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Gerichtsurteil zur Arbeitszeiterfassung

Aktualisiert: 8. März 2021

- Kommentar von Angela Kolovos -

Das EuGH-Urteil erweitert deine Mitbestimmung

Warum das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung so wichtig für Betriebsräte ist. Es ist Euch sicherlich in den Medien begegnet: Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil zur Arbeitszeiterfassung vielleicht eine der wichtigsten Entscheidungen der vergangenen Jahre getroffen!


Aber was hat der EuGH eigentlich entschieden und wieso?

Bisher gab es keine Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung. Der Gerichtshof hat jetzt entschieden, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Arbeitgeber*innen verpflichten müssen, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer*innen zu erfassen. Die Richter*innen meinen, dass nur so die Einhaltung von Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer*innen wie Höchstdauer der Arbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten sichergestellt werden kann.


Und weshalb ist das EuGH Urteil so wichtig?

Das Thema Arbeitszeit ist eins der wichtigsten Themen unserer Zeit. Es beeinflusst – so wie auch das Thema Gehalt – das Leben der Arbeitnehmer*innen direkt. Mit allen anderen Themen, die aktuell unsere Arbeitswelt bewegen, wie zum Beispiel Industrie 4.0 oder Gesundheit ist Arbeitszeit untrennbar verbunden. Arbeitnehmer*innen sind heute vermehrt von Überforderung durch zu langes Arbeiten, fehlende Pausen und verkürzte Ruhezeiten bedroht. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird die Situation der Arbeitnehmer*innen verbessern, da die Arbeitszeit sichtbar wird. Arbeitnehmer*innen können so eher die Einhaltung ihrer Rechte im Auge behalten.


Was bedeutet diese Entscheidung für Betriebsräte?

Die Mitbestimmung im Bereich Arbeitszeit ist eine der wichtigsten: Egal ob Schichten, Vertrauensarbeitszeit, Gleitzeit oder Überstunden – Arbeitgeber können nur zusammen mit den Betriebsräten die Arbeitszeit gestalten. Bei dieser Art von Mitbestimmung haben Betriebsräte ein Recht, Regelungen von sich aus anzustoßen (Initiativrecht). Was der Betriebsrat hier zusammen mit dem Arbeitgeber*in regelt, wirkt sich direkt auf die Arbeitnehmer*innen aus. Die Regelungen zur Arbeitszeit sind eine Chance, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer*innen faktisch zu verbessern.


Das EuGH-Urteil kann Mitbestimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats erweitern: Das Bundesarbeitsgericht hatte bislang entschieden, dass der Betriebsrat die Einführung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems nicht verlangen kann, wenn der Arbeitgeber*in das nicht möchte. Nach der Entscheidung des EuGH kann dem Betriebsrat nun doch ein Initiativrecht auf Einführung einer Arbeitszeiterfassung zustehen. Denn der EuGH sieht die Regeln zur Arbeitszeit als dem Thema Gesundheit zugehörig. Arbeitszeitrecht schützt Arbeitnehmer*innen vor gesundheitsschädigender Überforderung. Das Fehlen einer Arbeitszeiterfassung sieht er als Gefährdung der Gesundheit. Der Betriebsrat kann bei Gesundheitsthemen Regelungen anstoßen, soweit eine Gesundheitsgefährdung besteht. Daraus ergibt sich, dass Betriebsräte die Einführung einer Arbeitszeiterfassung verlangen können.


Und was heißt das jetzt genau?

Ganz einfach: Nehmt das Thema Arbeitszeiterfassung in die Hand. Nur dann lassen sich die Rechte deiner Kolleg*innen effektiv schützen!

____________ Zum Urteil: Das EuGH-Urteil im Wortlaut findest du hier.

Zur Autorin: Angela Kolovos ist Fachanwältin für Arbeitsrecht. Als externe Bildungs-Referentin gibt sie bei der IG Metall Seminare zum kollektiven und individuellen (Arbeits-) Recht sowie zum Anti-Diskriminierungsrecht. Darüber hinaus ist sie Partnerin in einer auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei in Frankfurt.

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