - auch wenn es komisch klingt, aber wir danken dir für das Gespräch.
Zu guter Letzt Wir möchten als Redaktion auch darauf hinweisen, dass es gleich mehrere kritische öffentlich geführte Diskussionen über die Entwicklung und Verwendung von Künstlicher Intelligenz gibt. Unter anderem über die Vereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Fragestellungen oder heute schwer abschätzbare Gefahren, wie Beispielsweise vorgetragen von Elon Musk und weiteren Tech-Unternehmern oder ganzen Volkswirtschaften wie im Falle Italien.
Begriffe zur Künstlichen Intelligenz
Falls Ihr nicht selbst gerade ChatGPT offen habt und einzelne Begriffe er chatgpt ed, kommen hier einige Verweise von uns zu Begriffen, die im Newsletter fallen. Bei Fragen könnt Ihr auch gerne jederzeit unsere analoge humanoide Redaktion fragen.
ChatGPT ( Generative Pre-Trained Transformer ) ist e in Prototyp eines Chatbots, also eines textbasierten Dialogsystems als Benutzerschnittstelle, das auf maschinellem Lernen beruht. Den Chatbot entwickelte das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, das ihn im November 2022 veröffentlichte.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/ChatGPT
Künstliche Intelligenz ( KI, engl. Artificial Intelligence, kurz AI) umfasst alle Anstrengungen, deren Ziel es ist, Maschinen intelligent zu machen. Dabei wird Intelligenz verstanden als die Eigenschaft, die ein Wesen befähigt, angemessen und vorausschauend in seiner Umgebung zu agieren; dazu gehört die Fähigkeit, Sinneseindrücke wahrzunehmen und darauf zu reagieren, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und als Wissen zu speichern, Sprache zu verstehen und zu erzeugen, Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliche_Intelligenz
Maschinelles Lernen ist ein Oberbegriff für die „künstliche“ Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein künstliches System lernt aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern. Dazu bauen Algorithmen beim maschinellen Lernen ein statistisches Modell auf, das auf Trainingsdaten beruht und welches gegen die Testdaten getestet wird.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Maschinelles_Lernen Generative KI/AI ist ein Überbegriff für alle automatisierten Prozesse, bei denen Algorithmen eingesetzt werden und Daten (meist Text oder Bilder) zu erzeugen, zu bearbeiten oder zu synthetisieren. Generative KI nutzt dabei eine vorhandene, riesige Datenmenge, um daraus etwas Neues zu erzeugen. Um das sinnvoll zu tun, muss sie entsprechend, größtenteils von Menschen oder anderen Programmen, „trainiert“ werden.
Diskriminative KI/AI arbeitet anders: Statt Neues zu erzeugen, geht es hier darum, Ereignisse logisch zu identifizieren und zu klassifizieren und Unterschiede zu erkennen.
DALL-E ist ebenfalls ein Produkt von OpenAI, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz Bilder generiert. Dazu wird das zu genierende Bild durch eine textliche Beschreibung, den sogenannten “Prompt” generiert. Auch hier wurde die KI mit einer großen Menge (Bilder-)Daten aus dem Netz trainiert. Das kann teilweise zu irritierenden Ergebnissen führen.
Midjourney ist ein ebenfalls kostenloses Programm, das mithilfe von KI Bilder erzeugt. Allerdings wird der Prompt hier in einen Discord-Bot eingegeben und gesteuert. Midjourney ist bekannt geworden durch eine hohe künstlerische Qualität der Bilder. Die Ergebnisse einfacher Prompts erzeugen allerdings oft sexistischen Content und vermitteln ein schwieriges Geschlechterbild. Das gilt allerdings auch für andere Plattformen.
Zu guter Letzt Wir möchten als Redaktion auch darauf hinweisen, dass es gleich mehrere kritische öffentlich geführte Diskussionen über die Entwicklung und Verwendung von Künstlicher Intelligenz gibt. Unter anderem über die Vereinbarkeit mit datenschutzrechtlichen Fragestellungen oder heute schwer abschätzbare Gefahren, wie Beispielsweise vorgetragen von Elon Musk und weiteren Tech-Unternehmern oder ganzen Volkswirtschaften wie im Falle Italien.
Bilder, geschaffen von Künstlicher Intelligenz
Im Newsletter 1/2023 der IG Metall Bildungsabteilung findest du einige Bilder zur Illustration der beiden Hauptartikel des Newsletters, die die Redaktion mit unterschiedlichen Algorithmen erzeugt hat. Es gibt eine Vielzahl von Plattformen, die diese Arbeit größtenteils kostenlos übernehmen.
Als Nutzer:in ist es allerdings viel spannender, wie Mensch den Algorithmus überhaupt zum Arbeiten bringt. Das ist in der Regel mit wenigen Handgriffen getan. Suche ganz klassisch mit Google nach einer der zahlreichen Plattformen, gib einen Befehl (einen sogenannten Prompt) ein, in dem du beschreibst, was für ein Bild du erhalten möchtest und, je nach Plattform, konfiguriere den Stil. Fertig!
Wir haben im Newsletter zwei unterschiedliche Plattformen ausprobiert. Midjourney und Dall-E 2 . Das rote Bild ist von Midjourney ( > Mehr zu Midjourney ) und das Ergebnis des Befehls: https://en.wikipedia.org/wiki/Midjourney Das blaue Bild ist mit Dall-E 2 ( > Mehr zu Dall-E 2 ) erzeugt und gehorcht auf den Befehl "Digitale Bildung in der Zukunft." Ein ganz schöner kurzer Artikel mit Beispielbildern und allen damit verbundenen Ungenauigkeiten, schrägen Menschenbildern, schwierigen zu hinterfragenden Geschlechterbildern findest du in der sehenswerten Fotostrecke der FAZ .
Übrigens: Wer es ein wenig genauer wissen möchte: Hinter den Plattformen zur Bilderzeugung stecken verschiedene Verfahren, die Bilder auf verschiedene Arten erzeugen, je nachdem welche Methode und welcher Algorithmus verwendet wird. ChatGPT gibt dafür einige Beispiele: Generative Adversarial Networks (GANs): Dies ist eine Methode des maschinellen Lernens, bei der zwei neuronale Netzwerke miteinander konkurrieren. Eines der Netzwerke erzeugt Bilder, während das andere Netzwerk versucht, diese Bilder von echten Bildern zu unterscheiden. Wenn das generierende Netzwerk seine Bilder verbessert, versucht das diskriminierende Netzwerk, diese von echten Bildern zu unterscheiden, und der Zyklus geht weiter, bis das generierende Netzwerk realistische Bilder erzeugt.
Convolutional Neural Networks (CNNs): Diese Art von neuronalen Netzen wird häufig für Bilderkennungsaufgaben verwendet, kann aber auch verwendet werden, um Bilder zu erzeugen. Sie arbeiten durch die Filterung von Eingabedaten durch eine Reihe von Convolutional Layers, die visuelle Merkmale der Bilder extrahieren. Diese Merkmale können dann verwendet werden, um neue Bilder zu generieren.
Variational Autoencoder (VAE): Ein VAE ist ein anderes neuronales Netzwerk, das verwendet werden kann, um Bilder zu erzeugen. Es arbeitet, indem es eine probabilistische Modellierung von Eingabedaten durchführt, was bedeutet, dass es eine Verteilung von möglichen Eingaben lernt. Es kann dann neue Bilder erzeugen, indem es eine zufällige Abtastung dieser Verteilung verwendet.
Evolutionäre Algorithmen: Eine andere Methode, um Bilder durch künstliche Intelligenz zu erzeugen, ist die Verwendung von evolutionären Algorithmen. Hierbei wird eine Population von Bildern erstellt und diejenigen mit den besten Eigenschaften werden ausgewählt und kombiniert, um neue Bilder zu erzeugen. Dieser Prozess wird wiederholt, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht ist. Und was ist jetzt die Moral der Geschichte?
Probier' die Plattformen aus, und bilde dir ein Urteil. Bleib kritisch, und sei bitte nicht zu enttäuscht. Die Künstliche Intelligenz "weiß" nichts im klassischen Sinne, sondern entwirft Bilder auf Grundlage statistischer Gewissheiten. Die Datengrundlage ist größtenteils der Teil des Internets, mit dem sie mal mehr und manchmal minder ethisch vertretbar trainiert wurde. Der obenstehende Hund mit Baskenmütze ist übrigens das Ergebnis des Prompts:
A Shiba Inu dog wearing a beret and black turtleneck.
Gewählt was nun? Digitale Starthilfe für Vertrauensleute.
Die Digitalisierung stellt auch die regionale Bildungsarbeit vor große Herausforderungen - vor allem in der Frage: Wie können dabei die Teilnehmer:innen nicht nur erreicht und informiert, sondern auch intensiv beteiligt und nachhaltig vernetzt werden?
Während der Pandemie hat die Geschäftsstelle Ingolstadt zusammen mit dem Referent:innen-Arbeitskreis beschlossen, einen Piloten zu starten und eines ihrer eigenen VL-Einstiegsseminare zu digitalisieren, um den drohenden Bildungsstau bei den gerade neu gewählten Kolleg:innen zu vermeiden. Das Ergebnis: Das digitale Seminar ist ergänzend zum regulären Seminar inzwischen fester Bestandteil des regionalen Bildungsangebots geworden und findet weiterhin regen Zuspruch. Die Teilnehmer:innen sind quer über alle Betriebe, Tätigkeiten und Altersgruppen hinweg jedes Mal wieder begeistert. Dafür verantwortlich zeichnen Tom Obermeier und Dr. Clemens Oberhauser. In unserem Interview erzählen sie uns, wie sie vorgegangen sind, warum sie eine völlig neue Konzeption entwickelt haben, wie sie die technischen Hürden niedrig gehalten haben und was sie für das Geheimnis ihres Erfolgs halten. Ein spannendes Gespräch über ein echtes Herzensprojekt.
Die Redaktion: Wo habt ihr die größten Herausforderungen und Risiken gesehen - worauf habt ihr bei der Konzeption besonders geachtet?
Clemens: Eine Herausforderung war auf jeden Fall, die anderen Kolleg:innen mitzunehmen. Denn auch bei uns gab und gibt es "Bewahrungstendenzen" und die “Romantisierung der Präsenz”. Unser Vorteil war, dass wir das Vertrauen unserer Kolleg:innen genießen und die erst mal gesagt haben: „Dann macht mal.“ Als wir das Konzept fertig hatten, haben wir sie dann selber zu Teilnehmer:innen gemacht und uns da das Feedback von den Kolleg:innen, die ja alle wahnsinnig viel Erfahrung haben, mit reingeben lassen. Das hat uns enorm geholfen. Das war uns wichtig, denn man darf nicht vergessen: Wir haben gewerkschaftliche Bildungsarbeit neu gedacht. Und es hatte außerdem einen Effekt, mit dem wir gar nicht rechneten: Wir hatten dadurch unsere ersten überzeugten Multiplikatoren. Tom: Wir wussten nicht, wie unsere Teilnehmer:innen darauf reagieren und es gab das Risiko, dass wir nur eine gewisse Gruppe erwischen. Es hätte ja gut sein können - und diese Bedenken waren da - dass das vielleicht bei den Angestellten funktioniert, die ohnehin am PC arbeiten, aber nicht beim Rest. Zum anderen standen wir vor der Herausforderung, unseren eigenen und den von der Geschäftsstelle geforderten Qualitäts-Anspruch zu erfüllen und ein, verglichen mit dem Präsenzseminar, absolut gleichwertiges Angebot zu schaffen, das dieselben Lernziele widerspiegelt, aus den gleichen Inhalten besteht - und auch im gleichen zeitlichen Umfang abläuft. Und ehrlich gesagt, da hatte ich die größten Bedenken: Kommen die Leute in ein digitales Wochenendseminar, und sind darüber hinaus bereit, Freitag bis Samstagnachmittag aktiv am Rechner mitzuarbeiten? Wie Clemens schon gesagt hat, wir haben damit Neuland betreten in der Bildungsarbeit - da ist erst mal nichts selbstverständlich. Das bringt uns zur Frage, wie genau ihr das Konzept entwickelt habt? Worauf habt ihr bei der Konzeption besonders geachtet?
Clemens: Viele machen den Fehler, dass sie bei der Digitalisierung denken: “Na ja, ich hab da ja schon was, das hat in Präsenz immer funktioniert, das mache ich jetzt einfach genauso digital”. Was dann oft rauskommt, ist „betreutes Vorlesen“ von endlosen Powerpoint-Folien. Das hat, in meinen Augen, der digitalen Bildungsarbeit einen sehr, sehr schlechten Ruf eingetragen und bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück, die das Ganze bietet. Wir wollten das Gegenteil, nicht irgendeine Lernkonserve, sondern ein Format, wie wir es hier bei unserem Interview gerade haben, ein Format, in dem alle synchron sind und interagieren können: Eine Live-Online-Lehre, so der Fachbegriff. Uns war wichtig, den Menschen ins Zentrum zu stellen. Denn bei Fragen zum politischen Selbstverständnis oder beim “Blick über den eigenen Betrieb hinaus”, da geht es ganz stark darum, an einer Haltung zu arbeiten, Meinungen zu diskutieren - und zwar mit den Menschen. Dazu muss man in den Austausch kommen, auch digital. Um auf die Frage zurückzukommen: In der Konzeption haben wir uns daher an unseren Seminar-Zielen orientiert; sowohl an den inhaltlichen Lernzielen als auch an den darüberhinausgehenden, vielleicht eher weichen Zielen. Es ist in meinen Augen der einzig richtige Weg. Wie habt ihr dabei die Interaktion und Vernetzung zwischen den Teilnehmer:innen ermöglicht? Clemens: Ganz wichtig war uns zu berücksichtigen, dass wir eine heterogene Zielgruppe haben, vor allem was die digitale Nutzung und technische Vorbildung anbelangt. Uns war klar, dass wir Medienkompetenz vermitteln müssen, im Laufe des Seminars, sozusagen nebenher. Und zwar so, dass niemand bloßgestellt wird. Deswegen haben wir viel Zeit darauf verwendet, zu überlegen, wie wir eine gute digitale Erfahrung ermöglichen können. Wichtig war uns, dass wir die technischen Hürden abbauen. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass wir schon mit der Einladung eine Anleitung für Zoom mitschicken, einen Soft-Check-In zum entspannten Ankommen eingeführt haben und technischen Support im Vorfeld anbieten. Es hat auch dazu geführt, dass wir bei der Auswahl der Tools, zum Beispiel des Whiteboards, immer darauf achten, dass diese ganz einfach zu bedienen sind. Und natürlich haben wir auch die Aktivierungsübungen angepasst und machen entlastende Augenübungen oder regen zur Bewegung in den Pausen an. Ganz wichtig war uns darüber hinaus, dass wir auch einen Austausch am Rande des Seminars anbieten. Wir haben also versucht eine vollumfängliche digitale Betreuung sicherzustellen, 360 Grad sozusagen, genau wie im Präsenzseminar auch. Tom: Ich glaube, gerade diese Herangehensweise, die Clemens jetzt hier ausführlich dargestellt hat, ist wirklich der Schlüssel. Immer zu fragen, was wollen wir denn und wie gehen wir an dieses Thema ran? Wie können wir das vermitteln, sodass es nicht stupide wird, sodass die Leute, die Menschen mitarbeiten können. Aber auch zu fragen, wie können wir Raum für das Zwischenmenschliche zu organisieren. Daher gibt es am Freitagabend immer unsere digitale Kneipe, zu der jede:r eingeladen ist und bei der wir auf Wunsch der Teilnehmer:innen:innen auch gerne mal den VK-Leiter oder den BeVo mit einladen. Das kommt immer super an und zeigt auch die Vorteile von digitalen Formaten. In Präsenzseminaren ist das zu aufwendig - eine Stunde Fahrt, um abends für 20 Minuten ein Bier zu trinken, das macht ja keiner. Uns geht es eben auch darum, soziale Begegnung zu ermöglichen. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, was den Lernerfolg und die Nachhaltigkeit von digitalen Seminaren im Vergleich zu Präsenzseminaren betrifft?
Clemens: Es gibt ja das didaktische Dreieck, das aus Lernenden, Lehrenden und dem Inhalt besteht.
Bei den Lernenden - und das sind mittlerweile ungefähr 200 Teilnehmende aus den verschiedenen Betrieben der Geschäftsstelle Ingolstadt - können wir sagen: Es gibt keinen Unterschied zum Präsenzseminar, was die Lernerfolge angeht! Wir können das so sagen, weil wir die Kolleg:innen ja später auch in den Folgeseminaren haben. Wo ich einen Unterschied sehe, ist bei den Lehrenden, zumindest bei mir. Ich kann die Personen, die bei uns im digitalen Seminar waren, später oft nicht mehr richtig zuordnen. Ich weiß, ich kenne sie irgendwoher, weiß aber nicht mehr genau woher. Tom: Das hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass man im Seminar immer wieder Augenkontakt mit jedem aus der Gruppe hat und immer das Ganze wahrnimmt. Auf dem Screen ist das anders. Und es hat damit zu tun, wie wir die Seminare gestalten: Während einer die Inhalte präsentiert oder Aufgaben leitet, ist der andere im Hintergrund beschäftigt und dabei, die nächsten Inhalte vorzubereiten oder auf die Mimik der Teilnehmenden zu achten und zu gucken, ob er irgendwo unterstützen kann. Das führt auch zu einer etwas fragmentierten Wahrnehmung der Teilnehmenden. Wir sprechen das aber offen an und bitten vorab schon um Verständnis.
Wie sind denn die Reaktionen der TN? Gibt es Erfahrungen oder Feedbacks, die euch besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Tom: Die sind durchweg positiv. Was wir oft zu hören bekommen ist: “Wenn so digitale Seminare aussehen, dann gerne wieder!” Oder auch: “Die IG Metall ist im 21. Jahrhundert angekommen”.
Was uns dabei besonders freut, ist, dass sich wirklich das komplette Spektrum unserer Belegschaft abbildet und wir wirklich alle erreichen: vom 55-jährigen Logistiker bis hin zum alleinerziehenden Diplomingenieur, der zwei pubertierende Töchter zu Hause hat, in Teilzeit arbeitet und sagt “Super, dass dieses Angebot da ist, ich hätte sonst keine Chance gehabt an einer der Bildungsmaßnahmen teilzunehmen.” Den hätten wir anderweitig schlicht nie nicht erreicht – und im Verlauf der Jahre hat sich gezeigt, dass dies bei anderen ebenfalls zutrifft. Zu erkennen, wie wichtig das ist, was wir machen, das war wirklich eine der spannendsten Erfahrungen.
Warum glaubt ihr, wart und seid ihr damit so erfolgreich?
Was ist das Erfolgsgeheimnis? Clemens: Ich glaube, das liegt an drei Dingen: Es ist ein aktives Lernen, und damit rechnen die Teilnehmer:innen nicht. Dann die Authentizität, von uns als Referenten. Wir bringen uns als Personen mit ein und machen uns als Personen greifbar und sichtbar. Genauso, wie es in einer Präsenzbildung funktioniert. Das ist ein enorm wichtiger Punkt. Und als letztes, das hohe qualitative Niveau: Was die Technik anbelangt, was den Inhalt und Methoden anbelangt und die Durchführung anbelangt, der komplette Prozess, vom Check-In bis zur Nachbereitung. Tom: Dem kann ich nur zustimmen. Und zum Punkt der Authentizität: Viele fangen ja im digitalen Raum an, anders zu sprechen oder sich anders zu verhalten. Bei uns gibt es nichts Aufgesetztes, nichts, was man abliest oder mal schnell irgendwo nebenbei herholt, sondern die Teilnehmer:innen merken das, was wir ihnen erzählen, tun wir aus vollster Überzeugung, aus jahrelanger Erfahrung. Das, glaube ich, gelingt uns sehr gut, auch im Digitalen. Und deswegen fühlen sich die Leute – so die Rückmeldung - auch bestätigt und hoch motiviert, weiterzumachen. Ich glaube, das ist das Erfolgsgeheimnis, das dem innewohnt. Das Zwischenmenschliche, wir sind so wie wir sind, bleiben dabei immer auf Augenhöhe und sind absolut präsent im Seminar. Wie werdet ihr digitale und Präsenz-Seminare in Zukunft optimal kombinieren, um sowohl die Vorteile von digitalen als auch Präsenz-Seminaren zu nutzen und eine nachhaltige und interaktive Lernumgebung zu schaffen?
Tom: Wir haben tatsächlich erst kürzlich genau darüber im Referent:innen-Arbeitskreis gesprochen und uns gefragt, welche Lehren wir für uns ziehen. Wir haben uns für den Moment dagegen entschieden, Seminare in hybrider Form anzubieten. Einfach aus dem Grund, weil die Umsetzung nach unserem Verständnis aktuell, personell und technisch zu aufwändig ist, wenn wir unserem Anspruch gerecht werden wollen. Anders gesagt, wir werden die digitalen Seminare weiter anbieten, weil wir erkannt haben, dass wir damit Menschen erreichen, die sonst nicht kommen können, wie der erwähnte alleinerziehende Vater. Clemens: Was wir jetzt anfangen werden, ist digitale Elemente in Präsenzseminare zu integrieren und zum Beispiel die Geschäftsstelle digital zuzuschalten. Wir machen sozusagen Cherrypicking. Insgesamt wollen wir stärker die Frage verankern, wo bietet sich ein Mehrwert durch das Digitale. Denn immer dann, wenn das Ganze einen Mehrwert hat, dann leuchtet es nicht nur mir, sondern auch anderen ein. Und dann entsteht eine gelebte, digitale Kultur. Und da wollen wir hin.
Für alle, die ebenfalls überlegen, einige ihrer Seminare zu digitalisieren: Was empfehlt ihr ihnen?
Clemens: Da kann ich nur wiederholen: Denkt bei der Konzeption vom Ziel her. Und nehmt euch die Zeit, und die werden ihr brauchen, wirklich neu zu denken. Die Frage muss sein: Welches Format eignet sich wofür aus welchen Gründen am besten? Der Fokus soll dabei auf den Menschen und nicht auf Zeit- oder Kostenersparnis gelegt werden.
Lieber Tom, lieber Clemens. Wir danken für das Gespräch
Thomas Obermeier ist Sachbearbeiter beim Betriebsrat bei Audi in Ingolstadt und das Bindeglied zwischen dem Betriebsrat, der Belegschaft und der Geschäftsstelle und ist damit einer der Ersten, der weiß, wo es brennt. Er ist außerdem langjähriges Mitglied des Referenten-Arbeitskreises der Geschäftsstelle Ingolstadt. Dr. Clemens Oberhauser ist Pädagoge für Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung sowie ebenfalls langjähriges Mitglied des Referenten-Arbeitskreises. Über ein Böckler Stipendium hat er studiert und sich intensiv mit E-Learning und Blended Learning beschäftigt.
“Man muss die Künstliche Intelligenz als Assistenten verstehen”
Künstliche Intelligenz und ChatGPT verändern jetzt gerade unsere Arbeit und sind fester Bestandteil unseres Bildungsprogramms. Welche Möglichkeiten eröffnen diese Technologien bei der Interessenvertretung – und worauf müssen wir achten? Im ersten Teil unserer Interviewreihe sprachen wir mit Guido Brombach – er ist Mediendidakt der IG Metall, Experte für künstliche Intelligenz und Digitalisierung und ist Mitglied im Handlungsfeld Medial (Medien, Digitale Infrastruktur und Anwendungen in der Lernumgebung) im IG Metall Bildungszentrum in Sprockhövel. Guido hat uns die Funktionsweise einer Künstlichen Intelligenz erklärt und verdeutlicht – so richtig intelligent ist diese Technologie dann doch gar nicht. Und schon gar kein Allheilmittel. Aber hilfreich, wenn man weiß, worauf man achten muss. Einige der Fragen, die wir Guido gestellt haben, haben wir im Vorfeld wieder von ChatGPT entwickeln lassen und einmal mehr die Erfahrung gemacht: Es geht doch nichts über den Austausch zwischen zwei Menschen. Die kritische Distanz und „Tiefe“ der Antworten sprechen für sich – und haben bei uns dazu geführt, dass wir uns dann im Gespräch immer wieder gerne vom Fragekatalog entfernt haben…
Redaktion: Guido, du bist Experte für Digitalisierung und die Transformationsprozesse, die damit einhergehen. Welche Veränderungen hast du in den letzten Jahren beobachtet? Guido Brombach: Ich habe 20 Jahre lang beim DGB Bildungswerk in Hattingen politische Bildung zu der Frage gemacht, wie das Internet die Gesellschaft verändert und da hab ich vor allem nach Möglichkeiten gesucht, wie man im Seminarraum den Spagat zwischen Softwareschulung auf der einen Seite und dem Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse, die dadurch angestoßen werden, auf der anderen Seite, schafft. Das ist tatsächlich sehr herausfordernd und hat sich im Laufe der Zeit auch sehr verändert. Anfang der 2000-er war es so, dass man etwas in der politischen Bildung anbot und die Kolleg:innen eigentlich nur wissen wollten, wie man das Internet bedient. Vor 10 Jahren wurde das anders, da fingen die Kolleg:innen an sich dafür zu interessieren, was das Internet für eine Wirkung auf uns als Gesellschaft hat. Um diese beiden Pole vereinen und „lernen“ zu können, war mir als Pädagoge klar, dass es dafür eine persönliche Betroffenheit braucht. Die müssen wir im Seminarraum herstellen.
Redaktion: Vor allem das Thema Künstliche Intelligenz (KI) sorgt im Moment für Furore – inwiefern fühlen sich Menschen davon betroffen?
Guido Brombach: Die Betroffenheit geht aktuell vor allem in die Richtung: „Oh Gott, was werden da für Jobs ersetzt? Was werden diese KI‘s machen, was ich dann nicht mehr machen kann?“. Eine nachgelagerte Sorge ist die Frage, auf wessen Datenbasis das passiert und natürlich, ob wir diesen Systemen vertrauen können. Die Hauptangst der Kolleg:innen ist aber, nicht mehr gebraucht zu werden. Das betrifft mittlerweile nicht mehr nur die Maschinen bedienenden Mitarbeitenden, sondern auch diejenigen an den Rechnern, die wissensbasiert arbeiten und geglaubt haben, dass man sie nicht ersetzen kann.
Redaktion: Wie gehst du mit diesen Ängsten um?
Guido Brombach: Ich versuche sie im Seminarraum besprechbar zu machen, in dem wir konkrete Erfahrungen mit Künstlicher Intelligenz machen. Ängste sind ja meist diffus und beziehen sich auf KI als solche, an konkreten Beispielen kann man die häufig schnell entkräften. Ein ganz praktisches Beispiel: Ich habe kürzlich eine Seminareinheit zu KI erstellt und die beginnt damit, dass man gegen eine KI von Google, namens Quickdraw, malt. Da spielen wir in Teams gegen die KI und schauen dann, wie viele Zeichnungen der Teilnehmenden von der Bilderkennung erkannt wurden. Und dann fragen wir uns, wer hat sich hier an wen adaptiert. Und größtenteils sagen die Teilnehmenden, dass sie irgendwann erkannt haben, dass es nicht darum geht, detailliert zu zeichnen, sondern holzschnittartig die wichtigsten Elemente zu malen, damit diese erkannt werden. Die Menschen haben sich also an die KI angepasst, weil wir Menschen das viel schneller und besser können als jede gut trainierte KI. Es ist geradezu das Wesen des Menschen, sich schnell anpassen zu können.
Redaktion: Es gibt also immer eine Wechselwirkung?
Guido Brombach: Genau, es handelt sich bei dem genannten Beispiel um eine Mensch-Maschine-Schnittstelle. Das ist selten ein Aufeinanderzugehen. Die KI hat ein fertiges Modell, wie Dinge funktionieren. Auch wenn sie Neues hinzulernt, sie ändert ihre Wirkungsweise nicht. Das ist auch bei ChatGPT so: Wir Menschen lernen, dass je präziser ich etwas formuliere, desto besser wird das Ergebnis. Es findet also immer eine Adaption an die Maschine statt, nicht andersherum. Das ist wichtig für das Verständnis, wie das Verhältnis zwischen Maschine und Mensch einzuordnen ist und ob man vor den Auswirkungen von KI Angst haben sollte oder nicht.
Redaktion: Welche Begriffe muss man in diesem Themenbereich drauf haben? Guido Brombach: Die Begriffe, die wir einführen, sind: Was ist ein Modell? Was ist Training? Und was ist der Output? Ein grundlegendes Prinzip, das gelernt werden muss, ist das EVA-Prinzip. Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe. Denn das liegt auch einer KI zugrunde – und macht deutlich, dass es sich hier um ein mathematisches, ein „programmiertes“ Vorgehen handelt. Kein in dem Sinne intelligentes Vorgehen, wie es uns Menschen eigen ist.
Redaktion: Spannend. Apropos, ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen, die ChatGPT auf unsere Aufgabenstellung hin entwickelt hat. Die erste Frage ist: „Wie würden Sie den aktuellen Stand der KI-Technologie und deren Anwendung in verschiedenen Branchen und Sektoren beschreiben?“
Guido Brombach: Da fällt mir ein Begriff ein, Fake AI, das ist auch der Titel eines Buches zu dem Thema aus dem Jahr 2021. In dem hat die Autorin Frederike Kaltheuner die absurde Nutzung von KI beschrieben. Zum Beispiel wurde eine KI generiert, die in der Lage war, Zukunftsperspektiven von benachteiligten Jugendlichen vorherzusehen. Was natürlich Blödsinn ist, aber so ein Projekt kann ganz viel Fördermittel generieren. Eine gewisse Technikgläubigkeit lässt uns hoffen, dass wir alles mit der KI bzw. Technik lösen können, sogar den Klimawandel. Ich denke, es gibt viele Dinge, die gar keine KI sind und wir haben viele Probleme, die man mit KI nicht lösen kann. KI wird oft zum allgemeinen Heilsversprecher, aber eben genau das ist sie nicht. Kann sie auch gar nicht sein.
Redaktion: Die nächste Frage von ChatGPT war: „Welche Vorteile bietet KI für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen? Wie können Gewerkschaften dazu beitragen, dass diese Vorteile in vollem Umfang genutzt werden?“ Guido Brombach: Der Vorteil einer KI liegt darin, sie als Assistent zu begreifen. KI ist Technologie, sie ist nicht dafür da, wie ein Mensch behandelt zu werden. Das ist wie die Google-Suche o.ä. – sie hilft uns, eine Lösung zu finden. Wenn ich nicht weiß, wie ich eine Excel-Liste programmiere, kann ich sie mir von ChatGPT erstellen lassen, aber ich muss trotzdem unter Umständen noch einmal Hand anlegen. Das ist es auch, was uns nervös macht, weil man sich natürlich in Universitäten und Lernanstalten fragt, was machen wir mit unseren Dozent:innen, wenn das auch die KI machen kann. Mein Ratschlag ist: Mach dir die KI zum Assistenten, zum Beispiel bei der Konzeption der Lernprozesse. Dafür ist sie total gut geeignet. Aber ersetzen kann sie uns nicht, das wäre FakeAI (englisch für „unechte KI“, Anmerkung der Redaktion).
Redaktion: Welche Risiken sind deiner Meinung nach mit der Verwendung von KI verbunden, insbesondere in Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit, Datenschutz und ethische Fragen? Wie können Gewerkschaften dazu beitragen, diese Risiken zu minimieren?
Guido Brombach: Da würde ich sagen: Gleiche Antwort wie eben. Man muss die KI als Assistenten verstehen – und vor allem auch ein Problem nicht nur technisch, sondern vor allem sozial betrachten. Die Lösung kann nie nur technisch sein, hinter allem stehen soziale Prozesse. Ich sehe es als eine der Kernaufgaben von uns als Gewerkschaft, vor allem diese sozialen Prozesse im Blick zu behalten und miteinzubeziehen. Gerade bei neuer Technologie wie der KI. Jede Einführung einer Software steht und fällt mit der Akzeptanz durch die Arbeitnehmenden. Und wenn ich diese Akzeptanz erhöhen will, ist das Zauberwort Beteiligung.
Redaktion: Ein kollektiver Lernprozess sozusagen? Guido Brombach: Genau. Und in Bezug auf KI kommen wir jetzt auf den wichtigen Begriff: Training. Der Mensch muss das Ergebnis der KI kontrollieren. Einer der Gründe, warum ChatGPT so beeindruckend gut ist, liegt darin, dass die Entwickler in Billiglohnländern preiswerte Arbeitskräfte eingekauft haben, um dieses System zu füllen. Ähnlich wie denen, die bei Facebook Hasskommentare entfernen. Übrigens, auch der ChatGPT wurde von vornherein so trainiert, dass bestimmte Ausdrucksweisen verboten sind.
Redaktion: Damit sprichst du eine wichtige Frage an, die jetzt allerdings von mir kommt, nicht von ChatGPT: Wie werden diese KIs gebaut bzw. angelegt? Die Erfahrungen mit ChatGPT zeigen, es passiert nicht selten, dass man manipulierte Ergebnisse bekommt und weiß es nicht einmal, weil man auch nicht überprüfen kann, wie diese Ergebnisse zustande gekommen sind. Das heißt, wir müssen eigentlich in Unternehmen eine Diskussion darüber führen, wer diese KIs trainiert?
Guido Brombach: Genau, und mit welchen Werten und mit welchen Mustern das getan wird, und welche Vielfalt wird da abgebildet. Das sind ethische Fragen, die man beantworten muss. Und die Frage ist natürlich auch, wie kriegt man das operationalisiert. Denn jeder IT-Mitarbeiter wird dir sagen, das ist ja eine KI, da können wir nicht reingucken. Aber wir können uns den Datensatz, also das Modell angucken, auf der die KI basiert. Auch das anschließende Training geschieht nicht nur als Black Box in der Maschine, sondern wird auch von Menschen vorgenommen. Die Richtlinien, nach denen Menschen die Maschine „erziehen“ müssen transparent gemacht werden. Dabei handelt es sich nicht um unverständlichen Programmcode, sondern um Richtlinien, nach denen sogenannte Content Moderator:innen entscheiden, ob es sich um eine erwünschte Antwort der KI handelt oder eben nicht. Und da sollten auch Betriebsräte involviert werden.
Redaktion: Zurück zum Fragenkatalog: Welche Fähigkeiten und Kenntnisse werden Arbeitnehmer:innen benötigen, um in einer von KI geprägten Arbeitswelt erfolgreich zu sein? Wie können Gewerkschaften und Bildungseinrichtungen diese Fähigkeiten vermitteln?
Guido Brombach: Nicht alle KIs funktionieren so wie der ChatGPT, und nicht alle erkennen wir überhaupt als KIs. Da gibt es schon im weitesten Sinne Empfehlungsalgorithmen, die in diese Kategorie fallen und die ein Modell kennen, um uns Dinge anzubieten. Das passiert zum Beispiel bei Microsoft Office 365 so. Aus meiner Sicht müssen wir die Kolleg:innen dafür sensibilisieren, dass es bereits so viele KI-Anwendungen gibt, denen wir uns nicht einmal bewusst sind. Sie sind nicht so wie ChatGPT, aber sie sind allgegenwärtig, und verdienen die Bezeichnung KI, weil sie eigenständig aus Mustern Entscheidungen ableiten. Empfehlungsalgorithmen sind da nur ein Beispiel.
Redaktion: Wenn Maschinen immer intelligenter werden, worin sollten wir als Menschen dann immer besser werden? Guido Brombach: Wenn wir einen Prozess digitalisiert haben, haben wir ihn berechenbar gemacht, und damit standardisiert. Ein Beispiel sind Partnerbörsen. Das ist ein total menschliches Thema, nämlich, „ich suche mir eine:n Partner:in“, komplett digitalisiert worden. Aber die Maschine macht das komplett anders als der Mensch. Die löst das Problem über Mathematik. ChatGPT genauso, dort hat man eine Berechnung dafür gefunden, wie Sprache funktioniert. Irgendwann sind diese mathematischen Konstrukte, die da genutzt werden, nicht mehr nachvollziehbar, das beruht am Ende auf Wahrscheinlichkeiten und Konditionierung (Verstärkung von gewünschten Verbindungen im Modell). Aber inhaltlich passiert da wenig, das ist etwas, was wir als Menschen da hineininterpretieren.
Frage: Also müssen wir Menschen sehr genau wissen, was wir wollen, um die KI richtig zu steuern und zu nutzen? Guido Brombach: Genau. Je enger das Anwendungsgebiet eingegrenzt ist, desto besser sind die Ergebnisse der KI. ChatGPT ist natürlich ein bisschen der Beweis für das Gegenteil, eine eierlegende Wollmilchsau, die sich in allem auskennt. Aber letztendlich macht sie das nur auf der Basis dessen, was das Internet bis Ende2021 so hergegeben hat. Wir haben ja hier keine aktuellen Daten. Das müssen Menschen wissen und bei der Bedienung und Bewertung der Ergebnisse beachten.
Redaktion: Und zum Abschluss: Was rätst du als Referent unseren Betriebsräten zum Thema KI: Worauf sollten sie sich persönlich vorbereiten – und worauf als Gremium. Sollte jedes Gremium z.B. eine:n eigenen Expert:in ausbilden? Und wenn ja, wie und wo sollten sie anfangen?
Guido Brombach: Statt eines Expertentums wäre ich immer dafür grundsätzliche Funktionsweisen verstehen zu können. Den oder die externe:n Expert:in kann das Gremium bei solchen Fragen jederzeit als Sachverständigen zurate ziehen.
Guido, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person Guido Brombach hat zwischen 2000 und 2019 für das DGB-Bildungswerk im Bildungszentrum in Hattingen verschiedene Seminartypen rund um die digitale Transformation verantwortet, konzipiert und durchgeführt. In dieser Zeit hat er einschlägige Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Medien in Präsenzseminaren gemacht, die er seit 2019 im Bildungszentrum Sprockhövel als Mediendidakt einbringt. Guido interessiert sich u.a. besonders für die Themen, Mediendidaktik (Lernen mit und im Digitalen), Digitalisierung und Transformation sowie Künstliche Intelligenz und Gewerkschafts- und Gesellschaftspolitik.
Dokumentierte Seminarreinheit zur kritischen Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz:
https://dotcomblog.de/algorithmenethik-kritische-auseinandersetzung-mit-maschinellem-lernen/
Solidarität gewinnt! Wann, wenn nicht jetzt?
„Paradoxe Intervention“ ist in der Bildungsarbeit keine Unbekannte. Wir stellen uns mal folgendes Szenario vor: In der ersten Tarifverhandlung legen die Arbeitgebervertreter das Skript von Gesamtmetall zur Seite, stimmen den 8 % zu, verzichten in den nächsten Jahren auf Personalabbau und Standortverlagerungen, weil auch sie von den mit Steuermitteln finanzierten Entlastungsmaßnahmen profitieren und fordern mit uns gemeinsam von der Bundesregierung eine konsequente Steuerpolitik, um Krisengewinne und große Vermögen zu besteuern. So oder ähnlich - ist das so paradox in diesen Krisenzeiten? Vieles, was im Moment erlebt und getan wird, wäre vor wenigen Monaten noch unvorstellbar gewesen. Warum also nicht mehr Intervention, nicht nur vom Staat?
Leider zeichnen die Tarifverhandlungen ein ganz anderes Bild: Es werden Untergangsszenarien an die Wand gemalt, nach unten analysiert und mit Forderungen nach noch mehr Differenzierung und Variabilisierung von bestehenden Tarifbestandteilen ganz tief in die Mottenkiste gegriffen. Das, was fehlt, ist ein verhandelbares Angebot. Das, was fehlt, ist eine Entgelterhöhung als Anerkennung der Belastungen und Wertschätzung der Leistungen der Belegschaften.
Solidarität gewinnt – dafür stehen wir, das ist unser Statement und Commitment, wenn wir in diesen Tagen und Wochen in den Betrieben unterwegs sind. In allen Bezirken, überall vor Ort, gehen Tausende von Metaller:innen bereits jetzt auf die Straße, um für unsere Forderung nach 8 % mehr Entgelt zu streiten. Klar, es geht um mehr Geld – gerade jetzt, bei Preissteigerungen, die vor wenigen Monaten noch unser Vorstellungsvermögen überfordert hätten. Aber nicht nur das, diese Preissteigerungen treffen ins Mark: Es geht um eine warme Wohnung, um Lebensmittel, um die Tankfüllung, mit der es zur Arbeit geht. Wer in diesen Zeiten mit vielen Beschäftigten spricht, merkt aber auch: Es geht um mehr! Es geht um Verteilungsgerechtigkeit! Wir haben unsere Tarifkampagne und Entlastungskampagne „Krisengewinne abschöpfen – Kosten deckeln!“ von Beginn an zusammen gedacht und haben ordentlich Druck gemacht. Die Politik hat geliefert: direkte Hilfen für die Haushalte, Verlängerung der Kurzarbeit, Gaspreisdeckel... Auch die Industrie profitiert vom Gaspreisdeckel. Jetzt geht es darum, diese Entlastungen schnell und unbürokratisch weiterzugeben, damit sie unmittelbar wirksam werden und direkt im Geldbeutel der Kolleg:innen ankommen.
Gleichzeitig bleibt unsere Kritik an der Verteilungspolitik. Die Beschäftigten haben in den letzten Jahren – jenseits der Kameras – mit vollem Einsatz, hochflexibel reagiert und neben Kurzarbeit, Homeoffice und Überstunden auch noch die Kinder im Homeschooling betreut. Während Beschäftigte und ihre Familien also an ihre Belastungsgrenzen gehen, während die Politik mehr als 200 Milliarden in die Hand nimmt, um gegenzusteuern, bleibt die Frage: Wo sind eigentlich diejenigen, die ordentlich Gewinne machen, die Übergewinne aufgrund der Krise abschöpfen und / oder bereits über große Vermögen verfügen.
Wo ist der gesellschaftliche Beitrag, wo ist die Verantwortung? Die Verunsicherung ist groß, die gesellschaftlichen Bruchlinien sind dünn. Es braucht eine gemeinsame Verantwortung aller Demokrat:innen in diesem Land, den Rechten nicht das Feld zu überlassen, wenn die Verunsicherung im Hier und Jetzt, aber auch mit Blick auf die Zukunft groß ist. Ein starker Staat, eine gefestigte Demokratie, eine stabile Konjunktur, das sind die Voraussetzungen, um handlungsfähig zu bleiben und glaubwürdig für Zuversicht zu werben. Solidarität gewinnt - Eigentum verpflichtet – wann, wenn nicht jetzt?
Irene Schulz ist seit November 2013 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Zu den Aufgaben der diplomierten Politikwissenschaftlerin gehören die Gewerkschaftliche Bildungsarbeit/Bildungszentren, Kampagnen und Erschließung sowie die Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus.“
Mut und Raum für Veränderung
Ferdije Rrecaj, Leiterin des Bildungszentrums Beverungen, wirbt für mehr Persönlichkeitsentwicklung, mehr Praxis, mehr Teamwork. Dafür sollten wir weniger den Kopf in den Sand stecken und besser verstehen, wie voraussetzungsvoll Bildungsarbeit ist. Ein Gespräch anlässlich der Tarifbewegung über einen Bildungsansatz, der noch stärker an den betrieblichen Herausforderungen ansetzt und die Qualifikation von kampagnenfähigen Handlungskollektiven in den Fokus nimmt.
Wir haben 60 Minuten Zeit und möchten mit Dir über die Rolle der Bildung in der Zeit zwischen Betriebsratswahl und Tarifbewegung sprechen. Wie blickst Du als Leiterin eines Bildungszentrums auf diese nächste Tarifrunde?
Es gibt gerade Vieles, was die Situation besonders macht. Die Tarifbewegung ist eine Tarifauseinandersetzung, die eingebettet ist in die bekannte Ausnahmesituation aus Pandemie, Krieg, Klimawandel und seit Mitte des Jahres eine verschärfte wirtschaftliche Situation, einhergehend mit steigenden Energiekosten. Was es für berechtigte Forderungen öffentlich schwierig macht, ist die heute hohe und, wie es aussieht, noch weiter steigende Inflationsrate.
Haben wir denn in dieser vielschichtigen Krise die Talsohle erreicht, oder geht es weiter bergab?
Ich glaube, diese Frage kann niemand beantworten. Aber was ich sicher sagen kann, ist, dass uns diese Multikrise nicht lähmt. Wir sind spätestens seit Jahresbeginn in einer Hab-Acht-Stellung. Uns ist bewusst, dass die Auseinandersetzung in dieser Tarifrunde noch härter wird, als in den Jahren zuvor. Wir steuern auf eine intensive Tarifauseinandersetzung zu!
Aber Krisen hatten wir doch immer! Ölkrise, Kreditkrise, Finanzkrise, Wirtschaftskrise… Wer sich die jährlichen Änderungen des BIPs anschaut und parallel dazu die Tarifabschlüsse , sieht, dass es immer gute und eher schwierige Zeiten gab.
Ja, das stimmt im Grundsatz. Die Anzahl der Großlagen aktuell ist allerdings schon bezeichnend. Aber es sind nicht nur die äußeren ökonomischen Faktoren und geopolitischen Konflikte, die alles intensiver machen. Wir beobachten gleichzeitig einen Generationenwechsel im Betrieb. Das ist an sich gut. Viele neue Betriebsrät:innen und Vertrauensleute haben allerdings ganz andere Erwerbsbiografien , haben eine andere Sozialisation erfahren, als die Kolleg:innen zuvor. Während sich in meiner Generation die meisten bereits zuvor engagiert und in dieser Zeit ein gewisses Vorwissen erworben haben, ist das heute bei vielen neu gewählten Kolleg:innen nicht mehr der Fall. Die Frage ist ja, wie wir diese schnellstmöglich auf Stand bringen, damit diese im Sinne der Belegschaften handlungsfähig werden.
Reichen denn die Grundlagen-Seminare nicht?
Mit den BR-Wahlen sind Kolleginnen und Kollegen neu in den Gremien. Unsere regionale Bildungsarbeit ist schon ganz fleißig bei der Arbeit, diese mit dem Einstiegsseminar BR 1 zu qualifizieren. Wenn man sich bewusstmacht, dass Betriebsrat/ Gewerkschafter kein Ausbildungsberuf ist, wird klar, was alles nötig ist um eine Kollegin/ einen Kollegen von Beginn an gut zu begleiten, denn neben der betrieblichen hat es auch eine gesellschaftliche Dimension.
Angefangen beim Grundwiderspruch bzw. Interessensgegensatz, das Verständnis für das Duale System der Interessenvertretung, bestehend aus den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten, Aktiven und den Betriebsräten, wie es in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg konstituiert wurde und was das konkret für die praktische Umsetzung bedeutet. Dies wird nicht in der Schule erlernt und selbst falls doch, ist es doch etwas anderes, Interessenvertretung direkt und auf die eigene Person bezogen am Arbeitsplatz zu erfahren. Erfahrungen aber schärfen das Bewusstsein. Interessenvertretung ist kein gewerkschaftliches Anliegen, sondern eine faktische Notwendigkeit, die im Gesetz festgeschrieben ist. Als Betriebsrät:in muss ich das große Ganze verstehen und gleichzeitig Tarifverträge lesen und Detailfragen beantworten können.
War das früher anders?
Das war ein anderer Zeitgeist. Der bedingungslose Liberalismus, der in den 80ziger Jahren in Europa entfesselt wurde, hat den aus der Willy Brandt-Ära hervorgegangenen Ansatz Mehr Demokratie zu wagen diskreditiert und für weite Teile der Politik schlicht abgelöst. Ab Mitte der 2000er Jahren folgte die nächste Welle neoliberaler Ideologie, die natürlich in vielerlei Hinsicht ihre Spuren hinterlassen hat. Die kollektive Perspektive wurde zunehmend vom Individualismus abgelöst. Nun will ich aber nicht von einer Entpolitisierung sprechen. Wenn wir die wöchentlichen Demonstrationen in den Nachrichten verfolgen, sehen wir, wie politisiert die Gesellschaft sein kann. Nur geht das politische Engagement einiger Bürger:innen leider in die falsche Richtung.
Mit Blick auf die Gemengelage aus Inflation und geringem Wirtschaftswachstum ist das sicher eine zutreffende Einschätzung. Welche Fähigkeiten sind denn jetzt besonders gefragt? Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich noch einmal einen Schritt zurückgehen und ganz grundsätzlich die Ausgangssituation hervorheben: Wir hatten es vorhin davon, dass es ziemlich Voraussetzungsvoll ist, Menschen zu einer kollektiven Aktion zu bewegen. Die Menschen – unsere Kolleginnen und Kollegen müssen verstehen, dass die Frage der Gewerkschaftsmitgliedschaft in ihrem eigenen Interesse mit einem klaren JA zu beantworten ist, dass sie, wenn es um Tarifauseinandersetzungen geht, für ihre ureigenen Belange einstehen (müssen), gemeinsam mit der betrieblichen Interessenvertretung und der IG Metall, und sie nicht einfach irgendeiner Organisation dienen . Es ist Ihr Gehalt, Ihre Arbeits- und auch Ihre Lebenszeit.
Genau wie im Unternehmen müssen wir in unserem gewerkschaftlichen Agieren arbeitsteilig vorgehen: Der Weg der Entstehung eines Tarifvertrages von der Tarifforderung bis zu Umsetzung braucht die Zusammenarbeit über alle Ebenen – Betrieb, Geschäftsstelle, Bezirksleitung, Vorstand. Es sind Verständigungsprozesse über alle Ebenen, da fällt es manchmal schwer zu verstehen, dass man für die eigenen Interessen und Belange einsteht. Das gemeinsame Handeln, das Entwickeln von Konzepten und Ideen wie es am besten gehen kann und wie wir am erfolgreichsten sind, braucht alle Beteiligten - den Vorstand, Geschäftsstellen, Bezirksleitungen bis zu den betrieblichen Kolleg:innen – es ist wenn man so will, eine konzertierte Aktion. Der Weg dorthin führt unter anderem auch über die Bildung.
Die Frage ist doch: Was muss ich wissen, damit ich konstruktiv für meine ureigenen Belange einstehen kann. Was sind notwendige Vorkenntnisse, wie muss ich mich verorten, um mich für mich und meine Kolleg:innen einsetzen zu können. Die Kommunikation dabei ist wichtig, kein Zweifel. Aber dem muss auch Handeln folgen. Es geht darum, das Heft für sich selbst in die Hand zu nehmen. Diese Aufgabe ist schon ziemlich voraussetzungsvoll, es macht aber auch Spaß, so viele Entwicklungswege und -prozesse von Kolleg:innen mitzuerleben und zu begleiten.
Sind diese denn nicht mehr gegeben? Das ist doch seit jeher die Grundvoraussetzung?!
Doch, es ist aber gleichzeitig auch so, dass wir zunehmend Kolleg:innen haben, die bisher weniger stark gewerkschaftlich sozialisiert wurden. Die üblichen Entwicklungsbiografien, die wir kannten und auf denen unsere Kommunikation aufsetzte, sind heute anders: Lehre, Ausbildung, lange im gleichen Betrieb, Vertrauensfrau bzw. Vertrauensmann, viel Zeit, sich zu organisieren, als Vertrauensfrau/-mann Seminare zu besuchen um Vorwissen aufbauen zu können; viel Zeit, um Erfahrungen zu machen. Heute gibt es weniger Menschen, die diese Entwicklungswege haben und damit das gewerkschaftliche System kennen und verstanden haben, einigen fehlt das Verständnis über das System der industriellen Beziehungen in Gänze. Wir treffen in unseren Seminaren immer mehr auf Kolleg:innen, die Gewerkschaft nur aus den Medien kennen. Die Menschen müssen wissen, warum sie dabei sind und sich bewegen. Es ist also zunächst eine Frage der Mitglieder, eine Frage des Bewusstseins. Wenn ich nicht weiß, warum ich dabei bin, gepaart mit einer durchaus verbreiteten gesellschaftlichen Dienstleistungs-Mentalität: “Ich zahle, dann bekomme ich”, dann werde ich/ werden wir nicht erfolgreich sein. Wie bekomme ich dieses Manko aus der Welt?
Wir müssen wieder Strukturen entwickeln, um die Menschen nach und nach an die Gewerkschaften heranzuführen. Verantwortung zu übernehmen und verantwortungsvoll zu handeln! Das sind aber Prozesse, die weit über diese Tarifbewegung hinausgehen. Wir merken, dass es auch in den regionalen Seminaren immer mehr um die Positionierung, die Haltung von Interessenvertreter:innen und die Rollen-/Aufgabenteilung gehen muss. Unsere Grundlagenseminare sind oftmals der erste Berührungspunkt mit uns. Das müssen wir mit den Referent:innen in Arbeitskreisen stärker diskutieren. Wenn Teilnehmer:innen in den ersten Seminaren nicht die Grundlagen verstehen und nicht eine Haltung entwickeln, dann werden sie ohne dieses Grundverständnis, ohne dieses Fundament ihre Rolle und Aufgabe anders mit Leben füllen, nämlich nur halb.
Wie viele der Teilnehmer:innen, die zu Euch ins Bildungszentrum kommen, spüren, erleben und empfinden die gesamtgesellschaftliche Dimension - und wie viele sind da blank?
Alle haben unterschiedliche Erfahrungshintergründe, die Gruppenmitglieder sind sehr unterschiedlich, genau das müssen wir im Gruppenkontext, im kollektiven Lernen ausgleichen. Ich habe regelmäßig erlebt und erlebe regelmäßig, dass Menschen “Aha-Erlebnisse” im Seminar haben, und erst nach der Wahl die Dimension Ihrer Möglichkeiten, die Chancen und den Charakter der Aufgabe Betriebsrät:in verstehen.
Die Menschen wissen schon ganz konkret, was sie brauchen, aber viele wissen nicht genau, wie es nach dem Seminar ganz praktisch und konkret weitergeht im Betrieb.
Müsste dann nicht eigentlich das ganze Gremium ins Seminar kommen?
Ja, das passiert auch vermehrt. Wir versuchen einen gemeinsamen Ausgangspunkt zu schaffen und ein gemeinsames Verständnis herzustellen, denn jede:r interpretiert je nach seinen bzw. ihren Erfahrungen die Dinge unterschiedlich. Diese Multiperspektivität des Gremiums ist konstruktiv, wenn wir einen gemeinsamen Ausgangspunkt definieren können. Die meisten Teilnehmer:innen kommen allerdings frisch gewählt rein und denken Interessenvertretung für Ihre Abteilung und ihr nächstes Umfeld zu machen. Es geht im Betriebsrat aber nicht nur um eine Abteilung oder nur den Betrieb, das Ganze hat eine gesellschaftliche Dimension.
Und das bringt Komplexität. Nun ist Betriebsrät:in ja leider kein Ausbildungsberuf, sondern unsere Bildungsarbeit übernimmt diese Rolle der Ausbildung. Und zur Frage nach den Fähigkeiten gehört auch, was für ein Bild geben wir ab? Positionieren wir uns beispielsweise als Betriebsrat explizit als IG Metall Betriebsrat? Ich frage häufiger IG Metall-ferne Kolleg:innen, wie sie uns eigentlich sehen. In der Regel antworten diese dann: “Na, mit Warnweste, rotem Transparent und Trillerpfeife.” Aber das ist doch nur ein Mini-Teil eines großen Bildes welches wir als Gewerkschaft abgeben.
Dass wir diese Verantwortung gemeinsam besser angehen können, leuchtet ein. Die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Betriebsratsmitglieder zu bündeln, setzt sicherlich Energie und Fähigkeiten frei. Aber wie stellen wir kollektives Handeln her?
Da es vom Gesetzgeber aus gesehen verschiedene Grundlagen sind, für die Qualifizierung von Betreibsrät:innen und Vertrauensleuten/ Aktiven, bieten wir für Vertrauensleute und für Betriebsrät:innen Bildungsangebote in unseren Bildungsprogramm. Nun haben wir aber nicht überall Vertrauensleute. Doch dort, wo beide Säulen der Interessenvertretung vertreten sind, stellt sich die Frage, wie arbeiten Betriebsräte mit Vertrauenskörper-Leitungen zusammen? Es macht Sinn, wie im Strategieprozess die IG Metall vom Betrieb aus denken kodiert ist, dicht an den Betrieben dran zu sein. Direkt in die Betriebe zu gehen, die Theorie direkt in der Praxis anzuwenden und die individuellen Erfahrungen einzubinden. Wir können die Akteure von Anfang an gemeinsam handlungsfähig machen. Und gleichzeitig die Frage beantworten, wie ich Mitglieder beteilige und Nichtmitglieder aktiviere.
Haben wir in den letzten Jahrzehnten denn zumindest die Bildung nicht “vom Betrieb aus” gedacht?
Ich habe 2009 in Beverungen als Bildungsreferentin angefangen. Damals wurde ich noch von den Kolleg:innen Bildungsreferent:innen gefragt, warum ich ständig in die Betriebe herausfahre, die Bildungsarbeit sei doch Bildungszentrum zu tun. Bildung wurde und wird als Zweckbildung für die Politisierung und gemeinsame Handlungsfähigkeit gesehen, es hat sich aber seit damals doch vieles verändert. Die Frage ist doch, welche Bildung führt uns gemeinsam zum Ziel? Meiner Ansicht nach müssen wir mit Bildungsformaten noch näher und schneller in die betriebliche Praxis reinkommen. Das ist über ein Jahrzehnt später, richtiger denn je, und wir müssen noch mehr in diese Richtung ausprobieren und entwickeln.
Das Bildungszentrum der Zukunft sind dann mehrere Busse?
Jein… wir müssen praxisnah, spezifisch und anwendungsorientiert gemeinsam mit den Geschäftsstellen und den Betrieben Aktionen planen wie bspw. mit dem Format „Bildungsblitz“, um schnell großformatig gemeinsam Menschen anzusprechen. Interessenvertretungsarbeit ist Beziehungsarbeit, d.h. wir müssen uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir auch Nicht-Mitgliedern einen Einblick in unsere tatsächliche Arbeit und Haltung zu geben, wir müssen Möglichkeiten schaffen, in denen wir uns anders kennenlernen können und möglicherweise auch andere Zugänge schaffen. Das klingt aufwendig und ein wenig im Moment verhaftet. Bleibt genug Zeit, die Bildung weiterzuentwickeln, und proaktiv Programme für die kommenden Krisen vorzubereiten, oder laufen wir den Krisen hinterher?
Wir machen keinen blinden Aktionismus! Selbstverständlich versuchen wir heute Antworten zu finden auf die Fragen, wohin die Reise geht. Was sind die Probleme der nächsten Wochen, Monate, Jahre? Wie wirkungsmächtig werden wir künftig sein, wie müssen wir unsere Kultur weiterentwickeln? Wie können wir heutige Innovationen in künftige Routinen überführen? Dazu müssen wir mutig sein, Fehler zulassen und moderne, zeitgeistige Inhalte in neuen Formaten ausprobieren. Wenn wir nicht im Bildungsbereich den Mut und den Raum haben, wie es auch anders gehen kann, dann weiß ich nicht, wie und wo es sonst klappen soll.
Und um noch einmal explizit auf die Krisen zurückzukommen: Veränderungen hat es immer gegeben. Nur die Dynamik ist eine andere, die Komplexität ist gestiegen. Strategische Fragen und zunehmend das Mantra der agilen Arbeit rücken deshalb immer stärker in den Fokus. Und trotzdem dürfen wir nicht vergessen: Wenn ich die Grundlagen nicht kenne, dann habe ich trotz bester Soft Skills und hohem Prozesswissen keine Chance mich politisch durchzusetzen.
Letzte Frage: Bildung ist immer Reflexion, und wir sprechen die ganze Zeit schon darüber. Wir alle haben das Gefühl, die Anforderungen werden immer größer. Wird die Persönlichkeitsentwicklung deshalb eine immer größere Rolle spielen?
Das ist bereits heute so. Wenn ich auf meinen Weg in die Gewerkschaft zurückblicke, hat die Bildungsarbeit ganz viel mit mir gemacht. Ich habe Chancen erhalten, viel über Themen mithilfe anderer gelernt. Und so geht es vielen Kolleg:innen, mit denen wir diese Entwicklungswege beschreiten. Es geht nicht nur um Solidarität, sondern das gemeinsame Lernen und um persönliche Entwicklung. Bildung bietet Räume, in denen wir gemeinsam lernen und Handlungskonzepte für die direkte betriebliche Praxis entwickeln. Das ist ein integraler Bestandteil der Bildung. Jeder und jede, und wir als Bildungsabteilung im Ganzen sind Teil des Transformationsprozesses, und nicht Außenstehende. Auch wir müssen uns bewegen und ändern! Es führt kein Weg daran vorbei, alles gemeinsam zu denken. Wir müssen das Gute bewahren, aber auch Neues zulassen. Das ist die Verantwortung jeder Generation im Kant’schen Sinne.
Liebe Ferdije, vielen Dank für das Gespräch.
Ferdije Rrecaj, ist Leiterin des IG Metall-Bildungszentrums Beverungen. Sie sagt von sich selbst, dass sie schon immer gerne Neues ausprobiert hat und daher auch ihr Entwicklungsweg eher untypisch verlaufen ist. Ohne Gewerkschaftlichen Hintergrund hatte sie im Seminar ihren Gewerkschaftlichen AHA-Moment und wusste, dass sie hier arbeiten und wirken will. Diesen Moment auch für andere zu kreieren, ist ihr persönlicher Antrieb - und sie ist fest davon überzeugt, dass eine sich stetig weiterentwickelnde Bildungsarbeit dafür den besten Rahmen bietet. Und da sie sich selbst so stark für Entwicklungen interessiert, ist nur schlüssig, dass die Begleitung von Entwicklungsprozessen in Teams/Gremien ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist.
Wir müssen alle an einen Tisch holen
Alexandra Tode ist neugewählte Betriebsrätin und stellvertretende VK-Leiterin im Bezirk Küste. Sie hat uns erzählt, wie es mit der Tarifbewegung bei ihnen im Betrieb aussieht, vor welchen Herausforderungen sie aktuell stehen und was sie alles machen, um die Beschäftigten auf die Tarifrunde vorzubereiten. Darüber hinaus hat sie uns ihre Vision für eine gelungene Betriebsratsarbeit genannt - und dass sie in unseren Seminaren alles lernt, was sie für ihre Arbeit braucht und dabei ganz besonders den kollegialen Austausch schätzt. Ein Gespräch über Transparenz, Aktion und Kooperation.
Liebe Alexandra, wir blicken immer aus der Perspektive der Bildungsabteilung auf die Dinge. Die Tarifrunde steht vor der Tür. Wo steht Ihr?
Ich bin im April frisch in den Betriebsrat gewählt worden in einem Betrieb mit ca. 500 Kolleg:innen, wovon 70 % Mitglieder in der IG Metall sind. Wir fangen also nicht bei Null an, trotzdem wollen wir die Tarifrunde nutzen, um wieder sichtbarer zu werden und gleichzeitig einige unserer Aktiven wieder etwas stärker einzubinden. Wir nehmen auch gerade an den Workshops zur aktuellen Tarifrunde teil. Ich bin die einzige aus dem Betriebsrat, die mitmacht. Die anderen Teilnehmer:innen im Workshop sind alles aktive Vertrauensleute in unserem Bezirk. Die Workshops bieten mir einen wertvollen Austausch; ich fühle mich vorbereitet.
Macht Ihr aktuell Aktionen, bei denen die Workshops geholfen haben?
Ja, wir sprechen vor den Werkstoren unsere Kolleg:innen an, erinnern, informieren, motivieren und zeigen: Die Gewerkschaft lebt. Wir bauen einen Stand auf, ziehen uns auffällig an, haben Give Aways dabei, verteilen Infoblätter und erklären, was ansteht. Eine Tarifrunde bedeutet, dass wir zum einen für unsere Bedürfnisse einstehen müssen. Zum anderen kann die Tarifrunde aber bedeuten, dass wir in den Arbeitskampf ziehen. Unsere Aktionen vor den Werkstoren sind also keine Folklore, sondern halten den Laden zusammen und erinnern die Arbeitgeber:innen an die Rolle der Arbeitnehmer:innen im Betrieb.
Darf ich fragen, wie viele in der Regel stehen bleiben?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal sind es 5 von 20, wenn es Gruppen sind, dann bleiben aber auch mal 10 von 10 stehen. Das hängt aber auch von vielen anderen Faktoren ab - wie das Wetter ist, die Zeit, die die Leute haben - wir sprechen sie ja auf dem Weg zur Arbeit an. Was uns auf jeden Fall alle sagen ist, dass unser Stand sehr einladend ist.
Schön zu hören! Wusstest du vom Start weg, was du als Betriebsrätin zu tun hast?
Grundsätzlich schon, denn es geht um mich und meine Kolleg:innen, es geht um den Menschen am Arbeitsplatz. Menschen investieren sehr viel Zeit und sich selbst , das macht ja auch was mit Dir! Gleiches gilt für meine Arbeit als Betriebsrätin. Ich bekomme so viele Einblicke, sei es im Arbeitsrecht oder Arbeitsschutz, zur Frage, wie wir die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen mit besonderen Bedürfnissen fördern. Meine Arbeit ist eine so umfangreiche Sache, aber diese Einsicht fehlt vielerorts. Ich glaube, es gibt immer noch Leute, die denken: Ihr trinkt ja ohnehin nur Kaffee.
Wie könnten wir das ändern? Wie könnte eine andere Art der Zusammenarbeit im Betrieb aussehen?
Ich finde Transparenz unheimlich wichtig. Den Mitarbeiter:innen mitteilen und aufzeigen, woran wir gerade arbeiten. Das ist aber nicht nur unsere Aufgabe, das müsste auch die Geschäftsführung tun. Gemeinsam müssen wir den Kolleg:innen das Gefühl geben, dabei zu sein. Stattdessen muckeln alle so vor sich hin. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir alle an einen Tisch holen und endlich einmal das offene Gespräch suchen. Wir müssen gemeinsame Ziele finden, denn wenn Menschen gemeinsame Ziele haben, dann haben wir uns zumindest schon einmal auf die Richtung geeinigt. Dann geht es nur noch darum, gemeinsam den Weg dorthin zu finden. Und gelingt euch das im Betrieb?
Es geht meiner Ansicht nach allzu oft der Blick für das Große Ganze verloren. Jede:r geht nach Hause, und schaut, was als Nächstes im unmittelbaren Umfeld ansteht. Es fehlt mir das: Gemeinsam geht auch mehr! Wir müssen uns hinsetzen, sprechen und uns Zeit nehmen. Ich denke, das gilt auch für die anderen großen Themen, wie jetzt in der Tarifrunde. Manche wissen genau Bescheid, manche gar nicht, wiederum andere interessiert es nicht, was wir sagen oder machen oder fordern. Es kommt auch auf die Tagesverfassung an, einige sind gestresst, sie haben ja alle auch ihre eigenen Probleme und Herausforderungen. Und dafür sind die Schulungen so wichtig, die richtige Rhetorik, um Argumente vorzutragen, die Geduld, sich auch Beschimpfungen anzuhören, das Talent nicht abzuschweifen, sonst landest du schnell bei Ukraine oder beim Klima. Super, dass die IG Metall genau dafür Weiterbildungen bietet.
Vorausgesetzt, ihr trefft den richtigen Ton: Wie schaffst du es, dass die Kolleg:innen für eure Forderungen auch einstehen?
Es kommt auf die Situation an. Eigentlich weiß doch jeder ziemlich genau, was er oder sie zum Leben braucht. Aber, um sie wirklich zu überzeugen, dafür müssen wir Verständnis und Auseinandersetzung organisieren und Gespräche führen. Ich denke, für solche positiven Gespräche sollten wir uns einfach mehr Zeit nehmen und im kleinen Kreis, in Ruhe zusammenkommen. Das geht vorm Werkstor vor der Arbeit nicht, wir wollen auch niemanden von seiner Arbeit abhalten - das ist auch dem Arbeitgeber wichtig. Wir müssen also sehr konstruktiv sein. Deshalb führen wir jetzt extra eine Sprechstunde ein,
Die Frage ist dabei ja auch, ob wir im Betrieb mehr Mitglieder gewinnen.
Ich finde, wir brauchen Fingerspitzengefühl bei der Mitgliederfrage. Erschließung und Tarif zusammenzudenken ist gut, aber in der Praxis nicht einfach. Es ist eine Gratwanderung, denn die Mitgliedergewinnung liegt nicht allen. Wir haben im Betrieb eine positive Stimmung gegenüber dem Betriebsrat in der Tarifrunde. Den Menschen ist die Wichtigkeit bewusst und trotzdem gibt es natürlich Trittbrettfahrer:innen, die hoffen und darauf bauen, dass die anderen das tun, was sie selbst machen sollten.
Welchen Stellenwert hat Bildung jetzt im Rahmen der Tarifrunde?
Es ist schön, sich mit anderen Betriebsrät:innen aus anderen Unternehmen austauschen zu können. Dieser Meinungsaustausch ist unheimlich wichtig. Vor allem aber müssen wir alle die gleiche Sprache sprechen, und natürlich müssen wir alle straight ins Gespräch gehen können, die Forderung verstehen und erklären können, dass es nicht einfach nur darum geht, ein Stück Käse pro Monat kaufen zu können, sondern, dass es jetzt wirklich wichtig ist. Hier denke ich insbesondere an Rhetorik- und Kommunikationsseminare. Sie sind wichtig auch in Hinblick auf die Ansprache von Menschen, die an unserer Arbeit interessiert sind und die überlegen, Mitglied zu werden.
Liebe Alexandra, vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit.
Alexandra Tode kommt von der Küste und ist neugewählte Betriebsrätin und stellvertretende VK-Leiterin im Bezirk Küste. Sie ist mit der neuen Funktion Anfang des Jahres nach langen Zeit wieder in die IG Metall eingetreten.
Tarifarbeit ist Bewegungsarbeit
Stefan Schaumburg, Leiter des Funktionsbereichs Tarifpolitik, und Sebastian Gasior, Leiter des Ressorts Strategische Erschließung, haben gemeinsam die Kampagne “Aktiv für Tarif” entwickelt. Wir haben sie gefragt, warum sie neue Wege gegangen sind, was sie aus dieser Zusammenarbeit mitnehmen und wie sie es trotz der angespannten Lage schaffen, aus der Tarifrunde eine Tarifbewegung zu machen.
Die Zeichen stehen auf Krise, gerade der Krieg, die Verknappung des Gases und die zunehmende Inflation machen Unternehmen wie Arbeitnehmer:innen gleichermaßen zu schaffen. Können diese Themen in der aktuellen Tarifverhandlung überhaupt richtig behandelt werden? Und wenn ja, wie?
Stefan Schaumburg – Die Themen sind nun mal da und insofern müssen wir uns damit auseinandersetzen.
Wir versuchen auf der sachlichen Ebene zu erklären, was eigentlich genau passiert und welche Reaktionsmöglichkeiten wir haben. Einen Punkt, den wir dabei besonders betonen, ist, dass die Beschäftigten die einzige Gruppe in dieser Gesellschaft sind, die erhöhte Preise nicht weitergeben können. Deswegen fordern wir ja 8 %, das ist unsere Form der Weitergabe von höheren Preisen. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht! Aber das beinhaltet auch Gefahren: Ich stelle schon fest, dass die ersten auf Argumente der Gegenseite hereinfallen und sich fragen, ob eine hohe Forderung eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnte. Aber was wir nicht vergessen dürfen, ist, dass Profite und Preise hochgegangen sind, sich aber bei den Löhnen in den letzten Jahren gar nichts bewegt hat. Uns also jetzt für eine schwierige wirtschaftliche Entwicklung, wo gestiegene Preise durch gestiegene Löhne nochmal erhöht werden, verantwortlich zu machen ist ein bisschen bösartig und geht völlig an der Sache vorbei. Aber das passiert.
Die ganze Sache ist also komplex, es braucht Zeit, das zu erklären. Wir haben die Tarifrunde sehr früh gestartet, gerade weil wir diese Zeit brauchen. Im Grunde sind wir seit März - seit dem Beginn unserer Kampagne Aktiv für Tarif - dabei, das, was durch den Krieg, was in der Wirtschaft passiert, erstmal zu erklären und ins Gespräch zu kommen.
Redaktion: Stichwort Komplexität - Ist die Tarifarbeit insgesamt schwieriger geworden? Stefan Schaumburg – Ich weiß gar nicht, ob es schwieriger geworden ist. Ich mache das ja jetzt schon über 30 Jahre und was mir auffällt, wenn ich so zurückblicke, dann dass es immer einzelne Phasen und Herausforderungen gab, die man irgendwie bewältigt hat: Ob es Transformationsprozesse, die Finanzkrise oder jetzt eben gerade Corona war - das waren alles Sachen, die du irgendwie greifen konntest, da konntest du was tun. Aber in der jetzigen Situation, in dieser Multi-Krise, was willst du denn gegen Krieg machen? Klar, da gibt es jetzt Debatten, die einen sagen, man solle Waffen liefern. Die anderen fordern, sie lieber niederzulegen, um friedliche Lösungen zu finden. Aber da kommst du ganz schnell ins kurze Gras- sowohl tarifpolitisch als auch persönlich moralisch. Ich glaube, das Problem jetzt ist, dass es keine Werkzeuge gibt. Bei Corona z.B. gab es das Motto "Abstand. Maske. Arbeitskampf." und unsere Botschaft war: Es geht trotz des Virus noch was. Aber jetzt? Jetzt gibt es eine gewisse Orientierungslosigkeit und die Frage: An welcher der vielen Baustellen muss ich zuerst anfangen?
Zu der gemeinsamen Kampagne Aktiv für Tarif, würden wir gerne noch mehr wissen. Wie genau nehmt ihr die Leute mit, wie schafft ihr es, die Komplexität der Forderungen und die 8 % zu verargumentieren?
Sebastian Gasior – Das Fundament der Erschließungsarbeit ist immer das Thema, das allen unter den Nägeln brennt. Das gehen wir an. Dazu müssen wir immer als erstes auf die Betroffenen zugehen und fragen: „Was ist euch wichtig?“. Als wir das erste Mal zusammensaßen und gemeinsam die Kampagne entwickelt haben, haben wir entschieden: Egal was kommt, wir müssen in besonderem Maße an die Leute ran. Wir müssen frühzeitig Gesprächsanlässe schaffen, in den Dialog kommen und fragen: „Was denkt ihr über die anstehende Tarifbewegung? Was bewegt euch? Was seid ihr bereit, dafür zu tun?“ Die direkte Kommunikation mit den Menschen ist ja ein Grundprinzip der Erschließungsarbeit und damit auch ein zentraler Hebel in dieser Kampagne. Dabei war uns klar, dass es auch Kritiker:innen an dieser beteiligungsorientierten Vorgehensweise gibt, weil oft befürchtet wird, dass wir zu hohe Erwartungen wecken, die wir dann erfüllen müssen. Aber die Menschen haben ihre Erwartungen, sie haben Forderungen im Kopf und sie wissen, was sie wollen - ob wir sie fragen oder nicht. Es ist also besser, den Dialog zu führen, zu erklären und zu diskutieren, mit den Leuten und ihren Antworten zu arbeiten. Denn wenn wir in den Konflikt gehen, dann muss das immer mit den Menschen geschehen, es müssen ihre Forderungen sein, nicht unsere. So haben wir auch die Kampagne aufgebaut: in dem wir zunächst gefragt haben und damit die Forderungs-Findung wesentlich transparenter machten als wir das sonst tun, sie mit einbinden - aber dann eben auch erwarten, dass sie sich zur Forderung bekennen und für sie einstehen
Stefan Schaumburg – Es war ja auch das erste Mal, dass wir es geschafft haben, dass in allen Bezirken die Menschen nach ihren Forderungen befragt wurden. Das hat in der Organisation auch etwas die Angst vor der Beteiligung genommen, eben weil es keine unrealistischen Forderungen gab.
Wie genau geht es mit der Kampagne jetzt weiter? Was steht jetzt an? Sebastian Gasior – Aktuell läuft gerade der zweite Schritt der Kampagne, die Aktion „Gesicht zeigen! “, bei der die Kolleginnen und Kollegen per Foto im wahrsten Sinne Gesicht zeigen können für die 8 %. Was sich jetzt zeigt: dadurch, dass ja schon seit ein paar Monaten über die Forderung gesprochen wird, sind die Leute jetzt auch bereit, für ihre Forderungen einzustehen. Durch diesen Prozess habe ich auch die Hoffnung, dass sich zumindest zum Teil das Bild auflöst, dass die IG Metall die Dienstleisterin ist, die wie eine Art Behörde die Tarifarbeit macht. Stattdessen ist ja Tarifarbeit auch „Bewegungsarbeit“ und das soll in dieser Tarifbewegung besonders spürbar sein. Das mag vielleicht noch eine naive Hoffnung sein, aber das Gefühl ist definitiv da, dass wir mehr denn je den Spirit einer Tarifbewegung haben. Und dass die Beteiligten merken, das Ganze hat etwas mit ihnen zu tun, das hat etwas mit Mitgliedschaft zu tun und mit kollektiver Stärke. In diesem Sinne ist auch der dritte Schritt der Kampagne angelegt: Es gibt Planungshilfen, unterstützende Materialien und Schulungsangebote, um die Ansprache auf Warnstreikkundgebungen systematisch zu gestalten , mit dem Ziel, die Nichtmitglieder auf Warnstreiks für uns zu gewinnen.
Redaktion: Woher kommt dieses Bild, die IG Metall als Dienstleister? Stefan Schaumburg – Dafür gibt es viel Gründe. Ich möchte mal drei hervorheben: 2018 hatten wir eher komplizierte Forderungen, mit weniger Beteiligungsorientierung im Vorfeld. Aber bei dem dazugehörigen Arbeitskampf mit den 24 Stunden Warnstreiks waren rund 500.000 Beschäftigte beteiligt und wir haben noch nie so viele Mitglieder gewonnen. Das heißt, dass die Menschen uns vertrauen und sagen: Ihr macht das schon. Das gefällt uns nicht immer, weil es die Stellvertreter-Nummer ist.
Zweiter Punkt: Wir haben uns zum Teil auch wie Versicherungen aufgeführt. Es gibt ja Leute, die mit der Freizeitunfallversicherung geworben haben. Also wir sind auch ein bisschen selbst dran schuld. Und der dritte Punkt, der ist am schwierigsten, weil es hier um ein langfristiges Umschwenken geht: Wenn es um die Transformations-Themen geht, dann müssen wir unseren Leuten sagen: “Viele der jetzigen Jobs, die wird es so nicht mehr geben. Du wirst dich weiterqualifizieren müssen.” Aber es gibt eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Menschen, insbesondere im geringqualifizierten Bereich, die dann antworten: “Ich bin Mitglied und zahle ein Prozent von meinem Bruttolohn, dafür, dass du dafür sorgst, dass alles so bleibt, wie es ist!” Das ist menschlich verständlich und zeigt eben auch, dass es auch viele Leute gibt, die genau diese Versicherungsleistung von uns erwarten.
Ich glaube, dabei geht es um einen Kulturwandel. Wenn wir aus dieser Rolle des Bewahrers, der stellvertretend die Probleme löst, raus wollen, und stattdessen auf Beteiligung setzen und die Leute mitnehmen wollen, dann werden wir auch Konflikte führen müssen.
Und was bedeutet das für die Tarifbewegung? Ab wann ist sie ein Erfolg?
Stefan Schaumburg – Die Tarifbewegung ist dann ein Erfolg, wenn wir ein materiell gutes Ergebnis durchgesetzt haben und wenn wir mehr Mitglieder haben, wenn wir die Menschen begeistert haben. Beide Ziele sehe ich als gleichberechtigt an: Um diesen Laden so zu stabilisieren, dass er in Zukunft noch handlungsfähig ist, dafür brauchen wir Mitglieder. Und wir brauchen für die Beschäftigten einen greifbaren Erfolg.
Das Problem, was ich dabei sehe, ist: wie bewerten wir diesen Erfolg, wenn sich die externen Faktoren ändern. Bisher war alles irgendwie voraussehbar: Die Ergebnisse, die wir in den letzten 15 Jahren gemacht haben, waren immer in schlechten Jahren 58 %, in guten Jahren 65 % der Forderungen. Ein Unentschieden gab es nie, wir haben immer gewonnen und mehr als die Hälfte durchgesetzt. Es ist also alles reine Mathematik: Wenn wir 8 % fordern, müssen wir 5 % schaffen. So wie bei Stahl, dann ist das ein tolles Ergebnis. Aber wenn wir 10 % Inflation haben, dann wird aus diesem tollen Ergebnis gerade mal ein Ausgleich für die Hälfte der Preissteigerung. Meine persönliche Angst ist, dass in der heutigen Zeit ein gutes Ergebnis, das vielleicht sogar überall gelobt wird, trotzdem in der eigenen Mitgliedschaft nicht so gut ankommt, weil uns die Inflation weiter wegläuft.
Wo wir gerade von großen Veränderungsprozessen sprechen, die wir nicht aufhalten können. Wie wird die Transformation die Tarifarbeit verändern?
Stefan Schaumburg – Tarifarbeit der Zukunft, das bedeutet im Kern Zukunftstarifverträge, die ergänzend zum Flächentarifvertrag betrieblich gemacht werden müssen. Und da sind die Herausforderungen groß: Wir müssen es ja irgendwie schaffen, dass wir, ohne den Menschen Angst zu machen, klarmachen, da wird sich was ändern und wir können diesen Veränderungsprozess gestalten. Die Tarifarbeit im Betrieb wird sich dann viel um die Frage von Qualifizierungen drehen und um die Frage von Beteiligung. Es ist ja auch nicht das erste Mal. Schon in den 80er Jahren, als wir diese riesigen Einbrüche in der Werftindustrie hatten, hat sich gezeigt, dass, wenn wir Menschen beteiligen, mehr geht. Bei einer Insolvenz haben wir in vier Wochen mit den Beschäftigten 35 Vorschläge erarbeitet, zu der Frage, was man denn zukünftig machen kann. Und auch jetzt: Wir haben so viele tolle Leute im Betrieb, jetzt geht es darum zu gucken, was wir für Ideen haben. Aber das setzt natürlich voraus, dass die Beschäftigten wissen, dass es auf sie ankommt. Ich glaube daher, die Tarifarbeit der Zukunft wird einige Anstrengungen, viel Qualifizierung und ja, auch Zumutungen für die Beschäftigten beinhalten. Aber es wird ein gemeinsames Projekt nach vorne sein, das es in jedem Betrieb geben wird. Sebastian Gasior – Dem kann ich nur zustimmen: Das ist auch eine Riesenchance. Gerade wenn wir das ernsthaft und wahrnehmbar zu einem demokratischen Prozess in Betrieb machen. Wenn wir das, wie Stefan das bei den Werften beschrieben hat, in den Betrieben leben und um die Erfahrungen, die wir in den letzten 10-15 Jahren der Erschließungsarbeit gemacht haben, anreichern und gemeinsam überlegen “welche Möglichkeiten der Beteiligung, der ernsthaften Beteiligung gibt es denn?”, dann ist uns sehr geholfen.
Wenn es uns gelingt zu vermitteln, dass wir gemeinsam das erarbeiten, was wir wollen, was wir brauchen und aus diesem Schwung neue Teams bilden, in denen Aktive Metaller:innen und Vertrauensleute eine aktivere, gestalterische Rolle einnehmen - dann kann beispielsweise eine Forderung noch sehr viel intensiver debattiert werden im Betrieb. Eine betriebliche Umfrage ist ja nur der erste Schritt. Über die Ergebnisse kann ich mit Beschäftigten in Kleingruppen diskutieren, kann in einzelnen Abteilungen Arbeitsgruppen gründen und so die unterschiedlichen Interessen und die Arbeitsbedingungen verbinden. Wenn man da so rangeht, dann lassen sich langfristige demokratische Prozesse im Betrieb anstoßen, mit unseren Vertrauensleuten, mit unseren Interessenvertreter:innen und eben mit den Beschäftigten, im Besonderen natürlich unseren Mitgliedern. Der viel diskutierte Mitgliederbonus kann eben bedeuten, dass ich als Mitglied, besonders als aktives Mitglied, ernsthaft mitentscheiden und diskutieren kann, meine Beteiligung einen spürbaren Unterschied macht. Da kommen die Erschließungsarbeit und die Tarifarbeit sehr eng zusammen, wenn man das möchte.
Wie genau schaffen wir diesen ”Kulturwandel”? Wo müssen wir als Organisation ansetzen? Stefan Schaumburg – Es setzt voraus, Menschen für etwas zu begeistern. Und dann ist es aber auch Arbeit, und nicht mehr Stellvertreterpolitik-Folklore mit roter Fahne zweimal im Betrieb laufen. Das ist vorbei. Das ist ein kultureller Wandel, der für alle nicht so ganz einfach ist. Wir müssen im Grunde hingehen und sagen: “Leute, allein können wir das nicht - aber wir können es zusammen machen. Wir haben Ideen, wir können helfen, aber ihr müsst euch bewegen!” Wie Sebastian gerade gesagt hat, ist die IG Metall da besonders stark, wo wir beteiligen. Ein Beispiel: Wir haben einen 10 % höheren Organisationsgrad in den Bereichen, in denen die Beschäftigten ihren betrieblichen Tarifvertrag durchgesetzt haben.
Die, die sich hinstellen, Gesicht zeigen, für ihre Interessen selbst eintreten und sich mit Arbeitgeber: innen, die das mit Ihren Leuten machen, die diesen Schritt in Richtung echter Beteiligung gehen, gewinnen im Betrieb Mitglieder und sind stärker im Betrieb als die, die Folklore gelernt haben und das mit der roten Fahnen machen wie immer. An diesem Kulturwandel führt kein Weg vorbei.
Sebastian Gasior – Ich beobachte zum Teil auch eine Tendenz zur "Betriebs-Politikverdrossenheit". Wenn ich feststelle, dass bei so mancher Betriebsratswahl nur 50 % der Beschäftigten überhaupt gewählt haben und unsere Aktiven und Betriebsräte Kommentare hören, wie „Die machen doch eh nur, was sie wollen“, dann spüre ich dahinter ein Gefühl der Ohnmacht, das Gefühl, dass man ja als Beschäftigter keinen wirklichen Einfluss hat und nichts zu Veränderung beitragen kann.
Aber wenn wir es schaffen, im Betrieb, in dem so wichtigen politischen Ort des täglichen Lebens bei den Leuten das gegenteilige Gefühl herzustellen – und dann auch zeigen, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob ich auf eine IG Metall Mitgliederversammlung meine Stimme erhebe oder nicht, ob ich bei einer Umfrage mitmache und ob ich mich einer Arbeitsgruppe der Aktiven oder der Vertrauensleute anschließe und Verbesserungen angehe. Wenn wir es schaffen, dass die Leute das merken, dann haben wir gewonnen. Dann machen wir tatsächlich Betriebspolitik im besten Sinne erlebbar, demokratisch und wirklich mit positiven Konsequenzen. Dieses Erlebnis ist, glaube ich, das beste Rezept gegen jede Form von “Politikverdrossenheit” und eben auch “Betriebs-Politikverdrossenheit.” Redaktion: Bildung und Veränderung hängen eng miteinander zusammen. Wo und wie muss sich auch die Bildungsarbeit verändern, um die Kolleg:innen vor Ort bei ihrer (Tarif-)Arbeit zu unterstützen und wirkmächtiger zu werden? Sebastian Gasior – Ich denke gerade an den Union-Summer in Sprockhövel , an dem ich teilgenommen habe und der ja unter anderem von der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit organisiert wurde. Da haben wir die Bildungsarbeit und die Praxis sehr eng zusammengebracht: Den ganzen Mittwoch gab es einen qualifizierenden Theorie-Part und am Donnerstag sind wir ausgefahren in Betriebe, haben die Ansprache von Beschäftigten in der Praxis geübt. Oder auch, wie es auf einer Führungskräfte-Weiterbildung an der Academy of Labour war, bei der ich kürzlich zusammen mit Kolleg:innen aus der Tarifpolitik war. Da haben wir uns mit Experten erstmal auf der Theorieebene unterhalten, hatten aber dann eine ganze Einheit, wo wir uns mit betrieblichen Aktiven über die konkrete Umsetzung von Zukunfts-Tarifen ausgetauscht haben. Was will ich damit sagen? Wir können extrem gut Konzepte entwickeln, wir haben sehr kluge Leute und unsere Bildungsangebote für Haupt- wie Ehrenamtliche sind richtig, richtig gut. Aber wir haben manchmal eine Umsetzungsschwäche, ganz einfach, weil uns oft der Alltag eingeholt. Da komme ich vielleicht von der Qualifizierungsmaßnahme, habe einen Haufen Ideen und dann landet der nächste Auftrag auf meinem Schreibtisch und dann wird der Umsetzungs-Eifer schnell erstickt. Ein wesentlicher Schlüssel, um das zu ändern, ist es, sehr schnell und sehr klar in die Praxis zu kommen. Bildung und Praxis sind untrennbar miteinander verbunden und im Zentrum steht für mich dabei, Menschen schnell ins Erleben zu bringen. Ein Erlebnis, wie oben beschrieben, in dem das Gelernte gleich umgesetzt werden kann, wiegt schwer und macht die Bildungsmaßnahme nachhaltig. Aus meiner Sicht muss diese Praxiserfahrung und auch der Austausch darüber stärker in die Anlage von Bildungsangeboten integriert werden, was zu meiner Freude auch immer stärker passiert.
Stefan Schaumburg – Zwischen Bildung und Praxis gibt es für mich noch Beratung. Sebastian hat es ja angedeutet: Früher war es oft so, wenn jemand aus dem Seminar zurück in den Betrieb kam, haben alle gesagt: “ Ja, ja ist gut, das legt sich wieder. Arbeite mal wieder 'ne Woche, dann ist wieder alles gut.” Das hat sich schon verändert. Was uns nicht immer gelingt, sind die Möglichkeiten der Beteiligung, die es gibt, auch zu nutzen. Im Paragraf 28a des Betriebsverfassungsgesetzes steht, dass der Betriebsrat Gruppen von Beschäftigten und einzelne Beschäftigte beauftragen oder legitimieren kann, Sachen zu klären. Also warum delegieren wir nicht solche Themen wie Urlaubsplanung und lassen das die Kolleg:innen unter sich klären? Das könnte ein Beratungsansatz sein. Unsere Bildungsangebote zur Qualifizierung von Handlungskollektiven sind von hoher Bedeutung! Für die Umsetzung von Zukunftstarifverträgen brauchen wir Teams aus Vertrauensleuten, Betriebsräten, interessierten Mitgliedern und den betreuenden Gewerkschaftssekretär:innen. Unsere Qualifizierungsangebote zu Bildung und Beratung sind daher sehr wichtig, um als Handlungskollektiv handlungsfähig zu werden. Einen noch stärkeren Ausbau dieser Angebote begrüße ich.
Wir können die Aktiven aufschlauen und können jede und jeden qualifizierten, aber diesen Schritt der Zusammenführung derjenigen, die es dann im Betrieb machen müssen, auch mit der Frage der Rollen, mit der Frage von Kommunikation, mit der Frage, wie man Veränderungsprozesse gestalten kann - da sind unsere genau zugeschnittenen Angebote für Handlungskollektive aus Haupt- und Ehrenamtlichen wichtig. Und auch hier gibt es begleitende Beratungsangebote. Wesentlich für die Zukunft, wie man bei eurer Zusammenarbeit sehen kann, scheint uns die Fähigkeit zur Kooperation. Wie seht ihr das und wie war eure Erfahrung damit? Stefan Schaumburg – Erstmal muss man sich darüber im Klaren sein, dass das deutlich zeitaufwendiger und anstrengender ist als das, was wir früher gemacht haben. Aber wir haben auch gelernt, dass es ohne nicht geht und dass wir alle noch früher miteinander reden müssen.
Miteinander zu reden, zu überlegen, was wir machen können, und seinen eigenen Bereich zwar zu beherrschen, aber jetzt nicht zu wichtig zu nehmen, das ist das, worauf es für mich ankommt. Und natürlich die Bereitschaft zur Kooperation, auch wenn das an bestimmten Stellen nicht immer so gut funktioniert. Einfach nochmal versuchen. Es geht hier nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern ganz einfach darum: wenn wir in Zukunft erfolgreich sein sollen, dann müssen wir uns bewegen und manche Dinge anders machen.
Sebastian Gasior – Stefan hat völlig recht, der zeitliche Mehraufwand, das ist eine Realität, die muss man anerkennen. Das bedeutet auch, dass dafür zeitliche Beinfreiheit vorhanden sein muss, und das ist eine Frage der Orientierung und Priorisierung, eine Führungsaufgabe. Genauso ist es eine Führungsaufgabe, die Angst vorm Scheitern zu nehmen. Auch wenn ich aus meiner praktischen Erfahrung sagen kann: Wenn kluge Leute aus verschiedenen Disziplinen oder Bereich zusammenkommen, dann geht es meistens gut aus und dann entsteht noch was Besseres - manchmal klappt eben etwas nicht. Deswegen müssen wir Ehren- wie Hauptamtlichen Sicherheit geben und klarmachen, wir streben nicht nach Perfektion, sondern streben nach kontinuierlichen Verbesserungen. Redaktion: Wie kann es uns gelingen, diesen Schwung zu fördern? Stefan Schaumburg – Wir sollten die Hauptamtlichen ermutigen, an bestimmten Projekten auf unterschiedlichen Ebenen und vielleicht auch an verschiedenen Orten zu arbeiten, um so den Laden wirklich kennenzulernen. Und die müssen sich stärker vernetzen. Sebastian hat ja die Qualifizierung der Academy of Labour angesprochen. Das Konzept haben wir ja mit der Academy zusammen gemacht. Da sitzen jetzt 20 Leute, die eigene Projekte machen, ihre Erfahrungen austauschen und sich vernetzen. Das ist das, was wir brauchen. In Unternehmen ist das längst ganz selbstverständlich - da bist du erst mal drei Jahre da und dann gehst du woanders hin, wenn du was bewegen willst. Insofern müssen wir vor Allem die Chancen darstellen, dass man bei der IG Metall noch mehr bewegen kann, wenn man sich auf ein bisschen mehr einlässt. Und in dieser Richtung können wir noch was machen und müssen auch noch was machen. Sebastian Gasior – Dem kann ich nur zustimmen. Es geht um Haltung. Schliesslich machen wir Politik. Lieber Stefan, lieber Sebastian - vielen Dank für diese Diskussion
Stefan Schaumburg ist seit 2012 Leiter des Funktionsbereichs Tarifpolitik beim Vorstand der IG Metall und hat über dreißig Jahre Erfahrung in der Tarifarbeit. Er kennt die betriebliche Realität aus seinen Jahren als Bevollmächtigter, die Finessen der Tarifarbeit über seine Tätigkeit als Tarifsekretär und später als Bezirksleiter von Berlin, Brandenburg und Sachsen. Sebastian beschreibt ihn als “ kompetent, eloquent, sehr gut vernetzt und diese Organisation kennend.” Sebastian Gasior ist Leiter des Ressorts strategische Erschließung. Er kommt aus der politischen Kommunikation und hat viel Erfahrung in der Kampagnenarbeit gesammelt. Nach seinem Masterstudium war er als Organizer in Baden-Württemberg tätig und hat Erschließungsmethoden in der direkten Zusammenarbeit mit kleinen und großen Betrieben erprobt und weiterentwickelt, bevor er zum Vorstand gewechselt ist. Stefan bezeichnet Sebastian als “Klug, engagiert und weiß, wo er hin will. ”
–––––––
Wenn du mehr über die Kampagne „Aktif für Tarif“ wissen willst:
unter diesem Link bleibst du immer auf dem Laufenden.
Und wenn du und dein Team oder Gremium noch Interesse an einer kompakten Weiterbildung zur Tarifbewegung habt: Hier findest du Details und den Anmelde-Link zur Online Schulung
Jung, weiblich und zutiefst optimistisch
Interview mit Peter Kippes, Fachbereichsleiter Betriebspolitik, Frankfurt
Lieber Peter, wir möchten mit Dir über den Ausgang der Betriebsratswahl und die Konsequenzen für die Bildungsarbeit sprechen. Wir möchten Deine Einschätzung hören, wie junge Menschen die IG Metall verändern, warum zu wenig Zeit für Demokratiezeit ist und hören, warum wir Elon Musk nicht klonen sollten. Du sagtest, Du habest 60 Minuten Zeit, los geht’s!
Der Vorstand hat vor zwei Tagen den Zwischenbericht zur BR-Wahl vorgestellt. Wie steht es um die IG Metall?
Wir hatten uns ambitionierte Ziele gesetzt: Wir wollten in mehr Betrieben wählen, wir wollten die Struktur verändern und wir wollten die Wahlbeteiligung erhöhen. Davon hat nicht alles gleich gut funktioniert. Stand heute können wir sagen: Die IG Metall ist jünger und weiblicher geworden, wir haben in den Klein- und Mittelständischen Unternehmen mehr Mandate gewonnen und bei den gewählten Betriebsratskolleg:innen ist insgesamt der Organisationsgrad gestiegen. Und was ich persönlich sehr bemerkenswert finde: Trotz der zunehmenden Zahl konkurrierender Listen, – die der Rechten oder auch Schwurbler, aber auch die konkurrierenden Listen mit Metaller*innen ist die Zustimmung der offiziellen IG Metall-Listen gestiegen. Das zeigt mir: Das Image der IG Metall ist besser geworden und es zeigt mir, dass Einheit und Zusammenhalt am Ende die entscheidenden Qualitätsfaktoren für die Wähler*innen sind.
Was hat denn nicht so gut geklappt?
Wir haben es nicht geschafft, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Da spielen allerdings auch die Pandemie und die Ukraine-Krise mit ihren Lieferengpässen und der Kurzarbeiter-Welle eine große Rolle. Das ist bedauerlich, da wir wirklich gute und kreative Ideen hatten, um die Leute Kolleg*innen zu mobilisieren.
Zum Beispiel?
Vor Ort hatten wir ungefähr die gleiche Wahlbeteiligung wie beim letzten Mal, aber bei den Kolleg:innen, die nicht vor Ort - also im Home-Office oder in Kurzarbeit waren, sieht es anders aus. Hier haben wir große Energie in die Bewerbung der Briefwahl gelegt. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige, gerade jüngere, High Potentials einfach nicht mehr wissen, dass es Papierpost gibt und wie Briefkästen überhaupt aussehen. Unsere betrieblichen Kolleg*innen waren hier unheimlich kreativ. Ich erinnere da beispielsweise an kleine Filmchen, bei denen sie anhand eines QR-Codes den nächsten Briefkasten finden konnten. Am Ende hat es aber nicht für eine höhere Beteiligung gereicht - auch deshalb, weil wir voll in die fünfte Corona-Welle gelaufen sind und es sehr kurzfristig wieder zu Arbeitsausfällen kam.
Vielleicht auch, weil es in den überregionalen Massenmedien eher still rund um die Betriebsratswahlen war?
Die Gesetze der Kommunikation haben sich gegenüber früher ganz schön verändert. Vor 25 Jahren hatten wir ein Meinungsmonopol in betriebspolitischen Fragen. Wir hatten eine Position, ein Anliegen, dazu ein Flugblatt, das vor dem Werkstor verteilt wurde und damit hast du alle erreicht. Heute haben wir diese kommunikative Alleinstellung nicht mehr. Das hat aber auch andere Gründe. Gesprochen und diskutiert wird in den Sozialen Medien, da können alle mitmachen; und wie wir am Ausgang der BR-Wahl sehen, ist das nicht unbedingt schlechter. Meinungsführerin der Interessenvertretung sind immer noch wir. Und so hat auch die Berichterstattung eher in sozialen Medien stattgefunden, wo wir meines Erachtens viel richtig gemacht haben. Wir konnten im Dialog fördern und zeigen, wie wirkmächtig wir in den Betrieben und den Regionen waren. Und uns hat die Kampagne mit all ihren Medien, dem Mediengenerator und dem Claim “Team IG Metall” sehr geholfen.
Welchen Einfluss hatte denn die Kampagne auf die genannten Erfolge?
Einen großen. Herausragend fand ich dabei vor allem die Leidenschaft und das Engagement im Ressort Vertrauensleute, Betriebs-und Unternehmenspolitik Wir haben ja keine statische Kampagne gemacht, sondern eine flexible. Wir haben in die Betriebe reingehört, waren in der Lage Antworten auf komplexe Fragestellung innerhalb von 24 Stunden zu liefern und gerade die Begleitung der Briefwahl war stark. Da hat die Kampagne ganze Arbeit geleistet.
Worin besteht der direkte Zusammenhang zum guten Wahlergebnis? Team IG Metall ist der Zusammenschluss aller Macher*innen. Hinter diesem Begriff und den Kampagnen-Elementen haben wir uns nicht versteckt, sondern versammelt. Und dabei geht es gar nicht immer darum, Kampagnen nach dem Motto: One Fits All in jedem Betrieb umzusetzen. Es geht um Authentizität. Die Beschäftigten sehen: Das ist unser Betrieb, hier wissen wir am besten, wie es geht. Im Betrieb stellt niemand unsere Kompetenzen in Frage, wir haben individuell im Betrieb gehandelt, aber als Team übergreifend agiert und den Gesamtzusammenhang hergestellt. Genau wie bei die IG Metall vom Betrieb aus denken , haben wir die BR Wahl mit dem Team IG Metall mit einem Narrativ unterfüttert.
Nach der Wahl ist vor der Wahl. Was muss jetzt als Nächstes passieren?
Aus meiner Erfahrung aus der Geschäftsstelle weiß ich: Wenn dann die Beschäftigten wissen, das sind die Themen, die bei uns interessant sind und das ist die Mannschaft, die das bei uns macht, dann bist du erfolgreich. Aber das muss man als Gremium erst mal klarmachen. Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt. Wir haben 40 % Neugewählte, die sich vielfach einer Bauchentscheidung folgend gemeldet haben. Und plötzlich wird es ernst. Wenn du frisch dabei bist, dann solltest du das Betriebsverfassungsgesetz gut kennenlernen und deine eigenen Positionen gut vertreten können. Deswegen kommt der Bildung schon immer, aber jetzt noch einmal mehr, eine besondere Rolle zu. Wir sollten alles daran setzen, um möglichst schnell, möglichst viele der Neugewählten mit Grundlagenseminaren zu versorgen und dann, aus dieser Basis heraus, Spezialseminare anzubieten. Ich bin Marathonläufer und finde bei der BR-Wahl ist es so ähnlich: Wenn du die Wahl durchstehst und gewinnst, dann musst du auch die Energie für danach noch haben und nicht im Ziel zusammenbrechen. Mit der Wahl haben wir die Voraussetzung geschaffen, aber dass wir wirklich langfristig erfolgreiche Interessenvertretung machen, dafür sind Bildung und Qualifikation die entscheidenden Stellschrauben.
Wie bekommen wir das hin, nicht im Ziel bildungstechnisch zusammenzubrechen?
Was mir in den Betrieben auffällt ist, dass die BR-Arbeit immer professioneller wird – die Fülle der Themen hat extrem zugenommen. Die Frage muss schnell geklärt werden: Wer macht was? Was sind die Zuständigkeiten? Niemand, der auch schon länger dabei ist, darf sich zurücklehnen. Ein Begriff, der bei uns immer fällt, ist das Onboarding . Und dieses Onboarding hat mehrere Facetten:
Einerseits verändert sich bei der Arbeit viel. In unseren Reparatur-Teams in meiner Zeit als Maschinenschlosser waren wir immer zu zweit im Team. Als ich mich engagierte war ich häufig weg. Mein Kollege hatte dadurch erhebliche Nachteile, denn er hatte Mehrarbeit. Für ihn war es wichtig zu sehen, dass “der nicht nur Kaffee trinkt”, sondern für die Mitarbeiter*innen im Betrieb, also auch für ihn, arbeitet.
Während also ein Teil von Dir an der Werkbank steht, kümmert sich ein zweiter Teil von Dir um die Interessenvertretung. Das kann, das muss erkennbar sein. Dann kannst Du Interessenvertretung. Diese beiden Teile tragen wir alle in unterschiedlichen Gewichtungen in uns am Arbeitsplatz. Deshalb muss sich der BR auch in meinen Augen öffnen – und offen sein für Kolleg*innen, die mithelfen wollen. Und wenn es schwierig wird, auch Expert*nnen hinzuziehen. Betriebsrät*innen sind keine Ich-AG’s, sondern sollen die Kolleg*innen begeistern, und Menschen und Ideen integrieren. Unser Kollege Klaus Abel nennt das Handlungskollektive. Dem kann ich nur beipflichten.
Und was für Fähigkeiten brauchen denn die Betriebsrät*innen im Handlungskollektiv?
Das ist die andere Seite der Medaille: Neugewählte Betriebsrät:innen brauchen Weiterbildung, um ihre Fähigkeiten auszubauen. Sie müssen aktiv zuhören können. Den Leuten nah sein. Es ist keine Selbstverständlichkeit. Das Präsidium des Betriebsrates regelt die Dinge oft im Stillen. Das kann erfolgreich sein, für die Mitglieder ist das allerdings intransparent. Wir müssen die Menschen mitnehmen, ja, das klingt vielleicht abgedroschen, aber es geht nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen.
Reicht es also, das Betriebsverfassungsgesetz in- und auswendig zu kennen?
Nein, das reicht nicht. Wir müssen den neu gewählten Betriebsrät:innen klar machen, wie wertvoll es ist, Zeit in die Weiterbildung zu investieren: Wenn Du jemanden fünf Tage für Weiterbildung gibst, dann ist das eigentlich noch viel zu wenig. Früher warst Du sechs Wochen lang weg, wenn Du das Gewerkschafter*innen-Abitur gemacht hast. Sechs Wochen! Am Stück! Da würdest Du heute von der Personalabteilung scheel angeguckt und gefragt werden, ob das eine Weiterbildung oder ein Sabbatical ist!
Dabei brauchen wir sogar noch viel mehr Zeit. Christiane Benner hat diese Zeit in einer Debatte neulich Demokratiezeit genannt, ein Begriff, den wir sicher noch häufiger hören werden. Wir brauchen nicht nur hartes Faktenwissen, sondern Leidenschaft für das kollektive Handeln. Das ist der Spirit, den die IG Metall so ausmacht. Demokratie ist unser Markenkern. Dem folgt unsere Interpretation und praktische Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes das müssen wir künftig noch stärker beherzigen. Und das ist auch der Grund, warum mir der Wandel keine Sorgen macht. Beschäftige und Industrie wird es noch lange geben.
Was erhoffst Du Dir von den dann ausgebildeten jungen und weiblichen neuen Betriebsrät*innen?
Ich glaube, dass wir gar nichts “Hoffen” brauchen: Die jungen Menschen formulieren meiner Erfahrung nach sofort Ihre Ansprüche. Sie wissen sehr genau, was sie wollen. Und sehen in der Struktur auch sofort die kritischen Punkte. Komme ich ihnen mit “Ich bin aber schon so lange dabei”, “das haben wir immer so gemacht”, oder vermittle ich das Gefühl mich mit einer Art Herrschaftswissen abzugrenzen, verliere ich den Kontakt. Der Schwung, dieses Fordern, dieses “Ich will das jetzt”, das war nicht immer so, aber es ist gut, dass es da ist. Junge Menschen wissen, dass individuelle Freiheit durch kollektive Regelungen möglich wird. Diese Regelungen vermitteln und füllen wir gemeinsam mit Leben.
Wie siehst Du die doppelte Transformation, in die die neuen 40 % jetzt reinwachsen? Der Umgang mit der Transformation erinnert mich manchmal an unseren Umgang mit dem Wetter. Manchmal gibt es Regen, Sommer, Extreme oder Dolce Vita und so vieles mehr. Manchmal überwiegt das eine, manchmal drängt das andere. Aber tun kann ich gefühlt eigentlich nichts. So erleben viele auch die Transformation. Je nach Perspektive schauen wir unterschiedlich darauf. Um im Bild zu bleiben: Das Problem kennen wir vom Umgang mit dem Klimawandel. Ganz zentral ist dabei: Wir müssen uns darüber klar werden, dass wir heute anstrengende Dinge tun müssen, die erst in der Zukunft Auswirkungen haben. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Unternehmen haben eine kurzfristige Perspektive oder sogar gar keine. Wir vertreten die Interessen der Beschäftigten, damit die Transformation sozial und demokratisch gestaltet wird.
Das heißt das für die Organisation was?
Der Umbau ist aktuell unsere Kernaufgabe. Wir müssen Antworten finden auf Fragen der Digitalisierung, Automatisierung, das kommt gerade auf jedes Unternehmen zu. Wir brauchen mehr Mitbestimmung, Runderneuerung der Betriebsverfassung. Insbesondere bei strategischen Entscheidungen, Standorte, Investitionen, Qualifikation.
Das klingt ja sehr ermutigend. Denkst Du, dass die IG Metall in diesem Szenario künftig in gleichem Maße mitgestalten wird?
Ich bin zutiefst optimistisch aufgrund unseres Regelungsvermögens. Wir müssen und wir werden den Spagat beherrschen, Dinge zu thematisieren, die tagesaktuell sind, und gleichzeitig uns Zeit nehmen, um über unsere Zukunft nachzudenken. Wir müssen heute über die Probleme von heute wie Inflation, Zinsen und Lieferketten reden, und gleichzeitig die Dinge regeln, und uns vorbereiten, auf das, was morgen kommt. Es ist absehbar, dass wir Antworten geben werden müssen auf den Klimawandel und der sich abzeichnenden Entwicklung, weniger in großen Einheiten und mehr in KMUs (ausschreiben?) aktiv zu sein. Wir werden es durch die Einbeziehung dieser Zukunft in die Unternehmensfunktionen mit anderen Betrieben zu tun haben. Das wird auch Auswirkungen auf unsere Handlungskollektive haben, wenn wir weniger große schwer manövrierbare Tanker steuern. In all diesen Themen können wir unsere Kernkompetenzen und unsere Erfahrung einbringen. Dann wird es eine gute Dekade und darüber hinaus.
Wird es in Zukunft weniger oder mehr Elon Musks geben?
Ich hatte mehrfach Kontakt zu unserem Team in Grünheide, und das ist schon beeindruckend, was die sich da so ausdenken in ihrer Fabrik. Aber so viele offene Fragen werden erst im Laufen auf dem Weg geklärt, und bleiben deshalb auch offen, wenn die Fabrik schon dasteht, und munter Autos ausspuckt. Von der Führungskultur und der Mitarbeiterbeteiligung mal ganz zu schweigen. Wenn ich die Twittermeldungen von Musk verfolge – Stichwort: Wir verbrennen Milliarden – scheint der Zauber, der jedem Neuanfang innewohnt, ein wenig zu nachzulassen.
Und als Abschluss: Was würdest Du dem 27-jährigen Peter aus heutiger Sicht raten?
Dabei bleiben – die ganze Arbeit, die wir täglich auf dem Tisch haben, sie trägt Früchte. Das habe ich in den letzten 30 Jahren immer wieder feststellen können. Ich empfinde es so: Alles, was ich bisher gemacht habe, hat sich gelohnt. Meine gewerkschaftliche Tätigkeit ist immer cooler geworden. Danke sehr, Peter, für das tolle Gespräch.
Peter Kippes über Peter Kippes
1980 startete ich als Maschinenschlosser, wurde Mitglied und verlor seitdem nie den Kontakt zur IG Metall. Wenig später studierte ich Sozialpädagogik, und belegte den Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit im Studium in Würzburg. Nach dem Praxissemester führte mich ein glücklicher Zufall in die Geschäftsstelle in Schweinfurt – und meine Gewerkschaftsmitgliedschaft und meine Beschäftigung mit Kommunikation zusammen. Dann kam der Ruf nach Frankfurt, konkreter gesagt Christiane Benner sprach mich an, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Nun bin ich hier und bin froh den Bezug zu meiner Ausbildung, meiner Geschäftsstelle oder zu Schweinfurth in meine neue Aufgabe integrieren zu können.
Wie entsteht eigentlich das Bildungsprogramm der IG Metall
Interview mit Dorothee Wolf
Liebe Dorothee, Danke, dass wir auf dich zukommen dürfen. Die BR-Wahlen sind durch. Jetzt drängen die Leute in die Seminare. Die gibt’s im Seminarprogramm. Wie entsteht eigentlich das Bildungsprogramm der IG Metall? In einem Satz: Nicht von allein, sondern da sind viele daran beteiligt. Ich fasse das einmal zusammen. Der Prozess besteht aus mehreren Schritten, die ich ab Januar hier im FB Gewerkschaftliche Bildung intern vorbereite und plane. Der offizielle Startschuss ist im März, wenn die Abstimmung mit den Schulleitungen beginnt: Welche Seminare soll es im nächsten Jahr geben, welche Bedarfe sehen wir? Was hat sich bewährt, was brauchen wir neu? Wenn diese qualitativen Fragen diskutiert sind, plant jedes Bildungszentrum, wie viele Termine zu den jeweiligen Seminaren durchgeführt werden sollen. Wir bezeichnen diesen Prozess als "Mengenplanung", der dauert von März bis Anfang Mai. Als Nächstes sammelt der FB die Ausschreibungstexte und Themenpläne für jedes Seminar ein, die ich dann in Abstimmung mit den Referent*innen überarbeite. Währenddessen legen die BiZen die Termine und Seminarnummern fest und melden sie an uns. Bei den Grundlagenseminaren für BR und VL stimmen wir die einzelnen Termine der Module so ab, dass möglichst wenige parallel liegen. Das ist viel Koordinationsaufwand, weil sich durch Verschieben auch die Seminarnummern wieder verändern. Die gesammelten Seminarinfos werden im Juni von uns in das Redaktionssystem hochgeladen und von unserer Grafikerin auf den Seiten platziert und illustriert ( übrigens : Das Bildmaterial stammt aus unserer jährlichen Fototour durch jeweils zwei verschiedene BiZen).
Ende Juni geht eine Korrekturfahne an die BiZen, damit alles nochmal gegengelesen wird, und wir arbeiten die Korrekturen in das Redaktionssystem ein. Wenn ich bei diesen Vorgängen übrigens von "wir" spreche, meine ich übrigens vor allem meine Kollegin Manuela Amara und mich. Im August übergeben wir die Druckdaten an die Druckerei. Im September werden die Programme versendet und online gestellt. Bis dahin müssen alle Seminare auch in unserem Seminarverwaltungssystem CRM angelegt und für Oktober zur Anmeldung freigeschaltet werden. Das ist hauptsächlich der Job meiner Kollegin Mavis Tanko. Ich sehe schon, euch wird sicher nicht langweilig! Warum gibt es eigentlich zwei verschiedene Hefte? Der Unterschied besteht in den Zielgruppen für die Seminare. Das erste Heft enthält unsere Angebote für Vertrauensleute, Referent*innen und für aktive Mitglieder ohne gewerkschaftliche oder betriebliche Funktion. Die Angebote aus Heft 1 könnt ihr in der Regel nach §37.7 BetrVg und/ oder nach den Freistellungsgesetzen der Bundesländer besuchen. Im zweiten Heft werden die arbeitgeberfinanzierten Angebote für Betriebsräte, JAVen, SBVen oder Aufsichtsratsmitglieder aufgeführt. Außerdem gibt es Seminare mit sog. gemischter Freistellung, in denen Interessenvertretungen auf Arbeitgeber-Kosten und andere Teilnehmende zusammen lernen, zum Beispiel im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dementsprechend findet ihr diese in beiden Heften. Was sind die drei größten Herausforderungen bei der Entstehung? Drei Knackpunkte in dem ganzen Prozess sind:
(1) Das wichtigste ist, dass wir in allen Phasen den Überblick behalten und Chaos verhindern, denn die Datenmengen sind riesig: Bei der Planung arbeiten wir mit einer Exceltabelle mit 35 Spalten und knapp 600 Zeilen. Die Terminlisten enthalten locker 2.000 Zeilen mit jeweils Seminartitel, Seminarnummer, Typnummer, Preiskategorie, Anfangs- und Enddatum und vielem mehr... Pro Seminar müssen eine Ausschreibung und ein Themenplan vorhanden und systematisch auffindbar sein. Alles gilt es zu sortieren, überprüfen, korrigieren - bis schließlich alle Daten korrekt im Redaktionssystem sind. Jedes Detail muss stimmen, sonst kann es hinterher an irgendeiner Stelle gravierende Probleme geben. Deswegen wird alles mehrfach überprüft. Wenn man eines Tages anfängt, von Exceltabellen zu träumen, ist es in der Regel auch bald geschafft.
(2) Viel Arbeit macht auch das Überarbeiten der Seminartexte. Für die Anerkennung nach §37.7 BetrVG und nach Bildungsfreistellung müssen die Seminare die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen erfüllen und die Texte müssen das zum Ausdruck bringen. Da ist Präzision gefragt und so kann ein Text schonmal drei Überarbeitungsschleifen zwischen mir und dem/der Referent*in drehen, bis alles passt. Das Einreichen bei den Ministerien und zuständigen Stellen übernimmt meine Kollegin Sandra Arnold. Und für den Fall, dass es Schwierigkeiten geben sollte, zum Beispiel ein Ablehnungsbescheid für ein einzelnes Seminar, reiche ich Informationen nach oder lege Widerspruch ein.
(3) Ein dritter Knackpunkt ist die Zusammenarbeit und Abstimmung mit den BiZen : Da bei uns alle Fäden zusammenlaufen, sind wir darauf angewiesen, dass rechtzeitig zu jeder Deadline alle Daten aus allen Häusern da sind. Wir können immer den nächsten Schritt erst angehen, wenn alles beisammen ist. Das kann schonmal schwierig werden, wenn es z.B. in einem BiZ einen krankheitsbedingten Ausfall gibt. Glücklicherweise läuft die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen der Bildungsassistenz sehr zuverlässig und kollegial, sodass wir das mit den Fristen meistens gut hinbekommen und im Notfall auch mal was aufgefangen werden kann. Wie schafft ihr es, für betriebliche Bedarfe zeitnah Angebote im Bildungsprogramm abzubilden? Dazu fallen mir zwei Dinge ein. Zum einen nehmen wir jedes Jahr neue Themen ins Programm auf, zum Beispiel haben die Themen Mobilarbeit/ Home-Office oder Umgang mit rechten Tendenzen Eingang ins Bildungsprogramm gefunden. Auch für Vertrauensleute gibt es in diesem Jahr einige neue Seminare.
Zum anderen bauen wir unser Beratungsangebot für Interessenvertretungen aus, sowohl durch Ausbildungsreihen als auch durch maßgeschneiderte Coaching-Angebote für Einzelpersonen oder ein Gremium auf Anfrage. Diese Weiterbildungen sind dann nicht im Vorhinein thematisch festgelegt. Stattdessen können diejenigen, die sie in Anspruch nehmen, kurzfristig ihre Themen benennen und sie mit Unterstützung unserer Bildungsreferent*innen bearbeiten. So ist unser Angebot bedarfsbezogen und flexibel.
Liebe Dorothee, ich sehe, die beiden Hefte sind bei euch in guten Händen! Danke sehr für deine Zeit! Dorothee Wolf ist politische Sekretärin bei der IG Metall in Frankfurt. Sie ist mit ihren Kolleg*innen u.a. verantwortlich für die Erstellung des Bildungsprogramms, Freistellung, Bildungsorganisation und die SBV- und Betriebsräte-Bildung.
Am Ball bleiben
Interview mit Martin Böhmer Lieber Martin, Danke zunächst, dass wir uns in Deinen vollen Terminkalender schmuggeln konnten. Wir möchten mit Dir über Deine Erfahrungen als Veränderungs-Promotor sprechen. Los geht's. Wie hast Du den Prozess des Projekts Die IG Metall vom Betrieb aus denken bisher erlebt? Den Prozess habe ich als total spannend erlebt. Der Ansatz ist in einem Satz: Unterschiedliche Aktive , also Gewerkschaftssekretär*innen, BR, VL, ggf. die Bildungszentren und auch einfache Mitglieder, sprich alle, die auf mehr Bock haben als nur Beitrag zu zahlen – setzen sich gemeinsam hin und arbeiten gemeinsam gewerkschaftliche und gesellschaftspolitische Themen aus dem Arbeitsalltag heraus. Dann werden diese Themen in kleinen Projekten gedacht und vor allem angegangen! Diese stärkere Zusammenarbeit, der Austausch und die Vernetzung zwischen allen Ebenen, das fand ich super!
Was ist denn der entscheidende Unterschied zu früher?
Dass wir von vornherein alle einbinden. Natürlich gab es früher auch die Betonung von einzelnen Themen, die sind aber immer eher von Gewerkschaftsseite an uns rangetragen worden, vllt. auch mal vom Betrieb, dann haben wir maximal die Vertrauensleute mit dazu geholt, aber das war es dann auch schon. Wenn man viele Jahre BR-Arbeit macht, dann kann es schon mal sein, dass wir die Menschen glatt vergessen. Jetzt haben wir Werkzeuge zur Hand, wie beispielsweise die Aktivierenden Umfragen zu drängenden betrieblichen Themen, die uns helfen tatsächlich beteiligungsorientiert zu sein. Ehrlich gesagt frage ich mich manchmal, warum wir uns früher nicht alle an einen Tisch gesetzt haben.
Vielleicht weil Ihr eben diesen Tisch ohnehin voll habt mit 1.000 anderen Sachen, die gerade drängen?
Ja, das kann sein. Aus meiner Erfahrung der letzten Monate allerdings kann ich sagen, dass jeder einzelne im Schnitt jetzt weniger Arbeit hat. In unseren Runden spüre ich eine Welle und Energie, dass alle mitziehen möchten.
Und? Tun sie es? Wir waren in unserem Fall zwei von insgesamt elf Mitgliedern, die zu Veränderungs-Promotor*innen ausgebildet wurden. Als Erstes ging es ja auch darum, unser Gremium über das in der Projektreihe neu Erlernte zu informieren und zu begeistern. Als die erste Skepsis gegenüber unserem Ansatz, betriebliche Themen als Projekte anzusehen und auch in Projektetappen abzuarbeiten, verflogen war, sind wir die ersten Themen angegangen. Wir haben sicherlich noch einen Weg vor uns, aber mittlerweile ist auch das restliche Gremium überzeugt, gemeinsam so weiterzuarbeiten. Was heißt das überhaupt, Themen als Projekte anzusehen?
Ploppt ein Thema auf, oder erkennen wir Relevantes vorab, brauchen wir klare Absprachen, wer hat wann, was zu erledigen. Wir protokollieren das auch, dann hast Du in der Projektphase klare Zuständigkeiten, klare Zeitläufe – selbst wenn es mal länger dauert. Wichtig ist, am Ball zu bleiben.
Das klingt irgendwie stressig. Ergeben sich daraus nicht auch interne Spannungen? Kommen diese Absprachen und diese Arbeit für die Kolleg*innen nicht noch on the top ?
Nicht unbedingt, denn vorher haben alle im Kleinen Ihr Süppchen gekocht, das hat ja auch Zeit gekostet. Jetzt packen wir’s zusammen an. Das Geheimnis ist, erstens jeden und jede nach Stärken einzusetzen. Zweitens ziehen wir Leute aus dem Beschäftigtenkreis hinzu, gerade bei IT-Themen, wenn wir die Ressourcen nicht haben. Dazu kannst Du E-Mails an Kolleg*innen versenden, Flyer verteilen, und fragen, ob nicht jemand Bock hätte bei diesem oder jenem Thema mitzuarbeiten. Das funktionierte insbesondere beim Thema Gleitzeit gut, weil das viele betrifft. Die Hinzugezogenen waren auch Multiplikator:innen und Botschafter*innen unserer Arbeitsweisen und Erfolge. Oder Du rufst in Deiner Geschäftsstelle an und bittest sie, jemanden vorbeizuschicken, der Dich aufschlaut.
Verlierst Du da nicht manchmal den Überblick?
Als Veränderungspromotor in meiner Funktion als VL-Körperleitung muss ich einzelne Projekte an mich ziehen, und auch wie jeder priorisieren: Welche Aktion wollen wir starten, was brauchen wir, die Leute schon mal antriggern , bereits einen Spannungsbogen aufbauen, zum Beispiel bereits jetzt die nächste Tarifrunde in den Köpfen verankern. Wir haben in NRW bereits Sommerferien, da können wir nicht hinterher uns zum ersten Mal damit befassen und hinterher lahm auflaufen. Da sprechen wir im Vorfeld alle an, die Beitragszahler:innen sind. Darunter sind übrigens auch Personen, die wollen in Zukunft nicht unbedingt dabei sein, aber jetzt. Das ist auch okay!
Was gibst Du uns mit auf den Weg? Welche Erwartungen leiten sich für Dich an die gewerkschaftliche Bildungsarbeit aus dem Projekt ab?
Macht jetzt genau da weiter, was wir Teilnehmer*innen auch erlebt und genossen haben. Die Werkzeuge aus der Promotor*innen Reihe müsst ihr in die Bildungsarbeit einfließen lassen, um noch mehr Kolleg*innen daran teilhaben zu lassen. Ich fand auch die klare Unterteilung in Lernphasen und Arbeitsphasen sehr angenehm und spannend. Wir haben beispielsweise in zunächst uns angeguckt, wie wir Filme machen, worauf es 2022 ankommt, welche Medien und Kanäle es gibt, und dann in Phasen im Betrieb darauf aufgebaut, uns ausprobiert, und tatsächlich ein Drehbuch geschrieben. Das Feedback und die Erfahrungen haben wir dann wieder mit in die nächste Lernphase reingenommen.
Martin, Du hast das letzte Wort: Was gibst Du Deinen Kolleg*innen und uns mit auf den Weg?
Ja, wir machen es gemeinsam, und deshalb können wir beinahe sämtliche Ziele durchsetzen. Aber nicht jedes Projekt kann erfolgreich abgeschlossen werden. Da müssen wir realistisch sein. Das befreit uns auch in der BR-Arbeit. Das ist wie beim Fußball: Mensch kann ja nicht jedes Spiel gewinnen. Martin Böhmer ist Vertrauenskörper-Leiter bei Thyssenkrupp Rothe Erde und Veränderungs-Promotor im IG Metall Prozess: Die IG Metall vom Betrieb aus denken.
Wenn Ideen zusammenfinden
Interview mit Klaus Abel
Lieber Klaus, Danke, dass Du Dir Zeit nimmst, mit uns über das Projekt Die IG Metall vom Betrieb aus denken zu sprechen. Du hast das Projekt von Anfang an geleitet. Was waren Deine persönlichen Highlights bisher? Meine persönlichen Highlights waren bisher die Abschlussmodule der Zukunftsreihen. Was dort an Ideen, Energie und Engagement von unseren Kolleg*innen für die Bearbeitung der konkreten betrieblichen Projekte vorhanden war, hat mich bei meinen Besuchen immer wieder von neuem beeindruckt. Die Instrumente und Methoden, die unsere Trainer*innen den Kolleg*innen anbieten, um mit neuen Fragestellungen und Zielen an die Arbeit in Betrieb zu gehen, um alte Muster aufzubrechen, sind von den Kolleg*innen gut aufgenommen worden. Mehr noch: Sie setzen in meinen Augen neue Energien frei!
An welche Methoden und Instrumente denkst Du dabei? Insbesondere agiles Projektmanagement, d.h. immer wieder schnell zu reagieren auf veränderte Umstände, ist eine wichtige Methode. Und ebenso Design Thinking, also immer von denjenigen her denken, die wir erreichen wollen und schnell auszuprobieren, ob unsere Idee, die wir haben, passt oder nicht, kann uns bei der Arbeit helfen. Der Ansatz, bei einem Projekt mit einer Befragung bei denjenigen zu beginnen, mit denen wir dann arbeiten wollen, bringt häufig viel.
Welche Rolle spielen dabei die Zukunftsreihen?
Ich war zuletzt bei einer unternehmensweiten Reihe bei Liebherr, da ging es ganz darum, erfolgreiche Betriebsarbeit noch besser mit der Vertrauensleute Arbeit auch über die Betriebe hinweg zu verbinden. Dadurch können in einem Betrieb, in dem wir als IG Metall bereits erfolgreich arbeiten, noch einmal ganz neue Potenziale freigesetzt werden und mehr Menschen für eine Mitarbeit bei der IG Metall gewonnen werden. Ein anderes Beispiel ist die Ansprache von Kolleginnen und Kollegen, die in den Büros bei Mercedes-Benz in Sindelfingen arbeiten. Dort sind die Veränderungspromotor*innen ganz bewusst systematisch auf die Beschäftigten zugegangen und haben nachgefragt, was ihre Erwartungen an die IG Metall Arbeit sind. Hierdurch sind sie noch mal zu neuen Erkenntnissen für Ihre Arbeit gekommen und haben neue Beschäftigte für die IG Metall gewonnen.
In Leipzig fand im Mai der große WerkstattKongress zum Projekt statt. Was war für Dich das Besondere, was hast Du mitgenommen? Das Besondere war, dass die Veränderungspromotor*innen aus ganz Deutschland zusammengekommen sind, sich ausgetauscht und vernetzt haben. Alle Kolleg*innen, die bisher in ihrer Geschäftsstelle arbeiteten, haben gesehen, praktisch erfahren können, dass es eine starke bundesweite Initiative der IG Metall gibt, gemeinsam unsere Arbeit zu verändern, weiterzuentwickeln, um auch zukünftig stark und durchsetzungsfähig zu bleiben. Das lässt mich für die Zukunft unserer IG Metall optimistisch sein, wenn wir diese Energie in die Alltagsarbeit mitnehmen.
Was wird diese Vernetzung vermutlich bewirken, welche Hoffnungen verbindest Du damit?
Aus meiner Sicht bewirkt diese, dass neue Ideen entstehen, wie immer, wenn Gehirne zusammenfinden. Der Mensch braucht den anderen Menschen, um in seinem Leben voranzukommen, gerade auch bei der gewerkschaftlichen Arbeit. Und durch die Vernetzung werden neue Ideen verbreitet. Schließlich ermöglicht Vernetzung eine kollegiale Beratung, im Sinne, was läuft bei mir noch nicht so gut, wer kann mir dazu Anregungen aus seinen Erfahrungen geben oder was kann ich weitergeben an Stärken von unserer Arbeit.
Was haben die Kolleg*innen über das Bewusstsein hinaus Teil eines größeren Ganzen zu sein, durch die Vernetzung erfahren?
Sie erfuhren ganz konkrete Hilfestellungen, das heißt, ich komme an einem Punkt nicht weiter und habe einen Kollegen oder eine Kollegin kennengelernt, die in einer ganz anderen Region arbeitet, von der ich sonst nie erfahren hätte, die mit einer ähnlichen Herausforderung schon zu tun hatte und sie gelöst hat. Davon profitiere ich unmittelbar in meiner Arbeit.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt, welche Herausforderungen siehst Du für die kommenden Jahre, auch in Hinblick auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit?
Die Ergebnisse aus den Zukunftsreihen, den bezirklichen Routen-Workshops, den Themenwerkstätten, die Debatte um das Werkstattpapier nicht nur auf dem Kongress in Leipzig werden jetzt gebündelt und in Vorschläge überführt. Sie haben gemein, die Arbeit insgesamt als IG Metall voranbringen. Das ist kein abgeschlossener Prozess, sondern er wird uns die kommenden Jahre immer weiter begleiten. Da sich die Welt um uns herum ständig verändert, müssen wir es auch – ob es uns passt oder nicht. Und im Übrigen gilt: Machen, nicht reden. Jeder kann überall seine Arbeitsweise, sein Verhalten verändern und muss dafür nicht auf Beschlüsse des Gewerkschaftstages warten.
Was bedeutet das für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit?
Aus meiner Sicht gilt das ebenso für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Ich denke, die Kompetenzentwicklung bei betrieblichen Veränderungsprozessen durch Bildungsarbeit zu begleiten, das Prozesslernen von Handlungskollektiven zu befördern und sich als Trainer*innen aus dem Bildungsbereich interdisziplinär zusammenzuschalten, sind Punkte, die für die Zukunft der Bildungsarbeit eine Rolle spielen können. Noch ein Gedanke: Früher nannten wir die Kolleg*innen häufig Seminarleiter*innen. Heute bezeichnen wir sie als Trainer*innen, um deutlich zu machen, dass Bildung ein ständiger Trainingsprozess und nicht ausschließlich Seminararbeit ist. Allein an diesem kleinen Detail wird aus meiner Sicht bereits der Umbruch in der Bildungsarbeit deutlich.
Auf dem Kongress wurde gefordert, dass das Ehrenamt stärker eingebunden werden soll. Welche Ideen gibt es, welche konkreten Schritte fallen Dir dazu ein?
Aus meiner Sicht werden wir - die ehrenamtlichen Kolleg*innen und die hauptamtlichen Beschäftigten - im Sinne von Handlungskollektiven, die betriebliche Gewerkschaftsarbeit gemeinsam planen, durchführen und reflektieren müssen. Wir wollen wegkommen von der Appell-Ebene nach dem Motto „Ihr müsst!“ Unsere ehrenamtlichen Kollegen müssen überhaupt nichts, sondern sie sind freiwillig in der IG Metall und haben zugleich arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Arbeitgeber*innen. Deshalb sind wir nur erfolgreich, wenn wir uns wie Fische im Wasser, beide Seiten kennend, beweglich und versiert, gemeinsam an der Zukunft der Betriebe arbeiten.
Der Ansatz Die IG Metall vom Betrieb aus denken hat in seiner Ausrichtung auf Empowerment, Bildungsangebote und Beteiligung einen starken Einfluss auf die Veränderungsprojekte. Wird das auch die Arbeit in der IG Metall verändern? Und wenn ja, wie? Natürlich wird sich unsere Arbeit als IG Metall insgesamt verändern, und zwar auf allen Ebenen. Ich fand ein Satz eines Kollegen aus der Frankfurter Vorstandsverwaltung, der in Leipzig mit dabei war, bezeichnend. Er sagte sinngemäß: „Ich bin beeindruckt von der Energie, die unsere ehrenamtlichen Kolleg*innen haben und würde mir wünschen, wenn wir auch in der Vorstandsverwaltung mit so viel Enthusiasmus, Ideen und Engagement alle an die Arbeit gehen. Dabei müssen wir dabei noch zusätzlich bedenken, dass wir bedeutend besser bezahlt werden, als viele unserer Kolleg*innen, die sich hier in Leipzig so in die Diskussion einbringen“. Das kann ich nur unterstützen. Wir als hauptamtliche Kolleg*innen sollten uns stärker vor Augen halten: Wir werden bezahlt von unseren Mitgliedern, damit wir gemeinsam mit Ihnen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Richten wir unsere Arbeit daran aus? Das ist eine Kernfrage unserer Arbeitskultur, die wir uns jeden Tag immer wieder neu stellen sollten. Dann bekommen wir auch die notwendigen Veränderungen in unserer Arbeit hin.
Wird diese Denke die Arbeit auf allen Ebenen verändern?
Ich gehe davon aus. Ich habe jetzt ein praktisches Beispiel von einem Kollegen aus der Vorstandsverwaltung genannt. Diese Kernfrage unserer Arbeitskultur gilt für alle Ebenen, das gilt auch für die Geschäftsstelle, für die Bezirksleitungen oder die Bildungsarbeit. Ich erlebe ja gerade, wie Ihr unter diesem Gesichtspunkt dabei seid, Eure Arbeit zu verändern. Die Vorteile dessen liegen auf der Hand: Wir richten den Fokus wieder auf die Arbeit vor Ort im Betrieb, denn dort konzentriert sich unsere Macht.
Vielen Dank (die Redaktion der IG Metall Bildung).
Klaus Abel machte eine Ausbildung zum Elektromaschinenbauer, studierte Jura, war lange Betriebsrat, Leiter des Rechtsbereichs und Geschäftsführer der IG Metall Berlin und arbeitet heute als Projektleiter des Projekts Die IG Metall vom Betrieb aus denken beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt.
„Kurzarbeit Null“ und Urlaub – Oder nicht?
Durch die Pandemie sind sehr viele Betriebe von Kurzarbeit betroffen. Auch wenn wir uns langsam an die Situation gewöhnt haben, ändert sich die pandemische Lage teils unvorhersehbar und überzieht uns mit immer neuen Wellen. Zwar hat sich die Arbeitswelt auch mittlerweile auf dieses Auf und Ab so weit wie möglich eingestellt, wir merken aber durch die aktuellen Geschehnisse in der östlichen Nachbarschaft, dass auch anderes unsere (Arbeits-)Welt erschüttern kann. Daher ist das Thema Kurzarbeit wohl noch nicht ausgestanden – aktuell sind die Regelungen bis zum 30. Juni 2022 verlängert.
Was bedeutet Kurzarbeit im Betrieb? Es stellt sich rechtlich die Frage, ob bei „Kurzarbeit Null“ – der Kurzarbeit, bei der über Zeiträume nicht nur verkürzt, sondern gar nicht gearbeitet wird – der Urlaubsanspruch gekürzt werden darf. Das Bundesarbeitsgericht hat dies Ende des letzten Jahres bejahend entschieden – der Urlaubsanspruch darf demnach bei wirksam vereinbarter „Kurzarbeit Null“ entsprechend gekürzt werden (BAG, 9 AZR 225/21 und BAG, 9 AZR 234/21). Das BAG meint, dass Tage, an denen wegen Kurzarbeit nicht gearbeitet wurde, nicht mit Arbeitstagen gleichzusetzen wären. Für die Zeit der „Kurzarbeit Null“ würde daher kein Urlaubsanspruch entstehen. Dies gilt, wenn über einen längeren Zeitraum nicht gearbeitet wurde – dann gibt es anteilig für diesen Zeitraum keinen Urlaub. Es gilt aber auch, wenn tageweise nicht gearbeitet wurde – zum Beispiel so weit jemand durch Kurzarbeit nicht wie sonst an fünf Tagen pro Woche arbeitet, sondern nur an drei Tagen. Dann ist der Urlaubsanspruch – wie zum Beispiel auch bei an drei Tagen arbeitenden Teilzeitbeschäftigten – für den Zeitraum der Kurzarbeit auf Grundlage der 3-Tage-Woche zu berechnen. Damit hat es auch eine Bedeutung, ob Arbeitnehmer*innen im Rahmen von Kurzarbeit am Tag kürzer arbeiten oder volle Tage nicht arbeiten! Fazit: Ihr müsst verhandeln! Die Rechtslage ist durch diese höchstrichterlichen Entscheidungen nun klar. Viele Arbeitnehmer*innen müssen damit verkürzte Urlaubsansprüche akzeptieren, wenn Arbeitgeber*innen wegen Kurzarbeit den Urlaub neu berechnen. Für künftige Kurzarbeit sollten Betriebsräte diese Thematik nicht vergessen! Denn, wie Ihr sicherlich wisst: In Betrieben mit Betriebsrat gibt es ohne eine Betriebsvereinbarung keine Kurzarbeit.
Eure Aufgabe als Betriebsrät:innen wäre es, bei den Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit auf die Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit zu achten und am besten zu verhandeln, dass Urlaube wegen Kurzarbeit gar nicht gekürzt werden. Viel Erfolg! Unsere Arbeitsrecht-Kolumne "Alles was Recht ist" erscheint in loser Folge, aber fester Besetzung: Angela Kolovos hält permanent Ausschau nach interessanten Fällen für Betriebsrät:innen.
Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen, hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Geschlechtervielfalt und Betriebsratswahlen
Ein Gastbeitrag von Friederike Boll
Friederike Boll studierte Rechtswissenschaften mit dem Fokus auf gesellschaftliche Ungleichheiten in Frankfurt und Wien, ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, und Mitgründerin der Kanzlei geRechtsanwältinnen in Frankfurt a. M.
Bei Betriebsratswahlen stellt § 15 Abs. 2 BetrVG sicher, dass das Minderheitengeschlecht in der Belegschaft mindestens proportional vertreten ist. Das dient meist dazu, sicherzustellen, dass Frauen, wo sie in der Arbeitswelt in der Minderheit sind, im Betriebsrat genügend repräsentiert sind. Offen ist, wie bei der Wahl mit weiteren Minderheitengeschlechtern umgegangen werden soll. Diese Herausforderung schlicht zu ignorieren, führt zu rechtswidrigen Wahlen. Inzwischen gibt es vier offizielle Personenstände, die das Geschlecht angeben – auch Registergeschlecht genannt: männlich, weiblich, divers oder ohne Angabe. Die letzten beiden Optionen sind für Menschen gedacht, die in das zweigeteilte, sogenannte binäre Schema von männlich und weiblich nicht passen. Deshalb werden sie nicht-binäre Personen genannt. Das kann, muss aber nicht einen körperlichen Hintergrund haben. Die vier Eintragungsoptionen stehen allen Menschen offen entsprechend ihrer individuellen Geschlechtsidentität, also ihrem gefestigten Selbstbild, welchem Geschlecht sie angehören und wie sie von anderen wahrgenommen werden wollen oder nicht. Das Grundgesetz verbietet, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren (Art. 3 Abs. 3 GG), außer hierfür gibt es einen sachlichen Grund. Sich bei den anstehenden Betriebsratswahlen wie bisher nur an den Gruppen Männer und Frauen zu orientieren, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Was das für die Wahlvorstände bedeutet? Sollten in Eurer Belegschaft mehr als zwei Geschlechter vorhanden sein, helfen die automatisierten Wahlrechner und Wahlleitfäden nicht. Sie orientieren sich bei der Umsetzung der Wahlvorschriften nur an Männern und Frauen. Hier gibt es leider durch Unkenntnis und politischen Unwillen sehr viele Falschangaben. Um Fehler zu vermeiden, sollte der Wahlvorstand eine qualifizierte rechtliche Beratung einholen. Den einzigen richtigen Weg gibt es wegen fehlender Gesetzesreformen (noch) nicht. Wichtig ist, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen und eine sachlich begründete Lösung zu finden.
1. Wähler:innenliste Für die Durchführung der Wahl, wird die Wähler:innenliste getrennt nach Geschlechtern aufgestellt (§ 2 WO). Nicht-binäre Personen dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gezwungen werden, sich einer für sie nicht passenden Geschlechtskategorie zuzuordnen. Die Wähler:innenlisten müssen also auch die Geschlechtsgruppe „nicht-binär“ aufweisen, in der alle Personen, die nicht männlich und weiblich sind, zusammengefasst werden. Es gibt eine ganze Reihe von selbst gewählten Bezeichnungen, sodass sich nicht alle Menschen unter „divers“ wiederfinden. Dem wird damit begegnet, dass als Sammelbezeichnung hier „nicht-binär“ vorgeschlagen wird. Darunter fallen sodann alle Arbeitnehmer:innen, die die Personenstände „divers“ oder „ohne Angabe“ haben oder ein anders bezeichnetes Geschlecht jenseits männlich und weiblich leben - unabhängig von ihrem offiziellen Personenstand. Der Wahlvorstand darf auf die Angaben der Arbeitgeber:innen vertrauen, die wiederum nur die Daten weitergeben dürfen und müssen, die sie selbst zur Verfügung haben. Es müssen keine Nachforschungen angestellt werden. In der Regel werden die vorliegenden Angaben dem Registergeschlecht – also dem offiziell erfassten Geschlecht – entsprechen. Das registrierte Geschlecht entspricht jedoch nicht immer dem von der Person im Betrieb gelebten und von den Kolleg:innen erlebten sozialen Geschlecht. Die offizielle Änderung ist aufwendig und teuer, sodass Realität und Register auseinanderfallen können. Was gilt dann nun für die Wahl als das richtige Geschlecht? - Arbeitnehmer:innen sind dem Geschlecht auf der Wählerliste zugehörig, das ihrem sogenannten Identitätsgeschlecht entspricht. Also dem Geschlecht, zu dem sie sich zugehörig zählen und in dem sie sozial agieren, in dem sie von ihrer betrieblichen Umwelt wahrgenommen werden. Denn alle haben ein Recht darauf, in ihrem Geschlecht anerkannt und gleichwertig respektiert zu werden. Dieses Recht folgt aus den Persönlichkeitsrechten des Grundgesetzes und dem Diskriminierungsschutz des AGG. Geschützt wird also im betrieblichen Kontext das soziale Geschlecht. Völlig gleichgültig sind für die Geschlechtszugehörigkeit auf der Wählerliste also körperliche Aspekte und das Registergeschlecht. Fällt dem Wahlvorstand bei Durchsicht der Daten auf, dass er eine:n Kolleg:in bislang in einem anderen Geschlecht erlebt hat als angegeben, wird empfohlen, das Gespräch zu suchen und die Wählerliste im Einverständnis mit der Person zu korrigieren, um ein unfreiwilliges Outing zu vermeiden. 2. Im Plural: Minderheitengeschlechter § 15 Abs. 2 BetrVG sieht vor, dass das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens so viele Sitze in Betriebsräten mit drei oder mehr Mitgliedern erhält, wie das Geschlecht proportional in der Belegschaft vorkommt. Im Wahlausschreiben sind die Anteile der Geschlechter und die daraus resultierenden Mindestsitze zu nennen (§ 3 Abs. 2 Nr. 4, 5 WO; vereinfachtes Wahlverfahren: § 31, ggf. § 36 Abs. WO). Und jetzt mit mehr als zwei Geschlechtern? - Es gibt Stimmen, die sagen, dass bis zu einer Neuregelung weiter wie bisher nur die beiden binären Geschlechter zu berücksichtigen sind. Das Gesetz spreche von Minderheitengeschlecht im Singular und die Begründung für die Regelung sei Art. 3 Abs. 2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Die Vorgabe von Mindestsitzen greift in das Wahlrecht ein, in dem das Wahlergebnis in manchen Fällen zum Erreichen der geschlechtsspezifischen Mindestsitze korrigiert wird. Das kann nur durch das Ziel der Gleichberechtigung gerechtfertigt werden und dort wird nur von Frauen und Männern gesprochen. Andere Stimmen - zu denen auch ich zähle - sagen, dass die Regelung in § 15 Abs. 2 BetrVG analog angewendet werden muss. Kurzum: Die geschlechtsspezifische Sitzvergabe ist ab sofort im Plural zu denken! Das Gesetz zeigt eine Lücke, an die bei seinem Erlass nicht gedacht wurde: Es gibt mehr als zwei Geschlechter. Das bisherige Minderheitengeschlecht – meistens Frauen, gelegentlich auch Männer - und das Minderheitengeschlecht „nicht-binär“ sind in einer vergleichbaren Interessenlage: Sie drohen durch die Dominanz des Mehrheitsgeschlechts benachteiligt, in der Betriebsratsarbeit weniger mit ihren Anliegen bedacht zu werden und schwerer in den Betriebsrat zu gelangen. Historisch waren dies die Überlegungen für die Frauenförderung. Es sollte tatsächliche Gleichberechtigung in einer männlich geprägten Arbeitswelt mit Männern als Belegschaftsmehrheit durchgesetzt werden. Das Ziel der Gleichstellung angesichts einer realen Ungleichheit der Geschlechter ist also die Rechtfertigung dafür, dass mit für Mindestsitze in das Wahlrecht eingegriffen wird. Dieser Gleichstellungsgedanke ist auf nicht-binäre Personen übertragbar, weil auch sie geschlechtsspezifische Nachteile haben. Ein Analogieverbot liegt nicht vor. Nicht-binäre Personen werden rechnerisch fast nie einen Mindestsitz erhalten. Eine Minderheit zum Beispiel von 2 % lässt sich nach der gültigen Sitzberechnung nicht einmal in einem 19er-Gremium darstellen. Dennoch sollte die Berechnung vom Belegschaftsanteil und den Mindestsitzen im Wahlausschreiben korrekt durchgeführt werden. Die Erfahrung zeigt: Auch die bloße Sichtbarkeit von oft nicht bedachten Gruppen kann Gleichstellung fördern. 3. Platz machen für den Mindestsitz? Werden nicht-binäre Kandidat:innen bei der Feststellung der Gewählten verdrängt, um einen Mindestsitz für das binäre Minderheitsgeschlecht frei zu machen? So könnte eine nicht-binäre Person, die nach dem schlichten Wahlergebnis Betriebsratsmitglied werden würde, ihren Platz verlieren zugunsten einer binären Person. Es wird vorgeschlagen, nicht-binäre Personen nicht zu verdrängen. Wie bisher hat nur das Mehrheitsgeschlecht dem binären Minderheitengeschlecht Platz zu machen. Denn: 1. Die nicht-binäre Person würde wie eine angehörige des Mehrheitsgeschlecht behandelt werden, obwohl sie selbst Minderheit ist. Die Rechtfertigung für den Eingriff in das Wahlergebnis trifft bei einer nicht-binären Person nicht zu. Sie ist nicht als Angehörige der Mehrheit ohnehin schon repräsentationsstark im Betrieb vertreten. 2. Die nicht-binäre Gruppe ist gegenüber dem binären Minderheitengeschlecht selbst in der Minderheit. Das binäre Minderheitengeschlecht ist im Verhältnis zu Nicht-binären also das Mehrheitsgeschlecht. Weshalb sollte nun eine Person auf ihr Wahlamt aus geschlechtsbezogenen Gründen verzichten müssen, zugunsten einer Person, dessen Geschlecht in der Mehrheit ist? Mit Minderheitenschutz ist das nicht begründbar. 4. Umgang mit Einsprüchen Gegen die Wähler:innenliste können Einsprüche wegen der Geschlechtszugehörigkeit erhoben werden, über die der Wahlvorstand zu entscheiden hat. Arbeitnehmer:innen können fordern, in ihrem gelebten Geschlecht eingetragen zu werden. Kommen dem Wahlvorstand Zweifel auf, reicht es, wenn die Person sachliche Anhaltspunkte nennt. Dazu gehört zum Beispiel der sogenannte Ergänzungsausweis oder dass ein Verfahren zur Änderung des Personenstandes begonnen wurde, die Angaben von engen Bezugspersonen, Zeugnisse oder Mietverträge, die die gelebte geschlechtliche Identität anhand des verwendeten Vornamens und ggf. der geschlechtlichen Bezeichnung dokumentieren. Der Wahlvorstand kann sich hier an alles halten, was schlüssig erscheint. Leider kann es vorkommen, dass Gegner:innen der Geschlechtergleichstellung versuchen, die Regelungen für sich zu nutzen. Solcher Missbrauch dürfte leicht zu erkennen sein. Die besondere Vulnerabilität, wie es das Bundesverfassungsgericht nennt, also die besonders hohe Gefährdungslage von nicht-binären Menschenunberücksichtigt zu bleiben, macht ein betriebliches Handeln nötig. Die Betriebsparteien sind bereits heute über § 12 AGG aufgefordert, für die gleichen Rechte und Möglichkeiten im Betrieb zu sorgen. Gesetzlich sollte perspektivisch über neue Modelle der Inklusion nicht-binärer Arbeitnehmer:innen in die Interessenvertretungsstrukturen nachgedacht werden. So wird teils vorgeschlagen, nicht-binären Personen eine eigene Interessenvertretung zukommen zu lassen. Überzeugend ist die weitere Aufsplittung von betriebspolitischer Schlagkraft und Fachwissen weg vom Betriebsrat jedoch nicht. Zu diskutieren wäre hingegen die Einführung einer Art Überhangmandat im Betriebsrat. Hierüber könnten nicht-binäre Kandidat:innen zusätzlich in den Betriebsrat einziehen, wenn sie kandidieren und über die proportionale Berechnung der Minderheitengeschlechter hinunterfallen, eine Verdrängung anderer gewählter Mitglieder aber gerade vermieden werden soll. Ärgerlich ist, dass die offenkundigen Rechtsprobleme nicht in der jüngsten Reform der Wahlordnung vom Gesetzgeber angegangen wurden. So bleibt es der Praxis vorbehalten, Lösungswege zu suchen. Eine einheitliche gesetzliche Lösung wird das auf lange Sicht aber nicht ersetzen können – und es bleibt zu hoffen, dass es nicht erst eine Reihe langwieriger Gerichtsverfahren benötigen wird, um dies anzustoßen.
Der Fairwandel-Songwettbewerb
Nach ihrem Auftritt beim Online-Tarifauftakt 2021 durften wir Dota Kehr nun zum zweiten Mal bei uns in Frankfurt begrüßen. Diesmal als Jurymitglied bei der Auswahl des Fairwandel-Songs. In kurzer Blick hinter die Kulissen des Auswahlprozesses.
Ob in der Arbeitswelt oder in der Politik: Was kann Musik erreichen?
Musik kann die Welt verändern – mindestens in dem Moment und an dem Ort, wo sie gespielt wird. Und gerade politische Songs müssen dort zu hören sein, wo ihre Message kein Mainstream ist. Das geht am besten, wenn die Texte auf den Punkt formuliert sind.
69 Musiker*innen haben sich am Wettbewerb beteiligt. Wie bewertest du die Beiträge?
Ich bin begeistert, dass so viele mitgemacht haben und freue mich über die stilistische Vielfalt der Beiträge: Von klassischen Arbeiterliedern bis Hip-Hop ist alles dabei. Und auch die Texte sind sehr vielfältig, wirklich beeindruckend.
Was macht einen Gewinner-Song aus?
Ein Gewinner-Song hat einen tollen Text, vor allem die Strophen müssen auf den Punkt geschrieben sein und beispielsweise aktuelle Herausforderungen ernst nehmen. Der Song muss berühren, stark sein, Optimismus vermitteln - das würde mir gefallen. Ich bin auf jeden Fall selbst ganz gespannt, welcher der Gewinner-Song wird.
Liebe Dota, vielen Dank für deine Zeit.
Wenn wir wüssten, was wir wissen
Wie stellen wir Beteiligung und Aktion ins Zentrum unserer Arbeit? Wie machen wir unsere gute gewerkschaftliche Arbeit besser und erlebbarer? Die Kolleg*innen aus Ingolstadt nutzen einen neuartigen Geschäftsstellen-Prozess, der Beteiligung konsequent in den Mittelpunkt gestellt: Betriebsübergreifende Teams arbeiten Kampagnen- und Aktions-orientiert an betrieblichen Herausforderungen. Ein Gespräch mit Tamara Hübner, zweite Bevollmächtigte in Ingolstadt, über eine neue Lern- und Arbeitskultur. In der IG Metall wird viel von euch gesprochen, weil ihr in Ingolstadt mit den „Geschäftsstellen-Prozessen“ neue Wege geht. Bevor wir darauf eingehen, was genau sich dahinter verbirgt, kurz eine Frage vorab: Inwieweit sind Geschäftsstellenprozesse eine Antwort auf die Veränderungsdynamik in den Betrieben und Branchen und wenn ja - welchen Zusammenhang gibt es hier? Auf jeden Fall hat Transformation auch mit neuen Prozessen zu tun, aber auch viel mehr noch mit neuen Methoden. Immerhin sind es die Methoden, die die Qualität der Prozesse ausmachen. Wir sollten die Dinge, die wir schon gut machen, weiter machen, aber uns trotzdem die Frage stellen: Geht es? Geht es auch anders?
Und jetzt zu den GS-Prozessen: Was ist die Herausforderung, die ihr angehen wollt? Wie sehr hat das mit der Transformation in den Betrieben zu tun? Als ich 2019 zur 2. Bevollmächtigten gewählt wurde, haben wir uns zusammen mit Bernhard Stiedl, damals der erste Bevollmächtigte, die Geschäftsstelle angeschaut und analysiert: Was funktioniert gut, wo sind wir stark und wo können wir gemeinsam besser werden? Wir sind, wie jede*r weiß, stark von der Transformation in der Automobilbranche geprägt und wir haben gesehen, dass das Verhalten unserer großen Betriebe sich verändern wird. Alle bauen um! Das Einstellungsverhalten, das Produktionsverhalten, das Einkaufsverhalten - das alles verändert sich in den Betrieben. Und das macht natürlich auch was mit den Beschäftigten und mit unserer Mitgliedschaft. Bei dieser Bestandsaufnahme haben wir festgestellt, dass wir die großen Mitgliedergewinne in den Neueinstellungen haben, aber nicht im Bestand, also nicht bei den Kollegen und Kolleginnen, die schon lange in den Betrieben arbeiten. Das war dann auch der ausschlaggebende Punkt, uns zu fragen, wie wir die Themen “Mitglieder-Gewinnung”, aber auch “Betriebs-Betreuung” neu denken können? Wie kommen wir besser an die Leute ran? Wie können wir unsere gute, gewerkschaftliche Arbeit weiterentwickeln? Corona war dabei natürlich auch für uns ein Brennglas, aber eben auch die Transformation an sich. Als wir uns dann in der Organisation etwas umgeschaut haben, sind wir in unserem Nachbarbezirk Baden-Württemberg auf die Geschäftsstellen-Prozesse gestoßen. Die haben wir uns angeschaut, für uns adaptiert, in unsere Gremien gebracht und gemeinsam entscheiden: ja, den Weg wollen wir gehen. Kein leichter Schritt, denn nicht jede*r will sich verändern und ist bereit, etwas Neues ausprobieren. Dabei ist das Etablieren neuer Methoden und Prozessen ja nur der eine Teil - viel entscheidender ist dabei, dass wir auch eine neue „Fehlerkultur“ entwickeln, eine „Mut-Kultur“ vielleicht - und das ist das eigentlich Spannende.
Jetzt bin ich neugierig: Wie funktioniert denn dieser Prozess konkret? Welche Elemente gibt es? Mit unseren Funktionären ist es tatsächlich so, dass wir andere Formate haben. Also wir kommen regelmäßig, das heißt 6 bis 7 Mal pro Jahr, in sogenannten Tages-Workshops zusammen, und zwar betriebsübergreifend. Wir starten immer mit einem kurzen Impuls, meistens von uns als Geschäftsführung. Dann lernen wir zusammen: In Form einer Bildungs-Einheit mit einem inhaltlichen Schwerpunkt, die aber auch schon sehr praxisnah ist. Und dann gehen wir in die betrieblichen Aktion-Planungen, die dann aber sehr unterschiedlich sein können. Der eine Betrieb will eine bestimmte Vereinbarung schließen, der nächste Betrieb hat das Thema „Ich komme an meine Leute nicht ran“ und beim dritten Betrieb geht es darum, das heiße Thema im Betrieb zu finden. Gerade letzteres ist ja jetzt auch nach der Wahl interessant, weil wir ja oft auch dazu übergehen „Ach, ich weiß, was die alle wollen ja, und deshalb machen wir auch so!“ Eben nicht, auch wenn wir es wissen, ist das toll, aber es ist immer noch mal was Anderes, wenn man es nochmal legitimiert, wenn man noch mal bei den Kolleginnen und Kollegen nachfragt: „Ist das wirklich das Thema?“ Gerade bei den Aktionsplanungen packen wir dann entweder ähnliche Betriebe zusammen, oder aber sie machen das selbst, je nachdem, was auch gerade für ein Thema da ist. Am Ende kommt dann auch immer eine Verbindlichkeit raus, in Form eines konkreten Aktionsplans. Mit diesem Aktionsplan gehen die Kolleginnen und Kollegen dann in die betriebliche Umsetzung. Und das wird dann immer zum nächsten Tages-Workshop, also ca. 2 Monate später, wieder mit aufgegriffen und Kolleginnen und Kollegen berichten in einer guten Atmosphäre „Hey, das hat bei mir funktioniert, war super.“ Aber eben auch „Das hatten wir uns vorgenommen. Na ja, da waren wir ganz weit weg - aber trotzdem war's gut, dass wir es gemacht haben.“ Und alles ist gut! Das ist einfach ein sehr, sehr guter Austausch untereinander. Und das ist schon was Besonderes – immerhin sprechen wir von 28 Betrieben mit je 2-3 Personen, die da pro Tages-Workshop zusammen kommen und mit- und voneinander lernen. Und das darf man auch nicht vergessen, gemeinsam ein Netzwerk aus ganz unterschiedlichen Bereichen bilden.
Was ist denn das Besondere an dieser Art zu arbeiten? Es gibt immer ein gemeinsames Momentum: Man lernt zusammen, man geht in die Projektarbeit und man schaut auch, was hat funktioniert, und was nicht und das im Kreis aller Beteiligten. Es ist also eigentlich die gleiche Systematik wie bei den „IG Metall vom Betrieb aus denken“-Prozessen: Es schafft eine hohe Verbindlichkeit, ein sehr zielgerichtetes Arbeiten und auch der Aspekt der situativen Bildung ist einfach sehr spannend. Bei Geschäftsstellen-Prozessen gehen eben auch die Hauptamtlichen mit in die Aktionsplanung mit rein und verändert auch ihre Arbeit. Wir machen das natürlich dann auch so, dass wir bei ähnlichen Themen nicht nur die Ehrenamtlichen, sondern auch die Hauptamtlichen in Teams zusammensetzen, damit sie sich gegenseitig unterstützen. Unser Grundsatz ist, gemeinsam macht es mehr Spaß. Wir sind eine Mitmach-Gewerkschaft und keine Einzelkämpfer-Gewerkschaft. Es geht also um weit mehr als nur neue Prozesse aufzusetzen. Es ist vielmehr ein Kulturwandel, bei dem Beteiligung und Lernen im Zentrum stehen – und zwar auf allen Ebenen. Wir haben auch so einen Geschäftsstellen-Prozess für unsere Verwaltungsangestellten aufgesetzt, denn auch da ändert sich ja die Arbeit: Die IG Metall wird immer digitaler und auch die Zusammenarbeit mit unseren betrieblichen Funktionären. Das heißt, unsere Verwaltungsangestellten, gehen aktiv mit raus zu Aktionen. Da haben sie viel Spaß dran. Und ich habe da total viel Spaß dran, weil sie Spaß dran haben (lacht) . Diese Art der Zusammenarbeit birgt einfach total viele Potenziale, einmal in der Steuerung der Geschäftsstelle und noch mehr in der Umsetzung. Daher kam auch unser Motto: Wir zusammen stark.
Welches sind die größten Herausforderungen für eure BRs nach der Wahl? Und welches die größten Chancen? Das ist tatsächlich die komplette Umstellung: Angefangen bei der Strategie und auch der Innovation der Betriebe, bei der die Mitbestimmung gefordert ist: “Wie entwickelt sich denn tatsächlich der Betrieb? Wie sehr ist er denn von der Transformation betroffen? Und was bedeutet das dann genau? Hier gilt es, unsere Betriebsrät*innen mit einem guten Blick und Wissen auszustatten. Ganz wichtig ist uns dabei, den Fokus aufs Agieren und nicht Reagieren zu legen, nicht nur darauf zu warten, dass der Arbeitgeber mir einen Vorschlag für eine Betriebsvereinbarung für ein neues System vorlegt, und dann diskutieren die Betriebsräte ausschließlich dieses System, statt zu fragen: Was bedeutet das denn in Summe eigentlich für mein Arbeitsfeld? Was heißt das denn auch für unsere Facharbeiter und Facharbeiterinnen? Sind das dann noch Facharbeiter, Jobs oder sind, das sind das Anlerntätigkeiten mit einer digitalen Unterstützung? Die enormen Chancen sehe ich eindeutig in der Art der Arbeit, wie wir sie mit den Geschäftsstellenprozessen etablieren. Ich sage immer: „Wenn wir wüssten, was wir wissen! Durch die Zusammenarbeit und das Netzwerken untereinander heben wir dieses Wissen. Es werden automatisch Ängste abgebaut und in Möglichkeiten transformiert. Wir haben eigentlich immer irgendwo jemanden, der/die sagt: ja, das Thema hatten wir auch schon, damit ist mein Arbeitgeber auch schon um die Ecke gekommen und wir haben diese Erfahrung gemacht. Außerdem sehe ich unsere Chance in der konsequenten Beteiligung: Wir müssen weg von der Haltung: “Hey, ich bin eine super Gewerkschaft und ich regel das jetzt mal für dich. Und wenn ich das für dich geregelt hab, dann wirst du bitte Mitglied.” Die Zeiten sind vorbei. Das merken wir in dem gesamten Umbruch auch in unserer Beschäftigten-Struktur: Die Leute wollen gefragt werden! Es geht darum, uns als Mitmach-Gewerkschaft wieder erlebbar zu machen und die Kolleginnen und Kollegen wirklich mit einzubeziehen – auch wenn das bedeutet, dass etwas rauskommt, was Mensch nicht auf dem Schirm hatte.
Mit Blick auf die Kompetenzen: Was kann und muss Bildung tun, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen? Ich glaube, wir müssen unsere Kollegen und Kolleginnen dazu bringen, einen etwas breiteren Blick zu haben – und dann mit situativer Bildung und zielgerichteten Methoden zu unterstützen. Wir benutzen dabei viele Organizing-Ansätze und denken bei betrieblichen Themen stark in Kampagnenlogik. Ganz zentral ist dabei natürlich, Beteiligung zu organisieren und Kolleginnen und Kollegen wirklich mit einbeziehen. Das Thema finden, es aufbohren, ja gegebenenfalls konflikthaft hochziehen, je nachdem, was es für ein Thema ist und die Leute immer wieder mit reinholen – eben Haltung und Handlung zu vereinen.
Liebe Tamara, vielen Dank für deine Zeit.
Der 8. März. Ein Tag, um Forderungen zu stellen
Als Vorsitzende des Ortsfrauen-Ausschusses der IG Metall Bad Kreuznach setzt sich Renate Bodtländer für Frauenrechte, Gender-Gerechtigkeit und Anti-Rassismus ein. Zudem ist sie Delegierte und Aktive bei den DGB-Frauen. Im Interview berichtet sie über ihr vielfältiges Engagement als Betriebsrätin der KHS. Liebe Renate, du bist Vorsitzende des Ortsfrauen-Ausschusses, Delegierte und aktiv bei den DGB-Frauen. Was bedeutet der 8. März für dich? Ich finde es gut auf frauenspezifische Themen aufmerksam zu machen, darauf aufmerksam zu machen, dass Frauen oft immer noch weniger verdienen und dass es viele Missstände gibt. Dieser Tag ist eine Chance, auf diese Punkte hinzuweisen. Frauen werden immer noch benachteiligt. Im Rahmen des Frauentages organisieren wir daher vor Ort regelmäßig eine Demonstration. Unsere aktuelle Kern-Forderung ist: Gewalt gegen Frauen muss verhindert werden. In diesem Kontext beschäftigt uns natürlich der Krieg in der Ukraine und in Afghanistan. Für uns ist gerade außerdem das Thema häusliche Gewalt an Frauen sehr relevant, speziell im Kontext der unzähligen Lockdowns während der Corona-Krise. In Bad Kreuznach bist du im Ortsfrauenausschuss der IG Metall und beim DGB sehr aktiv. An welchem Thema arbeitet ihr gerade? Neben den Themen häusliche Gewalt, Gender Pay Gap und vielen anderen Themen haben wir gerade einen starken Fokus auf die anti-rassistische Arbeit gelegt. Was wir genau gemacht haben, gerade jetzt in diesen Zeiten, sind Rundgänge zum jüdischen Leben in Bad Kreuznach, zu den Stolpersteinen sowie dem jüdischen Friedhof. Wir fahren anti-rassistische Aktionen, sind präsent gegen Verschwörungstheoretiker, sogenannte „Querdenker“ und gegen Antisemitismus. Dazu nehmen wir aktuell regelmäßig an Gegen-Demos zu den sogenannten „Querdenker-Demos“ teil.
Welche Aktionen habt ihr in der Vergangenheit durchgeführt oder was ist euch dabei wichtig zu erwähnen? Wir versuchen immer über den Tellerrand zu schauen und zu gucken, was andere Betriebe und Gremien zu dem Thema machen. Wir möchten uns als Ortsfrauenausschuss und als DGB-Frauen weiterentwickeln. In der Vergangenheit hatten wir im Bonhoeffer Haus eine öffentlichkeitswirksame Aktion zum Thema Altersarmut von Frauen. Dazu haben wir in einem Theater-Setting eine Gerichtsverhandlung aufgeführt und dort das Thema Altersarmut von Frauen aufgegriffen. Dort haben Frauen explizit verschiedene Aspekte, Hintergründe und Gründe für Altersarmut von Frauen vorgetragen. Wir haben diese Aufführung mit einem öffentlichen Würfel-Spiel verknüpft. Dabei stand auf jeder Würfelseite ein Grund für Altersarmut von Frauen. Zudem haben wir jeweils Lösungsvorschläge präsentiert. Diese Aktion haben wir auch der Ministerpräsidentin Malu Dreyer präsentiert und dabei auch für eine große öffentliche Resonanz gesorgt. Für mich bleiben die Gleichberechtigung im Allgemeinen, das Gender Pay Gap im Speziellen und Anti-Rassismus wichtig.
Wie verknüpfst du dein Engagement für Frauenrechte mit deiner Tätigkeit als Betriebsrätin?
Hier im Betrieb versuchen wir das Thema Frauenrechte weiterhin präsent zu halten. Wir versuchen, unsere Kolleginnen zu einem Engagement für ihre eigene Sache zu motivieren. Am 8. März verteilen wir traditionell in verschiedenen Betrieben Rosen und nutzen diesen Tag als Chance, unsere Belange öffentlichkeitswirksam in den Betrieben zu platzieren.
Was würdest du gerne neu gewählten Betriebsrätinnen am heutigen internationalen Frauentag mit auf den Weg geben? Ich kann allen neu gewählten Betriebsrätinnen und allen anderen Kolleginnen nur ans Herz legen: Engagiert euch, seid mutig, sprecht auch sensible Themen an. Konkret zum internationalen Frauentag am 8. März gibt es immer Gutscheine für Online-Seminare, dort gibt es von der IG Metall super Angebote für Frauen. Für uns hat sich zum Beispiel beim Thema Altersarmut von Frauen gezeigt, dass eine enge Kooperation mit der Politik Früchte tragen kann und total wichtig ist. Unsere Belange und wichtige gesellschaftspolitische Themen speziell im Kontext des internationalen Frauentags in die Politik zu tragen und diesen Themen Gehör zu verschaffen, macht total Sinn.
Liebe Renate, vielen Dank für deine Zeit.
Beteiligung und Transparenz
Warum ist die IG Metall erstmals mit einer eigenen Kampagne in die Betriebsratswahl gegangen? Was sind die großen Herausforderungen und Chancen für die Betriebsräte in den nächsten vier Jahren, auf welche neuen Rollen sollten sie sich vorbereiten? Heike Madan, Ressortleiterin “Vertrauensleute, Betriebs- und Unternehmenspolitik beim IG Metall-Vorstand, hat uns erzählt, warum es jetzt so wichtig ist, sichtbar in den Betrieben zu werden und zu bleiben.
Liebe Heike, wer die Betriebsratswahlen verfolgt, weiß: Wir haben die DGB-Materialien um eine eigene Kampagne ergänzt. Warum eigentlich?
Uns allen ist klar, dass die Betriebsratswahlen 2022 eine besondere Herausforderung werden. Der Wandel ist da. Die Ausrichtung der Unternehmen ändert sich, Produkte und Produktion werden umgestellt, Arbeit wird digitalisiert, allem voran natürlich in der Automobilindustrie - das ist ein Wahnsinns-Umbruch in den Betrieben. Und damit sind wir beim Thema sichtbar werden im Betrieb, wobei wir dabei auch die Mitbestimmung an sich zum Thema zu machen wollen. Immerhin ist die betriebliche Mitbestimmung vor 50 Jahren unter Willy Brand das letzte Mal substantiell erneuert worden. Hier muss dringend nachgebessert werden und die Mitbestimmungsrechte müssen so angepasst werden, dass eine Mitgestaltung der Transformationen auf Augenhöhe möglich wird. Also sprich, wir brauchen eine gute Wahlbeteiligung. Wir müssen mehr werden, mehr Betriebe brauchen einen Betriebsrat und natürlich auch mehr Mitglieder. Aus diesen Gründen haben wir uns dazu entschlossen, eine eigene Kampagne zu entwickeln, um den ganzen Prozess - von der Planung bis hin zur Betriebsratswahl - so strukturiert wie möglich anzugehen, mit allen Unterstützungs-Möglichkeiten für unsere Betriebsräte, die nur irgendwie denkbar sind und über Flyer, Plakate, den rechtlichen Baukasten und den Wahlplaner hinausgeht.
Warum das Motto “Team IG Metall” - und wie kommt das bei den Leuten an?
Wir hatten wir das Gefühl, dass wir etwas identitätsstiftendes für unsere Leute brauchen, ein gemeinsames Dach, unter dem sich alle versammeln können, und Team IG Metall, das fliegt, das muss man wirklich sagen. Es gibt kaum Kritik oder auch kaum Widerspruch an diesem Claim, an diesem Logo, an dieser Marke. Im Gegenteil - auch wenn ich zahlenmäßig nicht verifizieren kann, aber wer in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, sieht, wie viel Betriebe jetzt tatsächlich unter Team IG Metall zur Betriebsratswahl antreten. Es wird als etwas Verbindendes und als etwas Gemeinsames gesehen. Trotzdem kann jede*r aus dem Team individuelle Gedanken, die in das betriebliche Handeln passen, einspeisen. Das wird sich auch halten. Deswegen spreche ich auch nicht mehr von Claim, sondern wirklich von Marke. Wir haben jetzt schon Anfragen für weitere Wahlen, die anstehen und das ist ja eigentlich perfekt. Wenn wir in Zukunft als Team IG Metall im Betrieb antreten können, umso besser.
Was sind unsere bisherigen Erkenntnisse aus der Kampagne, was nehmt ihr mit, was möchtet ihr teilen?
Die eigenen Lerneffekte kommen vor allem über die starke Prozessorientierung. So können wir zum Beispiel auch besser erkennen, dass die Kampagne verfängt, ansonsten hätten wir ja gar kein Monitoring, außer den letztendlich wenig aussagekräftigen Bestellzahlen von Flyern. Über unsere neuen Angebote, wie die wöchentliche Sprechstunde oder auch unsere Teilnahme an den vielfältigen Veranstaltungen, die wir den Gliederungen anbieten, bekommen wir einen viel besseren Einblick und natürlich auch Feedback in Echtzeit. Wir bekommen auch sehr gute Rückmeldungen zu unserer digitalen Wahl-Zentrale. Wir haben ja das gute alte Aktionshandbuch wieder aufgelegt, aber nicht gedruckt, sondern digital, damit wir es permanent weiterentwickeln können. Hier ist für alle drei Phasen der Kampagne alles vom ersten bis zum letzten Schritt ganz klar runtergebrochen. Es erklärt, was der jeweilige Betriebsrat des Gremiums tun kann und was dieser dafür braucht. Das Plakat ist das eine, aber es muss ja auch klar sein: Was muss ich vorher machen, bevor ich es online stelle? Und das ist jetzt gerade auch so ein bisschen Learning für die ganzen anderen Themen, die wir bearbeiten. Wie können wir die Leute befähigen, dieses Thema selber zu bearbeiten und das dann gezielt mit unterstützenden Materialien anzugehen? Diese Umstellung ist auch ein Lerneffekt für uns im Moment. In den nächsten Wochen werden die meisten Betriebe ihr neues “BR-Team” haben. Was sind deiner Meinung nach die Herausforderungen für die kommenden Jahre?
Ich sehe da vor allem drei Herausforderungen:
1. Bei den strategischen Entscheidungen der Unternehmen mitbestimmen 2. Beteiligung der Belegschaft, sie wirklich mitnehmen 3. Qualifizierung der Kolleg*innen
Wenn das alles gut ineinandergreift und gut funktioniert, dann bleibt das Team ja auf jeden Fall da. Das ist ja das oberste Ziel: Keine*r darf wegen der Transformation den Arbeitsplatz verlieren! Deswegen ist es so wichtig, frühzeitig Einfluss zu nehmen, bei den Umsetzungen dann sichtbar zu sein und die Kolleg*innen mitzunehmen und zu beteiligen. Und natürlich, die Kolleginnen und Kollegen für die Veränderungen zu qualifizieren, das ist unheimlich wichtig. Und genau hier sind starke Betriebsräte gefragt. Laut einer unserer Beschäftigtenbefragung hat ein Großteil der Unternehmen gar keine Transformationsstrategie, das sagt ja schon alles. Da kommt auf uns auch eine neue Rolle zu – die Verantwortung haben wir, allein schon den Beschäftigten gegenüber. Da müssen wir alle neu denken und auch selber Innovationen anstoßen und Ideen entwickeln.
Das ist für viele Neuland und ein Grund, warum wir auch politisch aktiv werden und zusammen mit anderen Akteuren bundesweit sogenannte Transformationsnetzwerke aufbauen: um Austausch zu organisieren und Betriebe und Regionen gut durch den Wandel zu bringen. Außerdem, wie erwähnt, setzen wir uns mit der “Initiative Mitbestimmung” für eine Runderneuerung der Mitbestimmungsrechte ein, damit wir in den Veränderungsprozessen auch rechtlich ein Player auf Augenhöhe sein können.
Bei der Transformation wird ja oft, und zu Recht, über die Herausforderungen gesprochen. Aber was sind denn die größten Chancen, die sich den Betriebsräten bieten?
Wünschenswert wäre tatsächlich, wenn sie sich als starke Kraft im Betrieb tatsächlich auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber etablieren, mit einer anderen Form von Betriebsrats-Arbeit: Raus aus dem Sitzungszimmer, raus aus den ganzen Terminen mit dem Arbeitgeber, sondern tatsächlich reinzugehen in die Prozesse, ran an die Belegschaften und diese eben auch bei den Prozessen beteiligen. Also ich glaube, Beteiligung und Transparenz, das sind die roten Fäden im zukünftigen Handeln als Betriebsrat. Eben nicht nur die die Mängel zu verwalten und sich auf Interessenausgleich zu konzentrieren und darauf, dass so viele wie möglich an Bord bleiben. Sondern aktiv mitgestalten, sodass es eine Zukunft für den Betrieb gibt. Damit können sie auf Augenhöhe landen und sich als gleichgewichtige Kraft im Betrieb etablieren. Das ist eine große Chance.
Das führt mich zur Frage zur Weiterbildung. Welche Kompetenzen brauchen denn Betriebsrät*innen, um diese Chancen auch wahrnehmen zu können?
Aus meiner Sicht geht es ganz klar um drei Stränge: Um Analyse-Kompetenz, also die Fähigkeit, die brennenden Themen zu identifizieren, die jetzt tatsächlich bei mir im Betrieb anstehen. Also die Themen hinter den Themen auszumachen und die Problemstellung zu durchdringen. Dann Themen-Kompetenz, um die Veränderungen auch inhaltlich zu verstehen. Zu begreifen, um was geht es eigentlich genau? Was bedeutet Industrie 4.0? Was bedeutet künstliche Intelligenz? Die Veränderungen der Arbeitsprozesse, das ist das eine, aber überhaupt zu verstehen, worüber reden wir da - das ist dann noch mal was anderes. Und als drittes Prozess-Kompetenz, also neue Methoden und Ansätze parat zu haben, um Menschen nachhaltig zu beteiligen und gemeinsame Prozesse als Team so umzusetzen und zu bearbeiten, dass sie den komplexen und teilweise neuen Anforderungen gerecht werden.
Aber bei den Herausforderungen, die die Betriebsrät*innen in den nächsten 4-8 Jahren haben werden und bearbeiten müssen, da müssen wir genauso gut auf die Grundlagenbildung achten: Sie müssen verstehen, wie unsere Arbeitswelt funktioniert, wie Betrieb und Gesellschaft funktionieren, wie der Interessengegensatz funktioniert, wenn sie tatsächlich einen Arbeitgeber haben, der sie in der Transformation lieber ausbluten lässt, als dass er da irgendwie mit dem Betriebsrat in Kooperation tritt und versucht gemeinsam etwas hinzubekommen. Dafür braucht es ein Grundverständnis, was macht das eigentlich mit dem Einzelnen, was macht das mit den Kolleginnen und Kollegen um mich herum? Was passiert dann eigentlich mit der Struktur auch in der Region. Das Fachliche auf der einen Seite ist wichtig.
Es geht aber auch darum, zu verstehen, dass wir an einem Scheideweg stehen, in einer industriellen Revolution, mit einer Neuausrichtung der Gesellschaft und all dem, was drumherum passiert. Sie müssen lernen, mit diesen ganzen Unsicherheiten umzugehen, zu erkennen, wo driften die Menschen ab und wie können sie sie mitnehmen und beteiligen; das muss man alles im Zusammenhang denken, das ist groß. Und dafür brauchen wir einen menschlichen Blick, der über den Tellerrand hinausgeht. Das kriegst du nur über eine gute Grundlagenbildung und viel Austausch hin.
Liebe Heike, vielen Dank für deine Zeit.
Freie Seminarplätze für Vertrauensleute
Aufgrund der Coronapandemie mit Lockdowns und Einschränkungen konnten nicht alle Vertrauensleute seit ihrer Wahl an einer Qualifizierung teilnehmen . Gerade in diesen ungewissen Zeiten müssen Vertrauensleute in fachlichen und sozialen Dingen qualifiziert und ausgebildet sein. Die Bildungszentren sind dank konsequenter Hygienemaßnahmen für Euch offen.
„Wir setzen auf die Expertise der Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen.“ *
Ein Blick auf 101 Jahre Schwerbehinderten-Vertretung in Deutschland Die Redaktion
Im nächsten Jahr wählen wir in den Betrieben neue Schwerbehindertenvertretungen. Das sollte zwischen Betriebsratswahlen, Umbau der Unternehmungen und Qualifizierungsoffensiven nicht untergehen. Deshalb ein Blick darauf, woher die Schwerbehindertenvertretungen kommen und wohin die Reise geht.
Gleich an vier zentralen Stellen im Koalitionsvertrag finden sich Vorschläge zur Verbesserung der Arbeits- und Lebenswelt von Menschen mit einer Behinderung. Die Bundesregierung setzt bei vielen Maßnahmen, wie zum Beispiel beim Eingliederungsmanagement auf die Expertise der Schwerbehindertenvertretungen. Sie sind neben der Funktion, für Teilhabe zu sorgen, wichtige Brückenpfeiler im Betrieb, um Menschen mit und ohne Behinderung zu verbinden.
Im nächsten Herbst wählen wir die neuen Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben. Das klingt noch weit weg, allerdings müssen wir zügig nach dem Dauersprint der Betriebsratswahlen die Kandidat*innen für die Schwerbehindertenvertretungen küren. Wie bei allen Wahlen, die nur alle vier Jahre stattfinden, stellt sich möglicherweise für einige Kolleg*innen die Frage, wie das geht. In welchen Betrieben ist die SBV mal noch zu wählen? Und wer kann als Vertreter*in gewählt werden? Falls du hier Hilfe brauchst, schau einfach kurz unseren beinahe historischen Erklärfilm aus dem Jahre 2014. https://www.youtube.com/watch?v=q_AlZkApPC0&t=16s
Jedem oder jeder, die sich für Menschen mit Behinderung am Arbeitsplatz und darüber hinaus einsetzt, gehört unser voller Respekt. Mit Sicherheit gab und gibt es diese verantwortungsvollen, empathischen und anpackenden Kolleg*innen immer. Aber warum und wann haben wir Gesetze formuliert und strukturierte Prozesse definiert, um das Engagement systematisch zu stärken?
Ausgangspunkt waren die tausenden Kriegsversehrten des Ersten Weltkriegs. Im Jahre 1920 erließ das Parlament der Weimarer Republik ein Gesetz zur Beschäftigung von "Schwerbeschädigten”. Der § 1 definierte bereits vor über 100 Jahren, dass die Arbeitgeber*innen bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer*innen einen Menschen mit schwerer Behinderung bei gleicher Eignung vorziehen muss.
In der Novellierung des Gesetzes im Jahre 1923 wurde die Amtsausübung der gewählten Vertrauenspersonen erleichtert; wie zum Beispiel durch die rechtliche Zusicherung der finanziellen Unterstützung durch die Arbeitgeber*innen.
Es folgten 1953 weitere Anpassungen, wie die Wahl der Schwerbehindertenvertreter*innen auf zwei Jahre. Im Jahre 1961 wurde die Amtszeit sogar auf 4 Jahre ausgeweitet. Hinzu kam die rechtliche Gleichstellung mit Betriebsrät*innen wie beispielsweise beim Kündigungsschutz, ebenfalls beschlossen im Jahre 1961.
1974 wurde der beratende Charakter der Vertrauenspersonen zu weitreichenden Anhörungs- und Teilnahmerechten an Betriebsratssitzungen ausgeweitet – ab 1986 galten diese Mitwirkungsrechte auch explizit für Vertrauensfrauen und ihre Stellvertreter*innen.
Ab 2000 bzw. 2004 wurden dann mit den Integrationsvereinbarungen wie dem Eingliederungsmanagement Vorkehrungen zur drohenden Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung getroffen.
Das alles mündete in einen Perspektivwechsel im Jahre 2017. Seitdem steht die Teilhabe im Vordergrund bei allen Anstrengungen in der Schwerbehindertenvertretung. Und wir müssen uns weiter anstrengen, bis wir eine barrierefreie Teilhabe in unserer Gesellschaft verankert haben. Schwerbehindertenvertreter*innen waren und sind dabei unabdingbar in den betreffenden Betrieben. Sie sind Vertrauenspersonen, die sich für die Interessen der Menschen mit Behinderung einsetzen. Du kannst ebenfalls den Unterschied machen. Wenn du die Wahlen unterstützt, oder dich zur Wahl stellst. Wir helfen dir dabei.
* Aus dem Ampel-Koaltionsvertrag, November 2021
Kriterien für die Betriebsratswahl-Partizipation
Wie die Geschäftsstelle Schweinfurt über „ Kompetenzfelder” die Betriebsratswahl partizipativ auf ein neues Level hebt
Die Reaktion im Gespräch mit Thomas Höhn, Bevollmächtigter Geschäftsstelle Schweinfurt
Wie finden wir Bewerber*innen, die Ihre Fähigkeiten richtig einschätzen? Wie kann ich diese auf künftige Aufgaben und Fallstricke vorbereiten, ohne sie zu entmutigen oder abzuschrecken? Die Kolleg*innen aus Schweinfurt haben dazu eine Vorgehensweise entwickelt, die bereits 13 Betriebe intensiv nutzen. Was sich hinter diesem Prozess verbirgt, das haben wir Thomas Höhn gefragt.
Redaktion : Lieber Thomas, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Ich kann mir vorstellen, dass ihr mit der Vorbereitung der BR Wahl alle Hände voll zu tun habt. Und genau das ist das Stichwort. Wir haben gehört, dass ihr 2018 einen anderen und ziemlich erfolgreichen Weg in der Vorbereitung der Wahl eingeschlagen habt und diesen Weg auch jetzt wieder geht. Das macht uns natürlich neugierig. Was genau macht ihr eigentlich anders – wie begleitetet ihr die Wahl in Schweinfurt?
Thomas Höhn : Wir treten im Vorfeld der Wahl mit unseren Kolleginnen und Kollegen strukturiert in einen intensiven Dialog und reden über unsere Vertrauenskörperleiter mit den Kandidat*innen über ihre fachlichen und kommunikativen Kompetenzen. Ich glaube, das ist ein ganz zentraler Punkt. Das Fachliche steht natürlich zu Recht im Fokus. Es ist wichtig, dass die Betriebsrät*innen erstens wissen müssen, wie das Betriebsverfassungsgesetz funktioniert und wie es um den Arbeits- und Gesundheitsschutz steht. Das ist das erste Kompetenzfeld. Aber wir glauben auch, dass zweitens ein erweitertes Rollenverständnis von Bedeutung ist: Wie ordnet sich eigentlich diese Betriebsratstätigkeit in das große ganze Feld der Interessenvertretung, die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft und ähnliches ein. Und das dritte Feld ist dann das Methodische, um die Kraft auf die Straße zu bekommen. Es ist also ein gesamtheitlicher Blick. Das ist unser Ansatz. Zusammengefasst haben wir durch den Fokus auf diese drei Kompetenzfelder eine Möglichkeit gefunden, über unsere Vertrauenskörperleiter, mehr Einfluss auf die Erstellung der Vorschlagslisten zu nehmen. Wir haben somit einen Prozess entwickelt, der erfahrenen Betriebsrät*innen hilft, ihre Position zu reflektieren. Und diejenigen, die neu auf dem Weg sind, erleben durch unsere Felder ganz gut, was auf sie zukommen kann und welche Anforderungen hinter so einem Betriebsrat-Mandat stecken. Und wir können relativ gezielt Bildungsbedarfe erkennen und absprechen, wo wir nochmal nachjustieren müssen. Das ist die Idee, die wir im Rahmen der letzten BR-Wahl entwickelt und bereits erfolgreich ausprobiert haben. Aktuell finden auf Grundlage unserer ersten Erfahrungen in vielen Betrieben wieder ähnliche Gespräche statt. Redaktion: Okay, aber wie läuft der Prozess konkret ab, und können andere Betriebe diesen einfach so kopieren? Thomas Höhn: Jeder Prozess ist anders, und das muss er auch sein. Trotzdem haben wir rund um die drei Kompetenzfelder handhabbare, aber allgemeine Reflexionsbögen entwickelt. Mit diesen Fragebögen und dem dazugehörigen Prozess können diejenigen, die für die Erstellung der Vorschlagslisten im Betrieb verantwortlich sind, eine Diskussion über Inhalte führen. Sie können die Themen identifizieren, die im Betrieb besonders wichtig sind und dann mit ausgewählten Kanditat*innen die nötigen individuellen Kompetenzen abfragen. Die Fragebögen sollen dabei eine Hilfestellung sein und dafür sorgen, dass Mensch dabei nicht oder zumindest nicht so schnell ins Persönliche abrutscht. Unser Fokus liegt dabei auf der individuellen Ebene: Die Kernfrage ist ja: Wie kriegen wir es hin, dass wir uns tatsächlich über individuelle Stärken und Schwächen unterhalten können, über mögliche und notwendige Entwicklungswege und über die gezielte Qualifizierung? Darauf müssen sich natürlich diejenigen, die dieses Gespräch führen, einlassen können. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die da sehr dankbar für dieses Angebot sind. Wir haben Vertrauenskörperleiter und Verantwortliche, die diese Gespräche führen, die das wertschätzend umsetzen können. Trotzdem gibt es natürlich auch Konflikte. Diese sind gewollt und gewünscht. Im Betriebsrat gibt es den ja auch! Das entscheidende ist zum einen eine echte, aufrichtige Feedback-Kultur. Zum anderen setzt so ein Prozess Vertrauen voraus. Und das ist in den Betrieben sehr unterschiedlich ausgeprägt. Kein Betrieb ist gleich und manchmal sind die Konfliktfelder so heftig, dass es besser ist, auf solche individuellen Gespräche zu verzichten. Das bedeutet, dass der Ablauf von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich ist. In seiner reinsten Form werden die Bögen ausgegeben und dann in gemeinsamen Terminen diskutiert, ähnlich wie in einem Mitarbeiter*innen-Gespräch. In der schwächsten Form werden die Kompetenzfelder in einer Gruppen-Veranstaltung vorgestellt und an die Kandidat*innen appelliert, sich Zeit zu nehmen, um Ziele und die eigenen Fähigkeiten zu reflektieren. Entscheidend ist, dass diese Entscheidung, wie vorgegangen wird, gemeinsam abgestimmt und demokratisch legitimiert ist und alle Bescheid wissen. Was alle Prozesse vereint und für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist: Die Vertrauenskörper sind zentral in jedem Prozess integriert und sind bei allen Gesprächen dabei. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.
Redaktion: Wie kam es überhaupt dazu, dass ihr den Prozess neu aufgelegt habt? Thomas Höhn: Der Auslöser war Unzufriedenheit. Bei uns und den Spitzen aus Betriebsrat und Vertrauenskörperleitung. Bildlich gesprochen hatten wir das Gefühl, dass in unserem Boot viele mitfuhren, aber nicht mitruderten. Dass viele auf unseren Listen sitzen, und den IG Metall Stempel bekommen, ohne dass sie unsere gewerkschaftlichen Werte teilen, ohne ein einziges Mitglied zu gewinnen, zu keiner Veranstaltung kommen und teilweise sogar gegen uns arbeiten. Das wollten wir ändern. Dann haben wir uns die Frage gestellt, wie das gelingen kann. Klar war, dass wir mit den Kolleg*innen ja eh sprechen müssen und ihnen erklären müssen, warum sie nicht mehr und nicht mehr so prominent auf den oberen Listen bleiben können. In einer unserer Klausuren haben wir dann von dem Kollegen Mathias Möreke gehört. Er hat bei Volkswagen einen ähnlichen Prozess angestoßen. Das haben wir als Inspiration genommen, vor allem die Überschriften, und daraus unsere eigenen Anforderungen abgeleitet, in einem partizipativen Prozess, mit allen VK-Leiter*innen. Aus diesen Ergebnissen haben wir dann, was uns insbesondere wichtig war, einen einfachen Prozess mit handhabbaren Listen gemacht, die wir in diesem Jahr noch weiterentwickelt und vereinfacht haben. Man muss die Hürden ja nicht unnötig erhöhen. Redaktion: Was hat dich denn bei der Arbeit mit den Kompetenzfeldern am meisten beeindruckt? Thomas Höhn : Die Dankbarkeit der Kolleg*innen und ihre Offenheit zur Veränderung. Niemand sagte: Was für einen Quatsch habt ihr euch da denn ausgedacht!? Ein Erfolgsindikator ist meiner Ansicht nach, dass es einen ganz großen Wunsch in den Betrieben gab, die Kompetenzfelder auch für diese Wahl zu nutzen und mit unseren Erfahrungen neu aufzulegen. Ich bin sehr gespannt, was jetzt passiert, da die Umsetzung von Betrieb zu Betrieb variiert: von sehr intensiv und bestimmt bis lax. Dieses Jahr gibt es eine deutliche Verschiebung hin zu einer sehr viel härteren, konsequenteren Anwendung als beim letzten Mal. Denn gerade die Betriebe, die die Gespräche zur Voraussetzung gemacht haben, berichten von einer deutlichen Veränderung in ihrer Kultur, die auch messbar ist. Die Betriebsräte sind motivierter und engagierter, kommen zu den Veranstaltungen und erkennen ihre Verantwortung deutlich stärker an. Sowas spricht sich rum, und jetzt ziehen andere Betriebe nach. Das freut mich natürlich. Was mich persönlich sehr bewegt hat, war der gesamte Entstehungsprozess – von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Die Auseinandersetzungen und dieser Wille, gemeinsam etwas zu verändern. Denn so ein Prozess braucht Zeit. Und natürlich auch vielen tollen Gespräche, die ich rund um die Kompetenzfelder hatte. Besonders beeindruckt hat mich ein Kollege, der nach der Selbstreflexion entschieden hat, dass er den Anforderungen nicht gerecht wird und nicht kandidieren wird. Ich fand es schon sehr bemerkenswert, dass es uns gelungen ist, diese immense Verantwortung, die man in diesem Amt auch annimmt, klarzumachen. Aber: Wir wollen in diesem Prozess nicht rüberbringen, dass jeder und jede alle Anordnung 100-prozentig erfüllen muss, um ein guter Betriebsrat zu sein. Wir wollen ja auch niemanden abschrecken! Es geht darum, eine Hilfestellung zu geben, sich das Amt und mögliche Entwicklungspfade richtig einzuschätzen. Das bedarf einem gewissen Maß an Fingerspitzengefühl. Redaktion: Mit Blick auf die nächste Wahlperiode - wie geht es jetzt weiter, woran “feilt” ihr noch? Thomas Höhn: Mich beschäftigt einerseits die Weiterentwicklung des Projektes. Die Kompetenzfelder reihen sich bei uns voll in die Bildungsplanung ein. Es gibt einen globalen und einen individuellen Prozess. Der globale Prozess geht darauf ein, wo die Gremien hinwollen und wo sich die grundsätzlichen Schwerpunkte befinden. Der individuelle Prozess kommt von der Seite der Personen und analysiert, wo die Kompetenzen und die Energien liegen. Und wenn das gut gemacht ist, dann gehen die individuellen Prozesse in einer globalen Bildungsplanung auf. Andererseits beschäftigt mich, wie wir das nachhaltiger gestalten können, wie wir das losgelöster von der Wahl als Thema setzen und verankern können. Wie lernen wir diese Feedback- und Konfliktfähigkeit in der Zusammenarbeit zu kultivieren und als Team zusammenzuwachsen? Wie können wir neben dem Feedback und auch der notwendigen Kritik gleichzeitig auch Lust darauf machen, Betriebsrät*in zu werden. Und wie können wir den Gestaltungsspielraum besser vermitteln? Darauf müssen wir künftig noch mehr Acht geben!
Redaktion: Lieber Thomas, vielen Dank für deine Zeit!
Neues Seminar: Die Cookie-Lesung
Oder wie Du mit einem Klick 480 Trackern zustimmen kannst von Guido Brombach, Mediendidaktiker im Bildungszentrum Sprockhövel
Was haben wir uns da nur mit den Cookies Bannern eingebrockt? Sie sollten uns und unsere Daten schützen! Stattdessen sehen wir allen Orten knallige Alle Akzeptieren - und blasse Ablehnen Buttons . Wer blickt denn da noch durch? Und was kommt als Nächstes? Verschaffe dir im nächsten Jahr einen Überblick in unserer Cookie-Lesung.
Sie nerven und verschleiern. Cookie-Banner sollten uns eigentlich in einfachen Worten erklären, welche Funktion sie haben, damit die Nutzenden informiert zustimmen oder ablehnen können. Leider werden die wenigsten Cookies diesem Anspruch gerecht. Auf nahezu jeder Webseite, müssen wir Nutzenden den vorliegenden Bestimmungen zustimmen. Was genau wir dort akzeptieren ist aus mindestens zwei Gründen unklar. Entweder, weil wir uns daran gewöhnt haben, den Akzeptieren-Knopf „wegzudrücken“ und die Routine gar nicht mehr hinterfragen, oder, wenn wir die Cookie-Erklärung öffnen, verstehen wir nicht, was wir akzeptieren. Vom Bildungszentrum Sprockhövel aus haben wir die Cookie-Lesung als Online-Format entwickelt. Wir nehmen uns 1,5 Stunden Zeit, der Tracker-Sammlung nicht zuzustimmen und graben uns durch die Untiefen des Cookies der Süddeutschen Zeitung . Wir lesen gemeinsam und erklären, was es mit den einzelnen Fachbegriffen auf sich hat. Außerdem schauen wir, was aus dem, in der DSGVO formulierten Anspruch geworden ist, in einfachen Worten transparent zu machen, welche Daten auf welche Weise genutzt werden, beziehungsweise an Dritte weitergegeben werden.
Es ist natürlich nicht praktikabel jeden Cookie-Hinweis so ausführlich zu bearbeiten, wie wir es im Online-Seminar tun, aber hin und wieder ein Blick in die Nutzungsbestimmungen zu werfen, ist das erklärte Ziel des Workshops. Im letzten Teil des Seminars stellen wir den Kolleg*innen Werkzeuge vor, mit denen sie Licht ins Dunkle der digitalen Trackerwelt bringen können. Eines davon ist das Firefox-Browser-Plugin Lightbeam , mit dem überprüft werden kann, welche Daten eine Webseite an Dritte weitergibt.
Wir sehen uns im Seminar! Der nächste Termin ist vermutlich im Februar, nächsten Jahres. Schau einfach im nächsten Jahr bei uns in der Seminarübersicht von Bildung in Bewegung !
“Würde mich freuen, wenn diese Themen noch einmal angeboten werden.“
Bericht von der Themenwoche: Digitale Kommunikation und Online Wahlkampf, Düsseldorf-Neuss
von Dinah Trompeter, IG Metall Düsseldorf-Neuss
Für alle interessierten Betriebsrät*innen, Schwerbehindertenvertrauenspersonen, JAVis und Vertrauensleute gab die Themenwoche Digitale Kommunikation und Online Wahlkampf einen Gesamtüberblick über die Werkzeuge, die für eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit und den Wahlkampf im Betrieb erforderlich sind. Für die bevorstehenden Betriebsratswahlen sind die aktuellen und künftigen Kontaktbeschränkungen, die Kurzarbeit und das Homeoffice eine echte Herausforderung. Sie schränken unsere über die Jahre gewachsenen Wege der Kommunikation deutlich ein. Die digitale Kommunikation ist also wichtiger denn je in der betrieblichen Arbeit. Wir müssen also in den Kommunikationsräumen zugegen sein müssen, wo sich unsere Kolleg*innen aufhalten. Sonst erreichen wir sie schlicht nicht, die Kommunikation geht an uns vorbei. Einmal mehr, da wir im privaten Bereich es längst gewohnt sind über digitale Plattformen Informationen zu erhalten und mit anderen zu teilen. Wir empfinden es im Privaten als weitestgehend normal, in Stakkato, zum Teil nur mit Bildern oder Icons, zu kommunizieren. Wir machen im kommunikationswissenschaftlichen Sinne keinen Unterschied zwischen Chat und Dialog. Die Übergänge von dem einen Kommunikationsraum zum anderen sind fließend. Aber warum fällt uns das im professionellen Umfeld immer noch schwer? Wieso nutzen wir für die Öffentlichkeitsarbeit von Vertrauensleuten und Betriebsräten die vorhandenen Kommunikationsräume weniger oder nicht so souverän? Wir haben in der Geschäftsstelle Düsseldorf-Neuss in Kooperation mit dem Bezirk NRW diese Herausforderung aufgegriffen und mit der Themenwoche ein Angebot geschaffen, um allen Interessierten einen Weg zum Umgang mit digitalen Kommunikationsformen zu ermöglichen. Rund 70 Teilnehmer*innen pro Tag besuchten die verschiedenen Module. Von absoluten Anfängern, über Hobbyfotografen bis hin zu erprobten Öffentlichkeitsarbeiter*innen war alles mit dabei. Die Themenwoche war ein bisschen wie eine Überraschungstüte. In jedem Modul lag der Schwerpunkt auf einem anderen Thema. Alle Referierenden haben auf ihre Art ein unterhaltsames, lehrreiches, digitales Erlebnis geschaffen. Ganz herzlichen Dank an alle, die mitgewirkt haben. Uns hat es sehr viel Spaß gemacht.
Bildung, Beteiligung, Empowerment und Macht
Über (Macht-)Potenziale in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit
von Jonas Künkel
Wir haben eine Schwarmintelligenz, die in der gemeinsamen Auseinandersetzung zum Ausdruck kommt und uns ermöglicht, neue Antworten zu finden und wirksam zu sein. Zwei positive Beispiele. Empowerment und Beteiligung sind für mich Grundpfeiler und Bezugspunkt unserer gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Wir wollen Menschen dazu befähigen, selbst aktiv zu werden und als Gewerkschafter*innen und Demokrat*innen im Sinne unserer Solidargemeinschaft zu handeln.
Empowerment verstehe ich als einen ganzheitlichen Arbeitsansatz. Dieser ist im Rahmen gewerkschaftlicher Bildungsarbeit geeignet, Selbstbefähigung zu fördern, Autonomie und Eigenmacht zu stärken. Die Kolleg*innen werden dabei unterstützt, ihrer Fähigkeiten und Talente einzusetzen, zu entwickeln. Es werden neue Ressourcen freigesetzt. Wenn sich Kolleg:innen eigenverantwortlich engagieren, sind diese potenziell stärker involviert. Wir möchten Lern- und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen. Durch Empowerment und einen ganzheitlichen Beteiligungsansatz Kolleg*innen dabei unterstützen, in den Betrieben Erfolge und Selbstwirksamkeit zu erlangen. Die politische Partizipation der Kolleg:innen wird ebenso gestärkt, wie ihre Identifikation mit der Gewerkschaft und der Demokratie.
Unsere Stärke ist zudem die Einbeziehung von Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven, gerade in der Transformation. Diese Schwarmintelligenz, die in der gemeinsamen Auseinandersetzung zum Ausdruck kommt, ermöglicht uns, neue Antworten zu finden. Auch weil sie hinterfragt, kritisch ist und reflektiert. Neben dem Projekt die IG Metall vom Betrieb aus denken und den dazugehörigen Modulreihen gibt es viele gute Beispiele von Empowerment und Beteiligung - beispielsweise in verschiedenen betrieblichen Konflikten und Tarifbewegungen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschäftsstelle Schweinfurt, die gemeinsam mit ihren Vertrauenskörpern ein Projekt entwickelt hat, das bewusst auf Auseinandersetzung setzt– und zwar jede*r mit sich und zusätzlich im Dialog mit anderen. Diese Auseinandersetzung, diese konstruktive Reflexion ist der Schlüssel für einen tiefgreifenden Veränderungsprozess, der sowohl individuelle als auch kollektive Dimensionen hat. Sie ist der Schlüssel für Entwicklung. Die Spannung, der Konflikt zwischen zwei Polen sorgt für Bewegung, für neue Erkenntnisse und Ideen – wenn wir sie konstruktiv zu nutzen wissen.
Ein weiteres positives Empowerment-Beispiel ist der Ortsjugendausschuss (OJA) der Geschäftsstelle Mainz-Worms. Dort solidarisierte sich der OJA mit einem Javi, welcher als Pflegekind und Azubi nach der gültigen Rechtslage 75 % seines Azubi-Gehalts an den Staat zurückzahlen musste. Nach dem Motto: „Wir haben dich vorher finanziert, und jetzt kannst du etwas zurückzahlen“. Der OJA nahm das Thema selbstbestimmt in die eigenen Hände und erwirkte mithilfe von Ministerpräsidentin Malu Dreyer – öffentlichkeitswirksam – die Initiative „Gerechtigkeit für Pflegekinder“, die es schaffte, das Thema in den Bundestag und Bundesrat zu tragen. Für den OJA war die Reduzierung des Beitrags für Pflegekinder ein großer Erfolg, obwohl der Kompromiss auf einen 50%-Beitrag kritisiert wurde. Die Wirkweise der Demokratie war in diesem Prozess für den OJA Mainz-Worms direkt erlebbar.
Es ist die Basis für eine lebendige Demokratie und gleichzeitig auch Grundlage für das Entwickeln und Verteidigen stabiler demokratisch-solidarischer Werte und Überzeugungen, die uns als Gewerkschaft ausmachen. Denn gerade in einer Kultur der Vielfalt müssen wir in der Lage sein, auch eine klare Kante zu zeigen. Gegen rechts, gegen Antisemitismus und Ausgrenzung. Und zwar kontinuierlich, gemeinsam mit anderen. Empowerment heißt im Kern Verantwortung zu übernehmen, für sich, andere und unsere Demokratie. Kolleg:innen ganzheitlich zu beteiligen und zu empowern. Darin stecken für uns als Solidargemeinschaft und Gewerkschaft enorme Machtpotentiale. Macht, die Transformation in Sinne der Kolleg*innen konstruktiv zu gestalten. Und Macht, als Gewerkschaft für eine demokratische Gesellschaft zu kämpfen!
Gewerkschaftliche Bildungsarbeit auf neuen Wegen
von Jonas Berhe
Wir verbetrieblichen unsere Bildungsarbeit. Wir gehen dorthin, wo es brennt. Und wir begeistern, statt zu belehren. Wir werden im nächsten Jahr in Formaten angekommen sein, die Aktive weiterbilden, neue Mitglieder locken und die Beziehungen gleichermaßen fördern. Nach fast zwei Jahren Pandemie ist auch die Bildungsarbeit nicht mehr dieselbe. Digital ist das neue Normal und an vielen Stellen Fluch und Segen zugleich. Mit unserem Bildungsprogramm haben wir darauf reagiert und Angebote für beide Welten und das Dazwischen entwickelt: Digitale, analoge und hybride Seminare und Veranstaltungen, die sicher sind und trotz Abstand auch Raum für Austausch lassen – und diesen aktiv fördern. Da haben die Kolleg*innen viel geleistet. Chapeau.
Was uns jetzt beschäftigt, ist die Frage, wie wir auch die mitnehmen, die wir weder in der einen noch in der anderen Welt antreffen? Wie erreichen wir die, die nicht kommen können, sei es durch familiäre oder sonstige Verpflichtungen, und die, die noch in ihre Rolle als Vertrauensfrau / -mann oder Betriebsrät*in am Reinwachsen sind?
Ganz konkret: Wir verzahnen Bildungsarbeit mit bewährten Erschließungsmethoden [Link Artikel oder Webtalk] und kommen zu den Kolleg*innen. Wir verbetrieblichen unsere Bildungsarbeit noch stärker und gehen direkt dahin, wo es den Kolleg:innen unter den Nägeln brennt: Vor Ort, in die Betriebe, zu den konkreten Herausforderungen. Unser erstes Pilotprojekt dazu war der Vertrauensleute Bildungsblitz in der Geschäftsstelle Friedrichshafen-Oberschwaben – und ein voller Erfolg. Mit den Kolleg:innen vor Ort haben wir über 100 Vertrauensleute, zusammengebracht, die meisten zum ersten Mal.
Wir haben die Kolleg*innen in ihren eigenen Prozessen - gemeinsam mit Referent*innen aus den jeweiligen VKLen- mit unseren Methoden unterstützt und empowert. Wir haben gemeinsam einen Raum geschaffen, in dem jede*r von jedem lernen konnte, haben mitgeholfen, neue, passgenaue Ideen zu entwickeln und was uns am wichtigsten ist: Wir haben gemeinsam alle Teilnehmenden begeistert! Und sie uns.
Und diese Energie und Begeisterung nehmen wir mit ins nächste Jahr. Denn neben unseren Fähigkeiten sind es vor allem die Beziehungen und die Vernetzung untereinander, die eine Basis für kommende Veränderungen bildet – das Zwischen-Menschliche, das den Funken überspringen lässt. Das vor Ort auszubauen, digital und in Präsenz, als Team mit den Kolleg*innen somit auch die regionale Bildungsarbeit zu stärken, das ist unsere große Aufgabe in der Bildungsarbeit. Wir freuen uns auf 2022.
Die Bildungszentren der IG Metall wechseln ab sofort in das 2G-Modell
M E L D U N G
Aufgrund der veränderten Corona Verordnungen auf Länder- und Bundesebene ändern sich die Teilnahmevoraussetzungen in den IG Metall Bildungszentren. Beherbergung und Gastronomie sind nur unter 2G möglich. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Teilnehmenden steht für uns an oberster Stelle.
Seminare können mit einem gültigen Impfnachweis (Impfung + 14 Tage in digitaler Form /Impfausweis) oder Genesenenzertifikat (nicht älter als 6 Monate) besucht werden. In den Bildungszentren werden zu Sicherheit aller Beteiligten weiterhin Schnelltests angeboten.
Bei Fragen wendet euch bitte an bildung@igmetall.de
Die Stimme abgeben - und die Stimme erheben
Michael Jänecke zum heutigen bundesweiten Aktionstag
Wir genießen in Deutschland das Recht auf freie, geheime, allgemeine und gleiche Wahlen . Manche Metaller*innen sind parteipolitisch engagiert; die meisten von uns machen ganz selbstverständlich vom Wahlrecht Gebrauch. Das geht kaum, ohne abzuwägen, denn keine Partei lässt sich zu 100 % mit den Positionen der IG Metall in Deckung bringen. Nach der Bundestagswahl stehen die Mehrheitsverhältnisse fest, wir werden es mutmaßlich mit gleich drei Regierungsparteien zu tun haben. Daraus folgt, dass keine der künftigen Regierungsparteien ihr Programm vollständig umsetzen kann. Alle müssen Teile ihrer eigenen Vorstellungen preisgeben, bzw. Zugeständnisse an die andern machen. Zugleich ist einstweilen noch sehr offen, wer sich in welchen Punkten bewegen wird. Wie die Konturen der konkreten Politik in den kommenden vier Jahren aussehen werden, wird derzeit verhandelt. Sicher ist, dass die Regierungspolitik Auswirkungen auf die Gewerkschaften im Allgemeinen, die IG Metall im Besonderen sowie die Anzahl und Qualität von Arbeitsplätzen ganz konkret haben wird. Deshalb liegt es in unserem Interesse, diejenigen in den Parteien, die unsere Positionen teilen oder jedenfalls offen für unsere Anliegen sind, zu unterstützen und zu informieren, damit unsere Interessen besser gewahrt werden können. Auch in der Öffentlichkeit können wir Einfluss auf zukünftige Entscheidungen nehmen.
Ist das zu optimistisch gedacht? Ein Blick auf die Anfänge der BRD
In den späten 1950er Jahren konnte die konservative Bundesregierung sich in einer Koalition auf eine stabile Mehrheit (344 von 509 Mandaten) stützen. Angeführt wurde sie von Konrad Adenauer, der sich wenige Jahre zuvor mit dem damaligen DGB-Vorsitzenden Hans Böckler in scharfer Tonlage in Fragen der Mitbestimmung auseinandersetzte. Die KPD wurde im Sommer 1956 verboten, das gesellschaftspolitische Klima war nicht unwesentlich vom Kalten Krieg geprägt. Tatsächliche oder vermeintlich „linke“ Anliegen standen nicht auf der Tagesordnung. Von diesen ungünstigen Kampfbedingungen unbeeindruckt, wagte es die IG Metall dennoch, ein massives Gerechtigkeitsproblem anzugehen. Bis dahin kamen Angestellte vom ersten Tag einer etwaigen Krankschreibung an in den Genuss von Lohnfortzahlung. Für Arbeiter*innen galt dies erst ab dem dritten Tag. Der Weg zur tariflichen Überwindung dieser Gerechtigkeitslücke war lang und steinig. Ganze 114 Tage streikten die Kolleg*innen in Schleswig-Holstein über den Jahreswechsel 1956/57 hinweg. Dieser - am Ende erfolgreiche – Kraftakt ebnete den Weg zur späteren gesetzlichen Verankerung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das gelang nicht zuletzt deshalb, weil nicht nur die interne Mobilisierung funktionierte, sondern auch in der Öffentlichkeit nachvollzogen werden konnte, dass es nicht akzeptabel war, gewerbliche Beschäftigte schlechter zu behandeln als Angestellte.
Ein einmaliger Erfolg trotz rauen Klimas? Die 1980er Jahre
Drei Jahrzehnte später kam Helmut Kohl durch einen Koalitionswechsel der FDP an die Mach. Bei der unmittelbar folgenden Bundestagswahl 1982 bestätigte die deutsche Wahlbevölkerung diesen Wechsel (290 von 520 Mandate). Das plakative Label lautete in den Worten von Kohl seinerzeit „geistig-moralische Wende.“ Ein Übermaß an Sozialstaat sei zu überwinden, indem „der Gürtel enger geschnallt werden“ müsse, hieß es. Dass ausgerechnet in diese Stimmung hinein ein Kampf zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit erfolgreich sein würde, war keineswegs ausgemachte Sache. Der Kanzler selbst sagte: „Die Forderung nach der 35-Stunden-Woche ist absurd und dumm. Es ist töricht, zu glauben, wir könnten besser leben, wenn wir weniger arbeiten und leisten“. Und doch war die Auseinandersetzung am Ende erfolgreich. Nach hartem Arbeitskampf, einem knapp siebenwöchigen Streik in Baden-Württemberg und Hessen sowie der Aussperrung von rund einer halben Million Beschäftigter, gelang es, die vormals eherne 40-Stunden-Grenze in der Arbeitszeit der Metall- und Elektroindustrie zu knacken. In einem stufenweisen Prozess wurde die 35 dann im Jahr 1995 erreicht. Wichtig dabei war, in der Bevölkerung für das Thema Massenarbeitslosigkeit zu sensibilisieren, um abermals eine Gerechtigkeitslücke sichtbar zu machen: Die zwischen Arbeitsplatzbesitzer*innen und Erwerbslosen.
Wenn es nicht hinkt, ist es kein Vergleich. Heute, 29.10.2021 Nicht nur die politische Lage heute ist ungleich differenzierter als in den beiden historischen Beispielen. Auch wird sich die neue Bundesregierung nicht eindeutig einem politischen Lager zuordnen lassen. Und es geht in dieser Woche auch nicht um die Durchsetzung unserer Ziele in Tarifverträgen. Aber es geht um eine sehr grundsätzliche Zukunftsfrage: Wie können wir die Herausforderungen der Transformation bewältigen? Dazu werden wir auch im Jahr 2021 mindestens auf die Akzeptanz unserer Vorstellungen in der breiten Öffentlichkeit angewiesen sein. Im Idealfall können wir (zumindest punktuelle) Bündnisse schließen und darüber auch gewerkschaftsferne Kreise erreichen. Deshalb ist ebenso notwendig wie sinnvoll, heute auf den Straßen in ganz Deutschland sichtbar zu sein und für einen fairen, sozialen und ökologischen Wandel der Industrie einzutreten. Unsere Forderungen von der neuen sich konstituierenden Zukunftskoalition findet Ihr hier !
Michael Jänecke ist freiberuflicher Politologe und arbeitet als Außenreferent für die gesellschaftspolitische Bildung der IG Metall. Seine Schwerpunkte liegen in den Themen Europa, Geschichte, Respekt! und Social Media.
Chaja Boebel. Drei Fragen an unsere Expertin "gegen" Rechtspopulismus
Chaja Boebel ist verantwortlich für gesellschaftspolitische Seminare im Bildungszentrum Berlin. Dazu gehören die Geschichts- und europapolitischen Seminare, aber auch alles, was mit dem Thema Rechtspopulismus zu tun hat. Darüber hinaus führt Chaja nicht nur durch Seminare, sondern berät betriebliche und andere Gremien. Drei kurze Fragen an Chaja Boebel:
1. Über welches Thema kannst Du ohne Vorbereitung 30 Minuten referieren?
Über viele, das ist leider eine berufliche Deformation von Bildungsreferent*innen. Aber wenn ich mir nur eines aussuchen muss, dann würde ich im Moment darüber sprechen, warum gerade in der Phase der Pandemie viele Leute anfällig für die einfachen Antworten sind, die Verschwörungsvorstellungen in komplexen Situationen liefern – und warum das gefährlich ist.
2. Drei Themen, die jedes BR-Mitglied/jede/r Aktive in diesem Jahr lernen sollte.
Argumentationsstrategien, um in betrieblichen Debatten unsere demokratischen Werte zu verteidigen, ein (auch historisch hergeleitetes) Verständnis dafür, warum wir als IG Metall für diese Werte eintreten – und warum die EU, obwohl sie dringend reformbedürftig ist, für die IG Metall unverzichtbar ist (daran schließt sich die herausfordernde Aufforderung an, über Reformen und ihre Umsetzbarkeit nachzudenken).
3. Welches Buch sollte jeder gelesen haben und warum?
Klaus Kordon, „Die roten Matrosen“. Sachbücher und Gesetzestexte sind unverzichtbar, gewiss. Wenn wir nachvollziehen wollen, warum Menschen wie handeln und wie zerrissen sie in ihren Entscheidungen in historischen Situationen waren, die aus unserer heutigen Perspektive so eindeutig wirken, dann können gut geschriebene historische Romane helfen. Sie begleiten uns in die jeweilige Zeit; anhand unterschiedlicher Schicksale begreifen wir, dass die Menschen früher genauso mit sich, den Herausforderungen und mit ihren Mitmenschen gerungen haben wie wir. Das macht demütig und stärkt.
Vielen Dank, liebe Chaja!
Demokratie als Kultur
Kultur verbinden wir mit Musik, Theater oder Museen. Das ist nicht falsch. Doch der Begriff Kultur umfasst mehr: Kultur ist die Art und Weise, wie wir Menschen unser Zusammenleben gestalten. Im Staat, in der Gesellschaft, in verschiedenen Gruppen und Zusammenhängen. Somit gibt es auch in demokratischen Staaten demokratische Kulturen. Diese spiegeln sich in allen Organisationen im Staat wider. Also auch in der IG Metall.
Ein Kommentar von Chaja Boebel Als Gewerkschaft sind wir eine kollektiv aufgestellte Massenorganisation, die darauf angewiesen ist, viele Mitglieder zu haben. Unsere satzungsgemäßen betriebspolitischen Aufgaben können wir umso besser durchsetzen, je stärker wir in den Betrieben verankert sind. Da kann bei einzelnen Mitgliedern leicht das Gefühl entstehen, „es kommt doch auf mich nicht wirklich an“, weil ja, wenn es um tausende geht, eine einzige Person keine besondere Rolle spielt. Das verlockt manchmal dazu, zu sagen „die IG Metall müsste doch mal wieder“ dieses und jenes tun. Wenn uns das im Seminar begegnet, antwortet immer irgendjemand im Raum fast gebetsmühlenartig: „die Gewerkschaft sind wir alle“.
Trotzdem ist es leicht, sich hinter dem breiten Rücken der Masse zu verstecken. Manchmal ist es auch schwierig, die Bedeutung des einzelnen in einer großen Massenorganisation wahrzunehmen. Da hilft es, sich genauer mit der Entstehungszeit von Gewerkschaften zu beschäftigen. In der Frühphase der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, haben unter enorm harten Arbeitsbedingungen (bis zu 16 Arbeitsstunden pro Tag) die ersten Beschäftigten ihre Arbeit niedergelegt. Sie forderten nicht weniger als erträgliche Arbeitsbedingungen.
Einzelne hätten das nie wagen können. Wenn nicht einige wenige als erste den Mut aufgebracht hätten, dann wäre gar nichts passiert. Und letztlich ist es immer, auch heute, die Entscheidung der einzelnen, was sie aus ihrem Beitritt in die IG Metall machen. Viele engagieren sich, weil sie sehen, dass nichts von selbst kommt. Sie erleben, dass es die vielen Individuen sind, die gemeinsam denken, streiten, kämpfen und sich vernetzt miteinander dafür einsetzen, dass ihre Ideen von anderen aufgenommen und durchgesetzt werden. Eine neue Idee mag in einem einzelnen Kopf entstehen. Damit sie wirksam wird, muss ein Prozess beginnen, in dem andere die Idee aufgreifen, mit ihren eigenen Meinungen abgleichen und weiter entwickeln. Wir lernen miteinander und aneinander, und jede Idee führt zu weiteren Gedanken, Vorstellungen und Forderungen. Häufig macht man dann im Betrieb die Erfahrung, dass man gemeinsam etwas geschafft hat und dass „die IG Metall“ aus all denen besteht, die daran beteiligt waren.
Diese betriebliche Erfahrung lässt sich nicht eins zu eins auf die Ebene der Politik übertragen, aber es gibt doch viel Vergleichbares. Wenn es nicht so läuft, wie man sich das vorstellt, kommt häufiger mal ein Seufzer im Sinne von „die Politik müsste doch eigentlich……“. Aber wer ist eigentlich „die Politik“? Und wie kommt sie zu ihren Aufträgen? Auch hier kann man sich häufig als Individuum in der Masse der Bundesbürger*innen verlassen fühlen und den Eindruck haben, man könne so gar nichts bewegen oder wisse nicht so recht, wo man anfangen solle. Teil unserer demokratischen Kultur ist es, dass die Bevölkerung durch Wahlen ihre Mitgestaltungsmöglichkeiten wahrnimmt. Aber wenn ich zur Wahl gehe – was bringt das eigentlich? Kann meine Stimme wirklich ausschlaggebend sein? Immerhin gibt es am 26. September ungefähr 60 Millionen Wahlberechtigte, kommt es da auf meine einzige Stimme wirklich an? Ändert es etwas, wenn man in eine Partei eintritt? In der Außenwahrnehmung sind „die Parteien“ häufig erstmal, wenn man von den jeweiligen Spitzenkandidat*innen absieht, gesichtslose Großorganisationen. Das schreckt viele Menschen ab. Doch ähnlich wie in der IG Metall kommt es auch in Parteien auf das Individuum nicht nur an, sondern ohne die Einzelnen könnten auch diese großen Organisationen nicht existieren. Und wiederum: zur Kultur unserer Demokratie gehören Parteien, weshalb es Menschen braucht, die sich darin engagieren und ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen.
Wichtig ist hier der Plural und wichtig ist die Pluralität in den Parteien. In der CDU zum Beispiel gibt es mit der CDA einen Arbeitnehmer*innenflügel, der sich immer wieder dann einmischt, wenn wirtschaftsliberalere Teile der Partei in seinen Augen zu weit nach vorne preschen. Auch alle anderen Parteien vereinen eine Vielfalt von Mitgliedern unter einem Dach. Sie teilen zwar die großen Überschriften und Werte, möchten diese aber dann doch im Detail sehr unterschiedlich ausbuchstabieren. Um gemeinsam zu tragfähigen Beschlüssen zu kommen, bedarf es der Bereitschaft, sich auf Aushandlungsprozesse einzulassen. Die Bedürfnisse des Gegenübers können dann ernst genommen werden, wenn die Einzelnen konfliktfähig und kompromissbereit zugleich sind um ein solidarisches Miteinander zu gestalten. Auch diese Prozesse kennen wir, zum Beispiel aus unseren Tarifverhandlungen.
Je mehr Menschen sich an demokratischen Gestaltungsprozessen beteiligen, um so stabiler wird die Regierung. Stabil nicht im Sinne von stark, sondern stabil als zentraler und verlässlicher Teil des demokratischen Ganzen. Je weniger das geschieht, um so tönerner werden die Füße, auf denen unsere demokratischen Verfahren insgesamt stehen. Der kleinste Schritt ist die Teilnahme an Wahlen auf den unterschiedlichen Ebenen: Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen stellen denkbar geringe Anforderungen an uns alle. Im besten Fall beschäftigt man sich mit den unterschiedlichen Wahlaussagen und misst sie als IG Metall-Mitglied an den für uns wichtigen und entscheidenden Forderungen (siehe Michaels Artikel), entscheidet dann, was man wie gewichtet und wählt entsprechend. Wer nicht mehr tut, als alle vier- oder fünf Jahre die Stimme abzugeben, tut zwar schon eine ganze Menge und nimmt ein Recht wahr, dass historisch und auch aktuell, mit einem Blick über Grenzen hinweg, nicht selbstverständlich war und ist. Ist das aber wirklich genug und gibt es nicht noch mehr?
Wir sind als IG Metall zwar keine Partei, aber wir sind eine zivilgesellschaftliche Kraft, die in ihrer Satzung den Auftrag ausformuliert hat, bei vielerlei gesellschaftspolitischen Fragen mitzudiskutieren. Wir organisieren ein breites Spektrum der Bevölkerung (abgesehen von den Kindern, deren Eltern aber bei uns Mitglieder sind) und haben mit den verschiedenen Personengruppen auch Möglichkeiten, unsere Interessen zum Ausdruck zu bringen. Aber auch hier gilt es wieder: wenn sich die bei uns organisierten Frauen, Auszubildenden, Migrant*innen nicht in den Personengruppen zusammen finden, wird unsere Stimme schwächer, als sie sein könnte.
Auch jenseits der IG Metall gibt es Möglichkeiten, zwischen den Wahlen aktiv zu werden. Bei Großdemonstrationen finden sich Bündnisse, die Querschnittforderungen auf die Straße tragen. Je mehr Gewerkschaftsmitglieder sich daran beteiligen, umso deutlicher wird auch unsere Stimme gehört. Man kann zu spezifischen Fragen die Bundestagsabgeordneten individuell aufsuchen oder in die diversen Gremien einladen, um Fragen, die uns wichtig sind, zu diskutieren und auch Abstimmungsverhalten zu hinterfragen. Wenn wir gewählt haben, dann ist das auch mit einem Auftrag an uns verbunden: Die Stimme nicht in der Wahlurne versenkt zu haben und darauf zu vertrauen, dass alles seinen geregelten Gang gehen wird, sondern die Wege und Möglichkeiten zu nutzen, die wir haben – und das sind häufig mehr, als viele Menschen denken.
All das spielt auch in unserer Bildungsarbeit eine Rolle. In unseren Seminaren diskutieren und bearbeiten wir die Themen ja nie im luftleeren Raum, sondern immer an ganz konkreten (Fall-)Beispielen, die unsere Kolleg*innen direkt betreffen. Bei abstrakten Themen fragen wir umgekehrt, wo diese im Arbeitsalltag praktisch werden. Wird dann deutlich, dass es irgendwo hakt und bessere Lösungen gefunden werden müssen, auch im politischen Prozess, haben wir ein Thema identifiziert, das wir gemeinsam diskutieren, um Ansätze dafür zu finden, wo man wie mit wem handeln kann. Nicht im Sinne parteipolitischer Indoktrination, sondern im Sinne von Partizipation.
Demokratie ist Arbeit, gewiss. Das wirklich wunderbar Herausfordernde daran ist, dass diese Arbeit für uns auch mit „Mitgestalten“ übersetzt werden kann – im Betrieb und in der Gesellschaft. Und wer die Erfahrung gemacht hat, dass man mitgestalten kann, möchte das auch weiter tun und nicht andere ausschließlich für sich handeln lassen.
Chaja Boebel ist Historikerin mit den Schwerpunkten Geschichte der Arbeiterbewegung, jüdische und osteuropäische Geschichte; seit 1993 in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und in verschiedenen geschichtspolitischen Projekten tätig; seit 2005 Bildungsreferentin im Bildungszentrum der IGM Berlin.
Foto: Ludwig Wegmann. B 145 Bild-F033246-0022. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_B_145_Bild-F033246-0022,_Bonn,_Bundestag,_Rede_Bundeskanzler_Brandt.jpg.
* Anmerkung der Redaktion: Das Foto stammt von 1971 aus der Regierungserklärung zur Lage der Nation. Bedauerlicherweise gab es kein Foto mit Nutzungsrechten aus der Regierungserklärung von 1969, aus der das Zitat aus der Bildunterschrift stammt. Das ist natürlich nicht optimal und deshalb möchten wir das hier einmal zum Ausdruck bringen. Dankeschön für das Verständnis.
Ich kann sowieso nichts ändern vs. Gerade du kannst etwas ändern
Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Jedes Gesetz, das von der Regierung vorgeschlagen und ausgearbeitet wird, muss von den Abgeordnet*innen des Deutschen Bundestages abgestimmt werden. Eine oft gefordert Alternative dazu ist die direkte Demokratie, in der die Bürger*innen direkt über Entscheidungen abstimmen. Vor Wahlen wird der Ruf nach mehr direkter Demokratie laut. Was bedeutete dass für die Entscheidungsfindung?
Ein Kommentar von Michael Jänecke
Alle reden von der Bundestagswahl, wir auch. Aber an dieser Stelle etwas grundsätzlicher als aktuelle Trends und Vorhersagen zu diskutieren. Am Anfang steht eine ganz grundsätzliche Frage: Was braucht es, damit Entscheidungen demokratisch sind? Die ebenso grundsätzliche Antwort lautet: Wenn die Mehrheit entscheidet. Das ist aber nicht die vollständige Antwort. Stellt Euch vor, es gäbe zum Beispiel während eines unpopulären Streiks eine Mehrheit zur Abschaffung des Streikrechts. Um so etwas zu verhindern, braucht es eine Kontrolle. Die würde in dem Fall vom Bundesverfassungsgericht ausgeübt, das ein solches Gesetz zweifellos aufheben würde.
Es braucht also eine Sicherung, um Verstöße gegen die Verfassung zu verhindern und um Minderheiten zu schützen. Denn auch die gewerkschaftlich organisierten Menschen sind eine Minderheit in Deutschland. Wie sieht es denn aus, mit der demokratischen Praxis? Seit der letzten Bundestagswahl 2017 wurden – Stand 1. September - 546 Gesetze verabschiedet. Das sind ungefähr zweieinhalb Gesetze pro Woche. Auch wenn nur wenige das Inkrafttreten aller Gesetze bewusst wahrnehmen, bestimmen sie dennoch unser aller Leben.
Alternative 1: Die Direkte Demokratie
Stellen wir uns dennoch mal vor, in der Bundesrepublik würden wir in einer direkten Demokratie leben. Irgendwie müssten wir die Abgeordneten ja darüber informieren, wie wir in ihrem Wahlkreis mehrheitlich denken. Oder ohne Abgeordnete unmittelbar abstimmen. Das hieße, wir hätten durchschnittlich an jedem zweiten Arbeitstag darüber zu entscheiden, ob wir einem Gesetzentwurf zustimmen oder nicht. Selbst wenn wir größte Fortschritte in der Arbeitszeitverkürzung durchsetzen könnten, wäre es kaum möglich, genug Zeit aufzubringen, um das Für und Wider aller Gesetzgebungsverfahren nachzuvollziehen. (Das gilt übrigens auch für die Bundestagsabgeordneten. Weil beim besten Willen nicht alle alles durchdringen können, haben die einzelnen Fraktionen Spezialist*innen, die in Fachausschüssen intensiv arbeiten und dann den Kolleg*innen ein Abstimmungsverhalten im Sinn der grundsätzlichen Ausrichtung der jeweiligen Parteien empfehlen.) Da sich niemand mit allen Gesetzen beschäftigen möchte, sagen Anhänger*innen der direkten Demokratie oft: „Na dann sollten wenigstens die wichtigen Gesetze per Volksentscheid beschlossen werden.“ Das klingt erstmal gut, wirft aber die nächste Frage auf: Wer soll entscheiden, was wichtig ist? Konsequenterweise dürfte das dann nicht den Parlamenten überlassen werden. Das hieße, jedenfalls wenn die Frage der Wichtigkeit im Einzelfall entschieden werden würde, wir hätten an jedem Arbeitstag eine gesetzgeberische Entscheidung zu treffen.
Alternative 2: Eine repräsentative Demokratie plus Volksentscheid Realistischer wäre natürlich eine Mischform: Üblicherweise entscheidet das Parlament und nur dann, wenn sich genügend Menschen aufraffen, einen Volksentscheid gegen einen Parlamentsentscheid anzustreben, würde eine solche direkte Entscheidung getroffen. Doch auch das wirft Konflikte auf, vor allem hinsichtlich der Frage, wie lange Entscheidungen denn gültig sein sollen. Heute ist es so: Eine Mehrheit im Bundestag verabschiedet das Gesetz A. Wenn es nach der nächsten Wahl zu anderen Mehrheiten kommt, dann ist es unstrittig, dass die neue Mehrheit bei nächster Gelegenheit Gesetz A aufheben oder durch Gesetz B ersetzen kann.
Hätten wir jetzt auch Verfahren der direkten Demokratie, könnte – jedenfalls wenn ein Volksentscheid erfolgreich wäre - eine unpopuläre Entscheidung des Bundestages aufgehoben werden. Gesetz A wäre vom Tisch, Gesetz B würde gelten. Möglicherweise gibt es im Folgejahr eine Bundestagswahl und eine neue Mehrheit möchte dort Gesetz A wieder einführen oder Gesetz B so verändern, dass ein Gesetz C entstünde. Dürfte der Bundestag das dann? Oder sollten Gesetzte auf Basis von Volksentscheiden eine Schutzfrist haben? Das ließe sich dann als undemokratisch kritisieren, denn schließlich gäbe es eine demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament. Eine andere Frage ist die der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Wer heute bezweifelt, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, kann das vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. Das ist gar nicht selten erfolgreich. Immer wieder kassiert das Gericht ganz oder in Teilen Gesetze, die von Politprofis formuliert und verabschiedet wurden. Deshalb genießt das Verfassungsgericht hohes Ansehen in der Bevölkerung.
Sollte eine solche Überprüfung auch bei solchen Gesetzen möglich sein, die per Volkentscheid zustande gekommen wären? Wenn nein, würden wir sehenden Auges das Risiko eingehen, mit verfassungswidrigen oder verfassungsfeindlichen Gesetzen zu leben. Wenn ja, würde die oft gehörte Kritik „die da oben entscheiden gegen uns“ nicht verstummen. Sie würde mit dem Verfassungsgericht nur einen neuen Adressaten finden.
Ein weiterer Einwand gegen die bisherige Form unserer Gesetzgebung lautet: Wenn ich heute wähle, dann gibt es möglicherweise in drei Jahren neue Fragen, die heute gar nicht zur Diskussion stehen. Das ist sicher zutreffend. Andererseits wissen wir ja ungefähr, wie welche Parteien ticken und was wir von ihnen auch bei neuen Themen erwarten können. Die Herausforderungen durch Corona sind so ein Fall. Überraschend war aber kaum etwas. Erwartbar war, dass eine Partei die Existenz des Problems selber (jedenfalls in erheblichen Teilen) leugnet, eine andere mehr auf Eigenverantwortung als auf kollektive Sicherheit setzt und eine dritte bei der Diskussion aller Maßnahmen vor allem die Perspektive der einkommensschwachen Menschen zum Maß ihrer Positionen erklärt. Ebenso erwartbar war es wohl, dass die anderen drei Fraktionen vor allem Fragen der jeweiligen Ausgestaltung in den Fokus genommen haben, dabei aber zudem die Interessen der Bundesländer mitberücksichtigten, in denen sie in mehr oder weniger großem Umfang Regierungen prägen oder mittragen.
Unabhängig davon, was wir von der bei uns gültigen Mehrheitsfindung halten, so tragen doch alle Wahlberechtigten unweigerlich mit ihrem Verhalten zur Gestaltung der Zukunft bei. Diejenigen, die sich enthalten oder ungültig stimmen, überlassen anderen die Entscheidung. Wählen wir demokratische Parteien, stärken wir die Demokratie, wählen wir andere, schwächen wir sie. Eines sollten wir uns schon der Wahl bewusst machen. Wenn es zu einer Koalition von drei Fraktionen kommt, dann verlangt das den Parteien eine – jedenfalls im Bund - ungewohnt hohe Kompromissbereitschaft ab. Sie können nicht anders, als auf die Durchsetzung eines Teils ihrer jeweiligen Programmatik zu verzichten. Wer denkt, die Parteien seien ohnehin ununterscheidbar, kann diese Einschätzung hier überprüfen: Synopse der IG Metall zur Bundestagswahl – Ein Vergleich der Übereinstimmungen Wahl-O-Mat – Programmatische Forderungen für die nächsten vier Jahre DeinWal – Informationen zum Abstimmungsverhalten in den letzten vier Jahren Das lohnt sich. Denn wir haben die Wahl. Das ist weder im historischen deutschen Vergleich noch im aktuellen Weltvergleich selbstverständlich. Dafür haben viele gekämpft, manche ihr Leben verloren. Es ist auch eine Frage des Respekts vor denen, denen ihr Wahlrecht vorenthalten wurde und wird, von unserem Wahlrecht Gebrauch zu machen.
Michael Jänecke ist freiberuflicher Politologe und arbeitet als Außenreferent für die gesellschaftspolitische Bildung der IG Metall. Seine Schwerpunkte liegen in den Themen Europa, Geschichte, Respekt! und Social Media.
Bild: In der Artikel-Übersicht: Dt. Bundestag, Plenarsaal, Fotografin: © Simone M. Neumann. Im Artikel: Bildnummer: 1595720 aus dem Bildarchiv des Deutschen Bundestages. Fotograf: © Hans-Günter Oed, das Bild darf nicht auf Social Media geteilt werden. https://bilddatenbank.bundestag.de/site/picture-detail?id=1595720
Taktiken stehen auf tönernen Füßen
"Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen." Dieses Zitat wird Mark Twain zugeschrieben. Es könnte aber ebenso gut von Clemens Fuest (ifo Institut) oder Manfred Güllner (Forsa) stammen. Oder nicht? Wie war das eigentlich bei der letzten Bundestagswahl 2017? Wie waren vor vier Jahren die Prognosen 14 Tage vor der Wahl im Vergleich zum amtlichen Endergebnis, festgestellt durch den Bundeswahlleiter?
Umfragewerte 2017…
Quelle: Screenshot aus dem Artikel Bundestagswahl 2017/Umfragen und Prognosen, Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Bundestagswahl_2017/Umfragen_und_Prognosen
… und das ist am Ende dabei rausgekommen: Die Ergebnisse 2017
Quelle: Screenshot aus der Pressemitteilung Nr. 34/17 vom 12. Oktober 2017 des Bundeswahlleiters
https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2017/34_17_endgueltiges_ergebnis.html
Noch nicht entschieden
Am 26.9. wählt die Deutsche Bevölkerung ein neues Parlament. Die Bundestagswahl 2021 fällt in eine Zeit von Überschwemmungen und einer leichten wirtschaftlichen Erholung im Inland. Und der Zäsur in der Außenpolitik, die der Abzug aus Afghanistan für die westlich geprägte Welt bedeutet.
Die Frage ist, welcher Partei traust du am ehesten zu, die innenpolitischen Herausforderungen der Gegenwart zu meistern und einen positiven Beitrag in den internationalen Bündnissen zu leisten? Solltest du auf keine Partei und keine Personalie festgenagelt sein, sondern dich nur an Inhalten orientieren, dann hat traditionell die Bundeszentrale für politische Bildung das richtige für dich: Der Wahl-O-Mat. Ab Donnerstag, 2.9. hier, oder direkt bei der bpb.
Eine kurze Reise durch die Industriellen Revolutionen
Der Begriff Transformation hat über 530.000.000 Treffer bei der Google-Suche. Über 12.000 User*innen suchen monatlich exakt nach: "Digitalisierung und Transformation in Unternehmen". Und auch wir haben den Begriff Transformation allein in unserem aktuellen Newsletter-Text achtmal verwandt. Ja, der aktuelle Wandel beschäftigt uns stark und das zurecht. Alles bleibt anders. Wie so oft, wie unser kurzer Ritt durch die Geschichte zeigt.
Von Michael Jänecke
Die Transformation ist ein Thema, dass uns nicht nur als Gewerkschaft beschäftigt, sondern auch viele Kolleg*innen verunsichert. Häufig ist auch von Industrie 4.0 oder der vierten Industriellen Revolution die Rede. Denn es gab schon früher so dichte Veränderungsschübe, dass sie den Zeitgenoss*innen revolutionär erschienen. Los geht's.
(1) Die erste industriellen Revolution bedeutete den systematischen Einsatz von Dampfmaschinen zur tages- und jahreszeitenunabhängigen Industrieproduktion. Der Lebensrhythmus der meisten Menschen wurde fundamental verändert.
(2) Die Einführung des Fließbandes revolutionierte die Produktion abermals. Die Beschäftigten erlebten nicht mehr die Entstehung eines Produkts, sondern trugen nur noch kleinteilig zum Produkt bei. Viele entfremdete das von der eigenen Arbeit.
(3) Die dritte industrielle Revolution haben manche Beschäftigte noch in Erinnerung. Eine massenhaft betriebene Automatisierung der Fertigung durch Computer führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze und zur Entstehung von neuen Berufen. Die erhöhte Produktivität machte den Schritt zur 35 möglich.
In der historischen Draufsicht können wir feststellen: Transformation war immer – und damit auch die Konfrontation mit immer neuen Zumutungen. Im Nachhinein wurde das, was eben noch revolutionär schien, zu einer neuen Normalität. Die Normalität von morgen dürfen und werden wir ebenso wenig einfach geschehen lassen, wie frühere Innovationen. So wie industrielle Produktion ohne Innovationsschübe unvorstellbar ist, sosehr liegt es in unserer DNA, auf diese Innovationen Einfluss zu nehmen. Das macht Mut.
Michael Jänecke ist freiberuflicher Politologe und arbeitet als Außenreferent für die gesellschaftspolitische Bildung der IG Metall. Seine Schwerpunkte liegen in den Themen Europa, Geschichte, Respekt! und Social Media.
Üble Nachrede? Sieben Vorurteile über die digitale Transformation
Der Digitalisierung wird vieles nachgesagt. Wir schaffen für euch die gängigsten Vorurteile aus der Welt. Die Lernfabrik der Universität Bochum 1. „Wir können die Digitalisierung weder aufhalten noch beeinflussen.“ Die digitale Transformation ist ein vielschichtiges Thema und unterliegt vielschichtigen Kräfteverhältnissen. Eines muss jedoch ganz klar festgehalten werden: Sie ist kein blindes Naturgesetz, also kein vorherbestimmter, sondern von Menschen gesteuerter Prozess. Menschen entwickeln digitale Techniken und Menschen entscheiden darüber, welche digitalen Techniken in welcher Form in den Betrieben eingesetzt werden. Das heißt, dass wir diesen Prozess auch beeinflussen und verändern können – abhängig von unseren Zielen und Vorstellungen. 2. „Die Digitalisierung der Arbeitswelt macht uns alle arbeitslos.“ Natürlich leben wir in einer Wirtschaftsform, die auf optimale Kapitalverwertung abzielt. Und genau dieses Interesse liegt dem Einsatz neuer digitaler Technologien zumeist zugrunde. Viele Menschen denken beim Thema Digitalisierung sofort an „Rationalisierung“. Gemäß der Überzeugung: „Wir werden spätestens morgen arbeitslos sein, weil Roboter unsere Jobs übernommen haben werden.“ Die Gefahr ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, aber in den Betrieben erleben wir momentan etwas anderes. Dort wird Digitalisierung beispielsweise eingesetzt, um Prozesse zu stabilisieren, um Qualitätssicherung zu gewährleisten oder um schnellere Reaktionen auf Kundenwünsche in der Fertigung zu erreichen. Die Folgen für unsere Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen müssen aber natürlich auch in diesem Kontext jeweils kritisch beurteilt werden. 3. „Bei der Digitalisierung stehen die Technologien im Zentrum.“ Die Einführung digitaler Technologien und Organisationskonzepte verändern die Arbeit in einem erheblichen Ausmaß. Genauer gesagt: Die Tätigkeiten selbst verändern sich und alle Arbeitsprozesse werden überwachbar und messbar. Und wenn wir mit intelligenten Systemen kooperieren, kann das unsere eigene Leistung abwerten, unseren Stresslevel erhöhen oder unsere Arbeitszeiten verändern. Wir müssen also wegkommen vom Technik-Fokus und stattdessen die Frage stellen: Was macht die Einführung der jeweiligen Technologie mit den Beschäftigten? Nehmen wir einmal das Beispiel Montage-Assistenz-Systeme. Wir bekommen auf einem Bildschirm den nächsten Montageschritt angezeigt. Über einem der Kistchen leuchtet ein Lämpchen auf, um uns anzuzeigen, wo wir hineingreifen müssen. Ein anderes Beispiel sind Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme (MES), die die Vernetzungslücken zwischen Management und Produktion schließen. Sie machen alle Prozesse einsehbar und kontrollierbar und verändern die Tätigkeiten in der Werkstatt. Und auch für die Mitarbeiter*innen, die die Arbeitsprozesse planen und steuern, verändern sich die Anforderungsprofile. Kurzum: Wissensressourcen und Rechenleistungen gehen vom Menschen auf den Computer über. 4. „Auf die Digitalisierung der Arbeitswelt kann ich mich nicht vorbereiten.“ Genau hierin liegt für uns als Bildungsbeauftragte die Herausforderung. Wir müssen begreifbar machen, welche Konsequenzen die Einführung neuer Technologien für unsere Arbeit hat. In der IG Metall haben wir hierfür die Formulierung gefunden: „Wir müssen unsere Kolleg*innen, insbesondere die Betriebsrät*innen und Vertrauensleute, in die Lage versetzen, eine Arbeitsfolgenabschätzung durchführen zu können.“ Aber wie? Um die mit der Einführung digitaler Systeme verbundenen Erfahrungen vermitteln zu können, haben wir beispielsweise unsere Kooperation mit Lernfabriken gestartet. Hierbei geht es nicht darum, unsere KollegInnen zu Ingenieuren oder Informatikern auszubilden. Arbeitsfolgenabschätzung heißt: „Ich muss ein Bild davon haben, wie die Technik die Arbeitssituation verändert und was das für die betroffenen Kolleg*innen hinsichtlich Arbeitsbelastung bedeutet.“ 5. „Bei der Digitalisierung versagen die Hebel klassischer Interessenvertretung.“ Die betriebliche Einführung neuer Technologien bringt also Themen wie Leistungspolitik, Eingruppierung, Beschäftigten-Datenschutz oder Entgelt auf den Tisch – es geht um mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten der Unternehmensentwicklung und damit um klassische Aufgabenfelder gewerkschaftlicher Interessenvertretung. Betriebsräte müssen dazu in der Lage sein, abschätzen zu können, welche Implikationen der Einführung neuer Technologien denkbar sind. Sie müssen überlegen: Sind diese Folgen durch bestehende Regelungen abgedeckt oder besteht hier neuer Regelungsbedarf? Erschwert wird diese Abschätzung oft dadurch, dass genaue Informationen über zu implementierende Systeme fehlen. Hier handelt es sich nicht immer um strategische Pflichtverletzungen des Managements. Dieses weiß oft selbst nicht, worauf das aufgesetzte Projekt hinauslaufen wird. In jedem Fall ist es für Betriebsräte wichtig, das Projekt von Anfang zu begleiten, die Kolleg*innen im Betrieb auf dem Laufenden zu halten und Meinungsbilder zu erstellen. Wie weit gehen wir mit? Was lehnen wir ab? Am Ende ist es wie immer wichtig, dass Entscheidungen des Betriebsrat durch die Belegschaft legitimiert sind. Und, dass die Voraussetzungen zu deren Mobilisierung geschaffen wurden. 6. „Die Digitalisierung beeinflusst die Arbeit im Betrieb – nicht die im Betriebsrat.“ In vielen Betrieben schreitet die Digitalisierung derzeit in großen Schritten voran. In der Folge steigen für Betriebsräte das Arbeitspensum und die Komplexität der Themen. Um gestaltungsfähig zu bleiben, müssen Betriebsräte hierfür passende Formen der Zusammenarbeit und des Projektmanagements entwickeln. Passen die Ausschüsse noch? Sollte man diese oder jene Funktionen bündeln? Wie ist die Rollenverteilung? Wer kümmert sich um die Außendarstellung in den Medien? Wie decken wir die juristische Seite ab? Wer kann notfalls auf den Gesetzgeber zugehen? Hierfür gibt es keine Patentrezepte. Auch das ist ein Thema für die Bildungsarbeit: die Organisationsentwicklung des Betriebsrats. 7. „Der Betriebsrat kann die pandemiebedingten Digitalisierungen ignorieren.“ Auch wenn sich viele die alte Normalität zurückwünschen – es werden einige Dinge bleiben. Aktuell gibt es drei Trends, die für Betriebsrät*innen und Interessenvertreter*innen eine Herausforderung darstellen. Erstens wird es in nächster Zeit ganz konkret um die Regulierung der Mobilen Arbeit und des Homeoffice gehen – auch nach Corona, denn viele Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmer sehen hier viele Vorteile. Dabei sind die Implikationen weitreichend: vom Arbeitsschutz über die Selbstbestimmung der Beschäftigten und die familiären Rollenverteilungen bis hin zur Unternehmensentwicklung. Hiermit hängt auch die Refunktionalisierung der Büroflächen zusammen: Diese werden nicht – entgegen vieler Meinungen – verschwinden, sondern für bestimmte Formen der (kreativen) Teamarbeit optimiert werden. Die Erfahrung hat einfach gezeigt, dass Brainstorming und kollaboratives Arbeiten über Zoom nicht besonders gut funktionieren.
Zweitens das Thema „ Künstliche Intelligenz “ : Viele Anwendungen, die auf KI basieren, kommen ja nicht mit diesem Label daher. Gerade aus gewerkschaftlicher Sicht müssen wir uns darum kümmern, dass beispielsweise der Datenschutz gewahrt bleibt oder es hinter der vermeintlich objektiven Fassade der Technik nicht zu gesellschaftlichen Diskriminierungen kommt. Nicht zuletzt muss hier „ Agiles Arbeiten“ genannt werden: Diese Form der Arbeitsorganisation hat große Vorteile in puncto Selbstverantwortung und Kreativität. Wenn die Verantwortung und der Leistungsdruck zu groß werden, bietet Agiles Arbeiten jedoch zugleich die idealen Voraussetzungen für Überlastung und Burnout. Auch auf diesen Zusammenhang müssen wir als Gewerkschaft ein Auge haben. Es gibt also viel zu tun – und vor allem viel zu gestalten! Wer tiefer einsteigen möchte – wir haben eine Vielzahl von Seminaren zum Thema Transformation der Arbeit. Für Einsteiger und erfahrene Akteure, online und bald auch wieder offline. Weitere Informationen und Termine findet ihr unter: neue-betriebsraete.de/online-seminare igmetall.de/Bildung
„Ich möchte mich einfach vorbereitet fühlen, wenn das im Unternehmen richtig losgeht.“
Künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitswelt schon in naher Zukunft gehörig umkrempeln – selbst wenn nur die Hälfte dessen eintritt, was die Zukunftsforscher vorhersagen. Das Online-Seminar „Künstliche Intelligenz im Betrieb mitbestimmen“ beschäftigt sich genau mit dieser Folgenabschätzung. Wir sprachen die beiden Referent*innen Moritz Riesinger und Julian Wenz, sowie die vom Unternehmen Heidelberger Druckmaschinen freigestellte Betriebsrätin Bianca Becker. Redaktion: Wir haben alle seit Jahrzehnten mit Computern zu tun. Sie unterstützen uns bei unserer Arbeit und machen vieles für uns einfacher. Wie lässt sich KI hiervon abgrenzen bzw. wo fängt es an, KI zu werden? Moritz: Wissenschaftliche Definitionen besagen, dass es sich hierbei um IT-Systeme handelt, die menschenähnliche intelligente Verhaltensweisen aufweisen. In der neueren Forschung wird die Betonung auf die Trainierbarkeit und Lernfähigkeit dieser Systeme gelegt. Für die betriebliche Interessenvertretung ist es allerdings sinnvoll, erstmal eine pragmatische Perspektive einzunehmen: Unter KI verstehe ich als Betriebsrat*in oder Vertrauensmensch alle von Computern ausgeführten Tätigkeiten, die bisher von Menschen ausgeführt wurden und mit menschlicher Intelligenz assoziiert werden. Ob dahinter ein Algorithmus steht, der fest nach dem Schema „wenn…., dann….“ funktioniert oder ob sich die Entscheidungen aufgrund von Lernprozessen verändern, ist dabei zunächst zweitrangig. Redaktion: Man könnte also sagen: KI ist am Modell des Menschen orientiert. Und es scheint um Tätigkeiten oder Entscheidungen zu gehen, die von Computern nach Maßgaben des Menschen selbständig vollzogen werden. Ist KI in den Betrieben eigentlich schon relevant? In welchen Bereichen wird sie derzeit schon eingesetzt? Julian: Das ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Selbst bei manchen großen Betrieben spielt KI noch keine entscheidende Rolle. Andererseits gibt es auch Betriebe, wo KI in sämtlichen Sektoren vorkommt: in der Logistik, der Personalabteilung, der Produktion, der Forschung und Entwicklung und sogar im Marketing. Dort kann heutzutage schon überall KI angewendet werden – in unterschiedlichen Formen. Und wir gehen davon aus, dass dieser Trend sich in Zukunft intensivieren wird. Bianca: Ich habe mich im Zuge meines berufsbegleitenden Studiums aus theoretischer Perspektive mit dem Thema auseinandergesetzt und daher am Seminar teilgenommen. Durch den Seminarbesuch ist mir erst bewusst geworden, dass wir in unserem Betrieb in der Personalabteilung bereits Künstliche Intelligenz einsetzen – nämlich in Form des Human Resource Management Tools Workday . Glücklicherweise hatten Julian und Moritz dieses System im Seminar vorgestellt, weswegen ich gewappnet war und die Einführung als Betriebsrätin sicher begleiten konnte. Du möchtest in das Thema tiefer einsteigen? Das Online-Seminar „Künstliche Intelligenz im Betrieb mitbestimmen“ gliedert sich in ein Einführungs- und in eine Aufbaueinheit von jeweils 90 Minuten, die innerhalb einer Woche belegt werden können. Der erste Teil widmet sich allgemein dem Phänomen KI, der zweite Teil nimmt dann stärker die Mitbestimmungsperspektive ein und es werden in Gruppen Fragestellungen bearbeitet. Somit eignet sich das Angebot sowohl für alle Aktiven und Interessierte, die sich mit dem Thema erstmalig vertraut machen möchten, als auch für Interessenvertreter, die im Betrieb mit KI konfrontiert werden. Die Teilnahme am Aufbau-Modul ist auch ohne die Teilnehme am Einführungs-Modul möglich. Hier findest du alle aktuellen Seminartermine Redaktion: Wo seht ihr in puncto KI denn eher positive Gestaltungsmöglichkeiten für uns als Gewerkschaft? Und wo seht ihr eher Probleme, die durch die Einführung solcher Systeme entstehen können? Bianca: Für mich ist das schwierig zu bewerten. Einerseits steht zu befürchten, dass durch die KI irgendwann nur noch die extrem hoch und extrem niedrig qualifizierten Jobs übrigbleiben. Also einerseits Entwickler*innen und Informatiker*innen, die diese Systeme entwickeln, und andererseits Ungelernte, die in das System stupide Stammdaten einpflegen müssen – während beispielsweise die Sachbearbeitung beim Einkauf wegrationalisiert werden kann. Andererseits passt dies auch zu dem Trend, dass die normalen Ausbildungsberufe unter Jugendlichen nicht mehr besonders populär sind. Viele, die eine Ausbildung gemacht haben, studieren danach noch weiter. Hieraus ergibt sich evtl. die Chance, dass man jene Jobs, die man künftig nicht mehr durch menschliche Arbeit besetzen kann, durch KI ausführen lässt. Und dies hoffentlich ohne Nachteile für die Beschäftigten – Stichwort: „Der gläserne Mitarbeiter“. Moritz: Das ist ein guter Punkt. Greifen wir nochmal das Beispiel Workday auf: Dieses System wird in der Personalabteilung eingesetzt, um nicht nur Stammdaten, sondern beispielsweise auch die Kompetenzen und Performance-Werte der Mitarbeiter*innen zu verarbeiten. Theoretisch kann Workday Entscheidungen über Einstellungen, Beförderungen, Weiterbildungen oder Auswahl von Personal für bestimmte Aufgaben selbständig treffen. Das tangiert natürlich den Datenschutz und damit die Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter*innen. Julian : Ein weiteres Problem solcher KI-Systemen besteht ja auch darin, dass sie den Entwicklern zufolge objektive Entscheidungen treffen können. Nach deren Vorstellung sind KI-Systeme diskriminierungsfrei, kennen keine Vetternwirtschaft und so weiter. In der Realität ist es allerdings häufig so, dass sich durch die Dateneingabe und durch das Training dieser Systeme Diskriminierungen durch die Hintertüre wieder einschleichen. Wie ein Fall bei Amazon in den USA gezeigt hat, können solche Tools im Personalwesen bei Einstellungen Männer gegenüber Frauen bevorzugen, obwohl nur geschlechtsneutrale Daten zur Verfügung gestellt wurden – und zwar dann, wenn sie an den diskriminierenden Entscheidungen der Personaler geschult worden sind. Redaktion: Aber das ist ja dann ein Problem, dass seine Wurzeln in gesellschaftlichen Vorurteilen hat, oder? Dürfen wir KI dafür verantwortlich machen? Moritz: Natürlich hat Diskriminierung gesellschaftliche Wurzeln. Das Gefährliche ist hier nur das Versprechen der Objektivität. Denn dieser Gender Bias, dieser geschlechtsbezogene Verzerrungseffekt, bleibt gewöhnlich verborgen – im Gegensatz zum Rassismus oder Sexismus eines offen agierenden Personalers. Es ist also ganz wichtig, dass die Kolleg*innen die Einführung solcher Systeme begleiten, um hinter den Deckmantel der scheinbaren Objektivität blicken zu können. Redaktion: Was empfehlt ihr Betriebsräten, deren Betrieb ein KI-System einführen möchte. Welche Aufgaben kommen auf sie zu und wie können sie sich darauf vorbereiten? Julian : Wenn KI eingeführt wird, ändern sich meist viele Abläufe im Betrieb – wodurch auf Betriebsräte und Mitbestimmungsorgane viele Aufgaben zukommen. Konkret berührt das fünf mitbestimmungspflichtige Felder: die Beschäftigungswirkung, den Datenschutz, die Arbeitsgestaltung, die Qualifizierung und die Arbeitsorganisation. Die Einführung von KI berührt fünf Felder der Mitbestimmung: Beschäftigungswirkung Datenschutz (mit Leistungs- und Verhaltenskontrolle) Arbeitsgestaltung (mit Arbeits- und Gesundheitsschutz) Qualifizierung und Personalentwicklung Arbeitsorganisation (Arbeitszeit, Leistung, Entgelt) Moritz: Die Einführung von KI-Systemen muss man sich als Prozess vorstellen. Das Wichtigste ist, dass der Betriebsrat von Anfang an informiert und beteiligt wird – und nicht erst, wenn die Entscheidung für ein System schon gefallen ist. Unternehmen, die ohne Betriebsvereinbarung und die Zustimmung der Beschäftigten neue Systeme implementieren, handeln im Prinzip sogar rechtswidrig. Julian: Wir empfehlen, zunächst eine Vereinbarung über den Einführungsprozess abzuschließen. Da nicht alle Betriebsräte über Expert*innen verfügen, halten wir es außerdem für ratsam, Expertise von Außen hinzuzuziehen. Das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz schafft hierfür gute Voraussetzungen. Sodann müssen natürlich die Beschäftigten angehört und beteiligt werden. Letztlich ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen: Wer entscheidet am Ende – die KI oder der Mensch? Wer hat Zugriff auf die Daten und deren Auswertung? Wo liegen die Daten? Und falls diese Fragen nicht beantwortet werden, ist natürlich auch die Mobilisierungsfähigkeit der Beschäftigten bedeutend. Neue Vorgaben zur Einbindung des Betriebsrats bei der Einführung von KI Ende März hat das Bundeskabinett den Entwurf eines „Betriebsrätemodernisierungsgesetzes“ verabschiedet. Der Gesetzentwurf soll nach aktueller Planung im Mai vom Bundestag verabschiedet und noch vor der parlamentarischen Sommerpause vom Bundesrat bestätigt werden. Die Einbindung des Betriebsrates beim Einsatz von KI sieht vor: Zur Bewertung von KI kann der Betriebsrat künftig einen/eine Sachverständige*n hinzuziehen. Die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen gelten auch dann, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden. Dasselbe gilt auch bei der Feststellung von Richtlinien über die personelle Auswahl, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden. Zu den Personen Bianca Becker ist freigestellte Betriebsrätin bei Heidelberger Druckmaschinen AG. Moritz Riesinger und Julian Wenz sind Bildungsreferenten am IG Metall-Bildungszentrum Berlin. Lesetipp Prof. Dr. Peter Wedde: Automatisierung im Personalmanagement – arbeitsrechtliche Aspekte und Beschäftigtendatenschutz, 2. März 2020. (AlgorithmWatch ist eine gemeinnützige Forschungs- und Advocacy-Organisation mit dem Ziel, Systeme automatisierter Entscheidungsfindung (ADM) und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beobachten und zu analysieren.)
Guido Brombach. Drei Fragen an unseren Medien und IT-Experten
Guido ist Bildungsreferent für digitale Kommunikation, Lernen und Medien im Bildungszentrum Sprockhövel . „Da jeder Mensch seine eigenen Lernstrategien entwickelt hat und Informationserwerb und Informationskonstruktion zunehmend durch digitale Medien vermittelt werden, ist es unerlässlich, auch im Seminarraum digitale ‚Kultur-Zugangsgeräte‘ zu nutzen.“ Zur Person Guido Brombach ist der Medien- und IT-Experte unter unseren Referent*innen. Das Tolle ist dabei, dass seine Technik-Expertise um seinen sozialkritischen Verstand ergänzt wird. Daher sind seine Anschauungen auch niemals Ausdruck reiner Technikbegeisterung, sondern ihm geht es immer auch um die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen bestimmter Technologien. Kurzum: Guido wirbt für unseren verantwortlichen Umgang mit den technischen Möglichkeiten. Er bleibt seinem Werdegang als Erziehungswissenschaftler treu und verfolgt einen aufklärenden pädagogischen Ansatz. Seminarangebot Dies spiegelt sich auch in Guidos Lehrangeboten wider: Einerseits stellt er in seinen Seminaren digitale Anwendungen vor, die uns dabei helfen, unsere Aufgaben besser zu bewältigen. Wir lernen, wie wir durch digitale Tools unsere Projekte besser managen oder unsere Kommunikation im Team besser durchführen können. Andererseits macht uns Guido auch mit den Problemen des Datenschutzes vertraut. Für eines seiner Seminare hat Guido einen Bot, also einen Kommunikations-Roboter entwickelt, um den Teilnehmenden in Simulationen verständlich zu machen, wie ihre Daten durch kommerzielle Systeme genutzt werden. Ein anderes Seminar wiederum beschäftigt sich mit den ethischen Implikationen von Algorithmen als selbständige Entscheidungsinstanzen. Drei Fragen an Guido Über welches Thema kannst du ohne Vorbereitung 30 Minuten referieren? Eines der Themen, die ich aus dem Effeff beherrsche, sind die 6 Grundgesetze des Digitalen. Nämlich die Öffentlichkeit, die Kopierbarkeit, die Durchsuchbarkeit, die Vernetztheit, die Raum- und Zeitsouveränität sowie die Berechenbarkeit. Ich habe dazu auch ein interaktives Whiteboard veröffentlicht, dass ihr euch gerne hier anschauen könnt. Was sind die drei wichtigsten Kompetenzen, die sich Betriebsrat*innen und Aktive in diesem Jahr aneignen sollten? Na das liegt auf der Hand: Kollaboratives Arbeiten, die Bedienung eines Videokonferenz-Tools und die Benutzung eines Passwort-Managers zur Aufbewahrung sehr vieler Passwörter. Welches Buch sollten wir alle gelesen haben? Und warum? „Das metrische Wir – Über die Quantifizierung des Sozialen“ von Steffen Mau. Der Autor beschäftigt sich mit einem gesellschaftlichen Trend, der mit der Digitalisierung einhergeht, nämlich der „Verdatung“ aller Lebensbereiche. Dabei spielt es – erschütternder Weise – keine Rolle, ob der oder die Einzelne sich absichert, technisch aufgeklärt das Smartphone nutzt oder auf andere Möglichkeiten zurückgreift, weil das dahinterliegende Mindset der Berechenbarkeit und der Bewertung unser soziales Zusammenleben grundlegend verändert hat.
Je höher das Risiko, desto strenger die Regeln? Der neue EU-Gesetzesentwurf zur KI
Unter den Dingen, die wir unter dem Sammelbegriff Transformation bündeln, nimmt die Künstliche Intelligenz (KI) eine zentrale Rolle ein. Sie bedarf dringend der Regulierung. Den Stand der Dinge in der EU haben wir hier für euch zusammengefasst. Im Grunde erleben wir gerade eine neue Umdrehung in einem ganz alten und immerwährenden Prozess. Eine neue Technologie wird entwickelt und gerade weil sie neu ist, erweisen sich die bestehenden Gesetze und Verordnungen als unzureichend, um die Folgen der neuen Technologie für Beschäftigte und Anwender*innen zufriedenstellend zu regulieren. Das war bei der Einführung des mechanischen Webstuhls so und das ist aktuell, z.B. bei Fragen der Arbeitsplatzgestaltung im Homeoffice, nicht anders. Und es wird auch zukünftig so sein, bei der zunehmenden Durchdringung von Produktions- und Verwaltungsprozessen mit dem, was wir mit dem Sammelbegriff der Künstlichen Intelligenz (KI) bezeichnen. Unser Interesse ist es, Risiken möglichst frühzeitig zu erkennen und ihnen wirksam mit neuen Regeln zu begegnen. Welche gravierenden, nicht zuletzt ethischen, Fragen zu klären sind, wird an einem mittlerweile klassischen Gedankenexperiment in der Diskussion um KI deutlich: Vor einem selbstfahrenden Fahrzeug rennt von links ein Kind auf die Straße, der Bremsweg ist zu lang um rechtzeitig zu stoppen. Ein Ausweichen nach rechts würde einen Senior auf dem Fahrrad rammen. Wollen wir uns gesellschaftlich auf Prioritäten festlegen, wessen Leben mehr gilt? Soll eine Maschine sich selbst einen Reim auf die Situation machen und entscheiden? Deutlich wird: Was immer wie geregelt wird, bedarf einer gründlichen auch wertebasierten Debatte. Die drängenden Zukunftsfragen werden grundsätzlich nicht mehr nur auf betrieblicher oder nationalstaatlicher Ebene beantwortet. Zuständig ist in diesem Fall die EU. Jedenfalls diesseits militärischer Anwendungen, die nicht im Zuständigkeitsbereich der EU liegen. Ausgehend von ihrer Zuständigkeit für Handelspolitik hat die EU-Kommission Ende April einen Vorschlag für eine Richtlinie von KI in der EU auf den Tisch gelegt. Der wird sicher nicht unverändert in Kraft treten, aber er vermittelt doch einen Eindruck davon, wohin die Reise geht. Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager: „Bei künstlicher Intelligenz ist Vertrauen ein Muss und kein Beiwerk. Mit diesen wegweisenden Vorschriften steht die EU an vorderster Front bei der Entwicklung neuer weltweiter Normen, die sicherstellen sollen, dass KI vertrauenswürdig ist.“ Die Herausforderung beginnt bei diesem Thema bereits mit dem Versuch, KI zu definieren. Grob gesagt meinen die einen solche Technologien, die menschliche Denk- und Entscheidungsprozesse nachbilden. Andere legen die Latte höher und wenden den Begriff auf Maschinen und technische Systeme an, die eigenständige Entscheidungen treffen. Der Vorschlag der Kommission interpretiert den Begriff, und damit den Regelungsbedarf, vergleichsweise breit. Alle Arten von Rechner-basierten Entscheidungssystemen im Allgemeinen bis hin zu maschinell lernenden und selbstlernenden Systemen zählen dazu. Damit verbunden schlägt die Kommission zudem eine Maschinen-Verordnung vor, die z.B. neue Sicherheitsregeln für 3-D-Drucker oder Roboter umfassen soll. Den Anspruch der Kommission beschreibt Margarethe Vestager so: "Je höher das Risiko einer spezifischen Nutzungsart der KI, desto strenger die Regeln." Diese Regeln schließen das Verbot von KI-Systemen ein, „die als klare Bedrohung für die Sicherheit, die Lebensgrundlagen und die Rechte der Menschen gelten“. Dazu zählen Systeme, wie die in China längst üblichen Verfahren zur Bewertung sozialen Verhaltens der Bürger*innen. Auch die Echtzeit-Nutzung „biometrischer Fernidentifizierungssysteme“ soll verboten werden, jedenfalls grundsätzlich. „Grundsätzlich“ bedeutet hier nichts anderes, als dass – seltene – Ausnahmen zugelassen werden.
Hochrisikosysteme sieht die Kommission unter anderem beim Einsatz von KI in kritischen Infrastrukturen, bei der Schul- oder Berufsausbildung, bei Sicherheitskomponenten von Produkten oder der Rechtspflege und demokratischen Prozessen. Die aus Kommissionssicht strengen Vorgaben sollen folgende Elemente einschließen: „Angemessene Risikobewertungs- und Risikominderungssysteme; hohe Qualität der Datensätze, die in das System eingespeist werden, um Risiken und diskriminierende Ergebnisse so gering wie möglich zu halten; Protokollierung der Vorgänge, um die Rückverfolgbarkeit von Ergebnissen zu ermöglichen; ausführliche Dokumentation mit allen erforderlichen Informationen über das System und seinen Zweck, damit die Behörden seine Konformität beurteilen können; klare und angemessene Informationen für die Nutzer; angemessene menschliche Aufsicht zur Minimierung der Risiken; hohes Maß an Robustheit, Sicherheit und Genauigkeit.“ Auch ein Bereich, mit dem viele von uns beruflich wie privat mehr Erfahrungen sammeln konnten, als ihnen lieb war, soll geregelt werden. Wenn wir es in der digitalen Kommunikation nicht mehr mit Menschen, sondern mit sogenannten „Bots“ zu tun bekommen, dann sollen wir über diesen Umstand zwingend informiert werden. Dass die Kommission Regelungsbedarf sieht, ist grundsätzlich sicher zu begrüßen. Die Begründung für diese Richtlinie lenkt den Blick auf ihren Mangel. Es geht darum, die EU zum führenden KI-Wirtschaftsraum zu entwickeln und die dazu nötige Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden. So überrascht es wenig, dass die IG Metall hier nicht mit Kritik spart. Gerade was die betriebliche Praxis angeht, „ ist die Aufsichtspflicht ungenügend und oftmals durch reine Selbstregulierung lückenhaft umgesetzt“, so ein Kommentar im Newsletter aus unserem Verbindungsbüro Brüssel. Es bedarf schlicht einer „menschenzentrierten KI-Regulierung“. Aus unserer Sicht ist es außerdem selbstverständlich unverzichtbar, dass Betriebsräte (bzw. andere vergleichbare Gremien in den jeweiligen Mitgliedsländern) ein Mitspracherecht bekommen.
Daran, dass diese Vorstellungen in die Richtlinie einfließen, arbeitet unser Brüsseler Büro und nutzt die Tatsache, dass viele Parlamentarier*innen unseren Vorstellungen gegenüber offener sind, als die Kommission mit ihren von den nationalen Regierungen entsandten Mitgliedern. Was ist eine EU-Richtlinie? Eine Richtlinie in der EU muss bis zu einem festgesetzten Termin in allen Mitgliedsstaaten in geltendes Recht umgesetzt werden. Wie die Staaten das im Einzelnen regeln, bleibt ihnen überlassen. Entscheidend ist nur, dass der Rahmen der Richtlinie eingehalten wird. Wie geht es weiter? Die EU-Kommission hat nicht die Macht, Rechtsvorschriften zu erlassen. Sie ist auf die Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten, die im Rat der Europäischen Union vertreten sind, angewiesen. Das ist in der Praxis ein mehrstufiger Prozess, in dem ein Vorschlag üblicherweise mehrfache Veränderungen erfährt, bis sowohl Kommission, Parlament und Rat einverstanden sind. Ihr wollt euch näher mit KI auseinandersetzen? Wir bieten gerade drei Online-Seminare zu diesem Thema an: Künstliche Intelligenz im Betrieb mitbestimmen – Einstieg Künstliche Intelligenz im Betrieb mitbestimmen – Vertiefung Algorithmenethik Alle aktuellen Termine und Anmeldungsmöglichkeiten findet ihr hier .
Die Bildung der Zukunft: Design Thinking und Empowerment
Anfang 2020 wurde die Seminarreihe „Wir gestalten die Zukunft“ der IG Metall ins Leben gerufen, um die Durchführung von „Veränderungsprojekten“ in Betrieben zu unterstützen. Nach rund zwanzig Monaten ist die erste Runde abgeschlossen – Zeit also, ein Zwischenfazit zu ziehen. Uns hat interessiert: Was ist das Besondere der Konzeption und hat sie sich als effektiv erwiesen? Befragt haben wir Werner Hartl, der sich in der Reihe als interner Trainer engagiert. Die Anfänge Auf dem Gewerkschaftstag 2019 standen die Betriebe als essenzieller Handlungs-, Wirkungs- und Begegnungsraum der IG Metall im Zentrum. Wir diskutierten damals, wie wir die Betriebsrät*innen, die Jugend- und Auszubildendenvertreter*innen sowie die Vertrauensleute – also die aktiven Gewerkschafter*innen vor Ort – so gut wie möglich unterstützen können. Eine der Antworten hierauf ist die „Zukunftsreihe“, wie die Seminarreihe in Kurzform genannt wird. Sie unterstützt Veränderungspromotor*innen dabei, in ihren Betrieben wichtige Innovationsprojekte anzugehen. DAS PROJEKT „IG METALL VOM BETRIEB AUS DENKEN“ Einstimmig beschlossen auf dem Gewerkschaftstag im Oktober 2019, ist das Projekt eine IG Metall-Gesamtaktion mit einer Laufzeit von vier Jahren. Der Leitgedanke ist: Die IG Metall als Organisation soll dort noch stärker stattfinden, wo wir tagtäglich arbeiten, nämlich in den Betrieben. Die wichtigsten Akteure sind 1.000 Kolleg*innen, die sich als „Veränderungspromotor*innen“ in ihren eigenen Betrieben engagieren möchten. Unterstützt werden sie durch unsere Bildungszentren, die mit insgesamt 51 Trainer*innen die Seminarreihe „Wir gestalten die Zukunft der IG Metall mit“ entwickelt haben. 366 Veränderungspromotor*innen haben sich schon auf den Weg gemacht. Ende 2021 werden sie zusammen etwa 300 bis 400 betriebliche Veränderungsprojekte bearbeitet haben. In den Projekten geht es um die Stärkung der Vertrauensleute-Arbeit, um die bessere Beteiligung der Beschäftigten, um Entgelt, Industriepolitik, Tarifpolitik, mobiles Arbeiten, Betriebskommunikation sowie um die nächsten Betriebsratswahlen. In mehreren Bezirken ist bereits eine erste Zukunftsreihe abgeschlossen worden. Beschäftigten-Orientierung... Los geht das Engagement der Trainer*innen bereits in den Geschäftsstellen vor Ort. Dort sind sie schon beim Kick Off von Projekten präsent, um bei der Definition und Klärung von Projektzielen behilflich sein zu können. Im Anschluss besuchen die Teilnehmer*innen dann die vier Seminarmodule – im zuständigen Bildungszentrum, vor Ort oder momentan auch online. Im Idealfall liegen zwischen den Modulen ca. vier bis fünf Wochen, in denen die Projekte in den Betrieben vorangebracht werden. Die Reihe startet mit einer Einführung in eine besondere Methode des Agilen Projektmanagements, die unter dem Begriff „Design Thinking“ bekannt geworden ist. Werner Hartl erläutert die hiermit verbundenen Intentionen: „Wir versuchen, die Wahrnehmung der Teilnehmer*innen auf ihr eigenes Projekt zu öffnen und sie darin zu unterstützen, von den Beschäftigten her zu denken – also ganz ähnlich zur nutzerorientierten Produktgestaltung in der freien Wirtschaft.“ ...und Verzahnung von Theorie und Praxis Als besonders zielführend hat sich hierbei der modulare Seminaraufbau und der zeitliche Abstand zwischen den Lehreinheiten erwiesen. Denn im wiederholten bzw. „iterativen“ Austausch zwischen den Promotor*innen und den Referent*innen werden Ziele, Strategien und Vorgehensweisen immer weiter perfektioniert. Werner Hartl beschreibt diesen Prozess folgendermaßen: „Wir hören sehr genau zu, wie es in der Zwischenzeit gelaufen ist. Wir klären dann: Was hat geklappt? Was war schwierig? Was könnte man anders machen?“ Im nächsten Schritt überlegen die Trainer*innen, welche Kommunikations- oder Organisationsinstrumente die Promotor*innen nutzen können, um ihr Vorhaben optimal umzusetzen. Bei manchen Projekten geht es beispielsweise um eine strukturierte Befragung der Beschäftigten. Bei anderen geht es eher darum, gute Arbeitsstrukturen zu entwickeln. Nach diesen Reviews geht es dann zurück in den nächsten „Sprint“ – also der Umsetzung des Geplanten im Betrieb. Eine Frage steht bei allen Projekten im Vordergrund: Wie können wir im Betrieb und als IG Metall stärker werden? „Am Ende der Zukunftsreihen sammeln wir dann alle Ideen und Anregungen der Promotor*innen zur Verbesserung der ganzen IG Metall ein“, so Werner Hartl. Wo kommen all diese neuen Begriffe her? Die Hintergründe Ob „Agiles Projektmanagement“, „Design Thinking“, „Promotor*innen“, „Sprints“ oder auch „Reviews“: Im Seminar finden viele Begriffe und Konzepte Anwendung, die aus modernen Formen der Unternehmensführung, Organisationsentwicklung und Produktgestaltung stammen. In der freien Wirtschaft dienen diese dazu, marktorientiert zu produzieren, auf Marktveränderungen schnell reagieren zu können oder selbstverantwortliches Arbeiten der Angestellten zu ermöglichen. Doch wie stellt sich das im Kontext gewerkschaftlicher Bildungsarbeit dar? Werner Hartl über die Hintergründe: „Es geht uns nicht darum, blind einem Modetrend zu folgen – frei nach dem Motto: ‚Die Unternehmen machen das so, also machen wir das auch so.‘ Dahinter liegt die Erkenntnis, dass wir in der Vergangenheit als Gewerkschaft zu oft die Stellvertreterrolle eingenommen haben, im Sinne von: ‚Alles klar – wir lösen das Problem für dich.‘ Jetzt versuchen wir erstmal zu verstehen: ‚Was ist denn eigentlich das Thema? Was treibt die Menschen um?‘ Um dann die Beschäftigten bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Wir leisten also ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ oder auf Neudeutsch ‚Empowerment‘ und verstehen dies als Ergänzungen zu unseren bisherigen Beteiligungsansätzen.“ BEGRIFFSKLÄRUNG: „EMPOWERMENT“ Mit „Empowerment“ (Englisch für „Ermächtigung“, „Übertragung von Verantwortung“) bezeichnet man Strategien und Maßnahmen, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften erhöhen sollen, damit diese ihre Interessen selbstverantwortlich vertreten können („Hilfe zur Selbsthilfe“). Der Begriff bezeichnet sowohl den Prozess der Emanzipation als auch den der Unterstützung von Außen, betreffende Gestaltungsspielräume zu erkennen und Ressourcen wahrzunehmen. Voraussetzung von Empowerment innerhalb einer Organisation sind eine Kultur des Vertrauens, die Bereitschaft zur Delegation von Verantwortung, nötige Qualifikationen und passende Kommunikationssysteme. Im Kontext von Management beinhaltet dieser Ansatz eine stärkere Beteiligung und Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsfindungen und eine selbstständige und selbstverantwortliche Arbeitsweise. Ziel ist dort die Stärkung der Mitarbeiter*innen-Motivation sowie die optimale Nutzung vorhandener Potenziale und Fähigkeiten. Ein erstes Zwischenfazit Die „IG Metall vom Betrieb aus zu denken“ heißt also, zu verstehen, dass wir die Beschäftigten meinen, wenn wir vom „Betrieb“ sprechen. Also jene Menschen, die sich dort tagtäglich versammeln, alles am Laufen halten und der Sache einen Gutteil ihrer Lebenszeit zur Verfügung stellen. Die „IG Metall vom Betrieb aus zu denken“ heißt damit auch, den Community-Gedanken unter den Beschäftigten hochzuhalten und zu stärken. Wir teilen ihnen mit: „Ihr seid nicht allein. Wir achten sehr genau darauf, welchen Problemen und Konflikten ihr ausgeliefert seid, wir versuchen diese zu verstehen und wir unterstützen euch bestmöglich dabei, diese zu beseitigen. Denn nur zusammen können wir etwas bewegen: Wir brauchen dich – und du brauchst uns.“ Damit ist die Zukunftsreihe besonders gut geeignet, um Projekte anzupacken, die auf den einzelnen Betrieb und dessen spezifische Situation ausgerichtet sind – im Unterschied zu den flächendeckenden industrie-, regions- oder branchenbezogenen Projekten, die übergreifende politische Konzepte erfordern. Bottom up statt top down : In diesem Sinne füllt die Zukunftsreihe eine systemische Lücke. Werner Hartl betont, dass durch den zeitlichen Abstand der Reviews der Transfer des Gelernten in die Praxis viel besser gelinge als bei einmalig stattfindendem Seminar. Der Austausch von Erfahrungen zwischen den Teilnehmenden bewirke Entwicklung, Veränderung und Prozesse des Umdenkens. Nicht zuletzt habe das einen riesigen Effekt auf die Motivation der Teilnehmenden. Denn sie wissen: „In vier Wochen bin ich hier wieder da und muss berichten.“ Als Referent genießt er es besonders, Menschen begleiten zu dürfen und zu sehen, dass es vorangeht: „Wenn ich ein Seminar mache, in dessen Verlauf ich die Teilnehmenden nur einmal treffe, bekomme ich das, was danach passiert, nie mit. Durch das Reihenformat bin ich viel näher dran an den Teilnehmenden und den Projekten in den Betrieben und das ist super! Denn: Auch ich lerne viel, indem ich beobachte, wie die Leute das anpacken!“ Zur Person Werner Hartl ist Diplom-Soziologe sowie Systemischer Berater. Als hauptamtlicher Referent im Bildungszentrum Lohr-Bad Orb gibt er Seminare für Vertrauensleute und Betriebsräte. Kürzlich hat er eine erste Zukunftsreihe abgeschlossen. Ihr interessiert euch für Agiles Arbeiten und Design Thinking?
Folgende Artikel zu diesen Themen stehen für euch bereit : Betriebsräte arbeiten agil. Mit Daniel Kahnert Alles lean? Agil Arbeiten als Betriebsrat Agile Arbeit in der Praxis: „Wie kriegst du die Verantwortung wirklich in die Köpfe hinein?“ Warum Design Thinking so gut zu uns passt
Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Der verabschiedete Entwurf im Originalwortlaut
Der Gesetzgebungsprozess startete Ende 2020 mit einem Entwurf zum: Betriebsrätestärkungsgesetz.
Inzwischen ist das Gesetz verabschiedet als: Betriebsrätemodernisierungsgesetz.
Hier findest du alle Informationen zum "Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt"
Das Betriebsrätestärkungsgesetz: Ein Schritt in die richtige Richtung
von Angela Kolovos
Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Der erste Entwurf liegt bereits vor und auch wenn es bei den Problemen, die durch das Gesetz aufgegriffen werden und den vorgeschlagenen Lösungen sicherlich noch „Luft nach oben“ gibt, ist es ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung, da das Gesetz die Position von Betriebsräten tatsächlich verbessern wird. Insbesondere sieht der Entwurf die Ausweitung der einfachen Wahlen, Vereinfachungen bei den Stützunterschriften sowie eine Verbesserung des Kündigungsschutzes von Wahlinitiator*innen vor. Außerdem wird klargestellt, dass dem Betriebsrat in IT-Fragen ein*e Sachverständige*r zusteht. Es werden aber auch digitale Betriebsratssitzungen sowie der digitale Abschluss von Betriebsvereinbarungen geregelt – wobei hier sehr wichtig ist, dass der Betriebsrat die Präsenz vorziehen kann. Auch klärt der Entwurf die Frage, ob der Betriebsrat Verantwortlicher im Sinne der DSGVO ist, mit einem eindeutigen Nein. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist aber die Aufnahme der mobilen Arbeit in den § 87 BetrVG als Frage der zwingenden Mitbestimmung. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist die Aufnahme der mobilen Arbeit in den § 87 BetrVG als Frage der zwingenden Mitbestimmung.” Damit könnten einige Streitfragen geklärt und unsere Arbeit dadurch leichter gemacht werden. Nicht zu vergessen aber bleibt, dass es sich um einen ersten Entwurf handelt und daher die Regelungen nicht unbedingt insgesamt und in der bisher vorgeschlagenen Ausgestaltung Eingang in den Gesetzestext finden müssen. Dies bleibt abzuwarten. Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode und vor den Betriebsratswahlen 2022 in Kraft treten – wir dürfen gespannt sein!
Anmerkungen der Redaktion:
Die vorgeschlagenen Neuerungen im Überblick: Verbessertes Wahlverfahren: Im BetrVG wird das vereinfachte Wahlverfahren nach Vereinbarung sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet.
Schutz der Wahl: Um den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Gründung eines Betriebsrats zu verbessern, wird der Kündigungsschutz verbessert.
Verbesserungen für Auszubildende: Die Altersgrenze für Auszubildende bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung wird gestrichen.
Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung: Das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung wird gestärkt und die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung ermöglicht.
Künstliche Intelligenz: Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI und von Informations- und Kommunikationstechnik im Betrieb wird festgelegt, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt.
Videokonferenzen: Betriebsräte erhalten die Möglichkeit, unter ausschließlich selbst gesetzten Rahmenbedingungen und unter Wahrung des Vorrangs der Präsenzsitzung, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen.
Mobile Arbeit: Um mobile Arbeit zu fördern, soll in § 87 Absatz 1 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt werden. Hintergründe zum Betriebsrätestärkungsgesetz: In der Bundesrepublik Deutschland gibt es immer weniger Betriebsratsgremien. Laut Statistiken (IAB-Betriebspanels 2019) verfügen noch 9 Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und 10 Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland über einen Betriebsrat.
Nur noch 41 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Westdeutschland sowie 36 Prozent in Ostdeutschland werden von Betriebsräten vertreten. Vor diesem Hintergrund intendiert der Gesetzgeber, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren.
Abstand, Maske, Autokino: Die Tarifverhandlungen unter Corona-Bedingungen
Derzeit müssen wir uns in der Metall- und Elektroindustrie auf lange und harte Tarifverhandlungen einstellen. Und wir sind dazu gezwungen, unseren Forderungen durch öffentlichkeitswirksame Aktionen Nachdruck zu verleihen. Im Zeichen von Hygienevorschriften und Schutzverordnungen ist dies nicht immer ganz einfach. Und auch die rechtliche Grundlage ist oft unklar. Die Situation erfordert viel Mut und Experimentierfreude! Dennoch ist es uns in den letzten Tagen gelungen, bundesweit rund 410.000 Mitglieder und Beschäftigte zu mobilisieren und auf die Arbeitgeber massiven Druck aufzubauen. In diesem Beitrag versuchen wir herauszufinden, welche Faktoren hierfür verantwortlich sind: Eine Erfolgsgeschichte des Arbeitskampfs. Die Ursachen Seit dem Ende der Friedenspflicht Anfang März sind im ganzen Land viele Beschäftigte den Aufrufen der IG Metall gefolgt und haben sich an Warnstreiks und Kundgebungen beteiligt. Zusammen haben wir mehr als 1.500 betriebliche Aktionen durchgeführt. „Die hohe Beteiligung zeigt deutlich: Die Beschäftigten stehen sehr klar hinter den Forderungen“, so Jörg Hofmann. Und sie zeige, dass die IG Metall auch in Corona-Zeiten handlungsfähig sei. Sachsen, 11. März, 13:30 Uhr: Rund 1.000 Mitarbeiter des Porsche-Werks Leipzig legen die Arbeit nieder und beteiligen sich an einem Auto-Korso. Bereits am Vortag haben rund 1700 Beschäftigte ihr BMW Werk umfahren. Baden-Württemberg, 12. März, 10 Uhr: Rund 29 000 KollegInnen versammeln sich zu einem digitalen Warnstreik hinter den Bildschirmen. Im Livestream auf streik-alarm.de werden unter anderem eine Gymnastik-Einheit sowie eine Kochshow übertragen, in der Bezirksleiter Roman Zitzelsberger eine Schakschuka nach einem Rezept von Ottolenghi zubereitet. Nordrhein-Westfalen, 16. März: Mit lautem Hupen treffen 1.500 motorisierte Teilnehmer*nnen auf dem Messeplatz in Düsseldorf ein, wo die IG Metall zu einem Warnstreik-Autokino aufgerufen hat. Die Kundgebung wird über LED-Wände und per Kurzwelle in die Fahrzeuge übertragen. Weitere 20.000 Beschäftigte aus 25 Betrieben in der Region unterstützen den Warnstreik durch Frühschluss-Aktionen oder vom Bildschirm im Homeoffice aus. In der Tat sind wir derzeit sehr erfinderisch, gehen mit den gegebenen Möglichkeiten kreativ um. Wir sorgen für mediale Aufmerksamkeit sowie für ökonomischen Druck auf die Arbeitgeber – und dies nicht immer, aber ziemlich oft, mit völlig neuen Mitteln. Hierfür dürften vor allem drei Gründe verantwortlich sein: Frühes Erkennen und Reagieren, die Mobilisierung und Unterstützung der Basis sowie die konsequente Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Frühes Erkennen und gute Vorbereitung Unsere Verhandlungsführer*innen und Expert*innen in den Tarifkommissionen haben sich bereits sehr früh auf ernsthafte Konflikte und Auseinandersetzungen mit der Arbeitgeberseite eingestellt. „Angesichts unserer Forderungen war es klar, dass gute Argumente alleine nicht ausreichen würden“, so Thorsten Gröger, Bezirksleiter des Bezirkes Niedersachsen. In dieser Situation herrschte allerdings noch keine Gewissheit, wie die Beschäftigten in der Pandemie zu erreichen sind, um ökonomischen Druck auf die Arbeitgeber aufbauen zu können. Von Vorteil, so Thorsten weiter, war sicherlich, dass die Arbeitgeberseite uns aufgrund der Pandemie unterschätzt hat. Sie ist davon ausgegangen, dass wir aufgrund der Hygienebestimmungen „gelähmt“ oder entmutigt seien: „Da haben wir sie aber aus ihren Träumen herausgerissen und gründlich enttäuscht!“ Denn ganz im Gegenteil: Die Geschäftsstellen und die Beschäftigten in den Betrieben haben sehr schnell eine Unmenge an Aktionsideen zusammengetragen, die zum Teil bereits unter Corona-Bedingungen erprobt worden waren. Die sichere Durchführbarkeit stand dabei immer im Vordergrund. Für Thorsten steht fest: „Am Ende werden wir durch solidarisches Handeln dazu in der Lage sein, die Arbeitgeber zur Zusammenarbeit zu zwingen.“ Die Mobilisierung der Basis Helene Sommer ist Erste Bevollmächtigte der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben. Ihr Credo des pandemischen Arbeitskampfes entspricht dem der Gesamt-IG Metall: “Bei uns darf sich niemand anstecken – wir müssen jedoch auch handlungsfähig bleiben!” Und beide Ziele hat Helene in den letzten Monaten dann auch konsequent umgesetzt. Um die Beschäftigten in den Betrieben informieren und mobilisieren zu können, war Face-to-Face-Kommunikation trotz Corona das Mittel ihrer Wahl: „Mit Schnelltests und FFP2 ist vieles möglich!“ In jenen Fällen, wo der Zugang zu den Betrieben verwehrt war oder viele Mitarbeiter im Home Office feststeckten, stellten Chat-Programme wie Whatsapp, Telegram oder Signal sehr gute Alternativen dar. Bekanntlich lassen sich durch Gruppenchats viele Mitglieder zeitgleich erreichen und Nachrichten können umgehend durch Weiterleitung verbreitet werden. Und konnte man einzelne Mitglieder auf diese Art nicht kontaktieren, wurde nach guter alter gewerkschaftlicher Sitte einfach abtelefoniert. „Die Krise zeigt, dass wir zukünftig dazu fähig sein müssen, Beschäftigte außerhalb der Betriebe ansprechen und einbinden zu können. Wir müssen Plattformen und Formate entwickeln, die Beteiligung und Feedback ermöglichen. Dies wird sicherlich über die Pandemie hinaus von Bedeutung sein.“ Natürlich favorisiert Helene Kundgebungen, die draußen stattfinden: „Falls wir mit Parkplätzen nicht auskommen, sperren wir Straßen ab. Denn wir benötigen momentan einfach mehr Raum.“ Und falls die Behörden eine Kontakt-Nachverfolgung verlangen: Hierfür gibt es mittlerweile gut funktionierende Apps, wo sich die Teilnehmenden über QR-Codes anmelden können. Helene erzählt, dass Mobilitäts-Korsos ein corona-konformes Instrument sind, weil beispielsweise nicht nur beim Auto-, sondern auch beim Fahrradfahren der Abstand quasi vorprogrammiert ist. Auch bei Menschenketten ist das Abstandhalten gewissermaßen schon eingebaut. Helene ist der Überzeugung: „Die aktuelle Tarifrunde ist ja immer die schwierigste. Ich bin mir sich, dass wir gute Ergebnisse erzielen werden – selbst unter diesen Bedingungen.“ Das Ausreizen der rechtlichen Möglichkeiten Viele unserer Mitglieder würden sich zur Zeit mehr Rechtsklarheit im Bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeitskampf, Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie einerseits sowie Infektionsschutz andererseits wünschen. Weil es der Gesetzgeber versäumt hat, in Bezug auf die Durchführung von Warnstreiks, die Nutzung bestimmter digitaler Medien und Endgeräte sowie in Bezug auf betriebliche Zugangsrechte eindeutige Regelungen zu formulieren, operieren wir derzeit oft in einem rechtlichen Graubereich. Koalitionsfreiheit: Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz garantiert die Freiheit, sich zu Vereinigungen (Koalitionen) zusammenzuschließen, die der Wahrung und Förderung der Wirtschaftsbedingungen dienen. Die sogenannte negative Koalitionsfreiheit bedeutet das Recht, sich solchen Organisationen nicht anzuschließen. Dirk Schumann, Ressortleiter im Funktionsbereich Tarifpolitik, verweist in diesem Zusammenhang auf Artikel 9, Absatz 3 GG. Er betont, dass wir zwar einerseits in der Verantwortung stehen, für die Gesundheit aller Beteiligten Sorge zu tragen, dass aber andererseits der Schutz und die freie Ausübung des Arbeitskampfes durch das Grundgesetz gewährleistet ist. „Mögliche Konflikte sollten möglichst im Vorfeld mit den Behörden abgeklärt werden, damit während der laufenden Aktion keine Probleme auftreten. Das gibt nicht zuletzt auch den Teilnehmenden Sicherheit.“ Dirk empfiehlt, geplante Aktionen frühzeitig mit den Behörden abzusprechen und Hygienekonzepte abzustimmen – immer im Interesse eine reibungslosen Ablaufs: „Die Pandemie sollte uns nicht ein zweites Mal nach 2020 davon abhalten, unsere Forderungen im Hinblick auf Entgelt, Beschäftigungssicherung, Ausbildungssicherung und die faire und nachhaltige Gestaltung der Zukunft durchzusetzen.“ Fazit Auch in der Pandemie zeigt sich also: Wir Metaller*innen können Arbeitskampf am besten! Außerdem wird deutlich, wie viele unterschiedliche Rädchen im großen und komplexen Getriebe der IG Metall bei der Vorbereitung und Durchführung einer solchen Herkulesaufgabe ineinandergreifen müssen. Von der Vorstandsebene über die Bezirke bis zur Geschäftsstellen-Ebene. Von der Einbringung von Gesetzesvorschlägen im Bundestag über die rechtliche Klärung bestimmter Aktionen bis hin zur Mobilisierung der Basis. Unsere Stärke ist sogesehen gute Aufgabenverteilung, perfektes Teamwork und solidarische Verbundenheit ohne wenn und aber – das haben wir unseren Gegner*innen auf jeden Fall voraus. Und jetzt seid ihr an der Reihe! Wir möchten von euch wissen: Welche Aktionen haben euch bisher besonders gut gefallen? Habt ihr Anregungen für weitere Aktionen? Und nicht zuletzt: Wie schätzt ihr die Chancen ein, dass wir unsere Forderungen durchsetzen können? Bitte schreibt uns! Seminartipp: Falls ihr Interesse daran habt, selbst oder im Team Aktionsideen zu entwickeln, sei euch unser Online-Seminar Beteiligungsformen und Ideen für die Tarifrunde –Markt der Möglichkeiten wärmstens ans Herz gelegt. Hier geht’s zum Terminüberblick und zur Anmeldung. TAUSCHT EURE IDEEN AUS UND VERNETZT EUCH!
FÜR EINE ERFOLGREICHE TARIFRUNDE 2021!!
Die befristete Verlängerung des § 129 BetrVG
Die Sitzungen der Betriebsräte auf Gesamt- oder Konzern-Ebene sowie der Jugend- und Auszubildenden-vertretungen können weiterhin online abgehalten werden. Wir klären, in welchen Fällen das möglich ist – und was ihr beachten müsst. Was ist eine „Sitzung“ laut Betriebsverfassungsgesetz? Laut Betriebsverfassungsgesetz sind die Regularien für eine Betriebsratssitzung erst dann erfüllt, wenn diese unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Zudem müssen die Teilnehmenden in einem (geschlossenen) Raum zusammenkommen. Ausformuliert wird dies in § 30 BetrVG, wonach Betriebsratssitzungen vertraulich sind, sowie in § 33 BetrVG, wonach Beschlüsse mit der „Mehrheit der Anwesenden“ gefasst werden müssen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass jede*r Teilnehmer*in seine*ihre Entscheidung selbständig, also frei von äußerem Druck, fällen kann. Die Entstehung des Paragraphen §129 BetrVG Um den Betriebsrat unter Corona-Bedingungen arbeitsfähig zu halten, hat die Bundesregierung mit dem § 129 eine befristete Neuregelung formuliert, nach der die physische Kopräsenz der Mitglieder nicht mehr zwingend erforderlich ist. Die Teilnahme an der Sitzung kann jetzt mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen. Beim § 129 BetrVG handelt es sich um eine Sonderregelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie, die am 1. März 2020 in Kraft getreten ist und wegen der anhaltenden Pandemie bis zum 30.06.2021 verlängert wurde. Bedingungen und Anwendungsfälle von Online-Sitzungen Wollt ihr eure Sitzung online oder per Telekonferenz durchführen, müsst ihr sicherstellen, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Ihr seid also dazu angehalten, euch allein in einem geschlossenen Raum aufzuhalten. Genau daher ist eine Aufzeichnung der Sitzung, die ja mit Applikationen wie Skype oder Zoom leicht zu bewerkstelligen wäre, verboten. Zudem solltet ihr für eine Verschlüsselung sorgen, welche die Teilnahme Dritter verhindert. Die Entscheidung, eine Sitzung online abzuhalten, liegt im Ermessen des Vorsitzenden. Dieser hat bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, dass die Sitzung mit physisch Anwesenden der gesetzliche Regelfall ist. So kann z. B. die Betriebsratssitzung in einem größeren Sitzungsraum stattfinden, wenn es die Abstandsregeln nötig werden lassen. Erst wenn besondere Umstände wie Kontaktverbote oder behördlich angeordnete Quarantäne eintreten, aufgrund derer das Abhalten einer Präsenzsitzung nicht möglich ist, sollte auf virtuelle Medien umgestellt werden. Um spätere Rechtskonflikte zu vermeiden, ist eine betriebliche Vereinbarung mit diesbezüglichen Bestimmungen sehr nützlich! Beispielsweise kann der Arbeitgeber befristet darauf verzichten, Betriebsratsbeschlüsse, die per Videokonferenz gefasst wurden, wegen formeller Fehler anzugreifen. Hier noch ein paar Tipps: Damit alle nachvollziehen können, dass die Entscheidungen der Teilnehmer*innen frei zustande gekommen sind, solltet ihr der Videokonferenz mit Kamera gegenüber einer Telekonferenz den Vorzug geben. Um bestimmte Risikogruppen zu schützen, könnt ihr auch gemischte Veranstaltungen durchführen. Digitale Veranstaltungen sollten in der Einladung begründet werden. Die Anwesenheitsliste wird ersetzt durch eine Teilnahmebestätigung der Teilnehmer*innen, die per E-Mail oder SMS an den*die Vorsitzende*n zu senden ist. Was unsere Gewerkschaftssekretäre dazu sagen Unsere Gewerkschaftssekretäre haben die Erfahrung gemacht, dass vom § 129 BetrVG momentan noch sehr wenig Gebrauch gemacht wird. Dies hat auch damit zu tun, dass viele Betriebsräte*innen mit den betreffenden Tools und Anwendungen (noch) nicht sicher umgehen können. In unserem Magazin geben wir zahlreiche Tipps zum Einsatz von Konferenz-Applikationen wie Zoom oder Skype. Und wir können euch beruhigen: Die Aneignung der nötigen Kenntnisse ist kein Hexenwerk! Übrigens: Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der*die Arbeitgeber*in die für die Durchführung von Videokonferenzen nötigen Instrumente zur Verfügung zu stellen. Und das umfasst die Ausstattung sämtlicher Teilnehmer*innen!
Online-Seminar „Markt der Möglichkeiten“: Wirkungsvolle Aktionen für die Tarifrunde
Lust auf 60 Minuten kreativen Austausch in Zoom? Ein neues Seminar, moderiert von Sebastian Seuffert und Markus Wünschel, sammelt Ideen zu Aktionen für die Tarifbewegung 2021 und hinterlegt diese auf einer Online-Datenbank. Wir haben die beiden Moderatoren zur Entstehungsgeschichte und zu den Intentionen des Seminars befragt. Soviel vorweg: Die Seminarteilnahme ist mehr als gewinnbringend für Betriebsrät*innen und andere betrieblich Engagierte, die in der Tarifrunde aktiv werden wollen! Was erwartet euch? Die Seminartermine dauern eine Stunde und die beiden Moderatoren legen starken Wert auf Austausch und Kollaboration. Die Teilnehmenden arbeiten zunächst mit einem Brainstorming-Tool, nämlich Mindmeister, in dem jeder seine Ideen, Vorhaben und Projekte mit Stichpunkten festhalten kann. Diese werden dann fünf unterschiedlichen Kategorien zugeordnet – nämlich Mitgliederwerbung, 24-Stunden-Streiks, Warnstreiks, Mitgliederkommunikation und Betriebs- und Abteilungsversammlungen. Nach dieser Individual-Arbeitsphase geben Markus und Sebastian dann einen einen kurzen Input. Besonderer Akzent liegt hier auf der Aktionsbroschüre der IG Metall – die allerdings nicht corona-konform ist. In ihr sind aber viele gute Hinweise enthalten, die an die aktuelle Situation angepasst werden können. Die Online-Datenbank für gute Aktionsideen In der zweiten Phase ist dann Gruppenarbeit angesagt: Hier werden auf einer Online-Plattform corona-konforme Ideen ausgearbeitet und durchgeführte Aktionen hinterlegt. Auch die Kontaktdaten werden im Interesse eines unkomplizierten Austausches aufgenommen. Visuelle Dokumentationen von durchgeführten Aktionen könnt ihr ebenfalls hochladen. Die betreffenden Links bleiben bis Ende der Tarifrunde aktiv und sind für alle Teilnehmenden einsehbar. Und im Falle von Nachfragen könnt ihr mit den Urhebern Kontakt aufnehmen und Tipps und Erfahrungsberichte einholen. Was wollen wir mit dem Seminar erreichen? Wir haben die beiden Moderatoren zur Entstehung des Seminar befragt. Sebastian äußert: „Wir wollten etwas Nützliches anbieten – also etwas, das uns momentan wirklich weiterhilft. Denn wir alle stehen corona-bedingt vor dem Problem, dass die Handlungs- und Aktionsmöglichkeiten oft unklar sind. Daraufhin haben wir die Köpfe zusammengesteckt und ein Brainstorming-Format entwickelt, durch das jeder seine Ideen mitteilen und zur Verfügung stellen kann: Ein Markt der Möglichkeiten eben.“ „Wir unterstützen die Teilnehmenden darin, tragfähige Aktions-Konzepte zu entwickeln, die in der aktuellen Tarifbewegung nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll sind – und eine starke Wirkung entfalten.“ Markus ergänzt: „Mit dem Seminar wollen wir die Bezirke und Geschäftsstellen in ihrer operativen Planung unterstützen – aber natürlich nicht verdrängen. Klar ist, dass wir die Teilnehmenden nicht zu wilden Aktionen motivieren wollen. Wir wollen sie sensibilisieren und auffordern, die Ideen in die Aktionsplanungen der IG Metall vor Ort einzubringen.“ Erfahrungen und Ergebnisse Schon jetzt sind viele Aktionsideen auf der Plattform dokumentiert. Diese wird bereits intensiv genutzt und sogar die Kampagnen-Abteilung hat auf der Suche nach corona-konformen Aktionsideen auf sie zurückgegriffen. Sebastian erzählt von seiner persönlichen Lieblingsaktion: „Besonders charmant fand ich die Idee eines wandelnden Kartons, der mit den Tarifforderungen auf allen vier Seiten durch die Werkhallen und Büros marschiert ist.“ Und Markus äußert: „Ich finde die verschiedenen Ideen, wie man zu Hause Flagge zeigen kann, sehr spannend. Auf diese Weise kann man die KollegInnen im Home Office einbinden und an einer zentralen Stelle im Betrieb oder im Wohnumfeld sichtbar machen. Man kann beispielsweise eine IGM-Flagge oder Ähnliches am Fenster sichtbar platzieren. Eine weitere Möglichkeit ist ein gemeinsamer Sitzstreik vor der Kamera, der auf einem Bildschirm als Stream oder Video visualisiert wird.“
Zielgruppe und Nutzen des Seminars Das Seminar lohnt sich für alle betrieblich Aktiven, weil der Austausch gewinnbringend ist und man Best Practice Ideen abgreifen kann – ohne das Rad ein zweites Mal erfinden zu müssen. Es ist extrem auf die aktuelle Situation bezogen – inhaltlich auf die Tarifrunde und kontextuell auf Corona – und fördert die überregionale Kommunikation und Interaktion unserer Gewerkschaft. Die Moderatoren bieten einen kreativen Raum, der dem Austausch und der Vernetzung dient und im Anschluss an das Seminar für die kollaborative Weiterarbeit geöffnet bleibt. Eure Aktionsideen könnt ihr dann in die bezirkliche und örtliche Aktionsplanung einbringen. „Wir nutzen die Schwarmintelligenz unserer KollegInnen und stellen Beteiligungsformen als Best Practice allen betriebspolitisch Aktiven zur Verfügung.“ Bedeutung der Tarifrunde 2021 Natürlich konnten wir es nicht lassen, die beiden Moderatoren zur Tarifrunde 2021 zu befragen. Für Markus besteht das Neue dieser Runde in der Verlagerung unserer Aktionen in den digitalen Raum. Besonders klug findet er die vorgeschlagene Verwendungsflexibilität des Forderungsvolumens, da die Situationen in den Betrieben momentan sehr unterschiedlich sind. Sebastian betrachtet die Tarifrunde als eine Möglichkeit, uns eine gute Ausgangspositionen im Hinblick auf den bevorstehenden Strukturwandel zu erarbeiten: „Zukunft ist das Stichwort! Und genau daher ist der Zukunftssicherungstarifvertrag auch so wichtig.“
Seminartitel Beteiligungsformen und Ideen für die Tarifrunde – Markt der Möglichkeiten Moderatoren Sebastian Seuffert ist hauptamtlicher Referent im IG Metall-Bildungszentrum Lohr / Bad Orb. Seine Schwerpunkte sind Entgelt- und Tarifpolitik. Markus Wünschel ist hauptamtlicher Referent im IG Metall-Bildungszentrum Berlin. Seine Schwerpunkte sind Betriebs- und tarifpolitische Grundlagenbildung, Betriebswirtschaft und Personalplanung sowie Tarifberatung. Anmeldung Die Termine für die nächsten Wochen werden in den kommenden Tagen bekannt gegeben. Hier erhaltet ihr einen Überblick über alle aktuellen Online-Seminartermine .
TAUSCHT EURE IDEEN AUS UND VERNETZT EUCH!
FÜR EINE ERFOLGREICHE TARIFRUNDE 2021!!
MIT BILDUNG STARK IN DIE ZUKUNFT
Mit Qualität, Professionalität und Kollegialität! Ein Kommentar von Irene Schulz.
Wir erleben aktuell nicht nur eine Krise, die uns vor neue Herausforderungen stellt, sondern auch einen tief greifenden Wandel, der unsere Branchen und Industrie in rasantem Tempo verändert. In diesen Zeiten ist Mitbestimmung wichtiger denn je.
Mitbestimmung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Innovation Sie sorgt in der Krise für Stabilität und Beschäftigungssicherung. Betriebsrät*innen spielen in den Betrieben eine aktive, eine gestaltende und fordernde Rolle, beteiligen die Belegschaften und verbinden technologischen mit sozialem Fortschritt. Das heißt aber auch: Interessenvertretung wird anspruchsvoller und damit fachliche Kompetenz, strategisches Erfahrungswissen und Beteiligungskompetenz immer wichtiger. Die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr sind ein guter Anlass, frühzeitig Kandidat*innen zu gewinnen und die Qualifizierung, insbesondere der neu- und wiedergewählten Betriebsräte, zu planen. Passgenaue Qualifizierung wird wichtiger denn je: Durch unsere gewerkschaftliche Bildungsarbeit erhalten Betriebsrät*innen das notwendige Handwerkszeug, das weit mehr ist, als nur Qualifikation in rechtlichen Fragen. Denn unsere Arbeit wird dort spannend, wo die Paragrafen des Arbeitsrechts ihre Grenzen haben. Sie wird dort zum Erfolg, wo wir mit guten betriebs- und gewerkschaftspolitischen Strategien gute Arbeit auch im digitalen Zeitalter sichern und ausbauen. Wir bieten Qualität, Professionalität, Kollegialität! Die Kombination aus fachlicher Expertise, strategischem Erfahrungswissen und die Praxisnähe ist das Plus der Bildungseinrichtungen der IG Metall. Die Vielfältigkeit der Angebote und passgenaue Inhouse-Schulungen stehen für eine solide Grundlagenbildung und ein praxisrelevantes Aufbauprogramm. Stark und nachhaltig in die Zukunft – das geht mit gut qualifizierten Betriebsräten am besten!
Irene Schulz, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
Aktuelle Online-Seminare zum Thema: Vorbereitung zur BR Wahl 2022 – Ja, ist denn schon wieder Betriebsratswahl? Betriebsratsdialog: Der digitale Startschuss zur BR-Wahl Online-Einstieg für Nachrücker und Neugewählte im Betriebsrat
Ein Blick nach vorn: Was erwartet uns 2021 im Arbeitsrecht?
Die Arbeitsrecht-Kolumne mit Angela Kolovos
Viele Beschäftige fürchten eine Insolvenz- und damit Kündigungswelle. Es schadet nicht, sich frühzeitig mit Fachwissen zu Betriebsänderungen inkl. Interessenausgleich, zum Sozialplan sowie zur Insolvenz im Betrieb zu wappnen, um als Betriebsrat handlungsfähig zu sein. 2021 hält aber auch einige arbeitsrechtliche Neuerungen bereit, die den Arbeitnehmer*innen zugute kommen und die Mitbestimmung stärken.
Den Anfang macht das Arbeitsschutzkontrollgesetz, das den Einsatz von Fremdpersonal in der Fleischindustrie grundsätzlich verbietet und die Arbeitszeiterfassung einführt – hoffentlich mit Modellcharakter für andere Branchen!? Der Mindestlohn wird angehoben – auf 9,60 € zum 01.07.2021, um in der Folge bis auf 10,45 € ab 01.07.2022 zu steigen. Auch bleiben die höheren Sätze des Kurzarbeitergelds als Hilfe für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen bis zum Ende des Jahres bestehen sowie auch die Möglichkeit für Betriebsräte, bis Ende Juni digitale Sitzungen abzuhalten (§ 129 BetrVG). Außerdem ist einiges Positives bereits auf dem Weg: Ein Gesetzesentwurf zu Crowdworkern ist geplant, auch wenn wir 2021 mit einer Umsetzung nicht rechnen können. Ein erster Entwurf zum Mobile-Arbeit-Gesetz liegt schon vor, mit dem ein Antragsrecht von Arbeitnehmer*innen geschaffen werden soll. Das für Betriebsräte wohl wichtigste Gesetz, das derzeit in Bearbeitung ist, ist das Betriebsrätestärkungsgesetz – hier liegt auch ein erster Entwurf vor. Demnach sollen Betriebsratswahlen vereinfacht und durch Stärkung der Initiatoren gefördert werden. Das ist jedoch nicht alles: Der Entwurf sieht digitale Betriebsratssitzungen vor, Sachverständige für IT-Fragen, digitale Abschlüsse von Betriebsvereinbarungen und – wohl die bedeutendste Regelung – zwingende Mitbestimmung bei mobiler Arbeit. Der Entwurf ist zu begrüßen, insbesondere da 2021 das Vorjahr der Betriebsratswahlen ist – und die wollen natürlich gut vorbereitet werden! In diesem Sinne solltet Ihr frühzeitig daran denken, Eure Wahlkampagne zu beginnen, damit das Jahr 2022 wiederum starke Betriebsräte hervorbringen kann.
Zur Person – Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Wir stellen vor: Sebastian Seuffert, hauptamtlicher Bildungsreferent
Sebastian Seuffert ist 39 Jahre alt, hauptamtlicher Bildungsreferent am Bildungszentrum Lohr-Bad Orb , verantwortlich für die entgelt- und tarifpolitischen Seminare. Angefangen hat er in der Jugend- und Auszubildendenvertretung mit seiner ehrenamtlichen Bildungsarbeit, anschließend hat er Einstiegsqualifikationen für Betriebsrät*innen und Entgeltseminare angeboten. Sebastian ist in der Bildung der IG Metall gelandet, weil er sich gerne für andere einsetzt: „Den Nachkommenden spezielle Skills zu vermitteln, war schon damals in der Feuerwehr mein Job.“ Dort hat er jahrelang Jugendliche ausgebildet.
Aktuell muss er zu Hause ran. Seine zwei schulpflichtigen Kinder sitzen mit ihm Corona-bedingt vormittags im Home-Schooling. Im Anschluss geht es ins Home-Office. „Ein Spagat, der viel Kraft erfordert“ , gesteht er zu und merkt an, dass seine Frau im Büro eines Handwerksunternehmens arbeitet.
Trotz seines jungen Alters konnte Sebastian vor seinem Wechsel zur IG Metall schon auf 18 Jahre betriebspolitischer Praxis zurückblicken. Seine Eindrücke von Bildungsarbeit damals: „Zu Beginn haben wir noch Frontalunterricht gemacht, dann kamen neue Lehrmethoden und Technik, die zu PowerPoint-Schlachten führten. Wir haben auch ganze Wände voll mit Metaplankarten planiert.“
Heute vertritt Sebastian die Auffassung: Lehre muss beweglich und vielfältig sein. Die Inhalte und Methoden sind stets an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Durch gezielte Fragestellungen versucht er heute die autodidaktischen Fähigkeiten seiner Teilnehmer*innen zu fördern und durch seine Erfahrungsimpulse zu flankieren, Hilfe zur Selbsthilfe also. Denn: „Da draußen im Betrieb sind wir ja auch nicht dauernd an ihrer Seite.“ Letztlich geht es ihm um die Förderung selbstständigen, eigenverantwortlichen und praxisnahen Lernens.
„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“ – Benjamin Franklin –
Über welches Thema kannst du ohne Vorbereitung 30 Minuten referieren? Oh, da gibt es viele. Auf Grund der aktuellen Situation würde ich Resilienz (Definition: psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen) wählen.
Drei Themen, die jede*r Betriebsrat*in/Aktive in diesem Jahr lernen sollte. Konfliktfähigkeit, Umgang mit Rechtspopulismus/Verschwörungstheorien und Resilienz selbstverständlich.
Welches Buch sollte jeder gelesen haben? Warum? Die Tarifvertragssammlung (natürlich die jeweils Passende). Denn nur wer weiß, was ihm tarifvertraglich zusteht, kann die Initiative zur Veränderung einleiten. Und wer keinem Tarifvertrag unterliegt wird erkennen, warum es wichtig ist Gewerkschaftsmitglied zu werden, um zu einem Tarifvertrag zu kommen.
Online Seminare für Betriebsrät*innen: Eine digitale Bildungsreise vom 5.-23. Februar
Willkommen im Digitalen Dschungel. Hier sind für BetriebsrätInnen nicht nur versteckte Schätze zu heben, sondern es lauern auch Datenkraken, Computerviren und Ressourcenfresser. Insbesondere mit virtuellen Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen bewegen wir uns auf neuem Terrain. Unsere Online-Seminare sind auf solche Unwägbarkeiten abgestimmt. Sie klären über die rechtlichen Grundlagen und die technischen Voraussetzungen auf. Nehmt teil, begebt euch auf eine Bildungsreise und erwerbt in den nächsten Wochen umfassende Kenntnisse als Betriebsrat oder Betriebsrätin! Los geht es am 5. Februar mit dem Online-Seminar Betriebsratssitzungen im virtuellen Zeitalter. Das Seminar befasst sich mit den rechtlichen Grundlagen für eine virtuelle BR-Zusammenarbeit. Es werden digitale Tools für eine erfolgreiche Betriebsratsarbeit vorgestellt. Auch bei der Umsetzung erhalter ihr kompetente Unterstützung. Am 8. Februar findet das Online-Seminar Digitale Betriebsversammlung statt. Wie ihr wisst, kann der Betriebsrat Betriebsversammlungen auch digital einberufen. Darüber hinaus lässt sich auf diese Weise auch eine Diskussions-Plattform für die Belegschaft gestalten. Das Online-Seminar klärt, was rechtlich, inhaltlich und technisch zu beachten ist. Es zeigt, wie man digitale Betriebsversammlung plant und umsetzt.
12. Februar. Wie gestalte ich mein Home Office? Immer dann, wenn es keine ausreichenden betrieblichen Regelung zum Homeoffice gibt, müssen wir Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung zu Hause selbst gestalten. Das Seminar bietet hierbei Hilfestellung. Außerdem diskutieren wir über mögliche Reaktionen, wenn uns der Arbeitgeber ins Homeoffice schickt. Kann er das einfach verlangen – oder habe ich gar ein Recht darauf, ins Homeoffice zu gehen, auch wenn der Arbeitgeber das nicht will? Ihr erhaltet einen rechtlichen Überblick.
Am 15. Februar folgt Der Podcast des Betriebsrats – neue Informationskanäle als Betriebsrat nutzen. Ein Podcast bietet die Möglichkeit, die KollegInnen jenseits des üblichen Betriebsrats-Info oder Newsletters zu informieren. Mit einem Podcast könnt ihr ausführlicher und unterhaltsamer informieren. Ob Nachrichtensendung oder Gespräch – das Format bestimmt ihr. Ihr seid euer eigener Sender und euer Podcast kann in Zeiten mobilen Arbeitens auch die KollegInnen im Homeoffice erreichen. Wir geben euch eine Einführung in die Kunst der Podcast-Produktion.
Wir schließen unsere Bildungsreise am 22. und 23. Februar mit dem Online-Seminar Öffentlichkeitsarbeit in Zeiten von Corona. In der Pandemie sind Betriebsräte immer besonders gefragt: Arbeitgeber rütteln an den Pfeilern der Mitbestimmung, Beschäftigte kommen in Kurzarbeit, Auszubildenden werden nicht übernommen. Da spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Bei welcher Gelegenheit nutze ich digitale Medien und wie mach ich das? Die TeilnehmerInnen erarbeiten eine betriebliche Strategie. Sie lernen, wie die verschiedenen Medien wirken und sie arbeiten an einer Kommunikation, die die Werte der Beschäftigten berücksichtigt. Wir schauen auf die Themen, die die Betriebsräte bearbeitet haben, und transportieren die Erfolge zu den Menschen.
Der Besuch unserer Online-Seminare lohnt sich besonders dann, wenn man konkrete praxisbezogene Fragen hat und an einem systematischen Aufbau von Wissen interessiert ist. Und unter den Vorzeichen von Corona wird gerade das Digitale immer wichtiger. Also: Schaut rein! Einen Überblick über unser Bildungsprogramm bekommt ihr auch hier .
Der Artikel ist der vorerst letzte Beitrag zu unserem Schwerpunkt Arbeitsorganisation. Der Beiträge der letzten Monate werden natürlich weiterhin im Magazin erreichbar bleiben. Auch wenn wir in Kürze unseren nächsten Schwerpunkt starten: Tarifbewegnung. Coming Soon!
2020 lieber vergessen? Stop! Da waren auch sehr positive Entwicklungen im Arbeitsrecht.
von Angela Kolovos
Das vergangene Jahr stand im Schatten der Pandemie und der damit einhergehenden Themen im Arbeitsrecht. Dabei zeigte sich, dass Betriebsräte in derartigen Ausnahmesituationen unabdingbar sind. Egal welches dominierende Thema, ob Home Office oder Mobiles Arbeiten im Allgemeinen, Kurzarbeit oder Corona-Regeln im Betrieb – nichts davon geht ohne den Betriebsrat und sein Einverständnis. Da waren und sind Arbeitnehmer*innen in Betrieben mit Betriebsräten eindeutig besser aufgestellt.
Die einzelnen Arbeitnehmer*innen – und damit Ihr als ihre Vertreter*innen – mussten Fragen der Kinderbetreuung, Quarantäne und Urlaub in Angriff nehmen. Und auch die Betriebsräte standen bezüglich ihrer Arbeit vor Herausforderungen der Pandemiekonformität – wobei der Gesetzgeber darauf mit dem Einzug von digitalen Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen in die Praxis durch § 129 BetrVG reagierte.
Mit der Verschärfung der Lage rückten prekäre (Fleischindustrie) und unterschätzte (insbesondere im Pflege- und Gesundheitssektor) Arbeitsverhältnisse in den Fokus der Aufmerksamkeit – und erfahren hoffentlich dadurch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Begriff „Systemrelevanz“ machte die Runde. Im Schatten fanden jedoch auch andere bedeutende Ereignisse statt: Die erste Entscheidung, die die neue Rechtsprechung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung positiv aufgriff und damit die Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung bestätigte, wurde rechtskräftig (ArbG Emden, 20.02.2020, 20 Ca 94/19). Das BVerfG entschied, dass Gewerkschaften auch auf dem Betriebsgelände streiken dürfen (BVerfG, 09.07.2020, 1 BvR 719/19). Das LAG Köln stellte fest, dass ein Arbeitgeber nicht Arbeitnehmer*innen kündigen und gleichzeitig Leiharbeiter*innen behalten dürfe ( LAG Köln, 02.09.2020, 5 Sa 14/20). Und das BAG stellte fest, dass Crowdworker*innen unter Umständen Arbeitnehmer*innen sind (BAG, 01.12.2020, 9 AZR 102/20). Diese Lichtblicke im Arbeitsrecht sind ein Grund, weshalb wir 2020 vielleicht doch nicht vergessen sollten – auch war es das Jahr, in dem das 100jährige Jubiläum des Betriebsrätegesetzes, des Vorläufers des BetrVG, stattfand.
In diesem Sinne wünsche ich uns ein frohes neues Jahr, in dem es weniger pandemiedominierte Themen und mehr Lichtblicke gibt – auch im Arbeitsrecht!
Zur Person – Angela Kolovos ist seit 2015 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Nach der Arbeit in einem globalen Unternehmen hat sie sich bewusst für die Vertretung der Rechte von Arbeitnehmer*innen entschieden. Sie ist Mitglied in der Vereinigung demokratischer Juristinnen und Juristen e.V., der IG Metall sowie der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Privatsphäre und Datenschutz bei Zoom verbessern!
Zoom hat in den letzten Monaten viel Kritik für mangelnden Datenschutz und eine nachlässigen Umgang mit der Privatsphäre hinnehmen müssen. Die diesbezüglichen Vorwürfe lauteten beispielsweise „mangelnde Verschlüsselung“, „Attention-Tracking“ oder auch „Zoombombing“.
Gottseidank hat sich das Unternehmen kritikfähig gezeigt und Updates durchgeführt. Um das Tool datensicher nutzen zu können, müsst ihr aber immer noch einige wichtige Voreinstellungen vornehmen. Diese und andere Funktionen erklären wir euch. Bringt euch bezüglich Zoom auf den neuesten Stand, und erhöht bei Videokonferenzen die Datensicherheit und den Schutz eurer Privatsphäre.
Datensicherheit Grundsätzlich empfiehlt es sich immer, jemanden von der IT-Abteilung oder den Datenschutzbeauftragten einzubeziehen – denn es ist wichtig, sämtliche Funktionen korrekt einzustellen. Achtet unbedingt darauf, dass ihr als Host die bezahlte Version benutzt. Achtet außerdem darauf, das sämtliche Teilnehmer die neue Version nutzen. Der Server-Standort sollte in Europa festgesetzt werden. Und wählt die Möglichkeit, eure Daten – beispielsweise aufgezeichnete Videokonferenzen – lokal auf eurem Server zu speichern. Nicht zuletzt: Der Host sollte die Sitzung sperren, sobald sämtliche Teilnehmer beigetreten sind – auf diese Weise kann die Konferenz nicht von Unbefugten gestört werden. Inhalte teilen und gemeinsam bearbeiten Durch „Bildschirm freigeben“ könnt ihr Inhalte teilen – so beispielsweise eure Whiteboards, um gemeinsam zu zeichnen, zu stempeln oder mit einem Spotlight Aspekte hervorzuheben. Eine andere Möglichkeit besteht darin, euch mit eurem Cloud-Anbieter zu verbinden und auf eine der dort gespeicherten Dateien zuzugreifen. Kommentarfunktion in Zoom Innerhalb der Bildschirmfreigabe habt ihr auch die Möglichkeit, die Kommentar-Funktion zu aktivieren. Sie eignet sich besonders für das kollaborative Arbeiten von Host und Teilnehmenden. Teilnehmende können Bildschirm-Freigaben mit Markierungen oder Texteingaben versehen, die der Host im Anschluss speichern kann. Bitte beachtet: Die Kommentarfunktion steht nur App-NutzerInnen zur Verfügung – sie kann also nicht von Teilnehmenden, die den Web-Browser nutzen, verwendet werden. Chatfunktion der Teilnehmenden Aktiviert bei Meetings die Chat-Funktion, um den Teilnehmenden zu ermöglichen, eine für alle sichtbare Nachricht zu senden. Deaktiviert diese Funktion, wenn jeder Teilnehmende nur an euch als Host des Meetings schreiben können soll. Hand-Heben in Konferenzen Hand-Heben ohne die Anstrengung des Hand-Hebens: Während des Meetings können die Beigetretenen einfach unten in der Menüleiste auf den Button „Teilnehmer“ klicken. Auf der rechten Seite wird dann eine Teilnehmerliste mit Buttons zum "Handheben" eingeblendet. Alternativ können auch die Tastenkürzel Alt + Y bei Windows oder Option + Y bei Mac verwendet werden. In der Teilnehmerliste erscheint nun eine kleine blaue Hand neben dem jeweiligen Namen. Dem Host wird das Videofenster des betreffenden Teilnehmenden ganz vorne angezeigt und er erhält einen Hinweis, dass sich jemand meldet. Der Moderator kann dann das Audio gezielt einschalten, um folgenden Beitrag für alle hörbar zu machen. Breakout Rooms Breakout Rooms sind sinnvoll, weil sie die Interaktion fördern, weil einzelne Aufträge in klar definierten Gruppen erarbeitet werden können und weil ihr als Host jederzeit die virtuellen Teilräume einsehen könnt. Nachfragen, wie es aussieht, ob so soweit alles klar ist oder jemand Hilfe bei der Bearbeitung seiner Aufgabe benötigt: Alles kein Problem! Einfach die die Schaltfläche der Funktion „Breakout Room“ aktivieren und während eines Meetings den nun erscheinenden Button „Breakout Session“ anklicken. Nun öffnet sich ein Fenster, in dem ihr auswählen könnt, wie viele Teilnehmende ihr in wie viele Räume einteilen möchtet. Umfrage erstellen Mit der Umfrage-Funktion könnt ihr vorab Umfragen, auf Englisch „polls“, mit Single- oder Multiple-Choice-Fragen für eure Meetings erstellen. Als Host könnt ihr die Umfrage während des Meetings starten und die Antworten eurer Teilnehmer anonym oder nachvollziehbar erfassen. Nach dem Meeting steht ein Umfragebericht zum Download zur Verfügung. Gesichtsfilter nutzen Seien wir ehrlich: Manche Sitzungen können auf die Dauer ziemlich langweilig sein. Um euch die Zielgerade zu versüßen, könnt ihr zur allgemeinen Erheiterung beitragen und euch Piraten-Augenklappen oder Skibrillen verpassen. Dazu einfach Snap Camera installieren und in den Videoeinstellungen als Input wählen. Auch Filtereffekte sind möglich. (Klappt übrigens auch bei Skype, Teams und Co.) Virtuellen Hintergrund einblenden Auch ein Video Call zwischen Palmen kann zur allgemeinen Aufmunterung beitragen. Oder wollt ihr euch vor dem IG Metall-Banner platzieren? Mit der Zoom-Funktion „Virtueller Hintergrund“ sind viele Kulissen möglich. Damit Zoom euren wirklichen Hintergrund möglichst vollständig erkennt und ausblendet, sollte dieser einen einheitlichen Farbton besitzen und gut ausgeleuchtet sein.
Wir hoffen, dass wir euch mit diesen Tipps ein paar nützliche Anregungen geben können. Meldet euch gerne, falls noch Fragen offen geblieben sind.
Gesellschaftliche und betriebspolitische Megatrends für 2021
Gerne vergessen wir, uns bewusst zu machen, in welch engem Zusammenhang unsere betriebspolitische Agenda mit allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen steht. 2020 hat uns Corona diesen Konnex deutlich vor Augen geführt. Die Pandemie hat unser Privatleben und unsere Arbeit immer wieder durcheinander geworfen und neu gemischt – und gesellschaftliche „Problemzonen“ deutlich zutage treten lassen. Im Folgenden versuchen wir, aus den Ereignissen von 2020 gesellschaftliche Trends für 2021 abzuleiten – und zu skizzieren, mit welchen Aufgaben wir Betriebsräte dadurch konfrontiert sein werden.
Radikale Digitalisierung der Kommunikation So selbstverständlich, dass es uns kaum noch auffällt: Im Zeichen der Social Distancing sind digitale Kommunikationskanäle noch wichtiger geworden als es schon vor der Pandemie der Fall war. Digitale Medien stützen mittlerweile fast alle alltäglichen Tätigkeiten im Bereich der Information, der Kommunikation und der (Meinungs-)Bildung. Mit den Worten von Michael Kerres: „Digitale Informationen und Werkzeuge sind, auch durch mobile Geräte, ubiquitär verfügbar, sie durchdringen pervasiv alle Funktionsbereiche der Gesellschaft und sind zunehmend (als eingebettete Systeme) unsichtbar . Dabei verschränkt sich die digitale mit der analogen Welt, die zunehmend durch Algorithmen geprägt wird.“ Welche Herausforderungen hierdurch auf uns Betriebsräte zukommen? „Ich fahre heute zur Arbeit“ – das ist für viele von uns derzeit Geschichte. Der hieraus resultierende Mangel an persönlichen Treffen und Gesprächen führt dazu, dass uns oft das richtige Gefühl für die Anliegen unserer KollegInnen im Betrieb zu fehlen scheint. Gerade für Betriebsräte und betrieblich Aktive, die die Kommunikation zwischen den Beschäftigten steuern, stellt sich die Frage, wie diese momentan informiert, mitgenommen und beteiligt werden können – vor dem Hintergrund, dass die Arbeitgeber die Pandemie für Ihre Zwecke nutzen. Die Antwort lautet: Mut zum Experiment! Habt Mut, neue Wege zu gehen! Organisiert euch, schafft neue Kanäle der Kommunikation und kreiert virtuelle Räume, in denen ihr euch ungehindert treffen und austauschen könnt. Vom Gebrauch digitaler Abstimmungstools und Sozialer Medien bis hin zu Online-Meetings ist vieles möglich! Mehr zu Arbeitsorganisation und Arbeitsinstrumenten findet ihr hier . Darüber hinaus gibt es in unserem aktuellen Bildungsprogramm eine Vielzahl von Online-Seminaren , die sich diesem Thema widmen. Die Dynamisierung sozialer Entwicklungen Viele Menschen, die auf 2020 zurückblicken, berichten von einem fremdartigen Mix aus Ent schleunigung und Be schleunigung. Einerseits scheint im Lockdown zumindest die physische Welt stillzustehen, andererseits überschlagen sich die Ereignissen und verkürzen sich die Reaktionszeiten. Drohende Kurzarbeit hier, steigende Aktienkurse dort. Betriebsbedingte Kündigungen hier, die Nachrichten von neuen Corona-Impfstoffen dort. Schließen die Schulen diese Woche schon – oder noch nicht? Gibt es eine Verlängerung des Teil-Lockdown? Krisenzeiten bedeuten für uns alle ein Wechselbad der Gefühle. Welche Herausforderungen hierdurch auf uns Betriebsräte zukommen? Die Pandemie hat eine Unmenge neuer und schnell wechselnder betriebspolitischen Themen auf den Tisch gebracht, die eine rasche Auseinandersetzung und deutliche Positionierung erfordern. Doch wie steuert und erarbeitet man so etwas im Team? Wie kann man den Überblick behalten und gemeinsam Ziele fokussieren? Agiles Arbeiten scheint das Gebot der Stunde zu sein. Denn nur so seid ihr bereit, auf neue Entwicklungen in eurem Betrieb schnell zu reagieren. Und zwar ohne hierbei eure eigentlichen betrieblichen Werte und Ziele aus den Augen zu verlieren. Mehr zum Thema "Betriebsräte und Agiles Arbeiten" findet ihr hier. Polarisierung und Radikalisierung des öffentlichen Diskurses Gemeinschaftliche Erfahrungen am gemeinsamen Arbeitsort sind notwendige Voraussetzungen für Solidarität und Zusammenhalt – eine soziale Konfiguration, die durch Pandemie und Digitalisierung zunehmend in Frage gestellt wird. Dabei leben wir ohnehin in einer Zeit fragmentierter Arbeits- und Einkommens- und Lebensverhältnisse – beispielsweise im Hinblick auf Qualifikationen, Gehälter, Beschäftigungsregelungen und Arbeitsbedingungen. Prozesse der Entsolidarisierung traten 2020 gerade durch die Corona-Demonstrationen hervor, wo sich extreme und irrationale Positionen ausführlich Gehör verschaffen. Globalisierungskritiker gehen Hand in Hand mit Verschwörungstheoretikern und ausgerechnet Rechtsradikale setzen sich für die Grundrechte ein. Welche Herausforderungen hierdurch auf uns Betriebsräte zukommen? Eines steht fest: Mehr als jemals zuvor ist von uns Gewerkschaftern eine klare Haltung gefragt! Wir verfügen über eine Anzahl an Grundwerten, die uns ein sicheres Fundament bieten und die Richtung vorgeben – auch oder gerade unter den Vorzeichen der Krise. Und genau das wird von uns auch erwartet. So hat etwa der Zukunftsforscher Franz Kühmayer in einem Interview geäußert, dass wir als Gewerkschaft Benachteiligte schützen und unterstützen müssen, dass wir auf kritische und negative Entwicklungen hinzuweisen haben und dass wir in der Lage sind, konstruktive Lösungen für die Zukunft zu entwickeln: „Schutzfunktion, Warnruf-Funktion und Innovationstreiber – das sind für mich die drei wesentlichen Zukunftsaufträge für die IG Metall“, so Kühmayer. ( Hier geht es zum Beitrag von Küymayer.) Gerade in den kommenden Tarifrunden sollten wir für unsere Ideale einstehen. Es geht darum, unsere Visionen einer besseren Arbeit, eines besseren Lebens und einer besseren Gesellschaft zu vermitteln. Im Interesse einer besseren Zukunft. Wir sollten verdeutlichen, dass Arbeit mehr ist als Einkommen: Im unmittelbaren Zentrum steht heute die Frage nach dem Sinn, dem Wert und den Auswirkungen der eigenen Arbeit. Auch dieser Trend der Rückbesinnung wurde durch Corona verstärkt. In unseren Podcasts reden wir mit Zukunftsforscher und Bildungsvisionären regelmäßig über die Zukunft der gewerkschaftlichen Interessenvertretung und Bildungsarbeit. Gern vergessen wir, dass wir nicht nur einen großen Einfluss auf den Wandel haben, sondern alltäglicher Urheber von Veränderungen sind. In diesem Sinne ein frohes neues Jahr und volle Kraft voraus!
Achtsam durch die Krise, bitte.
Ein sinkenden Geschäftsklimaindex, das Kurzarbeitergeld droht auszulaufen, November Rain. Gleichzeitig die Nachrichten von (vielleicht) einem Corona-Impfstoff und positive Entwicklungen an den Aktienmärkten. Krisenzeiten bedeuten ein Wechselbad der Gefühle, und wir laufen Gefahr, die Achtsamkeit über Bord zu werfen. Aber was ist Achtsamkeit? Und was bedeutet Achtsamkeit für unsere Organisationen?
Antworten von Marion King, erschienen in der aktuellen Inside.
Solidarität auf dem Prüfstand: Drei Persönlichkeiten – drei Positionen
Von der Entstehung der Arbeiterbewegung bis heute kreist unser Denken und Handeln stets um einen zentralen Wert: Solidarität. Durch eine Vielzahl sozialer Faktoren wird dieser Wert aber aktuell auf die Probe gestellt: Durch die Transformation der Arbeitswelt, die Pluralisierung der Gesellschaft, aber auch durch die derzeitige Corona-Pandemie. Was erwartet die Gesellschaft eigentlich von uns als Gewerkschaft – der Erfinderin und Verteidigerin dieses Grundwertes? Inwieweit müssen wir „Solidarität“ neu denken? Diese und weitere Fragen haben drei starke Persönlichkeiten im Webtalk diskutiert. Und ihre Standpunkte haben wir für euch zusammengefasst:
Prof. Dr. Heribert Prantl Zur Person: Prof. Dr. Heribert Prantl ist Autor, Journalist und Jurist. Er war von 1995 bis 2017 Leiter des Ressorts Innenpolitik und von 2018 bis 2019 Leiter des Ressorts Meinung der Süddeutschen Zeitung in München. Von 2011 bis 2019 war er Mitglied der Chefredaktion. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Jurymitglied des Otto-Brenner-Preises für kritischen Journalismus. Position Solidarität ist die „menschheitsgeschichtliche Leistung der Gewerkschaften“, so Heribert Prantl. Die notwendige Voraussetzung für Solidarität sind aber gemeinschaftliche Erfahrungen am gemeinsamen Arbeitsort – eine soziale Konfiguration, die durch die Digitalisierung zunehmend in Frage gestellt wird. Heribert Prantl warnt vor zwei Entwicklungen: Erstens davor, dass die konkrete sich im Arbeitsrecht definierende Solidarität aufgrund der digitalisierten Beschäftigungsverhältnisse, Betriebsstrukturen und Wertschöpfungsketten in eine „diffuse Brüderlichkeit“ zurückverwandelt (nämlich in jene der Aufklärungszeit). Zweiten haben gerade die Corona-Demonstrationen gezeigt, dass die Rechtsextremen dabei sind, „Solidarität“ zu vereinnahmen und sie entlang nationaler und völkischer Grenzen neu zu definieren: „Wenn die Kritik an den ausbeuterischen Aspekten der Globalisierung von extremen rechtspopulistischen Freund-Feind-Schemata und vom Volksgemeinschaftsdenken überlagert wird, dann färbt sich Solidarität braun“, so Prantl. Und weiter: „Der Kampf für die Grundrechte darf nicht den Rechten überlassen werden.“ Für Heribert Prantl besteht die Aufgabe der Gewerkschaften und der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit darin, in der sich verändernden Arbeitsgesellschaft Solidarität neu zu erfinden und neu zu definieren. Unter den Vorzeichen veränderter Beschäftigungsverhältnisse wird sich der Kreis der von den Gewerkschaften vertretenen Individuen radikal erweitern. Und angesichts der digitalen Kommerzialisierung des Lebens kommt den Gewerkschaften eine neue Aufgabe zu: „Moderne Gewerkschaften sind der Widerpart der Digital-Kapitalisten.“ Irene Schulz Zur Person: Als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall ist Irene Schulz zuständig für Kampagnen und Erschließung. Außerdem steht sie der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit und der Organisation der Bildungszentren vor. Nicht zuletzt ist sie verantwortlich für die Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus.“ Position „Die neue Ökonomie ist nicht alternativlos“, so Irene Schulz. Die Transformation der Arbeits- und Lebenswelt folgt nicht blinden Naturgesetzen, sondern fordert unsere Intervention und Mitgestaltung. Und: „Gewerkschaftliche Solidarität ist kein Automatismus, sondern dahinter stehen Aushandlungsprozesse und politische Rahmenbedingungen.“ Daher ist sie davon überzeugt: Die Transformation muss solidarisch und demokratisch gestaltet werden. Einerseits betrifft das die Form respektive den Prozess: Der einzuschlagende Weg ist mit allen Betroffenen auszuhandeln. Mitgestaltung heißt Mitbestimmung und hat sämtliche Beschäftigte und Mitglieder mit einzubeziehen – gerade auch in Zeiten von Home Office und Remote Work. Zweitens betrifft das die Inhalte respektive die Ziele: Die ökologische Transformation muss mit einer sozialen Transformation einhergehen: „Was bedeutet Verteilungsgerechtigkeit? Auf solche Fragen haben wir nachhaltige Antworten zu geben, sonst werden wir keinen Rückhalt finden.“ Von der Politik erfordert Irene Schulz die Bereitstellung geeigneter Rahmenbedingungen für Mitbestimmung und Interessenvertretung – gerade in Zeiten der Pandemie. Das betrifft zum Beispiel die Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes: Die Gewerkschaften benötigen das digitale Zugangsrecht in den Betrieben. Darauf warten und verlassen möchte sich Irene Schulz allerdings nicht: „Wir erleben gerade, dass Arbeitgeber diese Krise zunutze machen, um Entscheidungen zu treffen, die positiven Wandel zunichte machen. Dagegen setzen wir uns zur wehr – und zwar zum Teil mit sehr traditionellen Mitteln.“ So haben die Mitglieder auch in der Corona-Zeit gestreikt und werden – falls geboten – wieder streiken: Trotz, aber auch unter Einhaltung von Hygieneauflagen und eingeschränkter Versammlungsmöglichkeiten! Die Voraussetzung für solidarisches Auftreten ist ein verbindendes Wertefundament, wie gerade der Fall Voith in Sonthofen wieder einmal gezeigt hat. Sharon Dodua Otoo Zur Person: Sharon Dodua Otoo ist Autorin und Aktivistin gegen Rassismus. Sie hat 2016 für de n Text Herr Gröttrup setzt sich hin den Ingeborg-Bachmann-Literaturpreis der Stadt Klagenfurt gewonnen und engagiert sich u.a. in den Organisationen ADEFRA („Schwarze Frauen in Deutschland“) und ISD („Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“). Position Sharon Otoo widmet sich dem Thema der Soldarität aus der Perspektive einer, wie sie selbst sagt, „schwarzen Deutschen“ und sie kämpft für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung. So sehr sie antirassistische Projekte und Aktionen befürwortet, weisen sie ihr zufolge oft eine bevormundende Dimension auf, worin sich die tatsächlichen Machtstrukturen widerspiegeln. Wirkliche Solidarität achtet dagegen auf die Anhörung, Einbeziehung und Erfahrung der Betroffenen und gibt Hilfe zur Selbsthilfe – sie leistet „Empowerment“. Das bedeutet: Antirassistische Bildungsprojekte bedürfen zwingend der Mitarbeit derjenigen, die tatsächlich davon betroffen sind. Denn nur so lassen sich falsche Intentionen und Projektionen vermeiden. Für Sharon Otoo ist Rassismus nicht nur eine spezifische Einstellung von Rechtsextremen, sondern äußert sich generell in Denk- und Wahrnehmungsweisen, die in unserer Gesellschaft und Psyche tief verwurzelt sind: „Rassismus ist ein riesiger Fels. Ich versuche mit meiner Zahnbürste etwas von diesem Fels wegzukratzen.“ In diesem Zusammenhang wichtig: Der Aufruf zu mehr Toleranz taugt nicht als Basis für Solidarität, da er Diskriminierung und Ablehnung zur Voraussetzung hat. Denn: Tolerieren muss man nur dasjenige, was man eigentich nicht mag: „Es ist nicht auseichend, wenn sich Menschen für andere Menschen einsetzen, sondern es geht darum den, sozialen Wert zu erkennen. Es geht darum, zu verstehen, dass hier für alle etwas Vorteilhaftes entsteht.“ Vor diesem Hintergrund fordert sie uns alle zur Selbstbeobachtung und Selbstkritik auf. Ihr Appell lautet: Überprüft eure Vorurteile und hinterfragt stereotype Denkmuster! Rassismus ist keinesfalls nur ein Problem „der Anderen“, auch wenn diese Erkenntnis sehr schmerzhaft sein mag. Unsere Webtalks sind auch für uns absolute Denk- und Inspirations-Highlights: So auch der letzte Webtalk#11 "SOLIDARITÄT UND WERTE". Wer nicht dabei sein konnte, kann und sollte das dringend nachholen. Wir haben den Talk zusätzlich zum Video als Podcast bereitgestellt. Ihr findet in hier. Das Meeting wurde von Chaja Boebel, Bildungsreferentin am Bildungszentrum Berlin, moderiert. V ielen Dank an sie und an unsere Gäste: An die Autorin Sharon Otoo, an unser Vorstandsmitglied Irene Schulz und an den Journalisten Heribert Prantl.
Social Campaigning: Soziales wie Seife verkaufen?
Das seit 60 Jahren maßgebliche Konzept und unser Prinzip in der Kommunikation und im Handeln ist Social Campaigning. Aber wie können wir als Gewerkschaft unser Social Campaigning verbessern? Und warum tut es gut, nicht jeden Marketing-Trend mitzumachen, sondern sich lieber neu auf das zu besinnen, was wir am besten können? Nämlich nachzudenken und zu aktivieren? Hier verraten wir euch, wie das geht.
Das interaktive Visualisierungstool Miro
Genau wie ihr im Betriebsrat mussten auch wir in der NBR-Redaktion in den letzten Monaten lernen, wie wir als Team trotz räumlicher Distanz effektiv zusammenarbeiten können. Gottseidank gibt es viele digitale Tools, die wir nicht nur ersatzweise verwenden können, sondern die gegenüber den alten physikalischen Werkzeugen in puncto Arbeitsorganisation sogar einen funktionalen Mehrwert bieten. Miro ist so ein Tool. Auch wenn wir den persönlichen Kontakt manchmal vermissen, sind wir begeistert von den kollaborativen Möglichkeiten, die diese Online-Plattform bietet. Daher möchten wir sie euch an dieser Stelle vorstellen. Miro kann mehr als ein Whiteboard! Ob der Name „Miro“ an den katalonischen Maler „Joan Miró“ angelehnt ist, konnten wir vor Redaktionsschluss nicht abschließend klären. Jedenfalls spricht das Unternehmen selbst in Bezug auf Miro von einem interaktiven Visualisierungstool, das mit einer „unendlichen Leinwand“ („canvas“) ausgestattet ist. Diese Leinwand lässt sich mit Haftnotizen, Zeichnungen, Texten, Formen, Pfeilen oder Links befüllen. Fotos oder Videos lassen sich auf ihr ablegen. Dokumente, Tabellenkalkulationen oder PDFs bettet ihr mit ein paar einfachen Klicks ein. Ihr beginnt entweder bei Null – einer blanken Leinwand – oder greift auf vorgefertigte Vorlagen zurück. Beispielsweise habt ihr die Wahl zwischen gebrauchsfertigen Karten, Diagrammen, Kanbans, Fischgrätdiagrammen oder Mind Maps. Miro wurde speziell für räumlich verstreut arbeitende Teams entwickelt. Die Tafeln lassen sich für andere Mitarbeiter freigeben, sie lassen sich feedbacken und ihr könnt online gemeinsam an ihnen arbeiten – in Echtzeit oder asynchron. Hierbei arbeitet Miro nahtlos mit Videokonferenz- oder Chat-Anwendungen wie Zoom oder Slack zusammen. Auf diese Weise steht eurem gemeinsamen Brainstorming nichts mehr im Weg. Ihr sammelt und ordnet Ideen, arbeitet an Themen und Projekten und stellt viele Informationen an einem Ort übersichtlich zusammen. Hierbei bleiben die Stufen des Arbeitsprozesses viel besser als in einem physikalischen Whiteboard nachvollziehbar und die Speicherung bzw. Dokumentation von Zwischenergebnissen, Endergebnissen und Feedbackprozessen fällt viel unkomplizierter aus. Ebenfalls praktisch: Handgeschriebene Haftnotizen lassen sich digitalisieren. Wenn ihr bei einem Treffen ein physikalisches Whiteboard verwendet habt, fotografiert ihr es anschließend und wandelt es mit Stickies Capture in bearbeitbare digitale Haftnotizen um. Geniales Dot Voting! Betriebsräte bzw. Gewerkschafter lieben bekanntlich das Dot Voting! Wenn es eine Verfahrensweise gibt, die wir in Entscheidungsprozessen und zur Erstellung von Meinungsbildern häufig verwenden, dann diese. Mit Miro führt ihr als Remote-Team Dot Voting ganz einfach online durch. Denn: Miro verfügt über ein integriertes Voting Feature. An alle Teilnehmer werden eine feste oder unendliche Anzahl an Klebepunkten ausgegeben. Auf diese Weise kann eure „Heatmap“ wachsen. Die Vorteile virtuellen Dot Votings:: Die Vorschläge werden anonym eingebracht. Das Votieren erfolgt anonym. Die Wahl ist raumzeitlich ungebunden. Auf diese Weise können falsche Gruppendynamiken sowie die unproduktive Beeinflussung der eigenen Wahl durch die KollegInnen ausgeschlossen werden. Und ihr könnt euch viel länger und ausführlicher mit dem Material auseinandersetzen – falls ihr möchtet. Fazit : In vielen Seminaren und kollaborativen Projekten kommen Whiteboards als Visualisierungstools zum Einsatz. Miro lässt das Whiteboard im virtuellen Raum wieder auferstehen – mit allen Vorteilen, die das Digitale bietet. Ein vergleichbares Konkurrenzprodukt ist übrigens „Mural“, von dem ihr euch bei Gelegenheit ebenfalls ein Bild machen solltet. Tools sind in aller Munde, Wir haben eine Inside Ausgabe gemacht, die sich komplett diesem Thema widmet. Du findest sie hier .
Streik! Einigung beim Sozialtarifvertrag.
Im Mai dieses Jahres ist der Streik bei Voith-Turbo in Sonthofen nach monatelangem Kampf durch Urabstimmung beendet worden. Nachdem die Schließung des Werks nicht mehr abzuwenden war, einigten sich die IG Metall und Voith auf Kernpunkte für einen Sozialtarifvertrag. Wir haben den Streikleiter Carlos Gil rückblickend um eine Analyse und seine Einschätzung gebeten.. mehr erfahren
Das OKR-Modell: Ziele vereinbaren, korrigieren und messen
Letzte Woche haben wir euch die Führungsmethode OKR vorgestellt und ihre grundsätzlichen Durchführung und Funktionsweise besprochen. DIeses Mal haben wir einen Experten gebeten, uns seine Erfahrungen mit OKR zu schildern. Jonas Kwaschik, Mitinhaber von Sleighdogs, erzählt uns, wie er es einsetzt und worauf man achten muss. Allen, denen das Thema neu ist, empfehlen wir zuerst diesen Artikel . Hallo Jonas, lass uns ganz grundsätzlich beginnen: Weshalb und in welchen Zusammenhängen verwendet ihr OKR? Für uns ist OKR ist eine wunderbare Management-Methode, um sich im Team darüber auszutauschen, welche Ziele man hat. Wir führen sie gerne in Unternehmen ein, von denen wir Innovationsaufträge im Bereich der Digitalisierung erhalten haben. Wenn ein Unternehmen sagt „wir möchten jetzt einen Sprung machen und hierbei auch die Digitalisierung angehen“, ergänzen wir oft dessen Teams durch unsere Entwickler und klären das Projektmanagement. Wir starten dann eine Art Coaching Prozess, innerhalb dessen wir wöchentlich mit den Mitarbeitern die von ihnen aufgesetzten Innovationsprojekte durchschauen. Und um beurteilen zu können, ob diese auf der richtigen Spur sind, legen wir dann meistens eine Übersicht, ein sogenanntes „OKR-Dashboard“ an. Dieses besprechen wir dann mit dem Management. Für wen eignet sich OKR besonders? Und weshalb? Ein besonders häufiges Missverständnis besteht darin, ein „Objective Key Result“ mit einem „Key Performance Indicator“ gleichzusetzen. Der Unterschied liegt darin, dass sich ein OKR gegenüber einem KPI vor allem für neue Maßnahmen oder Projekte eignet, aber nicht für das operative Geschäft. Mit OKR misst man weder Kundenzufriedenheit noch den Umsatz. Ein OKR eignet sich dagegen, um festzustellen, ob ein neues Vorhaben wirklich das Ziel trifft, das ich erreichen möchte. Es geht also vor allem um Ziele innerhalb von neuen strategischen Vorhaben und dementsprechend eignet es sich für Unternehmen oder Organisationen, die auf eine Reise gehen oder die sich in einem Innovations- oder Veränderungsprozess befinden. Sobald die Prozesse laufen und alles eingepflegt ist, macht OKR eigentlich keinen Sinn mehr. Das Skalieren und Beobachten von Projekten ist dann eher was für KPIs. Wie bringt ihr OKR den Kunden näher? Bietet ihr Workshops an oder wie sehen die Vermittlungsformen aus? Wir favorisieren einen praktischen Ansatz im Sinne von „Learning by Doing“. Natürlich stellen wir anfangs in einem Workshop kurz vor, wie das Ganze funktioniert. Wir geben auch Beispiele, wie das andere Unternehmen gemacht haben und besprechen mögliche Anwendungsfälle, um überhaupt erst auf Ideen zu kommen. Wir kommen dann aber sehr schnell darauf zu sprechen, welche Projekte für das Unternehmen relevant sind und was in diesem Kontext passieren soll. Meistens sind Innovationsvorhaben ja durch wirkliche Problemlagen motiviert. Wir fragen dann nach den Konflikten und Baustellen. Das kann man dann in Projekte gießen und mit OKRs versehen. Soll heißen: Man definiert die OKRs nicht gleich am Anfang im Kontext der Strategieentwicklung, sondern erst in der Ausformulierung der konkreten Projekte und Maßnahmen. Es geht darum, die Strategie auf einzelne Maßnahmen und Ziele herunterzubrechen. Könntest du erläutern, worauf man bei der Einführung besonders achten sollte? Oder anders gefragt: Kann man echte Fehler machen? Ein häufiger Fehler besteht darin, dass der Plan zu streng befolgt wird. Es geht ja letztlich um einen Lernprozess, wie man geeignete Ziele setzt und sie erreicht. Hierzu muss man sie auch reflektieren und gegebenenfalls unterwegs neu justieren. Wenn ich beispielsweise auf der Hälfte der Strecke feststelle, dass das OKR nicht so wahnsinnig clever formuliert war, weil das Ziel gar nicht erreichbar ist, dann ist es nicht clever bis zum Ende zu warten, um mir bescheinigen zu können: „Habe ich nicht erreicht.“ Stattdessen sollte man es frühzeitig anpassen. Es geht also nicht darum, ein System zu finden, dass die Performance von MitarbeiterInnen bewertet – im Sinne von: “Ich mach jetzt mal OKRs für jeden Mitarbeiter und bei 75 % Ergebniserfüllung bekommt man einen Bonus.“ Das wäre richtig schlecht! Denn genau das verhindert einen offenen und ehrlichen Dialog darüber, was man erreichen möchte und wie man das erreichen kann. Man möchte sich ambitionierte Ziele setzen, aber das macht niemand, wenn man dafür jedes Mal bestraft wird.
Außerdem sollte man am Anfang darauf achten, Ziele nicht mit Aufgaben zu verwechseln und die Resultate wirklich messbar zu machen. Der beste Weg ist, das Ziel und dessen Erfolgsmessung im Futur II – also aus einem Ist-Zustand in der Zukunft – zu beschreiben. Das würde sonst ja auch der Dimension der Agilität komplett widersprechen, oder? Richtig. Es geht ja darum, bei Nichterfüllung den Kurs oder den Weg zur Zielerreichung zu ändern – und nicht darum, die MitarbeiterInnen abzustrafen. Die Ziele stehen im Mittelpunkt – nicht die MitarbeiterInnen. Benötigen Unternehmen oder Organisationen, die OKR einführen möchten, unbedingt Experten von außen, die das Ganze coachen – oder kann man das allein stemmen? Wenn man mit der nötigen Offenheit und Lockerheit an eine solche Einführung herangeht, dann kann man das sicherlich auch alleine bewältigen – warum auch nicht. Man braucht nicht unbedingt eine tiefgehende Vorbildung. Man benötigt auch kein besonderes technisches Equipment – eine Excel-Tabelle oder ein gemeinsam bearbeitbares Dokument reicht völlig aus. Es geht vor allem um die Bereitschaft, Ziele offen zu diskutieren und diese auch immer wieder zu reflektieren. Allerdings kann ein Externer, der nicht befangen ist und sich auch nicht beweisen muss, sehr hilfreich sein. Ein solcher Coach oder Sparringspartner mit unterstützendem Charakter sollte aber nicht sagen wie man es macht, sondern vor allem die richtigen Fragen stellen, um den „Mentee“ zum eigenständigen Denken anzuregen und ihn selber auf Antworten kommen zu lassen. Der Coach kann dann eher nochmal zu fragen: Wie bist du darauf gekommen? Was waren deine Gedanken dazu? Und dann vielleicht ein paar Anregungen geben, wie man das auch sehen könnte und wo man dann landen würde. Muss es innerhalb der Organisation dann einen Verantwortlichen für die Aufrechterhaltung des Rahmenwerks geben? Ja, so ähnlich wie bei allen Prozessen, die Richtung Management oder Unternehmenskultur gehen, benötigt man natürlich das Buy-in vom Top-Management. Wenn der Leiter das nicht aktiv stützt, wird das auch nicht funktionieren. Zudem ist es hilfreich, einen sogenannten Ambassador zu bestimmen, der für andere im Unternehmen oder Team der Ansprechpartner ist. Er hat die Thematik zu vertreten und dafür zu sorgen, dass die MitarbeiterInnen eingeführt werden, Fragen beantwortet und Erfahrungen ausgetauscht werden. Dieser Botschafter sollte nicht von außerhalb, sondern aus dem Unternehmen kommen. Denn alleine schon die Übersetzungsleistung, all die Beweggründe und den ganzen Kontext von intern nach extern zu bringen, würde zu deutlichen Übertragungsverlusten führen. Eine letzte Frage zum Thema Agilität: Wodurch wird Agilität hergestellt? Worauf sollte man in diesem Kontext speziell achten? Agilität bedeutet ja nicht: Man hat keinen Plan mehr – etwa im Unterschied zum wasserfallartig organisierten Projektmanagement, wo man am Anfang alles plant und dann nur noch ausführt und abarbeitet. Agilität heißt, dass man den Plan ständig verfeinert und an die Gegebenheiten anpasst. Man hat einen Plan, lässt aber zu, dass die Realität auf diesen auch Einfluss ausübt. Man bleibt nah an der Wirklichkeit. Das ist mein Verständnis von Agilität. Agil sein bedeutet, seine Standpunkte wechseln zu können, falls erforderlich.
In meinem Kontext geht es hierbei oft um technische Entwicklungen – plötzlich ist beispielsweise ein neues Produkt auf dem Markt und andere Dinge werden möglich. Da muss man dann reagieren. Ich habe es aber selten erlebt, dass man in eine völlig andere Richtung wechseln muss. Im Sinne von: „Jetzt machen wir was ganz anderes.“ Meistens läuft es so, dass man feststellt: „Dieses oder jenes ist doch nicht so wichtig – wir sollten uns nicht so sehr darauf konzentrieren. Lass uns diese neue Funktion integrieren und dafür eine andere streichen.“ Und dies immer wieder zu sortieren ist dann auch die Aufgabe von periodischen Review-Terminen. Und Agilität heißt auch, dass man sich sehr sicher darüber ist, wo man hin möchte: „Das ist unser Ziel und deshalb machen wir es so oder so. Und passen uns neu an.“ Diese Dimension ist vor allem für das Standing derjenigen extrem wichtig, die das Ganze vertreten und gegenüber den MitarbeiterInnen rechtfertigen müssen. Der Prozess ist alles andere als beliebig, sondern hilft dabei, die anvisierte Richtung einzuschlagen. Zur Person: Jonas Kwaschik ist u.a. Mitinhaber von Sleighdogs, einem Studio, das digitale Services und Produkte entwickelt und Unternehmen bei der Digitalisierung hilft. Sleighdogs gestaltet Online-Software, Web-Apps, Mobile-Apps und Online-Shops. Das inhabergeführte Studio zeichnet sich zudem dadurch aus, IT-Expertise mit Unternehmensberatung und Organisationsentwicklung zu verbinden. Zur Unternehmenswebseite gelangt ihr hier .
Sommerinterview mit Irene Schulz: „Der Markt alleine wird es nicht richten.“
Irene Schulz, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, spricht über Corona, Solidarität als gesellschaftlichem Kitt, Bildung – und darüber, wie wir als IG Metall die Zukunft gestalten. Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Interview, das sie der Geschäftsstelle Berlin gegeben hat. Durchgeführt hat es Jörn Breiholz. Liebe Irene, in unserer wichtigsten Branche, der Automobilindustrie, stehen die Zeichen auf Sturm. Was antwortest du den KollegInnen in der Zuliefererindustrie auf die Frage, wo sie ein halbes Jahr nach Corona und ohne Autoprämie stehen werden? Die KollegInnen äußern sich ja gerade selbst – und das sehr laut: Sie schließen sich zusammen, mobilisieren gegen angekündigten Stellenabbau und setzen sich für eine nachhaltige Entwicklung ihrer Standorte ein – und das an allen Standorten gemeinsam. So etwa bei Bosch, Borbet oder ZF, wo 15 000 Stellen abgebaut werden sollen. In der öffentlichen Diskussion wird oft übersehen, dass die Zulieferer Innovationsmotoren für die Automobilindustrie sind. Wer hochqualifiziertes Personal in Kurzschlusshandlungen abbaut, riskiert die gesamte Prozesskette des Fahrzeugbaus. Wenn wir den zügigen Austausch von Autos mit alter gegen solche mit modernster Verbrenner-Technologie, also gegen Hybride oder E-Autos, forcieren, dann wirkt sich das sofort positiv auf das Klima aus. Es sind noch um die 20 Millionen Fahrzeuge mit der Abgasnorm EU 4 oder älter auf unseren Straßen unterwegs. Diese 20 Millionen Autos sind kurzfristig nicht durch Elektroautos zu ersetzen. Deshalb sagen wir: Schafft Anreize für die Kunden, damit möglichst viele alten Karren vom Markt kommen und ersetzt sie durch moderne Fahrzeuge – dazu gehören auch moderne Verbrenner. Wir würden direkt einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten und Zeit gewinnen, um Brücken für die Beschäftigten zu bauen. Wir werden in den nächsten Monaten sehen, wie sich das Konjunkturpaket auf das Thema Beschäftigung auswirkt. Falls es nichts bringt, muss nachgesteuert werden. Wo wir schon von neuen Technologien sprechen: Was sagst du zu Tesla und dem geplanten Innovationszentrum? Die Produktion in Brandenburg und das geplante Innovationszentrum mitten in Berlin sind sehr willkommene Investitionen. So eine große Investitionsentscheidung zieht ja oft weitere Ansiedlungen nach sich. Für die Region ist Tesla eine wichtige Investition, vor allem wenn diese sich auch in Arbeitsplätzen und guten Beschäftigungsbedingungen ausdrückt. Wie gehen wir als IG Metall Tesla an? Tesla steht auf Erfolg – wir auch. Und da nachweislich mitbestimmte Unternehmen erfolgreicher sind, sollte das doch schon mal eine Basis für den gemeinsamen Dialog sein. Unsere KollegInnen vor Ort und im Bezirk sind hier offensiv unterwegs und werden das machen. Gerade in der Krise hat sich gezeigt, dass Mitbestimmung und beschäftigungspolitische Standards Erfolgsfaktoren für betriebliche und gesellschaftliche Stabilität sind. Corona ist das Eine, wir haben aber grundsätzlich schon eine durch Digitalisierung und Klimawandel geprägte Transformation, die unsere Betriebe beschäftigt. Ja, wir haben eine wirtschaftliche Krise, die unsere Branchen ins Mark trifft. Gleichzeitig waren wir durch die Digitalisierung von Produkten und Prozessen in den Unternehmen schon vor Corona gefordert, den technologischen Wandel so zu gestalten, dass er ökologisch und sozial ist. Wenn Arbeitgeber jetzt meinen, sie könnten Zukunftsvereinbarungen aufkündigen oder Verlagerungen vorantreiben, dann gibt es Krach. Im vergangenen Sommer waren wir mit 50 000 MetallerInnen für unser Leitbild eines fairen Wandels in Berlin auf der Straße und haben deutlich gemacht: Wandel geht nur mit uns! Er geht nur mit den Beschäftigten und nicht ohne die Mannschaft. Wer Klimaschutz wirklich ernst nimmt, der weiß, dass wir dafür politische Mehrheiten brauchen. Politische Mehrheiten gewinnen wir nur, wenn der ökologische Wandel sozial gestaltet ist. Stichwort Corona: Wie habt Ihr im Vorstand die Krise erlebt, was waren die Leitlinien eures Handelns? Unsere Leitlinie ist dieselbe gewesen wie hier in Berlin vor Ort: Wir sind für unsere Mitglieder da! Das hat vor allem bedeutet, Entlassungen zu verhindern, Einkommen und Beschäftigung zu sichern und in den Betrieben Gesundheits- und Hygienestandards durchzusetzen, um die Beschäftigten zu schützen. Wir haben sofort mit unserem Tarifabschluss und den darin vereinbarten Aufzahlungen auf das Kurzarbeitergeld reagiert, haben uns mit Erfolg für die gesetzliche Verlängerung der Kurzarbeit und das Arbeitslosengeld stark gemacht. Viele unserer Mitglieder haben Kinder und sind ja heute noch besonders gefordert. Gerad die Entgeltfortzahlung für Eltern war und ist uns ein Herzensthema, denn jedeR die/der Kinder hat – und dazu gehöre ich auch – hat eine sehr sinnliche und reale Vorstellung davon, wie lebendig, chaotisch und erschöpfend Home Office, Home Schooling und KITA at Home sein kann. Und hier sind es vor allem Frauen, die Gigantisches leisten. Wir haben dann sehr schnell Vorschläge für ein gesamtgesellschaftliches Konjunktur- und Investitionspaket entwickelt und in die politische Debatte eingebracht, um möglichst zügig mit Liquiditätshilfen, Kaufanreizen und nachhaltigen Infrastrukturmaßnahmen gegenzusteuern und damit Beschäftigung abzusichern. Es ist nach wie vor eine sehr intensive Zeit, die beispiellos ist. Festhalten können wir – und das bestärkt uns: Mitbestimmung, Tarifbindung und Sozialpartnerschaft sind die stabilen Anker für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade in Krisenzeiten sind Mindeststandards und eine Mitbestimmungskultur für schnelle, wirksame und soziale Lösungen unverzichtbar. Gleichzeitig werden genau diese Standards angegriffen. Hier mobilisiert sich an vielen Stellen vor Ort Gegenwehr. Was lernen wir aus Corona für die Zukunft? Corona hat sehr schonungslos, wie unter einem Brennglas, politische Fehlentwicklungen, überholte neoliberale Grundsätze und die Notwendigkeit eines starken, handlungsfähigen Staates offengelegt. Gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krise muss die steile Lernkurve jetzt Folgen haben. Und eine Folge ist: „ Steuergelder für Unternehmen, die in Schieflage geraten: Ja! Aber diese Steuergelder dürfen keine Einbahnstraße sein! Wer unterstützt wird, hat Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern, muss sich an Tarifverträge halten und darf nicht einseitig die Aktionäre beglücken. Denn der Markt wird alleine gar nichts richten! “ Entstehendes Tesla-Werk in Grünheide, Brandenburg Es ist gut und alternativlos, dass die Bundesregierung Milliarden mobilisiert. Und die Anschlussfrage nach den Kosten der Krise sollte in einem breiten öffentlichen Diskurs geführt werden. Wir brauchen eine offensive Diskussion um Verteilungsfragen. Große Vermögen müssen stärker zur Bewältigung der Krise beitragen. Die Kosten dürfen nicht über eine Absenkung sozialer Standards finanziert werden. Ihr habt nach dem Gewerkschaftstag die Zuständigkeiten im Vorstand neu sortiert. Wie hat sich dein Bereich verändert? Ich bin jetzt nicht mehr nur für die Bildungsarbeit und Erschließung, sondern auch für unsere „Campañeros“, also für die Kampagnen der IG Metall verantwortlich. Ich habe hier ein tolles Team übernommen und freue mich sehr über die neue Aufgabe. Die enge Verknüpfung mit strategischer Erschließung und Qualifizierung hat sehr viel Potenzial für Innovationen. Was hast du dir für die Wahlperiode vorgenommen. Wie wird sich Bildung ändern? Unsere Bildungsarbeit ist in Bewegung – und zwar im Turbomodus. Wir standen im März vor der Situation, dass wir alle Bildungszentren und auch die Bildungsarbeit von heute auf Morgen einstellen mussten. Gleichzeitig hatten wir einen immensen Qualifizierungsbedarf in den Betrieben zu den Themen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Kurzarbeit, rechtliche Fragen um Corona und Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Wir haben innerhalb kürzester Zeit auf digitale Bildungsformate umgestellt, haben unsere ReferentInnen geschult und sofort Online-Seminare für unsere BetriebsrätInnen, Vertrauensleute und aktiven MetallerInnen angeboten. Daraus ist ein wöchentlich aktualisiertes digitales Bildungsprogramm entstanden. Auch bei den gesellschaftspolitischen Fragestellungen haben wir durch Webtalks und Online-Seminare die Möglichkeit zur Debatte gegeben. Hier erreichen wir bei Themen wie Mobilitätskonzepte der Zukunft oder bei der Utopie-Konferenz der Jugend im Livestream Tausende von interessierten Mitgliedern. Uns hat hier geholfen, dass wir schon vor Corona ein digitales Kompetenzzentrum in Sprockhövel aufgebaut und eine Seminar App für Betriebsratsseminare entwickelt haben. Wir haben sowohl technisch als auch inhaltlich ein kompetentes Team und konnten daher sehr schnell reagieren. Uns ist auch wichtig, unsere neu gewählten Vertrauensleute trotz Corona schnell zu qualifizieren. Hier haben wir gemeinsam mit den Geschäftsstellen Konzepte für digitale Einführungsseminare entwickelt. Nichts davon ersetzt Präsenzseminare und dennoch werden wir unsere langjährige Erfahrung im Präsenzlernen und die steile Lernkurve beim Digitalen nutzen, um daraus ein noch innovativeres Bildungsangebot zu entwickeln. Seit Anfang Juni sind die Bildungszentren wieder geöffnet und starten – unter begrenzten Auslastungsmöglichkeiten – wieder voll durch. Was heißt das für die Zukunft von Bildung? Bildung wird immer wichtiger. Zwei Drittel der BetriebsrätInnen sagen, dass sie sich nicht ausreichend qualifiziert sehen für das, was kommt. Das ist das Ergebnis unseres Transformationsatlas, an dem sich auch viele Betriebe aus Berlin beteiligt haben. Durch die hohe Dynamik sind die Anforderungen an BetriebsrätInnen und Vertrauensleute enorm. Es geht nicht nur um fachliche und strategische Kompetenz, sondern auch um die Kunst, die Beschäftigten zu beteiligen, Widersprüche auszuhalten, gemeinsame Ziele zu entwickeln und im Konfliktfall auch zu mobilisieren. Wir stellen auch in der Bildungsarbeit Veränderungsprozesse und Kompetenzentwicklung in den Mittelpunkt – und das machen wir sehr praxisnah und konkret. Hieraus ergibt sich auch Veränderungsbedarf für unsere Arbeit und die Qualifizierung unserer hauptamtlich Beschäftigten. Das gehen wir offensiv an. Mein Anspruch ist, Kompetenz- und Gestaltungsprozesse noch stärker zusammenzudenken. Gehört dazu auch, die politischen Dimensionen von Bildung radikal aufzuwerten? Definitiv! Gerade in diesen Zeiten braucht es Debatten-Räume für Fragen nach Verteilungsgerechtigkeit, dem Verhältnis von Staat und Markt und sozialem und ökologischem Fortschritt. Gesellschaftlicher Zusammenhalt kann nicht verordnet werden. Ich zitiere immer wieder gern Oskar Negt, der so treffend gesagt hat: „Ich glaube, dass Bildung unter unseren Verhältnissen deshalb eine existenzielle Notwendigkeit hat, weil Demokratie die einzige Staatsform ist, die gelernt werden muss.“ Irene Schulz ist seit 2013 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall und dort zuständig für gewerkschaftliche Bildungsarbeit, Kampagnen und Erschließung, Bildungszentren sowie die Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“. Die 56-jährige Politologin hat vorher mehr als 20 Jahre in Berlin gearbeitet, davon neun Jahre in der Berliner Geschäftsstelle und der dortigen Bezirksleitung der IG Metall.
Ihr möchtet das ganze Interview lesen? Die ungekürzte Fassung findet ihr hier
Das OKR-Modell: Agile und zielorientierte Teamführung für BetriebsrätInnen
Die Corona Krise hat eine Unmenge an betriebspolitischen Themen auf den Tisch gebracht, die eine rasche Auseinandersetzung und deutliche Positionierung erfordern. Doch wie steuert man so etwas im Team? Wie kann man den Überblick behalten und gemeinsame Ziele fokussieren? In diesem Artikel zeigen wir, wie euch agile Teamführung nach dem OKR-Modell zu schnellen Reaktionen auf neue Entwicklungen in eurem Betrieb befähigt. Und zwar ohne hierbei eure eigentlichen betrieblichen Werte und Ziele aus den Augen zu verlieren. Die aktuelle Situation erfordert von uns schnelles Reagieren und hohe Anpassungsfähigkeit Wenn der plötzliche Ausbruch der Corona Pandemie und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Verwerfungen eines gezeigt haben, dann doch dieses: Als Betriebsräte müssen wir immer darauf gefasst sein, schnell umplanen zu müssen und uns rasch neue Sachverhalte aneignen zu können. Viele betriebliche Themen- und Handlungsfelder haben in den letzten Monaten „ohne Vorwarnung“ unser Eingreifen erfordert. Denkt beispielsweise an die konsequente Aufnahme von Hygienemaßnahmen im Betrieb, die Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen von Home Office, die Bewertung der Notwendigkeit von Kurzarbeit oder die Durchsetzung von Interessenausgleichen bei Insolvenzverfahren. Zudem mussten wir oftmals zu Transformationsthemen Stellung beziehen, die durch Corona gewissermaßen „beschleunigt“ wurden. Als Team stehen wir in solchen Situationen immer vor den Fragen: Was müssen wir zum Thema wissen? Wie können wir uns weiterbilden? Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Welche Handlungsmöglichkeiten haben wir? Wir müssen also dazu fähig sein… …schnell neue Themen aufzunehmen. …uns nötigenfalls weiterzubilden. …uns rasch zu positionieren. … geeignete Strategien und Handlungsmodelle zu entwickeln. …klare Ziele und Verantwortlichkeiten zu definieren! Und genau hierbei kann uns das OKR-Modell helfen! Bei der Teamführung nach dem OKR-Modell geht es um Ziele. Genauer gesagt: Um ihre Vereinbarung, Überprüfung und Messung. Es ist ein ideale Methode, um neue Projekte oder Kampagnen zu starten. Eine kurze Einführung.. „OKR“ bedeutet „Objectives and Key Results“ und lässt sich mit „Ziele und Schlüsselresultate“ übersetzen. Das Modell wurde entwickelt, um die Aufgaben der einzelnen Mitarbeiter oder Teams mit der Gesamtstrategie oder Vision der Organisation abzugleichen. Hierzu werden die Handlungsziele aller involvierten Einheiten und Personen vorab gemeinsam diskutiert, vereinbart und organisationsweit kenntlich gemacht. Daneben werden objektive, beziehungsweise messbare Indikatoren festgelegt, die für das Erreichen der betreffenden Ziele kennzeichnend sind. "Das Schlüsselresultate muss messbar sein. Am Ende kann man schauen – und zwar ohne argumentieren zu müssen: Habe ich das gemacht oder habe ich es nicht gemacht? Ja? Nein? Ganz einfach. Und ganz ohne Wertungen." John Doerr Nach Peter Ferdinand Drucker, der mit seiner 1954 erschienen Publikation Die Praxis des Managements den Grundstein zu diesem Modell gelegt hat, müssen diese Ziele spezifisch, messbar, erreichbar, wichtig und zeitlich terminiert sein. Auf der Basis dieses Konzepts haben Unternehmen wie Intel und Google das OKR-Modell entwickelt.OKR ist kein formal strenger Prozess, sondern ein Rahmenwerk, das sich auf den spezifischen Organisationskontext anpassen lässt. Mehr Agilität als Antwort auf ein dynamisches Umfeld Weshalb eignet sich OKR nun, um auf äußere Ereignisse schnell reagieren zu können? Wie fördert es agiles Teamwork und schnelles Handeln angesichts dynamischer Umfelder? Die Antwort: Die Zielvereinbarungen und Schlüsselresultate müssen in regelmäßigen und möglichst kurzen Abständen überprüft und neu formuliert werden. Zunächst auf der höchsten und allgemeinsten Ebene, dann auf der Ebene der verantwortlichen Teams. Auf diese Weise wird schnelles Reagieren möglich! Die Vorteile von OKR sind also: klare und bewegliche Zielvereinbarungsprozesse team- und ebenenübergreifende Synchronisation von Zielen agile Teamführung in dynamischen Umfeldern klare Erwartungen an das Agieren der MitarbeiterInnen Transparenz für alle Beteiligten Objektiv messbare Indikatoren für den Erfolg oder Misserfolg von Maßnahmen die Erleichterung der Ressourcenplanung Organisationen werden agiler, da sich die Reaktionsgeschwindigkeit in Bezug auf betriebs- oder gesellschaftspolitische Änderungen deutlich steigert. OKR ist einfach zu verstehen und lässt sich ohne komplizierte technische Infrastruktur implementieren. UND DAS BESTE IST: Im Prinzip benötigt man zur Umsetzung lediglich eine Excel-Arbeitsmappe oder besser noch ein teilbares Google Sheet! Worauf ihr achten solltet, um die Vorteile von OKR nutzen zu können: Im Betriebsrat sollte es eine verantwortliche Personen geben, die als OKR-Coach fungiert. Sie muss Einsatzbereitschaft zeigen und zeitliche Kapazitäten freimachen. Ihr müsst verschiedene Maßnahmen einführen, von denen der Prozess getragen wird. Dazu gehören die Planung, der regelmäßige Statusupdate, das Statusmeeting am Ende des Zyklus und die Retrospektive zur Erarbeitung von Verbesserungsoptionen. Die Schlüsselergebnisse (Key Results) sind klar zu beziffern beispielsweise in Kosten oder Prozentangaben, etc. Der Zeitrahmen ist zugunsten von Agilität immer so knapp wie möglich zu halten. Um die Transparenz zu gewährleisten, braucht ihr eine OKR-Liste in Form einer Tabelle, die alle einsehen können. Die Ziele sollten ambitioniert, aber realistisch sein. Negative Zielerreichungen solltet ihr als Anhaltspunkte zur Verbesserung zukünftiger OKRs nutzen. Um euch fokussieren zu können, sollten pro Team nur wenige Ziele vereinbart werden. Fehlende Disziplin bezüglich Transparenz, Fokus oder Einsatz kann OKR schnell zum Scheitern bringen. Ihr möchtet mehr zu dem Thema wissen und Insider-Tipps erhalten? Für nächste Woche haben wir ein Interview mit Jonas Kwaschik von Sleighdogs vorbereitet, der schon vielen Unternehmen und Organisationen bei der Einführung von OKR geholfen hat.
Wo soll es hingehen? Junge BR über die Zukunft von Arbeit und Interessenvertretung
Die Jugend ist entscheidender Akteur im Prozess der gesellschaftlichen Selbsterneuerung. Und sie hält uns den Spiegel vor. Wir fragen junge betriebspolitisch Aktive, was sie gerne anders machen würden und wie sie die Zukunft sehen – eine Zukunft, die sie sehr stark mitgestalten werden. Dieses mal gibt uns Cheyenne Todaro (26), Betriebsrätin bei Mercedes-Benz in Mannheim, Auskunft über die Ausgestaltung der Arbeitswelt und ihres Gremiums in fünfzehn Jahren. Erfahrt von ihr die Chancen und Risiken der Transformation! Ein Interview. Hey Cheyenne, wo zeigt sich bei euch die Transformation am deutlichsten? Bei uns hier am Standort Mannheim zeigt sich die Transformation in der Produktion beispielsweise am Zuwachs der Robotic oder an neuen technischen Hilfsmitteln wie Pick-by-Light bzw. Put-to-Light. Es sieht aber nicht so aus, als ob der Mensch demnächst komplett von den Maschinen verdrängt wird. Für den Angriff der Roboter wird auch einfach zu wenig investiert. (lacht) Allerdings zeichnet sich ab, dass aufgrund des technologischen Fortschritts und vereinfachter Arbeitsprozesse qualifiziertes Personal in diesem Umfang nicht mehr benötigt werden. Das Lohnniveau wird insgesamt zurückgehen. Niedrigqualifizierte Arbeit wird aber nicht aussterben. Was sind derzeit die größten Herausforderungen für euren Betrieb? Die größte Herausforderung sehe ich in der Weiterqualifizierung der Beschäftigten. Die Menschen müssen mit dem technologischen Fortschritt mithalten können – sonst verlieren wir sie unterwegs. Wenn neue Systeme eingeführt werden, brauchen wir parallele Qualifizierungen. Alle müssen rechtzeitig mit einbezogen werden – nicht erst wenn die neuen Maschinen schon installiert sind. Das setzt aber auch die Lernbereitschaft seitens der KollegInnen voraus. Das Lernen muss wieder gelernt werden; lebenslanges Lernen muss das Motto sein. Den Beschäftigten ist das manchmal nicht ganz leicht zu vermitteln. Viele KollegInnen arbeiten lieber, als sich fortzubilden. Ich glaube, dass hierbei oft Versagensängste eine Rolle spielen. Es ist nicht einfach, ein neues volldigitales System zu verstehen, wenn man sich seit dreißig oder vierzig Jahren sich nicht mehr schulisch weitergebildet hat. Mit fortschreitendem Alter wird alles immer schwieriger. Die Transformation erfordert aber dass wir mitziehen. So ist das nunmal, wenn sich die Rahmenbedingungen verändern. Wie kann man die Beschäftigten darauf vorbereiten? Ich glaube, ein guter erster Schritt kann in solchen Situationen ein gemeinsamer, also für das ganze Team verpflichtender Besuch eines Transfomations-Seminares z.B. der IG Metall sein. Da bekommt man viel Input und kann abhängig vom Betrieb eigene Schwerpunkte setzen. Als ich selbst bei einer Qualifizierungsreihe mitgemacht habe, war ich sehr erstaunt, wie weit die Technik schon ist. Was alles möglich ist. Und an was Firmen wie Tesla und Google bereits arbeiten. Das kann schnell an einem vorbeigehen. Wo siehst du die Chancen der Transformation? Die Transformation bietet viele Möglichkeiten – wenn man sie sinnvoll gestaltet. Gottseidank haben wir in Deutschland ja umfassende Mitbestimmungsrechte und -pflichten. Diese werden aber oft nur unzureichend ausgeschöpft. Wenn wir von Gestaltungsmöglichkeiten sprechen, ist da noch viel mehr drin. Welche Ursachen hat diese mangelnde Ausschöpfung? Oft liegt das an schlechten Qualifizierungen bzw. Kenntnissen. Manchmal aber auch schlicht an Bequemlichkeit oder Über-Angepasstheit. In diesem Sinne plädiere ich simpel dafür, die Mitbestimmungsrechte konsequenter auszuschöpfen. Dies gilt insbesondere für die Mitgestaltung der Transformation. Wir müssen raus aus der Komfortzone und unsere Mitbestimmungsrechte und Pflichten wahrnehmen. Wie findest du als junge Betriebsrätin eure Arbeitsprozesse im Betriebsrat – möchtest du was verändern? Ich würde gerne das bewahren, was sich in den letzten Jahren bewährt hat. Und dennoch neue Wege wagen! Ich bin mit Abstand die Jüngste im Gremium und das ist manchmal nicht ganz einfach. Ich komme halt grundsätzlich mit einer ganz anderen Geschwindigkeit an. Beispielsweise verstehe ich die mangelnde Akzeptanz moderner Kommunikationskanäle wie Whatsapp oder Soziale Medien nicht. Als ob man da gleich völlig seine Privatsphäre aufgebe oder rund um die Uhr empfänglich sein müsse. Selbst mobiles Arbeiten ist für die meisten BR-Mitglieder noch Zukunftsmusik. Im Zug mal die Mails checken, an Konzepten arbeiten, Telefonate führen – keine Chance. Es gibt eine grundsätzliche Abwehrhaltung gegen alles Neue – als ob man gleich alles Alte über Bord werfen würde. Im Unterschied dazu bin ich als 26-Jährige eine „digital Native“. Das sind schon ziemlich unterschiedliche Voraussetzungen. Neben der Einführung neuer digitaler Tools würde ich gerne unsere Arbeitsmethoden und Entscheidungsprozesse verändern. Da ist uns der Arbeitgeber meilenweit voraus. Dort gibt es agiles Arbeiten in Teams. Zu den unterschiedlichen Themen werden ExpertInnen eingeladen bzw. hinzugezogen. Es findet ein Meinungsbildungsprozess statt. Positionen müssen nicht zwangsläufig zementiert werden, sondern kommen immer wieder auf den Prüfstand. Genau so etwas stelle ich mir für uns auch vor – ist aber im Moment noch Zukunftsfantasie. Wie sieht euer Verhältnis zum Arbeitgeber aus? Wie arbeitet ihr zusammen? Auch auf der Arbeitgeberseite habe ich es zum großen Teil mit abhängig Beschäftigten zu tun, denn, ob man es glauben mag oder nicht, auch ein Produktionsmeister kann mal die Unterstützung einer Betriebsrätin brauchen, weil er einen Konflikt mit seinem Vorgesetzten hat oder die Arbeitsverdichtung zunimmt. Natürlich ist das nicht immer einfach, aber ich denke, mir gelingt der Spagat. Auf den höheren Ebenen sehe ich dann aber doch überwiegend die Interessenkonflikte bzw. die Klassengegensätze. Das deckt sich auch mit den Verhandlungen, die von den Betriebsratsvorsitzenden einerseits und von den Personalchefs andererseits geführt werden. Da lässt sich ebenfalls ein distanziertes, professionelles und abgestecktes Verhalten beobachten. Und wie werden Konflikte ausgetragen? Konflikte gibt es natürlich immer wieder. Sie ergeben sich zwangsläufig aus dem kapitalistischen System und den Klassengegensätzen. In der Realität changieren wir aber zwischen Konfliktbereitschaft und abgeklärten Pragmatismus – den ich manchmal schwer verdaulich finde. Beispielsweise erkenne ich in meiner Umwelt ein mangelndes Bewusstsein dafür, dass die Gewinne immer noch sehr ungerecht an die ArbeiterInnen verteilt werden. Dabei arbeiten wir in einer Branche, die jährlich Rekordgewinne macht. Unsere Aufgabe ist es, hierfür das Bewusstsein zu schaffen. Beispielsweise mit Hilfe der kapitalismuskritischen Seminare der IG Metall. Ein anderes Reizthema ist für mich „Fremdvergabe“ bzw. „Outsourcing“. Auf diesem Weg können oft die Personalkosten gesenkt werden, weil viele Firmen ein anderes Lohnniveau haben als Daimler. Eigentlich haben wir als Betriebsrat in diesem Punkt einen effektiven politischen Stellhebel. Die Deals sehen dann aber oft so aus, dass wir Leiharbeit zulassen und im Gegenzug Investitionenszusagen oder Garantien für die Stammbelegschaft ausgesprochen werden. Es gibt also ArbeiterInnen erster und zweiter Klasse, die gegeneinander ausgespielt werden, was mich auf die Palme bringt. Hier würde ich mir mehr Konfliktbereitschaft und weniger Egoismus wünschen. Wo siehst du euch in fünfzehn Jahren als Gremium? Ich werde hoffentlich sehr viel mehr junge weibliche Kollegen haben. Frauen werden insgesamt mehr Verantwortung übernehmen. Wir werden agil arbeiten. Und wir werden besser darin geworden sein, die Beschäftigten nach ihrer Meinung zu fragen. Wir werden beispielsweise für Abstimmungen oder Meinungserhebungen moderne Tools benutzen. Unsere Betriebsversammlungen werden interaktiv gestaltet sein. Denn es ist doch schlicht so: Wenn ich in Verhandlungen gehe, wird das Ergebnis doch immer bessere Akzeptanz finden, wenn alle einbezogen waren und es „unser“ Ergebnis ist. Mitentscheiden sollten bekanntlich diejenigen, um die es auch angeht. Ich habe einfach keinen Bock mehr auf StellvertreterInnen-Politik. Man sollte nicht ständig den Anderen das Kämpfen überlassen, sondern es gemeinsam durchziehen. Und wo siehst du in fünfzehn Jahren Daimler bzw. euren Betrieb? Ich sehe Daimler am Scheideweg. Daimler wird massiv investieren und Neues wagen müssen, wenn sie mithalten wollen mit Google, Tesla und Co. Das betrifft den Konzern als Ganzes – ein bisschen Digitalisierung ist zu wenig. Es geht darum, Mobilitätsanbieter zu werden und nicht nur Autos zu produzieren. Im Vergleich zu Google ist Daimler mittlerweile winzig – Google hat es aber natürlich auch leichter, weil es für diesen Konzern kaum soziale Regelungen gibt. Was noch? Die Arbeit wird hoffentlich ergonomischer und effizienter sein. In der Fertigung werden wir schneller und besser zusammenarbeiten und die Kundenorientierung optimiert haben. Ich möchte aber auch eine klassenbewusste, werteverbundene und gebildete Belegschaft. Es ist wichtig, dass wir kämpferisch bleiben, denn wir werden höchst wahrscheinlich auch in fünfzehn Jahren noch im Kapitalismus leben. Wir müssen nicht wegen jedem Quatsch die Revolution ausrufen, aber wir sollten uns auch nicht vom Arbeitgeber erpressen lassen. Jubeln bei Fremdvergabe wird hoffentlich Vergangenheit sein! Cheyenne Todaro (26) ist stellvertretende Vertrauenskörper-Leiterin sowie Betriebsrätin des Mercedes-Benz Werks Mannheim, einem Produktionswerk für Truck-Motoren und Stadtbusse. Insgesamt sind über 9000 Menschen in diesem Werk (Daimler Truck AG / EvoBusGmbH) beschäftigt.
Wege aus der Krise. Eine Diskussion über wichtige gesellschaftliche Weichenstellungen
Krise überall. Sie ist Schreckgespenst und Lehrmeister zugleich. Was wir als Gesellschaft aus Corona lernen können, fragte sich der Online-Lesekreis vom Bildungszentrum Schliersee. Die textliche Grundlage bildete der Text " In der Krise die Weichen stellen. Die Corona-Pandemie und die Perspektiven der Transformation." von Alex Demirović. Der Grundtenor ist: Lasst uns mit der Normalisierung von Krisen aufhören. Aber Wie?
Wir haben Maximilian Fichtner und Fabian Menner, die Initiatoren des Lesekreises, angesprochen, um über die Vorschläge des Autors und über die Bedeutung des Lesens für uns GewerkschafterInnen zu sprechen.
NBR-Redaktion: Hallo ihr beiden! Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt! Wenn ich den Text von Demirović recht verstanden habe, geht es dem Autor zunächst nicht um Wege aus der Krise, sondern um die Frage, wie wir da überhaupt hineingeschlittert sind. Ist der Kapitalismus ein fleißiger und stetiger Krisen-Produzent? "Zwei-Klassen-Gesundheitssysteme, wie wir sie dieser Tage in Italien oder den USA kennenlernen, beschleunigen die Krise." Maximilian: Die sozialen Probleme, die sich jetzt in Zeiten von Corona offenbaren, waren auch schon zuvor da oder zumindest in den herrschenden sozialen Verhältnissen angelegt. Unerwartete Ereignisse wie die Corona Pandemie, die sich nun als Wirtschaftskrise äußert, wirken katalytisch, das heißt als Prozessbeschleuniger auf die transformatorischen Veränderungen. Die Welt, in der wir Leben ist komplex. Ohne andauernde Veränderung kann es gar keine stabilen Verhältnisse geben. Manchmal sind diese stetigen Veränderungen aber derart tiefgehend, dass sie epochale Umbrüche darstellen. Was bei derartigen Umbrüchen rauskommt, ist offen. Rosa Luxemburg hat das zugespitzt mit ihrem Ausspruch: „Sozialismus oder Barbarei.“ Aber bei allem, was seit der Krise in Bewegung gekommen ist, will Demirović sogar infrastruktur-kommunistische Momente festgestellt haben. NBR-Redaktion: Was meint er damit genau? Fabian: Den Begriff „Infrastukturkommunismus“ übernimmt er von Wolfgang Streeck. Einerseits weist er darauf hin, dass wir für globale Pandemien auch eine globale Gesundheitsinfrastruktur benötigen – beispielsweise europäische Forschungseinrichtungen. Andererseits geht es auch darum, dass die Gesundheitssysteme nicht wirtschaftlicher Rationalisierung und Optimierung unterworfen sein sollten. Es muss Gewährleistet sein, dass jedeR Zugang zur vollen medizinischen Gesundheitsversorgung erhält, unabhängig davon wie die Person versichert ist. Gewinnorientierten oder kaputtgesparten Gesundheitssystemen fehlen ganz einfach die notwendige Zahl an Intensivbetten und diese werden noch dazu ungleich auf die Bevölkerung verteilt. "Jene neoliberalen Wirtschaftsexperten, die für kurze Zeit verstummt waren, haben schon wieder begonnen, ihr marktradikales Mantra anzustimmen." NBR-Redaktion: Der Kapitalismus scheint sich in der Krise selbst zu konterkarieren – in dem Sinne, dass statt Selbstoptimierung, Wettbewerb und Konsumismus neuerdings wieder Solidarität und Selbstbeschränkung gefordert werden. Maximilian: Die kapitalistischen Verhältnisse konterkarieren sich in diesem Sinne nicht selbst. Diese Verhältnisse sind nicht so totalitär, dass es nichts gäbe, was nicht auf den Kapitalismus zurückzuführen wäre. Und wir sind den Verhältnissen nicht in totaler Ohnmacht ausgeliefert. Solidarität ist ein dezidiert nicht-kapitalistisches Moment von gesellschaftlicher Gegenmacht. Der Kapitalismus konterkariert sich nicht selbst, es sind die Menschen, die diese Verhältnisse durchkreuzen, ihre Ohnmacht abstreifen und sich einer kapitalistischen Krisenverwaltung verwehren. Momentan sind es nicht die Unternehmensberater und Lobbyverbände, die die Politik bestimmen, sondern VirologInnen, EpidemologInnen und andere WissenschaftlerInnen. Dass die freie Wissenschaft Gehör in der Politik findet, ist toll, aber leider keine Selbstverständlichkeit. Mittlerweile dominieren in dieser Hinsicht ja eher wieder die sogenannten "Wirtschaftsexperten"... "Umbrüche bergen ein widersprüchliches Spannungsfeld von Möglichkeiten." Maximilian: Stimmt! Seit dem Ausbruch der Pandemie beobachten wir verschiedene Momente, die beiderlei Möglichkeiten erahnen lassen: Einerseits werden autoritäre Sehnsüchte kundgetan, es sind vermehrt Rufe nach „dem starken Mann“ zu vernehmen. Andererseits erleben wir Momente von Solidarität, nicht-kapitalistisch organisierter Selbsthilfe und dem in Anspruch nehmen von Würde. Diese Momente sind wohl das, was Marx in seinen philosophischen Schriften als „die wirkliche Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt“ bezeichnet hat. NBR-Redaktion: Wodurch zeichnet sich das Denken und Handeln der Neoliberalen im Kontext der Krise aus? Was ist problematisch daran? Fabian: Im Text wird ja nicht nur die Covid 19-Pandemie, sondern ja auch die Finanzkrise von 2008, die Flucht- und Migrationsbewegungen seit 2010 oder die Klimakrise angeführt. Nach Demirović besteht das typische Vorgehen der Verantwortlichen nicht in der Unterbindung von Ursachen, sondern in der Risikoabschätzung, wodurch „unnormale“ Phänomene in die Normalität überführt werden. Statt entschieden zu handeln, werden beispielsweise, im Kontext der Klimakrise, Überschwemmungen oder Waldbrände so dargestellt, dass sie kalkulierbar werden. "Auch im Kontext der Corona-Krise zeigt es sich, dass wir zur Normalität der Kapitalakkumulation und des Wiederaufbaus zurückkehren, statt eine grundsätzlichen System- oder Kurswechsel einzuschlagen." NBR-Redaktion: Was schlägt Demirović also vor? Maximilian : Statt in diesem Normalisierungsprozess erhebliche Freiheitsbeschränkungen in Kauf zu nehmen oder neue Kontroll-Apparaturen auszubauen, sollten wir die Verhältnisse reorganisieren . Denn: Für ihn hat Corona gezeigt, dass viele von uns nachdenklich geworden sind und das Verhalten zueinander geändert haben. Wir alle konnten das sehr schnell! Und wir sind durchaus dazu fähig, die Wirtschaft ein Stück weit herunter zu fahren, ohne dass wir uns gleich völlig zerstören. Der Reichtum ist da. Da, wo sich in den versteinerten Verhältnissen Risse auftun, schimmert die Möglichkeit hervor, den Reichtum von seiner Warenförmigkeit zu befreien, das heißt, den Reichtum zu vergesellschaften. Aufgrund des vorhandenen Reichtums und der hohen Produktivkräfte wäre es schon längst möglich, nachhaltigere Wirtschaftskreisläufe zu entwickeln und für allgemeine Wohlfahrt zu sorgen. "Demirović erkennt die Möglichkeit, die Denormalisierung transformatorisch zu wenden." NBR-Redaktion: Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen einen Online-Lesekreis durchzuführen? Maximilian: Als gewerkschaftliche Bildungsreferenten haben wir die Nachfolge der Gewerkschaftsbibliothekare angetreten. Wir stehen in der Tradition der proletarischen Lesezirkel und der Vorleser in den Tabakfabriken, die es in den Anfängen der ArbeiterInnenbewegung gab. Intellektuelle Auseinandersetzung ist die grundlegende Bedingung, um demokratische Lebensformen entwickeln zu können. Es führt kein Weg vorbei am Lesen des geschriebenen Wortes und dem nachdenklichen Sprechen über das zuvor Gelesene. Gerade die Dynamik des Wandels zeigt doch: Wir benötigen eine intellektuelle Vorstellung davon, was um uns herum gerade passiert. Wer die Veränderungen lediglich ohne theoretisches Verständnis verspürt, aber sein Bewusstsein nicht auf Tuchfühlung mit den in Veränderung begriffenen Verhältnissen schärft, kommt schnell auf krude Ideen oder Welt-Erklärungshilfen. Der Antisemitismus ist so ein Beispiel... "Wir dürfen ja gerade erleben, dass Verschwörungsmythen wieder en vogue sind… Ohne Bildung und Bewusstsein ist Emanzipation undenkbar." NBR-Redaktion: Und wie ist denn der Text eigentlich unter den Teilnehmenden aufgenommen worden. Wie war die Diskussion? Und was sind die Ergebnisse? Maximilian: Derlei Texte verlangen den LeserInnen einiges ab. Unsere Erfahrung ist aber, dass ArbeiterInnen sehr wohl in der Lage sind, anhand anspruchsvoller Theorien zu diskutieren, sofern die Theorie ihren Ausgangspunkt in ihre erfahrbare Lebenswelt nimmt, sie also als Subjekte ernst nimmt. Daher konnten wir in der Diskussion das, was Demirović auf der gesellschaftspolitischen Ebene beschreibt, mit Blick auf unsere nähere Umgebung überprüfen. Wir haben Demirovićs Text gewissermaßen als eine Art „soziologische Brille“ verwendet, mit deren Hilfe wir unseren Blick auf eigen Wirklichkeiten der gegenwärtigen Krise scharf stellen können. "Das Konzept des Infrastrukturkommunismus erinnert stark an eines unserer Ziele, die wir in unser Satzung festgehalten haben." Fabian: In der Diskussion hat sich auch herausgestellt, dass uns einige Denkansätze von Demirovićs bekannt vorkommen. Dort heißt es nämlich, dass zu den Aufgaben und Zielen der IG Metall insbesondere die Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum gehört. Da wurde in unserer Diskussion deutlich, dass wir als Gewerkschaften dieses Ziel wieder mehr forcieren müssen, um einen Beitrag zu den notwendigen gesellschaftlichen Umbrüchen zu leisten. Maximilian: Demirović winkt ja nicht mit der fertigen Blaupause einer bereits ausgemalten Utopie, sondern macht bewusst, dass die Gegenwart mit allen erdenklichen und noch-nicht vorstellbaren Entwicklungsmöglichkeiten aufwartet. Die autoritäre Formierung von Gesellschaft oder die Neuentdeckung der Solidarität sowie die volle Entfaltung jener Potentiale, die dem Menschen als vernunftbegabtes Wesen innewohnen – beides ist möglich. Weder der Verlauf der Geschichte noch die Zukunft ist Naturgesetzen unterworfen, sondern abhängig vom Denken, Begreifen und Verhalten des Menschen. Maximilian Fichtner und Fabian Menner sind Bildungsreferenten am Bildungszentrum Schliersee. Wir danken sehr für das interessante Gespräch. Wenn dich Demirovićs Original-Text interessiert: Den findest du hier.
Diskussionen zum Schwerpunkt Solidarität - in der neuen INSIDE!
Die aktuelle Krise beweist, dass wir zu solidarischem Handeln fähig sind! Diese Beobachtung haben wir zum Anlass genommen, uns mit dem Thema Solidarität ausführlicher auseinanderzusetzen. Schließlich handelt es sich um einen gewerkschaftlichen Grundwert. Wir haben Streikende und Biologen um ihre Meinung gebeten, unseren Vorstand und unseren Funktionsbereich befragt, die Geschichte der Arbeiterbewegung aufgerollt und eigene Recherchen unternommen. Unser Ziel war es, neue Perspektiven auf eine Kernkompetenz der IG Metall zu gewinnen. Viel Spass beim Lesen! Die fünfte INSIDE im Überblick:
JETZT ERST RECHT! Im Intro berichtet Jonas Berhe über gelebte gewerkschaftliche Solidarität. Er stellt fest: „Wir waren immer am stärksten, wenn die Herausforderungen am größten waren.“ IN ZEITEN WIE DIESEN In ihrem Leitartikel behandelt Irene Schulz die sozialen Auswirkungen der Corona-Krise. Und sie leitet hieraus ihre Forderungen für die Zukunft ab – für Arbeit, Bildung, Gesundheit und Klima. Neugierig? WHATS UP? Im Chat beleuchtet die INSIDE Redaktion Szenen einer Ehe: Die Solidarität bändigt den egoismus-fördernden Kapitalismus . Was sind das nur für Zankhähne, die beiden? Im positiven, wie im negativen Sinne. SOLIDARITÄT MIT WEM ODER WAS? Im Interview weist Dr. Daniel Christian Wahl nachdrücklich darauf hin, dass wir mit der Gemeinde des Lebens als Ganzes solidarisch sein müssen. Die COVID-19-Pandemie offenbart nicht nur viel Not und Leid, sondern fördert die Wahrnehmung und die Erkenntnis. UND PLÖTZLICH GEHÖRT ES ZU UNSEREM LEBEN Diese Ausgabe der Inside erscheint mitten in der Corona Krise. Krisen bringen neue Begriffe hervor – und „alte“ wieder auf die Agenda: Das Vokabular der Krise. DIE ARBEITER-BEWEGUNG IM RÜCKSPIEGEL DER GESCHICHTE Die Gewerkschaften nehmen ihren Ausgang in sozialer Ungerechtigkeit und industrieller Ausbeutung – den Ur-Erfahrungen für die Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert. In einem Zeitstrahl hat euch die Bildungsreferentin Chaja Boebel die Erfolge der Arbeiterbewegung und des gewerkschaftlichen Arbeitskampfes zusammengestellt. GANZ NORMALE LEUTE, DIE SICH AUCH UM SOZIALE DINGE KÜMMERN In welchen Gesten ist Solidarität erkennbar und in welchen Konzepten findet sie auf regionaler Ebene einen Ausdruck? Unser Kollege Michael Jänecke hat die KollegInnen eines nichtbetrieblichen Wohnprojekts in Emden gefragt – (s)ein Bericht. STRIKE! DER FALL SONTHOFEN Der Streik bei Voith turbo in Sonthofen ist zuende. Streikleiter Carlos Gil berichtet aus der Retrospektive über die Gründe für die starke Solidarität und bekräftigt die Bedeutung von Gemeinschaft, Identität und Tradition. EIN UNSOLIDARISCHES ANGEBOT? Stephan Parkan erklärt das „Ultimatum-Spiel“. Das etwas bedrohlich klingende Spiel ist eine praktische Anwendung der Spieltheorie und thematisiert Solidarität und Gerechtigkeit. SOZIALES WIE SEIFE VERKAUFEN Das seit 60 Jahren maßgebliche Konzept und unser Prinzip in der Kommunikation und im Handeln ist Social Campaigning. Aber wie können wir als Gewerkschaft unser Social Campaigning verbessern? Ein Aufruf zum Neu-Aufbruch. Wirklich SOLIDARISCHES HANDELN beginnt bei der WAHRNEHMUNG Marion King, die Gründerin von Les Enfants Terribles, über die Bedeutung von Achtsamkeit im Umgang mit unseren Mitmenschen. PODCAST: AM VORABEND DES 1. MAI Am Vortag dieses besonderen Tages haben Irene Schulz und Jonas Berhe ihre Gedanken in einem ersten gemeinsamen Podcast geteilt. Sie dachten vor dem Hintergrund von Solidarität und Bildung nach über den Zustand unseres Sozialstaats und den Sozialstaat der Zukunft. SEMINARTIPP: DEMOKRATIE UND FASCHISMUS Eine Weiterbildung zur Bedeutung von Solidarität – für ehrenamtliche ReferentInnen. Zur neuen Inside gelangt ihr auch hier >>
Was passiert mit meinem Urlaub während der Pandemie?
– Kolumne von Angela Kolovos –
Sommerzeit ist Urlaubszeit. Allerdings kommt es bei Urlaubsabsprachen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern oft zu Missverständnissen und Konflikten. Und die Rechtslage ist unter den Vorzeichen von COVID-19 sicherlich nicht einfacher geworden. Gottseidank kann der Betriebsrat in vielerlei Hinsicht eingreifen und mitbestimmen. Unsere Rechtsexpertin Angela klärt uns auf.
COVID-19 ist kein Urlaubshindernis Normalerweise haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf gesetzlichen Urlaub von vier Wochen im Kalenderjahr plus zusätzlichen tariflichen Urlaub für Gewerkschaftsmitglieder und eventuell noch darüber hinausgehenden Urlaub aus dem Arbeitsvertrag. Der Urlaub ist von den Arbeitnehmer*innen zu beantragen und durch die Arbeitgeber*innen in der Regel wie beantragt zu gewähren. Wurde der Urlaub beantragt und durch den/die Arbeitgeber*in bestätigt, dann kann die Lage nicht einseitig geändert werden. Bei diesen Regeln bleibt es auch unter COVID-19. Wann verfällt nichtwahrgenommener Urlaub? Ein Sonderproblem stellt die Übertragung von Urlaub ins nächste Kalenderjahr dar – sie soll eine Ausnahme sein und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, denn der Urlaub dient der Erholung im jeweiligen Kalenderjahr. Nach der aktuellen Rechtsprechung verfällt alter Urlaub jedoch nur, wenn ein*e Arbeitgeber*in die Arbeitnehmer*innen auf den Resturlaub hingewiesen hat, Gelegenheit zum Urlaub im dazugehörigen Kalenderjahr gab und der Urlaub trotzdem nicht genommen wurde. Auch das ändert sich nicht durch die Pandemie. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats Für den Betriebsrat ist es wichtig zu wissen, dass allgemeine Urlaubsgrundsätze der zwingenden Mitbestimmung unterliegen. Zu dem Thema solltet Ihr eine Betriebsvereinbarung haben! Probleme einzelner Kollegen*innen mit der Lage des Urlaubs unterliegen ebenfalls der zwingenden Mitbestimmung. Der Betriebsrat kann daher bei diesen Themen bis vor die Einigungsstelle gehen. Die Mitbestimmung gilt in der aktuellen Situation unverändert. Häufige Fragen in Zeiten von Corona Der Betriebsrat wird trotz der bei Urlaub gleichbleibenden Rechtslage vermehrt mit den folgenden Fragen konfrontiert: Kann bereits zugesagter Urlaub arbeitgeberseitig abgesagt werden und kann ein*e Arbeitgeberin einseitig noch nicht verplanten Urlaub festlegen? Nein, beides ist nicht zulässig und kann nur mit Einverständnis der Arbeitnehmer*in erfolgen. Bei Streit hierzu könnte der Betriebsrat das jeweilige Thema bis vor die Einigungsstelle bringen. Können Arbeitnehmer*innen ihren Urlaub ändern? Nein, das kann wiederum nur im Einvernehmen mit der Arbeitgeberseite passieren. Würde eine Arbeitnehmer*in eigenmächtig Urlaub antreten, könnte dies sogar als Kündigungsgrund dienen! Sollten Arbeitnehmer*innen trotz Reisewarnung eine Urlaubsreise antreten? Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist dazu Folgendes zu sagen: Soweit die Arbeit nicht wie vorgesehen angetreten werden kann (z. B. wegen geschlossener Grenzen, eingestellter Flüge oder Zugverbindungen), könnte ein*e Arbeitgeberin hieraus Konsequenzen ziehen durch z. B. Einstellung der Bezahlung für den Zeitraum, Abmahnung oder gar Kündigung. Selbst wenn die Reisewarnung aufgehoben wäre und eine Reise dazu führen sollte, das die Betroffenen ihre Arbeit nicht rechtzeitig wieder antreten können, kann arbeitgeberseitig die Lohnzahlung eingestellt werden. Zwar gibt es eine gesetzliche Regelung, die besagt, dass Arbeitgeber*innen bei vorübergehender Verhinderung die Vergütung weiterzuzahlen haben. Diese Regelung kann jedoch aus verschiedenen Gründen ausgeschlossen sein. Hierzu bedarf es individueller Beratung. Zusammenfassend besteht daher ein erhöhtes Risiko bei der Frage, ob Arbeitgeber*innen zur Zahlung der Vergütung verpflichtet wären. Auslandsreisen sollten deshalb derzeit wohlüberlegt sein. Fazit Achtet also einerseits weiterhin darauf, dass die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen zum Urlaub eingehalten werden – Abweichungen hiervon sind ausschließlich mit Eurer Zustimmung zulässig – und beachtet andererseits ebenfalls, dass Einzelne ihren Urlaub wie zugesagt erhalten. Informiert am besten proaktiv auch Eure Belegschaft über diese Rechtslage und die unveränderten Urlaubsansprüche der Kolleginnen und Kollegen.
Treiber einer sich schnell ändernden Arbeitswelt und die künftige Rolle der Gewerkschaften
Mit Maschinen konkurrieren? Uns ständig mit ihnen messen? „Schluss damit“, fordert der Zukunftsforscher Franz Kühmayer. Stattdessen sollten wir uns auf uns selbst besinnen. In seinem Statement erklärt er einerseits die wesentlichen transformativen Faktoren, die die Entwicklung unserer Arbeit und Gesellschaft in den nächsten Jahren bestimmen werden. Andererseits formuliert er, welchen Auftrag die IG Metall in diesem Szenario hat. Ohne Umschweife: Gegenwärtig können wir beobachten, dass Arbeit und Gesellschaft unterschiedlichen Veränderungen unterworfen sind. Das hat Gründe.
1. Strukturwandel der Arbeit Arbeit ist zunehmend entgrenzt. In der Vergangenheit haben wir gesagt: „Ich fahre zur Arbeit.“ Arbeit wurde in diesem Zusammenhang nicht als Tätigkeit verstanden, sondern als ein Ort und eine Zeit. Wenn man beispielsweise in einem Büro als Sachbearbeiter*in tätig war, musste er*sie zu einer bestimmten Zeit ins Büro fahren, weil dort die Produktionsmittel versammelt waren. Dort waren die Akten, dort war das Festnetztelefon, dort war die Schreibmaschine – also alles, was man gebraucht hat, um arbeiten zu können. Im Umkehrschluss konnte man nicht mehr arbeiten, wenn man sich von diesem Ort entfernt hatte. Heute ist das bei vielen Menschen nicht mehr so: Nicht wenige tragen die digitalen Arbeitsmittel ständig in der Westentasche mit sich herum. Man kann theoretisch ständig und überall arbeiten. Das führt zu einem Strukturwandel der Arbeit. In geografischer oder globaler Hinsicht heißt das: Tätigkeiten können international verschoben werden. 2. Wertewandel der Gesellschaft In historischer Sicht verändern sich Werte ständig, weswegen der Wertewandel zunächst nichts Neues ist. Wenn wir uns die Fragen stellen: Was macht gute Arbeit aus? Wie sieht eine gelungene Karriere aus? Was muss ein guter Arbeitgeber tun? Wann ist ein Job toll? – dann bekommen wir völlig unterschiedliche Antworten, abhängig davon, ob wir ältere oder jüngere Menschen fragen. Dieser Wertewandel sorgt dafür, dass sich die Unternehmen heute völlig anderes positionieren müssen. Sie müssen am Arbeitsmarkt anders auftreten, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Im unmittelbaren Zentrum steht heute die Frage nach dem Sinn. Denn immer mehr Menschen erkennen, dass Arbeit mehr ist als Einkommen. "Etwas Sinnvolles mit dem eigenen Leben zu tun, ist die Erwartung vieler Beschäftigten. Sie verändert den Arbeitsbegriff." Es geht um die Frage nach Sinn und Wertschätzung im Leben. Denn Menschen haben tief in sich drinnen das Bedürfnis, gebraucht zu werden, etwas Sinnvolles mit dem eigenen Leben zu tun und einen Beitrag zu leisten zu etwas Größerem. Sicherlich ist das unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber ich spreche hier trotzdem von tief menschlichen Bedürfnissen. Von Grundbedürfnissen. Seit den soziologischen Untersuchungen der 1930er Jahre (wie beispielsweise "Die Arbeitslosen von Marienthal"* ) wissen wir, dass die reine ökonomische Befriedigung eben nicht ausreicht. Das heißt, wenn wir beispielsweise über das bedingungslose Grundeinkommen nachdenken, dann ist das schon die richtige Richtung. Andererseits reicht dies aber nicht aus, weil wir die Menschen auf diese Weise nur ruhig stellen, ohne ihnen einen Sinn zu geben. Die Bedeutung der Arbeit für das Leben wird hierbei nicht ausreichend berücksichtigt.
3. Technologisierung / Digitalisierung In diesem Punkt stellt sich die Frage, wozu wir Menschen in Zukunft noch gebraucht werden bzw. nützlich sind. Was unterscheidet uns von den Maschinen? Und ich habe da eigentlich eine hoffnungsvolle optimistische Perspektive, denn ich denke, dass wir durch die Digitalisierung näher zu unserer Menschlichkeit gebracht werden. Denn den Wettlauf um das, was die Maschinen können, haben wir bereits auf der Startlinie verloren. Wir können nicht in Anspruch nehmen, dass wir schneller denken, analysieren oder rechnen können. Wir können auch nicht mit Fakten oder großen Datenmengen besser umgehen als ein Computer. Das ist Unsinn. Interessanterweise tun wir uns als Menschen sehr schwer damit, mit diesem Umstand umzugehen. Wir versuchen zwar nicht schneller zu laufen als ein Auto fahren kann – da haben wir uns damit abgefunden, unterlegen zu sein – aber beim Denken haben wir immer noch Vorbehalte. Was Maschinen derzeit und auf lange Sicht nicht können werden sind zwei Sachen – und diese beiden Sachen machen uns als Menschen ganz besonders aus: Wir sind schöpferische Wesen und wir sind soziale Wesen. Wir wollen lernen, uns entwickeln, die Welt entwickeln und etwas Neues schaffen. Schöpferisch. Und wir brauchen andere Menschen für unser Lebensglück. Beides sind Dinge, die Maschinen nicht können und brauchen. Und daher werden alle Tätigkeiten und Berufe, bei denen das Schöpferische und Soziale im Mittelpunkt stehen, an Bedeutung gewinnen – auch an ökonomischer. Was folgt daraus? 1. Wenn man das konsequent weiterdenkt, muss ein realistischer Schluss lauten: Fachliche Weiterqualifikation ist dann falsch, wenn es darum geht, das Rennen gegen die Maschinen zu gewinnen! Fachliche Weiterqualifikation ist nur dann der richtige Weg, wenn dieser in einer Ausweichbewegung gewissermaßen auf ein Nebengleis führt. Es darf nicht darum zu gehen, besser zu denken als die Maschine, sondern darum, anders zu denken als diese. Und dieses „Anders“ steckt im Kern des Humanismus. 2. Wenn ich mir diese drei Entwicklungen ansehe, erkenne ich eine frohe und erlösende Botschaft. Denn sie bedeuten nichts weniger als den Ausbruch aus unserer (eventuell) selbst verschuldeten Unmündigkeit. Sie geben uns die Möglichkeit, viel freier und selbstbestimmter zu arbeiten als wir das in der Vergangenheit getan haben. Gleichzeitig gehen auch viele wichtige Dinge in unserem Leben damit verloren. Beispielsweise Orientierung, Struktur und Sicherheit. Der richtige Umgang mit diesen Verlusten ist eine wesentliche Kompetenz. Daher ist die Bereitschaft zur Veränderung und zum stetigen Weiterlernen von wesentlicher Bedeutung.
3. Es ist wichtig, dass wir in diesem Kontext nicht nur auf der Mikroebene nachdenken – also auf den einzelnen Arbeitsplatz oder das einzelne Unternehmen bezogen –, sondern dass wir uns bewusst werden, dass diese drei Entwicklungen in gesamtgesellschaftlicher und globaler Hinsicht große Veränderungen mit sich bringen werden. Dazu gehört leider auch die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Wir haben zunehmend das, was wir fragmentierte Arbeitsverhältnisse nennen – also sehr unterschiedliche Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Qualifikationen, etc. Das alles durch eine einzige Interessenvertretung unter einen Hut zu bekommen wird zunehmend schwieriger. Wir brauchen einen zivilgesellschaftlichen Schulterschluss, um die Gesellschaft weiterzuentwickeln und um die gute Arbeit weiterzuentwickeln. Dabei müssen (und sollten) wir nicht alle gleicher Meinungen in partnerschaftlich geführten Diskussionen zu den großen Fragen der Zeit: Wie sollen Arbeit und Gesellschaft künftig aussehen? Wie bringen wir die widerstreitenden Interessen aus Umwelt und Wirtschaft zusammen? Der Schlüssel dazu ist, mehr mit- und weniger übereinander sprechen. Wir müssen Sorge tragen, dass wir ein gemeinsames Vokabular haben, wenn wir über die Zukunft sprechen. Fazit: Die Rolle von Interessensvertretern bzw. Gewerkschaften Welchen Aufgaben ich für Interessensvertretungen wie die IG Metall sehe? Erstens geht es darum, Benachteiligte zu schützen und unterstützen. Zweitens müssen die Gewerkschaften kritische und negative Entwicklungen erkennen und thematisieren. Denn wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Drittens müssen sie konstruktive Lösungen für die Zukunft entwickeln. Sie haben also in der Summe eine: Schutzfunktion, eine Warnruffunktion und sind Innovationstreiber. Das sind für mich die drei wesentlichen Zukunftsaufträge für die IG Metall.
–– Franz Kühmayer forscht am Zukunftsinstitut und ist u.a. Experte für das Thema „Zukunft der Arbeit“. Er hat Konzernvergangenheit und war lange als Manager in der IT-Branche tätig, bevor er seinen ureigenen Interessen folgte und in die Wissenschaft und Unternehmensberatung wechselte. Antworten zu finden auf die Frage, wie sinnvolle Reaktionen auf technologische und soziale Entwicklungen der Gegenwart aussehen können, versteht er als seinen persönlichen Beitrag zur Schaffung einer besseren Welt.
New Work #2: Die Neue Arbeit aus Gewerkschaftssicht
Wir nutzen bereits den 1. Mai, um uns Gedanken zur Zukunft der Arbeit zu machen. In diesem ersten Teil betrachteten wir das Konzept der New Work von Frithjof Bergmann. Für den zweiten Teil baten wir Dr. Jürgen Klippert die Ideen Bergmanns aus der gewerkschaftlichen Perspektive zu bewerten. Jürgen ist P olitischer Sekretär im Ressort Zukunft der Arbeit in der IG Metall-Vorstandsverwaltung.
New Work und private Regierungen – Mit Macht zur Selbstbestimmung Im Unternehmen der Zukunft verbinden sich das Streben nach Profit mit Sinnerfüllung und technologischer Wandel mit Menschlichkeit. So oder ähnlich liest man es auf vielen Websites, die das Konzept propagieren. „New Work“ ist die Vision von der Selbstverwirklichung des Menschen in der Arbeit. Für den Begründer des Konzepts, den austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann, war das Ziel, ein Gegenmodell zum Kapitalismus zu entwickeln. Daher begründete er seit den 1980er Jahren eine Bewegung der Neuen Arbeit.
Zentrale Werte des Konzepts New Work sind Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. New Work soll neue Wege von Freiräumen für Kreativität und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit bieten und echte Handlungsfreiheit ermöglichen. Das selbstbestimmte Handeln steht im Vordergrund. Die alten starren Arbeitsmethoden aus der Frühzeit der industriellen Revolution sollen der Vergangenheit angehören. Strikte Arbeitsteilung, klare Hierarchien sowie festen Kommando- und Zeitstrukturen, die das klassische Bild von Arbeit geprägt haben, sollen überwunden werden. Der Wandel zu New Work geht mit der digitalen Vernetzung einher und löst die alte Arbeitsweise immer mehr ab. Selbstbestimmt arbeiten, über das wann und wie und die Inhalte der Arbeit selbst entscheiden. Es klingt so, als sei es ein Konzept der Gewerkschaften. Gute Arbeit, abgesichert und selbstbestimmt, war schließlich schon immer gewerkschaftliches Ziel. Aber ist das gemeint, was wir als Gewerkschafter*innen darunter verstehen? Es gibt Leute, die sagen, es liege an der Unschärfe ihrer Konturen, warum Frithjof Bergmanns Neue Arbeit so zeitlos aktuell ist. Wie können die Umrisse von New Work geschärft werden? Es ist doch klar: Die neue Arbeit muss fassbar werden, um sie Wirklichkeit werden zu lassen. Wir sollten für Schärfe der Konturen sorgen.
Wenden wir den Blick auf die Realität der Arbeitswelt. Die US-amerikanische Philosophin Elizabeth Anderson bezeichnet in ihrer aktuellen Studie das Arbeitsverhältnis als „private Regierung“. Der Arbeitgeber ist der Herrscher, der seinen Angestellten Anweisungen erteilen kann, die bei Missachtung mit Sanktionen bestraft werden. Das arbeitende Subjekt hat keine Mitsprache dabei, wie die Regierung vorgeht, und es kann nicht fordern, dass bei diesen Entscheidungen der Regierung auch seine Interessen berücksichtigt werden. Die private Regierung ist weder demokratisch legitimiert noch kann sie demokratisch kontrolliert werden. Nach dieser aktuellen Zeitdiagnose klingt „New Work“ wie ein frommer Wunsch.
Selbstbestimmung und Freiheit im Angestelltenverhältnis ist ein Widerspruch. Eine Arbeitswelt ohne Konflikte gibt es nicht. Gleichzeitig erleben wir: das Einbringen eigener Ideen und Wünsche sowie selbstbestimmtes Handeln wird immer häufiger von Arbeitsgebern ausdrücklich erwünscht sind. Kontrolle und starre Hierarchien sind hinderlich, wenn es um schnelle Entscheidungen, Kreativität und flexibles Handeln geht. Die Arbeitswelt steht angesichts dieser Anforderungen vor neuen Herausforderungen und Veränderungen. Doch es ist nicht damit getan, einfach eine neue Arbeitswelt oder „New Work“ auszurufen. Diese neue Arbeitswelt muss erkämpft und gestaltet werden. Konflikte sind dabei unvermeidlich und „New Work“ kann diese Konflikte nicht einfach auflösen. Am Ende wird die private Regierung ihre wirtschaftlichen Interessen durchdrücken. Die Selbstbestimmung der „New Work“ verkommt dann zur instrumentellen Beteiligung der Arbeitenden. Solange es der „privaten Regierung“ gefällt, dürfen die Beschäftigten im gesetzten Rahmen selbstbestimmt agieren, solange die vom Herrscher vorgegebenen Ziele erreicht werden.
Beteiligung ist entscheidend, um eine neue Arbeitswelt zu verwirklichen, in der Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Entscheidungen zu verwirklichen. Damit ist demokratische Beteiligung gemeint, bei der Beschäftigte ernsthaft über das was, wann und wie der Arbeit mitentscheiden. Instrumentelle Beteiligung, bei der Beschäftigte fremdbestimmte Ziele mit begrenzten Ressourcen umsetzten (müssen), sind nicht geeignet, um das geforderte Einbringen eigener Ideen und Wünsche sowie selbstbestimmtes Handeln langfristig zu sichern. Demokratische Beteiligung benötigt Ressourcen, über die Arbeitende selbst verfügen können: Zeit, Zugriff auf Informationen, Qualifizierung. Das wird sich nicht automatisch realisieren. Eine Arbeitswelt ohne Konflikte gibt es nicht. Manchmal braucht es Macht, um eine neue Arbeitswelt zu realisieren. Macht, wie sie das Betriebsverfassungsgesetz den Betriebsräten verleiht. Oder wie sie von Gewerkschaften repräsentiert wird. Dies gilt auch für die heutigen Service-, Informations- und Kreativarbeiter, die mit „New Work“ in erster Linie angesprochen werden.
Jürgen Klippert, Dr. habil., ist Politischer Sekretär im Ressort Zukunft der Arbeit in der IG Metall-Vorstandsverwaltung, Frankfurt a. M.; mit dem Schwerpunkt auf die Entwicklung der Arbeitsqualität im Rahmen der digitalen Transformation. Arbeitsschwerpunkte sind dabei die humanzentrierte und partizipative Gestaltung von sozio-technischen Systemen. Dr. Klippert ist zudem Lehrbeauftragter für Arbeitssystemgestaltung an der Universität Kassel. Nach der Berufsausbildung und mehrjähriger Berufstätigkeit im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik studierte Jürgen Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Arbeit und Technik an der Universität Kassel. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitswissenschaft der Universität Kassel, um 2006 zu promovieren mit seiner Arbeit zum Thema psychische Belastung und Beanspruchung bei der Kooperation in digital vernetzten Arbeitssystemen. Im Jahre 2018 folgte die Habilitation im Fach Arbeitswissenschaft an der Universität Kassel mit seiner Arbeit zur Synthese sozial- und ingenieurwissenschaftlicher Ansätze der Arbeitswissenschaft unter dem Titel „Augmented Ergonomics“
Digitale Arbeitsorganisation 4 \ Teamführung vom Homeoffice aus
Führen ist seit jeher heikel. In den letzten zwei Monaten ist es allerdings noch komplizierter geworden. Dank Corona muss das Zuhören, Verteilen, Einsammeln, Beraten, Abstimmen und Motivieren komplett ohne persönlichen Kontakt auskommen. Lest hier, wie und mit welchen Apps ihr gestärkt aus dieser Phase hervorgehen könnt. Denn viele der Online-Tools bringen gegenüber klassischen Methoden Vorteile mit sich, die dir nutzen, wenn wir uns alle wieder sehen!
Seid euch der neuen Anforderungen an Team-LeiterInnen bewusst Zum Anforderungsprofil von Teamleiterinnen gehören seit jeher überdurchschnittliche soziale, kommunikative und organisatorische Fähigkeiten. Um erfolgreiche Teamarbeit und ausgeprägtes Team-Denken zu fördern, sollten Führungskräfte die Mitglieder des Teams richtig einschätzen können, gutes Informationsverhalten an den Tag legen und Projektabläufe sinnvoll strukturieren können. Auch in Zeiten von Home Office sind diese Kompetenzen von entscheidender Bedeutung. Aber: Zum neuen Tätigkeitsfeld der Teamleitung gehört jetzt auch die intensive Auseinandersetzung mit Online-Tools. Denn Videokonferenzen, zentrale Datenspeicher und virtuelle Whiteboards installieren und konfigurieren sich nicht von alleine, sondern sind von Projekt zu Projekt sinnvoll auszuwählen und anzupassen. Achtet daher bitte…
auf einen passenden Media-Mix. auf eine vorbildliche Nutzung der betreffenden Anwendungen. auf die Aneignung notwendiger technischer Fähigkeiten.
Und keine Bange: Ihr müsst nicht gleich zu Computer-Nerds werden, um eure Projekte erfolgreich managen zu können.
Nutzt Gruppen-Chat-Tools für mehr Transparenz und Übersicht Teamarbeit produziert multilaterale Kommunikation – und lebt vom engen und häufigen Austausch der Teammitglieder. Hierbei sollte niemand bei wichtigen Gesprächen übergangen werden oder außen vor bleiben. Andererseits sind Informationen nicht für alle MitarbeiterInnen gleich wichtig. Transparente und zugleich übersichtliche und gut rekonstruierbare Kommunikation lässt sich durch Gruppen-Chat-Tools wie Slack, Yammer oder Jive hervorragend organisieren. Sie erlauben…
die Einrichtung beliebig vieler Channels, die wie Chaträume funktionieren. die sinnvolle Definition von Teil- oder Untergruppen, geordnet nach Themen, Aufgaben oder
Verantwortlichkeiten. das unkomplizierte Teilen wesentlichen Ergebnisse oder Inhalte mit dem gesamten Team. die ausführliche Dokumentation und Auffindbarkeit des Kommunikationsprozesses. die Verknüpfung mit Projekt-Management-Tools und zentralen Datenablagen.
Letztlich ermöglichen sie es also alles an einem Ort zu haben und damit wesentlich zu entschlacken – weswegen eure Notebooks, Tablets und Smartphones dankbar aufatmen werden.
Ermöglicht bessere Zusammenarbeit durch geteilte Dokumente und Aufgaben Es gibt viele Online-Tools, welche die gemeinsame Arbeit an Dokumenten oder Aufgaben unglaublich erleichtern. Wenn ihr beispielsweise Daten auf einen zentralen Datenspeicher wie Google Drive hochladet und für die verantwortlichen KollegInnen freigebt, steht einer gemeinsamen Bearbeitung nichts mehr im Weg. Die Vorteile virtueller Zusammenarbeit sind zusammengefasst…
gesteigerte Produktivität durch simultanes Arbeiten an gemeinsamen Dokumenten. einheitlicher Wissensstand durch geteilte und kommentierbare Informationen. ortsunabhängige und zeitlich flexible Zusammenarbeit.
Es ist immer wieder spannend, den Cursor des Sparring Partners über den Bildschirm wandern zu sehen. Macht neue spannende Erfahrungen in der Interaktion und Kooperation! Stay creative!!
Startet Videokonferenzen im Interesse von Feedback und Teambuilding Schaut ihr euch die Marktdaten an, werdet ihr bemerken: Anbieter von Videokonferenz-Anwendungen wie Zoom, Vitero oder Mikogo sind die großen Gewinner der derzeitigen Krise. Es dürfte klar sein, woran das liegt: Sie haben herkömmliche Treffen im physikalischen Raum mittlerweile zu fast 100 Prozent ersetzt. Aber auch für die Zeit nach der Covid 19-Pandemie sollte man sich als Teamleiterin Folgendes bewusst machen: Sie gewährleisten…
hohe Flexibilität durch die örtliche Ungebundenheit der Beteiligten. extreme Kosteneinsparungen durch den Ausfall von Reisewegen und Unterbringung. penible Dokumentation durch die Aufzeichnung von Diskussionen. überprüfbare Abstimmungen und Meinungserhebungen. und Break out-Möglichkeiten für separate Sitzungen.
Nicht zuletzt erlauben sie körpergebundene Kommunikation fast wie im richtigen Leben! Manche Abteilungen führen daher mittlerweile wöchentliche virtuelle Kaffeekränzchen durch. Allerdings: Bei virtuellen Konferenzen ist immer ein gewisses Maß an Planung und effektiver Durchführung seitens der Teamleitung gefordert. Das technische Know-how ist hierbei entscheidend!
Behaltet die Kontrolle durch Automatisierung Manchmal werden Projekte sehr komplex – zu komplex, um als Teamleiterin alle Teilprozesse im Auge behalten zu können. Auch in diesem Punkt bieten digitale Projektmanagement-Tools wie Trello oder Meistertask klare Vorteile. Sie definieren…
Regeln für die Bearbeitung von Aufgaben. verbindliche Bearbeitungsfristen. ..die Verteilung von Aufgaben. feste Arbeitsschritte.
die Zugänglichkeit und Sichtbarkeit von Dokumenten. Auf diese Weise könnt ihr als Team-LeiterInnen immer sicher sein, dass jeder die richtigen Schritte befolgt und die Prozesse wie vorgesehen ablaufen. Vieles, was sonst händisch erledigt werden muss, lässt sich hier automatisieren.
Die Kommunikationsmittel und die Organisationstools haben sie entscheidend verändert. Wir wir sehen, sind sie unter bestimmten Voraussetzungen für die Team-Arbeit sehr nützlich. Welche Erfahrungen habt ihr als TeamleiterInnen in den letzten Monaten gemacht? Habt ihr nützliche Tipps für eure KollegInnen? Dann teilt sie uns bitte mit! Wir aktualisieren diesen Beitrag gern.
New Work #1: New Work und der 1. Mai
Dieser 1. Mai ist anders. In Deutschland sind 10 Mio. Menschen in Kurzarbeit. Uns steht die größte Wirtschaftskrise der Republik ins Haus. Und wir sind als Betriebsräte online beschlussfähig. Willkommen in einer Zukunft, die sehr plötzlich zur Gegenwart wurde. Lasst uns an diesem ersten kundgebungslosen 1. Mai in der Geschichte der Bundesrepublik über Arbeit nachdenken, die wir wirklich wollen und wie wir sie nachhaltig gestalten. Kurzum: Über New Work?
Ich war noch niemals in New Work Wer sich mit der Zukunft der Arbeit auseinandersetzt, stolpert früher oder später über die New Work-Bewegung. Unter diesem Schlagwort ist zu lesen, wie der technologische und soziale Wandel die Arbeit verändert. Allerdings versteht jeder unter New Work etwas anderes. Zwischen Home Office, flachen Hierarchien, Teilzeit, familienfreundlicher Arbeit, Purpose, Agilität, Open Space und sozialer Revolution ist alles drin. Woher kommt der Begriff und was meint er tatsächlich?
Ursprung und Bedeutung des Begriffs Wenn wir als Gewerkschaft von „guter Arbeit“ sprechen, dann haben wir zumeist die Arbeitsbedingungen im Blick. Wir beziehen unsere betriebliche Mitbestimmung auf ein gerechtes Entgelt für unsere Lohnarbeit, den Arbeits- und Gesundheitsschutz, soziale Sicherheit und Teilhabe. Erst zweitrangig geht es uns darum, dass wir unsere Fähigkeiten bestmöglich einbringen und ausbauen. Historisch ist diese Auffassung auf die widerstreitenden Interessen im Betrieb zurückzuführen: Die Gewerkschaften hatten die Aufgabe, die Arbeitnehmer bei bestehendem Machtgefälle vor der Profitmaximierung der Arbeitgeber zu schützen.
Der Begriff „New Work“ geht wesentlich weiter. Das Prinzip wurde in den 1970er Jahren von Frithjof Bergmann formuliert. Der austro-amerikanische Philosoph, Menschenfreund und Visionär stellt in seiner Sozialutopie die Selbstverwirklichung des Menschen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Bergmann geht es bei der Formulierung seines gesellschaftlichen Gegenentwurfs unter anderem darum, dass jeder Mensch eine Arbeit finden können sollte, die mit seinen eigenen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen übereinstimmt. Eine sinnvolle Arbeit ermöglicht die Potenzialentfaltung eines jeden einzelnen von uns. Sie soll im Dienst des Menschen stehen, nicht umgekehrt. Voraussetzung dafür ist eine völlig andere Arbeitskultur.
Das ist wesentlich weitreichender, als die zur gleichen Zeit vorherrschende Arbeitskultur, die in dem ebenfalls in den 1970er Jahren formulierten Mitbestimmungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommt: Die Unternehmensmitbestimmung habe die Aufgabe, “die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen.“
Die Renaissance des Begriffs unter den Vorzeichen der Transformation Die Umbrüche, die wir derzeit erleben, werden durch digitale Technologien wie Robotic, Vernetzung oder Blockchain bestimmt. Warum bringt das New Work heute wieder auf den Tisch? Die beiden wichtigsten Anknüpfungspunkt an Bergmanns New Work sind zum einen, dass das Individuum im Wirtschaftskreislauf eine größere Rolle spielen muss. Unternehmen haben erkannt, dass glückliche Arbeitnehmer, die sich mit ihrem Job identifizieren können, effizient, zuverlässig und selbstverantwortlich arbeiten. Der Wettbewerb um gutes Personal und schnell anpassungsfähige Organisationen führt zu veränderten Unternehmenskulturen und Führungsstilen. Zum anderen der Umstand, dass New Work davon ausgeht, dass der Gebrauch einer "Flut von überraschend innovativen Technologien sich positiv auf die Arbeit auswirken wird." Von der örtlich ungebundenen Steuerung technischer Anlagen per Remote-Control über die agile Organisation von Arbeit in zeitlich, räumlich und kulturell unabhängigen Teams bis zur Übernahme von unliebsamen Arbeiten durch Maschinen können neue Technologien sowohl Mechatronikern als auch Vorstandsvorsitzenden einen Zuwachs an Freiheit und Selbstverwirklichung bringen. Wie sieht sie also aus, die neue Arbeit? Die Geschwindigkeiten, mit der transformative Neuerungen in den Betrieben heutzutage aufschlagen, ist allerdings enorm. Überrollen uns die “überraschend innovativen Technologien” und ermöglichen, statt selbstverantwortlich genau das zu arbeiten, was wir wirklich, wirklich wollen, ein neues von Bergmann verurteiltes Level von Automatisierung? Eines an dessen Ende wir uns selbst wegrationalisieren? Neben vielen positiven Entwicklungen sind bereits heute auch negative Auswirkungen zu beobachten: Remote Arbeit führt zu ständiger Erreichbarkeit. Assistenzsysteme erleichtern zwar die Arbeit, bilden aber mächtige Kontrollinstrumente, die unsere Performance jederzeit auswerten. Und Betriebsratsgremien, die klassisch in Ausschuss-Strukturen arbeiten, sind oft nicht mehr in der Lage, auf die Vielfalt und Geschwindigkeit der Herausforderungen und Themen angemessen zu reagieren. Wir sind deshalb als Interessenvertreter nicht nur aufgefordert, gute Vorschläge im kleinen einzubringen, sondern müssen um unserer selbst willen prüfen, wie wir künftig die Arbeit im großen und ganzen definieren wollen. Dazu sollten wir nicht aus großartigen Konzepten wie der New Work wenige interessante Aspekte aus dem Zusammenhang reißen und darauf das künftige Arbeitsverständnis von Millionen von Arbeitnehmern gründen. Wir müssen weiter sorgfältig an unserem nachhaltigen Leitbild von Arbeit feilen. Vielleicht ja an diesem kundgebungslosen 1. Mai. Jan Vollmer, freier Autor u. a. für die Zeit, die Welt und das Handelsblatt, fasst das so zusammen „Vielleicht liegt ja gerade in der Unschärfe ihrer Konturen das, was Frithjof Bergmanns Neue Arbeit so zeitlos macht. Sie lässt sich immer wieder neu mit dem füllen, was wir selbst als unabdingbar für eine gute Arbeitskultur erachten – mit dem also, was wir wirklich, wirklich wollen. Einen Propheten aber, der uns den Weg hin zur Erlösung weist, suchen wir in Bergmann vergebens. Die digitale Transformation der Arbeitswelt müssen wir schon selbst hinkriegen.“
Bild Frithjof Bergmann
Richard Hebstreit - Flickr : IMG_5059 Prof. Frithjof Bergmann
Änderung BetrVG §129: Betriebsratssitzungen per Videokonferenz
In dieser herausfordernden Zeit sind Betriebsräte durch die vielen Themen, die durch COVID-19 im Betrieb aufkommen, besonders gefordert. Gleichzeitig ist die Betriebsratsarbeit selbst den coronabedingten Einschränkungen unterworfen. Da stellt sich die Frage, ob Beschlüsse immer der Anwesenheit bedürfen oder in Videokonferenzen wirksam gefasst werden können? Eine Antwortsuche mit Angela Kolovos .
§129 BetrVG bzw. Beschlüsse zur Video-Betriebsratssitzung Bisher war für Betriebsratssitzungen die körperliche Anwesenheit der Betriebsräte*innen vor Ort zwingend und Beschlüsse per Fernkommunikation nicht wirksam. Anlässlich von COVID-19 wurde nun am 23.04.2020 das Betriebsverfassungsgesetz geändert. Auf Grundlage des neuen § 129 BetrVG können Betriebsratssitzungen und Beschlüsse per Video- und sogar Telefonkonferenz erfolgen.Der neue Paragraf gilt nur bis Ende des Jahres. Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, seine Sitzungen in digitaler Form abzuhalten. Die Präsenzsitzung bleibt die Regel und die digitale Sitzung die coronabedingte Ausnahme. Die Mitglieder können die zwei Formen auch verbinden, sodass nur ein Teil per Video- und/oder Telefonkonferenz zu einer Sitzung zugeschaltet wird. Ob eine körperliche Sitzung vor Ort durch eine Videokonferenz ersetzt werden sollte, muss davon abhängen, ob eine körperliche Sitzung unter Wahrung der notwendigen Vorkehrungen zur Eindämmung der Pandemie möglich ist. Das wird von der Größe des Gremiums, der Größe und Lüftungsmöglichkeiten des Sitzungsraums und den Anreisemöglichkeiten der Mitglieder abhängen. Videokonferenzen sollten Telefonkonferenzen – soweit möglich – vorgezogen werden. Die Entscheidung liegt beim Vorsitzenden, der für die Vorbereitung der Sitzung verantwortlich ist. Statt eine Anwesenheitsliste zu unterschreiben, bestätigen die Teilnehmer durch eine Nachricht an den Vorsitzenden, die gespeichert wird (z. B. sms, E-Mail oder eine Nachricht über einen Messengerdienst), ihre Teilnahme. Bleibt noch die Nichtöffentlichkeit Digitale Sitzungen sind grundsätzlich nicht zulässig und sollten dies außerhalb von Corona auch bleiben. Hintergrund hierfür ist, dass Betriebsratssitzungen nicht öffentlich sind und die Wahrung der Nichtöffentlichkeit in einem geschlossenen Raum besser gewährleistet werden kann als im digitalen Raum. Deshalb müssen sich die Teilnehmer*innen in Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz alleine in geschlossenen Räumen aufhalten. Die Aufzeichnung der Sitzung ist verboten und strafbar. Vorsitzende sollten als Gastgeber*innen durch Voreinstellung die Aufnahmefunktion des verwendeten Programms deaktivieren und die Kollegen*innen auf die Erfordernisse der Nichtöffentlichkeit und die Strafbarkeit der Aufnahme hinweisen. Und was nun? Bevorzugt nach Möglichkeit analoge Sitzungen unter Einhaltung von Ansteckungsvorkehrungen. Wenn Ihr Euch doch für eine digitale Sitzung entscheiden müsst, dann achtet auf den Ausschluss der Öffentlichkeit!
Die Arbeitsorganisation der eigenen vier Wände
- von Rudolf Reitter -
Morgens im Schlafanzug an den Schreibtisch, zwischendurch Waschen, das Mittagessen wird am heimischen Herd gebrutzelt. Arbeiten im Home Office hat auch seine Vorteile. Hinsichtlich Arbeitsorganisation, Arbeitsdisziplin und Life-Work-Balance wirft es jedoch Fragen auf.
Wir haben unseren Kollegen Rudolf, selbst langjähriger Home Office-Haudegen gefragt, wie er mit den Herausforderungen des Home Office umgeht. Lest wie er seinen Tag gestaltet ohne durchzudrehen. Uns haben seine Tipps jedenfalls geholfen.
Struktur und Konsequenz bei der Arbeitsorganisation „Ich arbeite daheim und wohne im Büro“ – so die Worte einer befreundeten Betriebsratsvorsitzenden. Und das bringt es auf den Punkt. Die Trennung zwischen Beruf und anderen Bereichen des Lebens ist die große Herausforderung. Und die Lösungen lauten: „Struktur“ und „Konsequenz“. Denn: Klingt „Konsequenz“ nicht schöner als „Disziplin“? Nur: Welche Struktur passt zu mir? Eines vorweg: Es gibt keine Patentrezepte für ein erfolgreiches Arbeiten im Home Office. Wir müssen alle für uns selbst herausfinden, was am besten zu uns passt.
An gewohnten Ritualen festhalten und neue Rituale integrieren Seit über 10 Jahren arbeite ich im Home Office. Nicht ausschließlich. Meine Seminare und Workshops finden in Hotels und Bildungseinrichtungen statt. Der Wechsel zwischen Home Office und Seminar ist für mich immer noch schwierig. Die Tagesabläufe sind einfach zu unterschiedlich. Dennoch gibt es viele Rituale, die ich beizubehalten versuche. So stehe ich meistens um 07:00 Uhr auf, praktiziere fast jeden Tag 20 Minuten Rückengymnastik und esse gegen 18:30 Uhr zu Abend. Seit zwei Jahren arbeitet meine Frau ebenfalls im Home Office, und wir haben neue gemeinsame Rituale entwickelt.
In unserer Partnerschaft achten wir sehr stark auf unser Suchtverhalten. Alkohol gibt es nur an zwei Tagen in der Woche. Da wir jeden Tag kochen, ernähren wir uns sehr gesund. Für den Online-Aufenthalt in sozialen Medien haben wir ein Zeitlimit eingestellt, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, wie lange wir rumdaddeln. Und wir achten sehr auf die Länge unseres Arbeitstages.
Wöchentliche Planung Zweimal in der Woche gehen wir Einkaufen. Hier überlegen wir uns sehr genau, was wir wann essen möchten. Zu Mittags essen wir manchmal gemeinsam und manchmal alleine. Das hängt von unseren Terminen ab. Achtung: Das Mittagessen vorzubereiten braucht Zeit und dauert deutlich länger als der Gang in die Kantine. Abends essen wir gemeinsam und lassen den Rest auf uns zukommen. Oft fange ich schon am Abend zuvor zu überlegen an, was wir morgen alles anstellen könnten. Aber gerade in Zeiten der Corona-Pandemie fällt es mir leichter, das Nicht-Planen durchzuhalten: Morgen früh ist vielleicht eh alles anders. Das ist eine gute Zen-Übung. Versucht es auch mal!
Bewährt hat sich der „Verrückte Partnertag“: Jede Woche legt eine Person fest, was wir Besonderes machen. Da stelle ich mir übrigens auch sehr schön mit Kindern vor: „Der verrückte Familientag.“ Wir haben schnell gelernt, uns nicht zu viel vorzunehmen.
Morgendlicher Kick Off und Tagesstruktur Jeden Morgen besprechen meine Frau und ich beim ersten Kaffee, wie wir den heutigen Tag gestalten wollen. Wir versuchen jeden Tag eine Stunde gemeinsam Sport zu machen: Radfahren, Nordic Walking oder einfach mal gemeinsam Spazierengehen. Nach der morgendlichen Besprechung betreibe ich 20 Minuten Rückengymnastik. Denn: Erledige ich meine Rückengymnastik morgens nicht, mache ich sie gar nicht. Danach geht es ins Büro. Meistens sitze ich zwischen 08:00 und 08:30 Uhr an meinem Arbeitsplatz. Zuerst erledige ich organisatorische Dinge, die mir nicht so leicht von der Hand gehen. Meine Aufgaben schreibe ich mir in den Kalender. Und wenn ich etwas erledigt habe, lösche ich die Aufgabe. Meine Frau schreibt alles auf Zettel. Den Zettel zu zerreißen, ist ein schönes Ritual, und erledigt eine Aufgabe auch ganz real. Im Büro achte ich intensiv auf die bereits fortgeschrittene Uhrzeit. Spätestens nach einer Stunde stehe ich auf und bewege mich. Alleine arbeiten ist einfach viel intensiver. Am Nachmittag lese ich in der Regel und mache mir Gedanken, wie ich das Gelesene in die Betriebsratsarbeit integrieren kann.
Schafft euch einen eigenen Arbeitsplatz Meine Frau und ich haben jeweils eigene Arbeitszimmer. Das ist hilfreich. Abends können wir einfach die Türen schließen und am nächsten Tag weiterarbeiten. Das hat sich sehr bewährt. Daher mein Tipp: Schafft euch euren eigenen Arbeitsplatz und trennt diesen vom Rest der Wohnung ab – beispielsweise mit Pflanzen, Paravents oder Vorhängen. Es ist wichtig, vom Arbeitsplatz aus nicht auf sonstige „To Dos“ im Haushalt sehen zu können – sonst ist man schnell abgelenkt. Und umgekehrt gilt: Es ist nicht hilfreich, auf den Arbeitsplatz sehen zu können, wenn ihr im Freizeit-Modus seid. Eins geht gar nicht: Im Bett oder auf der Couch zu arbeiten. Neben gesundheitlichen Themen geht es auch um klare Abgrenzung zwischen Beruf und anderen Bereichen deines Lebens.
Kleider machen Leute „Raus aus dem Bett und rüber an den Schreibtisch“. „Waschen und anziehen kann ich mich auch später“. „Heute mache ich mal Nackt-Akquise“: Das habe ich mir alles schnell abgewöhnt. Sich morgens bewusst Zeit zu nehmen ist wichtig! Die täglichen Rituale vor dem Home Office sollten denen vor dem Aufbruch ins Büro durchaus ähnlich sein. Sich mit passender Kleidung ins Home Office zu setzen, kann eine starke Wirkung entfalten. Nicht umsonst heißt es: „Kleider machen Leute.“ Und wer auch auf den Weg zur Arbeit nicht verzichten will, läuft einfach zweimal um den Block und setzt sich dann daheim an den Schreibtisch.
Tagesrückblick – Daily Close Am Abend gehe ich gedanklich durch, was ich heute alles gemacht, geschafft und erledigt habe. Wenn etwas nicht gut funktioniert hat, überlege ich mir, woran es gelegen hat. Es hat durchaus einige Zeit in Anspruch genommen, bis ich rausgefunden habe, was gut zu mir passt. Das war ein wichtiger Prozess. Denn: Wenn der Ablauf gut zu uns passt, dann klappt es auch mit der Konsequenz. Wie du herausfinden kannst, welcher Tagesablauf gut zu dir passt? Stell dir einfach folgende Fragen:
Wie gestalte ich meinen Arbeitsplatz? Ist-Analyse: Was mache ich eigentlich den ganzen lieben Tag lang? Was stört mich bei der Erledigung? Was lenkt mich ab? Welche Gefühle begleiten die einzelnen Tätigkeiten? Welche Rituale kann ich ins Home Office integrieren? Welche neuen Rituale brauche ich? Start in den Tag – Daily Kickoff: Was machen ich heute? Was machen wir heute? Tagesrückblick – Daily Close: Was habe ich geschafft? Was hat gut oder nicht gut funktioniert? Bleibt die Frage: Wie geht es auch eigentlich im Home Office? Habt ihr Erfahrungsberichte oder Tipps und Tricks, die anderen weiterhelfen können? Dann kontaktiert uns bitte! Und zum Autor: Rudolf Reitter ist freiberuflicher Trainer und Berater. Sein zentrales Thema ist „Erfolgreiche Teamarbeit im Betriebsrat“. Dies ist auch der Titel seines Buches.
https://derbetriebsraeteberater.de https://www.facebook.com/RudolfReitter/ https://www.linkedin.com/
Digitale Werkzeuge, die euch durch die Corona Krise helfen: #2
Wir sind gezwungen, unsere Aufgaben als Betriebsrat von zuhause aus zu bewältigen. Glücklicherweise gibt es viele digitale Anwendungen, durch die wir unsere Zusammenarbeit sinnvoll gestalten können, ohne dass wir uns dazu persönlich austauschen müssen. In dieser Artikelserie stellen wir euch funktionale Tools vor, die eure Zusammenarbeit sinnvoll unterstützen.
PROJEKTMANAGEMENT-TOOLS: EXTREM ÜBERSICHTLICH UND KOLLABORATIV
Gemeinsame detaillierte Projektplanung: schwer durchführbar. Aufgabenverteilungen und Projektfortschritte: ziemlich unklar. Wichtige Dateien: kein Zugriff. Die Kommunikation mit den Projektmitarbeitern: knirscht gewaltig. Wo stehen wir eigentlich gerade und was soll ich als nächstes anpacken: Keine Ahnung. Wer kennt solche unsicheren Momente aus dem Arbeitsalltag eigentlich nicht? Und häufen sie sich nicht, seit wir im Home Office „gefangen“ sind?
In solchen oder ähnlichen Fällen könne Projektmanagement-Tools wie Trello und Meistertask wahre Wunder wirken. Denn sie helfen immens bei der Planung und Durchführung von gemeinsamen Projekten jeglicher Skalierung. Im Prinzip sind solche Anwendungen nach dem Vorbilder agiler Arbeitsmethoden wie beispielsweise „Kanban“ gestaltet. Das heißt, dass der Prozess in Phasen dargestellt wird. Alle Aufgaben werden als Karten in verschiedenen „Boards“ organisiert. Hierbei wandern sie von einer Phase zu nächsten. Auf diese Weise könnt ihr alle Prozessschritte, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Termine auf den ersten Blick erkennen. Über diese Programme haben wir schon häufiger berichtet. Wie ihr sie einrichtet und was ihr mit ihnen genau anstellen könnt, erfahrt ihr hier:
https://www.neue-betriebsraete.de/post/arbeitsorganisations-tipps-projektmanagement-mit-meistertask https://www.neue-betriebsraete.de/post/arbeitsorganisations-tipps-projektmanagement-verbessern-mit-trello https://www.inside-igmetall.com/tool-meistertask/
DROPBOX UND GOOGLE DRIVE VERBINDEN
Besonders gut funktionieren Trello und Meistertask im Verbund mit Online-Speichern wie Google Drive oder der Dropbox . Ihr könnt die Daten, die für eure KollegInnen einsehbar oder bearbeitbar sein sollen, dort ablegen, und die betreffenden Links auf den Karten in euren Boards hinterlegen. Auf Google Drive können sogar mehrere MitarbeiterInnen gleichzeitig an einer Datei arbeiten: So sieht gute Arbeitsorganisation aus! Worauf ihr unbedingt achten solltet:
Plant zeitliche Puffer ein – denn die Einarbeitung in neue Tools kann manchmal etwas dauern. Greift für Projektmanagement-Tools auf bewährte Organisationsstrukturen zurück. Beispielsweise: Geplant > In Arbeit > Erledigt! Die räumliche Distanz erfordert mehr Effektivität und Übersicht Fangt langsam an und ändert eure Prozesse nur in kleinen Schritten. Beachtet den Datenschutz: In kollaborative Tools dürfen personenbezogene oder sensible Daten keinen Eingang finden.
Betriebswirtschaftlicher Erfolg durch Mitbestimmung \ Studie
Forscher der Universität Duisburg-Essen und des WZB belegen in ihrer neuen Studie, dass Gewinnerzielung und Mitbestimmung keinen Zielkonflikt ergeben. Hier findest du die Zusammenfassung der Hans-Böckler-Stiftung. Neben den erfreulichen aufgedeckten Zusammenhängen: Unternehmen mit starker Mitbestimmung seien rentabler und verfolgten häufiger eine Qualitäts- und Innovationsstrategie und Mitbestimmung sei nicht nur ein Garant für Standort- und Beschäftigungssicherheit, sondern darüber hinaus auch ein Faktor für wirtschaftliche Stabilität und Prosperität.
findet sich am Ende der Zusammenfassung vielleicht der interessanteste Fingerzeig. "Das Ringen um adäquate Unternehmensstrategien" sei "mit Mitbestimmung wirtschaftlich erfolgversprechend." Das ist sehr ermutigend auf dem Weg in eine Wirtschaft, die von Arbeitnehmer*innen aus gedacht wird. Ein Grund mehr, noch mehr in Bildung zu investieren, um diese starke Mitbestimmung zu fördern.
> zur Zusammenfassung
> der vollständige Report
Arbeitsrecht: Grundlagen fürs Home Office
- Ein Kommentar von Angela Kolovos -
Bereits vor Corona war Mobile Arbeit im Trend. Jetzt ist sie eine Notwendigkeit, da sie Arbeit ohne zwischenmenschlichen Kontakt und Übertragungsgefahr ermöglicht. Das macht sie für Arbeitgeber attraktiv. Für Arbeitnehmer birgt das Chancen wie beispielsweise ein Mehr an Flexibilität. Aber auch Risiken wie etwa die Entgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben.
Was ist Mobile Arbeit im rechtlichen Sinne? Von Mobiler Arbeit spricht man, wenn Arbeitsleistungen außerhalb des Betriebs ohne festen Arbeitsplatz erbracht werden, dies jedoch nicht wegen der Eigenart der Arbeit zwingend ist, wie es zum Beispiel bei Vertriebs- oder Montagetätigkeiten der Fall ist. Dabei müssen nicht unbedingt mobile Endgeräte genutzt werden. Auch müssen Arbeitszeiten nicht flexibel sein. Außerdem ist Mobile Arbeit nicht gesetzlich geregelt – wieder einmal ein Thema, bei dem Betriebsräte die Ärmel hochkrempeln dürfen!
Welche Rolle spielt der Betriebsrat und die Betriebsvereinbarung? Mobile Arbeit kann nicht ohne den Betriebsrat eingeführt werden. Das gilt auch in Ausnahmesituation wie jetzt. Das ergibt sich daraus, dass bei diesem Thema Bereiche der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 BetrVG berührt werden, wie z.B. Arbeitszeit, technische Einrichtungen oder Gesundheitsschutz. Auch ist der Wechsel zu oder von Mobiler Arbeit eine Versetzung, die der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterliegt. Bei einer Betriebsvereinbarung zur Mobilen Arbeit liegt die Herausforderung darin, Wünschen der Belegschaft nachzukommen – befragt Eure Kollegen – und Risiken zu begegnen.
Achtet beim Home Office auf die klare Regelung der Arbeitszeiten! Das Arbeitszeitgesetz gilt bei Mobiler Arbeit uneingeschränkt. Arbeitszeiterfassung sollte zwingend Teil der Vereinbarung werden. Wie viel der Arbeitszeit soll flexibel, wie viel fest sein? Wie kann der Beschäftigte seine Arbeitszeit bestimmen? Gibt es Präsenzzeiten im Betrieb? Achtet auf sozialen Kontakt zum Betrieb. Regelt Pausen und Überstunden – aber auch den Umgang mit Zuschlägen. Denkt an Zeiten, in denen Arbeit nicht stattfindet – so genannte „Tabu-Zeiten“. Regelt ein Recht des Beschäftigten auf „Nichterreichbarkeit“. Regelungen der Arbeitszeit können durch Technik gesichert werden; Endgeräte können sich automatisch sperren und Arbeit erst nach Ablauf einer „Ruhezeit“ oder zu bestimmten Uhrzeiten zulassen. Trefft klare Regelungen zu Arbeitsmitteln – von der Nutzung privater Geräte ist abzuraten. Achtet auf Datenschutz – erfasste Daten sollten nur für Zwecke verwendet werden, für die sie erhoben wurden und Verhaltens- und Leistungskontrollen sollen unterbleiben.
Digitale Tools, die euch durch die Corona Krise helfen: #1
Einige von uns haben temporär einen ganz neuen Arbeitsplatz: die eigenen vier Wände. Das erschwert die Zusammenarbeit. In den nächsten Wochen möchten wir euch Tools vorstellen, die euch bei der sinnvollen Gestaltung der Zusammenarbeit helfen. Willkommen zum ersten Teil: Video Calls und Datenschutz!
TEIL 1- VIDEO-KONFERENZEN Du kannst als Betriebsrat die Zusammenarbeit im Betriebsrat online aufrecht erhalten. Für Video-Call-Anwendungen spricht vor allem: Die Technik ist einfach zu verstehen und zu nutzen Funktionen wie Bildschirm-Teilen oder Aufnahme ermöglichen dir ein gute Zusammenarbeit. Die Tools eignen sich auch für viele andere Formate wie z.B. kurze Vorträge oder Präsentationen. Konferenz-Apps bieten eine gute Gelegenheit, “Meeting-Kultur” zur optimieren: Ihr könnt euch gut vorbereiten und eine geeignete Teilnehmer-Zusammensetzung bestimmen. Nicht immer müssen alle dabei sein! Mit Zoom, Jitsi, Appear, Google Hangouts und noch vielen weiteren Tools, die sich auf dem Markt tummeln, bleibt dir die Qual der Wahl: Welchem Anbieter schenkst du dein Vertrauen? Die Funktionen sind bei allen mehr oder minder gleich. Im Folgenden erklären wir euch zunächst, was ihr als Betriebsrat über Video-Call-Anwendungen wissen müsst: STARTEN UND EINRICHTEN Alle Anwendungen setzen einen sogenannten „Host“ voraus. Diese(r) hat sich bei dem Anbieter seiner Wahl zu registrieren und kann dann sämtliche Mitglieder zu einer zeitlich definierten Sitzung einladen. Die betreffenden Personen nehmen dann wahlweise über Telefon, Desktop, Notebook oder Mobilgerät an der Besprechung teil. Möchtet ihr euer Bild übermitteln, setzt das natürlich auch für Desktops die Existenz ei