Alexandra Tode ist neugewählte Betriebsrätin und stellvertretende VK-Leiterin im Bezirk Küste. Sie hat uns erzählt, wie es mit der Tarifbewegung bei ihnen im Betrieb aussieht, vor welchen Herausforderungen sie aktuell stehen und was sie alles machen, um die Beschäftigten auf die Tarifrunde vorzubereiten. Darüber hinaus hat sie uns ihre Vision für eine gelungene Betriebsratsarbeit genannt - und dass sie in unseren Seminaren alles lernt, was sie für ihre Arbeit braucht und dabei ganz besonders den kollegialen Austausch schätzt. Ein Gespräch über Transparenz, Aktion und Kooperation.
Liebe Alexandra, wir blicken immer aus der Perspektive der Bildungsabteilung auf die Dinge. Die Tarifrunde steht vor der Tür. Wo steht Ihr?
Ich bin im April frisch in den Betriebsrat gewählt worden in einem Betrieb mit ca. 500 Kolleg:innen, wovon 70 % Mitglieder in der IG Metall sind. Wir fangen also nicht bei Null an, trotzdem wollen wir die Tarifrunde nutzen, um wieder sichtbarer zu werden und gleichzeitig einige unserer Aktiven wieder etwas stärker einzubinden. Wir nehmen auch gerade an den Workshops zur aktuellen Tarifrunde teil. Ich bin die einzige aus dem Betriebsrat, die mitmacht. Die anderen Teilnehmer:innen im Workshop sind alles aktive Vertrauensleute in unserem Bezirk. Die Workshops bieten mir einen wertvollen Austausch; ich fühle mich vorbereitet.
Macht Ihr aktuell Aktionen, bei denen die Workshops geholfen haben? Ja, wir sprechen vor den Werkstoren unsere Kolleg:innen an, erinnern, informieren, motivieren und zeigen: Die Gewerkschaft lebt. Wir bauen einen Stand auf, ziehen uns auffällig an, haben Give Aways dabei, verteilen Infoblätter und erklären, was ansteht. Eine Tarifrunde bedeutet, dass wir zum einen für unsere Bedürfnisse einstehen müssen. Zum anderen kann die Tarifrunde aber bedeuten, dass wir in den Arbeitskampf ziehen. Unsere Aktionen vor den Werkstoren sind also keine Folklore, sondern halten den Laden zusammen und erinnern die Arbeitgeber:innen an die Rolle der Arbeitnehmer:innen im Betrieb. Darf ich fragen, wie viele in der Regel stehen bleiben? Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal sind es 5 von 20, wenn es Gruppen sind, dann bleiben aber auch mal 10 von 10 stehen. Das hängt aber auch von vielen anderen Faktoren ab - wie das Wetter ist, die Zeit, die die Leute haben - wir sprechen sie ja auf dem Weg zur Arbeit an. Was uns auf jeden Fall alle sagen ist, dass unser Stand sehr einladend ist. Schön zu hören! Wusstest du vom Start weg, was du als Betriebsrätin zu tun hast? Grundsätzlich schon, denn es geht um mich und meine Kolleg:innen, es geht um den Menschen am Arbeitsplatz. Menschen investieren sehr viel Zeit und sich selbst, das macht ja auch was mit Dir! Gleiches gilt für meine Arbeit als Betriebsrätin. Ich bekomme so viele Einblicke, sei es im Arbeitsrecht oder Arbeitsschutz, zur Frage, wie wir die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen mit besonderen Bedürfnissen fördern. Meine Arbeit ist eine so umfangreiche Sache, aber diese Einsicht fehlt vielerorts. Ich glaube, es gibt immer noch Leute, die denken: Ihr trinkt ja ohnehin nur Kaffee. Wie könnten wir das ändern? Wie könnte eine andere Art der Zusammenarbeit im Betrieb aussehen? Ich finde Transparenz unheimlich wichtig. Den Mitarbeiter:innen mitteilen und aufzeigen, woran wir gerade arbeiten. Das ist aber nicht nur unsere Aufgabe, das müsste auch die Geschäftsführung tun. Gemeinsam müssen wir den Kolleg:innen das Gefühl geben, dabei zu sein. Stattdessen muckeln alle so vor sich hin. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir alle an einen Tisch holen und endlich einmal das offene Gespräch suchen. Wir müssen gemeinsame Ziele finden, denn wenn Menschen gemeinsame Ziele haben, dann haben wir uns zumindest schon einmal auf die Richtung geeinigt. Dann geht es nur noch darum, gemeinsam den Weg dorthin zu finden.
Und gelingt euch das im Betrieb?
Es geht meiner Ansicht nach allzu oft der Blick für das Große Ganze verloren. Jede:r geht nach Hause, und schaut, was als Nächstes im unmittelbaren Umfeld ansteht. Es fehlt mir das: Gemeinsam geht auch mehr! Wir müssen uns hinsetzen, sprechen und uns Zeit nehmen. Ich denke, das gilt auch für die anderen großen Themen, wie jetzt in der Tarifrunde.
Manche wissen genau Bescheid, manche gar nicht, wiederum andere interessiert es nicht, was wir sagen oder machen oder fordern. Es kommt auch auf die Tagesverfassung an, einige sind gestresst, sie haben ja alle auch ihre eigenen Probleme und Herausforderungen. Und dafür sind die Schulungen so wichtig, die richtige Rhetorik, um Argumente vorzutragen, die Geduld, sich auch Beschimpfungen anzuhören, das Talent nicht abzuschweifen, sonst landest du schnell bei Ukraine oder beim Klima. Super, dass die IG Metall genau dafür Weiterbildungen bietet.
Vorausgesetzt, ihr trefft den richtigen Ton: Wie schaffst du es, dass die Kolleg:innen für eure Forderungen auch einstehen?
Es kommt auf die Situation an. Eigentlich weiß doch jeder ziemlich genau, was er oder sie zum Leben braucht. Aber, um sie wirklich zu überzeugen, dafür müssen wir Verständnis und Auseinandersetzung organisieren und Gespräche führen. Ich denke, für solche positiven Gespräche sollten wir uns einfach mehr Zeit nehmen und im kleinen Kreis, in Ruhe zusammenkommen. Das geht vorm Werkstor vor der Arbeit nicht, wir wollen auch niemanden von seiner Arbeit abhalten - das ist auch dem Arbeitgeber wichtig. Wir müssen also sehr konstruktiv sein. Deshalb führen wir jetzt extra eine Sprechstunde ein,
Die Frage ist dabei ja auch, ob wir im Betrieb mehr Mitglieder gewinnen. Ich finde, wir brauchen Fingerspitzengefühl bei der Mitgliederfrage. Erschließung und Tarif zusammenzudenken ist gut, aber in der Praxis nicht einfach. Es ist eine Gratwanderung, denn die Mitgliedergewinnung liegt nicht allen. Wir haben im Betrieb eine positive Stimmung gegenüber dem Betriebsrat in der Tarifrunde. Den Menschen ist die Wichtigkeit bewusst und trotzdem gibt es natürlich Trittbrettfahrer:innen, die hoffen und darauf bauen, dass die anderen das tun, was sie selbst machen sollten.
Welchen Stellenwert hat Bildung jetzt im Rahmen der Tarifrunde?
Es ist schön, sich mit anderen Betriebsrät:innen aus anderen Unternehmen austauschen zu können. Dieser Meinungsaustausch ist unheimlich wichtig. Vor allem aber müssen wir alle die gleiche Sprache sprechen, und natürlich müssen wir alle straight ins Gespräch gehen können, die Forderung verstehen und erklären können, dass es nicht einfach nur darum geht, ein Stück Käse pro Monat kaufen zu können, sondern, dass es jetzt wirklich wichtig ist. Hier denke ich insbesondere an Rhetorik- und Kommunikationsseminare. Sie sind wichtig auch in Hinblick auf die Ansprache von Menschen, die an unserer Arbeit interessiert sind und die überlegen, Mitglied zu werden.
Liebe Alexandra, vielen Dank für die Einblicke in deine Arbeit.
Alexandra Tode kommt von der Küste und ist neugewählte Betriebsrätin und stellvertretende VK-Leiterin im Bezirk Küste. Sie ist mit der neuen Funktion Anfang des Jahres nach langen Zeit wieder in die IG Metall eingetreten.
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