top of page

Sprechfähig werden

»Demokratie stärken – Beteiligung fördern« heißt das Projekt, mit dem in den IG Metall-Bezirken betriebliches Engagement gegen rechte Positionen gestärkt werden soll. Im Bezirk Niedersachsen/Sachsen Anhalt unterstützt Felix Wesche die Arbeit vor Ort. Wir haben ihn bei einem Besuch in der Geschäftsstelle Celle-Lüneburg begleitet.

»Engagement gegen Rechts ist seit langem Teil der DNA unserer Geschäftsstelle. Wir arbeiten vor Ort erfolgreich in einem breiten antifaschistischen Bündnis. Im Frühjahr haben wir beispielsweise die Proteste gegen den AfD-Landesparteitag in Celle mit organisiert.« Lennard Aldag, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Lüneburg, ist überzeugter Antifaschist: »Als Metaller*innen nehmen wir unsere Verantwortung aus der Geschichte ernst. Wir organisieren jährlich Stadtrundgänge zum Thema Nationalsozialismus und Verfolgung der Gewerkschaften und intervenieren in aktuellen Auseinandersetzungen gegen Rechts.« Aktuell aber hat sich etwas verändert: »In der  Konfrontation mit rechten Stimmungen oder Positionierungen in den Betrieben stoßen wir an Grenzen«. Lennard und sein Kollege, Gewerkschaftssekretär Ralf Müller, nehmen wahr: »Der Wandel in den Betrieben schafft Unsicherheit, die Leute sind offen für einfache Antworten.«


Regionale Perspektive wichtig

Das liegt auch an der Region: »Wir sind eine extreme Flächen-Geschäftsstelle, unsere großen M+E-Betriebe liegen in der strukturschwachen Grenzregion zu Sachsen-Anhalt, hier pendeln viele Kolleg*innen aus der Altmark zur Arbeit – eine Gegend mit hohen Affinitäten zu AfD-Positionen. Themen wie Rassismus und die Ablehnung der ›da oben‹ spielen eine zentrale Rolle«, sagt Ralf. Denn trotz Tarifverträgen und guter Eingruppierungen machten sich viele Beschäftigte Sorgen um ihre Zukunft – das gelte vor allem für Männer mittleren Alters und mit mittlerem Bildungsabschluss. Azubis hingegen engagierten sich überwiegend sogar offensiv gegen die AfD.


»Da fehlt uns die Sprechfähigkeit«

Gespräche darüber, warum diese Kolleg*innen ihre Hoffnungen ausgerechnet auf die AfD setzten, seien oft gar nicht so leicht: »Denn im persönlichen Gespräch bekennen sich zwar einige zur AfD, im betrieblichen Kontext aber gibt es eine ›Schamgrenze«. Die wehren jedes Gespräch darüber ab«, erzählt Lennard. Es sei zuweilen nicht leicht, im Kontakt zu bleiben »Da fehlt uns die Sprechfähigkeit.« bringt es Ralf auf den Punkt. Es sind genau solche Tendenzen, die die IG Metall veranlasst haben, 2019 den „Verein zur Bewahrung der Demokratie“(VBD) zu gründen. Der soll Kolleg*innen in Betrieben und IG Metall-Geschäftsstellen darin unterstützen, sich gegen rechte Tendenzen zu wehren und so Demokratie und Mitbestimmung zu schützen (siehe Info ).


Demokratie stärken – Beteiligung fördern

Und das tut Felix Wesche. Er ist Leiter des Projekts „Demokratie stärken – Beteiligung fördern“ im Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt des VBD. Im Gespräch mit Ralf und Lennard hat er eine klare Antwort: »Wichtig ist die offene Auseinandersetzung«. Denn seien die Fronten erst verhärtet, könnten sich rechte Strukturen in den Betrieben etablieren. Er selber hat ausführlich zu rechten Netzwerken mit gewerkschaftlichem Bezug recherchiert: »Da gibt es eine offen rechtsextreme Vereinigung, die sich Gewerkschaft nennt, aber im Kern gewerkschaftsfeindliche Arbeit macht.« Wo extrem rechte oder populistische Akteur*innen präsent seien, versuchten sie, die Arbeit der IG Metall zu untergraben und verbale Gegnerschaft zu artikulieren. Dabei fehle ihnen meist jede Idee von konstruktiver Arbeit. Hier setzt deshalb das Projekt »Demokratie stärken« an: »Wir schauen genau hin, wo versteckte oder offene Verbindungen zu organisierten Rechtsextremen bestehen, wo sich betriebliche Akteur*innen jenseits des Betriebes offen antidemokratisch äußern oder organisieren – wir wollen die Wölfe im Schafspelz entlarven«, erklärt Felix das Vorgehen.



Konkrete Unterstützung

Aber der Verein leistet auch ganz konkrete Unterstützung in betrieblichen Auseinandersetzungen um rechtsextreme Positionen. Lennard weiß dabei ziemlich genau, was fehlt: »Die Argumente, mit denen wir konfrontiert werden, sind oft irrational, falsch wiedergegeben, aus dem Kontext gerissen und sehr populistisch. Wenn wir widersprechen, wird gleich das nächste Argument rausgeholt – diese Form der Auseinandersetzung kann sehr schnell ermüdend werden oder einfach zur offenen Ablehnung führen. Uns fehlen Kompetenzen und einfache Antworten, um im betrieblichen Alltag sprechfähig zu werden.«

Genau die hat Felix: »Hier setzen wir an: Wir sammeln Argumentationsmöglichkeiten, bieten niedrigschwellige Gegenargumente. Und wenn es gewollt ist, organisieren wir für Gremien auch Argumentationstrainings.« Doch es geht ihm um mehr: »Wir müssen offen bleiben für die Auseinandersetzung mit den Kolleg*innen. Wenn die Verbindung dicht ist, sind die Menschen für uns weg.« Es sei wichtig, dass sich die Kolleg*innen angesprochen fühlten und Themen behandelt würden, die sie bewegten. Lennard ergänzt: »Und gleichzeitig müssen wir auch wissen, wann es gut ist und klare Kante gezeigt werden muss.« Es brauche ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, adäquat zu reagieren.


Wir brauchen Demokratiekämpfer*innen!

Besondere Aufmerksamkeit erforderten dabei die sozialen Medien „Oft bekommen wir nur am Rande mit, wenn in Chatgruppen oder bei Facebook einzelne Kolleg*innen Memes oder Posts teilen oder Stories basteln, die eindeutig rechtsextreme Verweise oder Inhalte haben«, erzählt Ralf. »Denn schlussendlich kommt es auf die Kolleg*innen an: Wir müssen sie ermutigen und befähigen, in der betrieblichen Situation zu intervenieren und klar zu machen, dass unsere Ideen von Solidarität und Miteinander die Lösungen für gesellschaftliche Probleme sind und nicht Ausgrenzung und Diskriminierung.« Dabei unterstütze der VBD unter anderem mit Hintergrundrecherche und strategischer Beratung. Die Bildungsarbeit der IG Metall sorgt darüber hinaus dafür, dass die Gewerkschafter*innen eine stabile Grundhaltung entwickeln und sich trauen, sie klar und deutlich zu äußern. Lennard bringt es auf den Punkt: »Wir brauchen Demokratiekämpfer*innen!«

 

Der Verein zur Bewahrung der Demokratie

ist ein aktuell in vier Bezirken der IG Metall (BaWü, NDS-LSA, BBS und NRW) ansässiger Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen rechtsextreme Aktivitäten in Betrieben vorzugehen. Er wurde als Resultat eines Beschlusses vom Gewerkschaftstag 2019 gegründet. Neben der konkreten Arbeit im Betrieb gehört auch das Monitoring und die Recherche sowie Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit in den haupt- und ehrenamtlichen Gremien der IG Metall zu seinen Aufgaben. Es ist geplant und beschlossen, die VBD-Strukturen zu erweitern und in jedem Bezirk eine Ansprechperson einzurichten.

Comments


bottom of page