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Das OKR-Modell: Ziele vereinbaren, korrigieren und messen

Aktualisiert: 24. Juli 2021


Kolumne Angela Kolovos zu Rechte Betriebsrat

Letzte Woche haben wir euch die Führungsmethode OKR vorgestellt und ihre grundsätzlichen Durchführung und Funktionsweise besprochen. DIeses Mal haben wir einen Experten gebeten, uns seine Erfahrungen mit OKR zu schildern. Jonas Kwaschik, Mitinhaber von Sleighdogs, erzählt uns, wie er es einsetzt und worauf man achten muss.




Allen, denen das Thema neu ist, empfehlen wir zuerst diesen Artikel.




Hallo Jonas, lass uns ganz grundsätzlich beginnen: Weshalb und in welchen Zusammenhängen verwendet ihr OKR?


Für uns ist OKR ist eine wunderbare Management-Methode, um sich im Team darüber auszutauschen, welche Ziele man hat. Wir führen sie gerne in Unternehmen ein, von denen wir Innovationsaufträge im Bereich der Digitalisierung erhalten haben. Wenn ein Unternehmen sagt „wir möchten jetzt einen Sprung machen und hierbei auch die Digitalisierung angehen“, ergänzen wir oft dessen Teams durch unsere Entwickler und klären das Projektmanagement. Wir starten dann eine Art Coaching Prozess, innerhalb dessen wir wöchentlich mit den Mitarbeitern die von ihnen aufgesetzten Innovationsprojekte durchschauen. Und um beurteilen zu können, ob diese auf der richtigen Spur sind, legen wir dann meistens eine Übersicht, ein sogenanntes „OKR-Dashboard“ an. Dieses besprechen wir dann mit dem Management.


Für wen eignet sich OKR besonders? Und weshalb?


Ein besonders häufiges Missverständnis besteht darin, ein „Objective Key Result“ mit einem „Key Performance Indicator“ gleichzusetzen. Der Unterschied liegt darin, dass sich ein OKR gegenüber einem KPI vor allem für neue Maßnahmen oder Projekte eignet, aber nicht für das operative Geschäft. Mit OKR misst man weder Kundenzufriedenheit noch den Umsatz. Ein OKR eignet sich dagegen, um festzustellen, ob ein neues Vorhaben wirklich das Ziel trifft, das ich erreichen möchte. Es geht also vor allem um Ziele innerhalb von neuen strategischen Vorhaben und dementsprechend eignet es sich für Unternehmen oder Organisationen, die auf eine Reise gehen oder die sich in einem Innovations- oder Veränderungsprozess befinden. Sobald die Prozesse laufen und alles eingepflegt ist, macht OKR eigentlich keinen Sinn mehr. Das Skalieren und Beobachten von Projekten ist dann eher was für KPIs.


Wie bringt ihr OKR den Kunden näher? Bietet ihr Workshops an oder wie sehen die Vermittlungsformen aus?


Wir favorisieren einen praktischen Ansatz im Sinne von „Learning by Doing“. Natürlich stellen wir anfangs in einem Workshop kurz vor, wie das Ganze funktioniert. Wir geben auch Beispiele, wie das andere Unternehmen gemacht haben und besprechen mögliche Anwendungsfälle, um überhaupt erst auf Ideen zu kommen. Wir kommen dann aber sehr schnell darauf zu sprechen, welche Projekte für das Unternehmen relevant sind und was in diesem Kontext passieren soll.


Meistens sind Innovationsvorhaben ja durch wirkliche Problemlagen motiviert. Wir fragen dann nach den Konflikten und Baustellen. Das kann man dann in Projekte gießen und mit OKRs versehen. Soll heißen: Man definiert die OKRs nicht gleich am Anfang im Kontext der Strategieentwicklung, sondern erst in der Ausformulierung der konkreten Projekte und Maßnahmen. Es geht darum, die Strategie auf einzelne Maßnahmen und Ziele herunterzubrechen.


Könntest du erläutern, worauf man bei der Einführung besonders achten sollte? Oder anders gefragt: Kann man echte Fehler machen?


Ein häufiger Fehler besteht darin, dass der Plan zu streng befolgt wird. Es geht ja letztlich um einen Lernprozess, wie man geeignete Ziele setzt und sie erreicht. Hierzu muss man sie auch reflektieren und gegebenenfalls unterwegs neu justieren. Wenn ich beispielsweise auf der Hälfte der Strecke feststelle, dass das OKR nicht so wahnsinnig clever formuliert war, weil das Ziel gar nicht erreichbar ist, dann ist es nicht clever bis zum Ende zu warten, um mir bescheinigen zu können: „Habe ich nicht erreicht.“ Stattdessen sollte man es frühzeitig anpassen.


Es geht also nicht darum, ein System zu finden, dass die Performance von MitarbeiterInnen bewertet – im Sinne von: “Ich mach jetzt mal OKRs für jeden Mitarbeiter und bei 75 % Ergebniserfüllung bekommt man einen Bonus.“ Das wäre richtig schlecht! Denn genau das verhindert einen offenen und ehrlichen Dialog darüber, was man erreichen möchte und wie man das erreichen kann. Man möchte sich ambitionierte Ziele setzen, aber das macht niemand, wenn man dafür jedes Mal bestraft wird. Außerdem sollte man am Anfang darauf achten, Ziele nicht mit Aufgaben zu verwechseln und die Resultate wirklich messbar zu machen. Der beste Weg ist, das Ziel und dessen Erfolgsmessung im Futur II – also aus einem Ist-Zustand in der Zukunft – zu beschreiben.


Das würde sonst ja auch der Dimension der Agilität komplett widersprechen, oder?


Richtig. Es geht ja darum, bei Nichterfüllung den Kurs oder den Weg zur Zielerreichung zu ändern – und nicht darum, die MitarbeiterInnen abzustrafen. Die Ziele stehen im Mittelpunkt – nicht die MitarbeiterInnen.


Benötigen Unternehmen oder Organisationen, die OKR einführen möchten, unbedingt Experten von außen, die das Ganze coachen – oder kann man das allein stemmen?


Wenn man mit der nötigen Offenheit und Lockerheit an eine solche Einführung herangeht, dann kann man das sicherlich auch alleine bewältigen – warum auch nicht. Man braucht nicht unbedingt eine tiefgehende Vorbildung. Man benötigt auch kein besonderes technisches Equipment – eine Excel-Tabelle oder ein gemeinsam bearbeitbares Dokument reicht völlig aus. Es geht vor allem um die Bereitschaft, Ziele offen zu diskutieren und diese auch immer wieder zu reflektieren.


Allerdings kann ein Externer, der nicht befangen ist und sich auch nicht beweisen muss, sehr hilfreich sein. Ein solcher Coach oder Sparringspartner mit unterstützendem Charakter sollte aber nicht sagen wie man es macht, sondern vor allem die richtigen Fragen stellen, um den „Mentee“ zum eigenständigen Denken anzuregen und ihn selber auf Antworten kommen zu lassen. Der Coach kann dann eher nochmal zu fragen: Wie bist du darauf gekommen? Was waren deine Gedanken dazu? Und dann vielleicht ein paar Anregungen geben, wie man das auch sehen könnte und wo man dann landen würde.


Muss es innerhalb der Organisation dann einen Verantwortlichen für die Aufrechterhaltung des Rahmenwerks geben?


Ja, so ähnlich wie bei allen Prozessen, die Richtung Management oder Unternehmenskultur gehen, benötigt man natürlich das Buy-in vom Top-Management. Wenn der Leiter das nicht aktiv stützt, wird das auch nicht funktionieren. Zudem ist es hilfreich, einen sogenannten Ambassador zu bestimmen, der für andere im Unternehmen oder Team der Ansprechpartner ist. Er hat die Thematik zu vertreten und dafür zu sorgen, dass die MitarbeiterInnen eingeführt werden, Fragen beantwortet und Erfahrungen ausgetauscht werden. Dieser Botschafter sollte nicht von außerhalb, sondern aus dem Unternehmen kommen. Denn alleine schon die Übersetzungsleistung, all die Beweggründe und den ganzen Kontext von intern nach extern zu bringen, würde zu deutlichen Übertragungsverlusten führen.


Eine letzte Frage zum Thema Agilität: Wodurch wird Agilität hergestellt? Worauf sollte man in diesem Kontext speziell achten?


Agilität bedeutet ja nicht: Man hat keinen Plan mehr – etwa im Unterschied zum wasserfallartig organisierten Projektmanagement, wo man am Anfang alles plant und dann nur noch ausführt und abarbeitet. Agilität heißt, dass man den Plan ständig verfeinert und an die Gegebenheiten anpasst. Man hat einen Plan, lässt aber zu, dass die Realität auf diesen auch Einfluss ausübt. Man bleibt nah an der Wirklichkeit. Das ist mein Verständnis von Agilität. Agil sein bedeutet, seine Standpunkte wechseln zu können, falls erforderlich.

In meinem Kontext geht es hierbei oft um technische Entwicklungen – plötzlich ist beispielsweise ein neues Produkt auf dem Markt und andere Dinge werden möglich. Da muss man dann reagieren. Ich habe es aber selten erlebt, dass man in eine völlig andere Richtung wechseln muss. Im Sinne von: „Jetzt machen wir was ganz anderes.“ Meistens läuft es so, dass man feststellt: „Dieses oder jenes ist doch nicht so wichtig – wir sollten uns nicht so sehr darauf konzentrieren. Lass uns diese neue Funktion integrieren und dafür eine andere streichen.“ Und dies immer wieder zu sortieren ist dann auch die Aufgabe von periodischen Review-Terminen. Und Agilität heißt auch, dass man sich sehr sicher darüber ist, wo man hin möchte: „Das ist unser Ziel und deshalb machen wir es so oder so. Und passen uns neu an.“ Diese Dimension ist vor allem für das Standing derjenigen extrem wichtig, die das Ganze vertreten und gegenüber den MitarbeiterInnen rechtfertigen müssen. Der Prozess ist alles andere als beliebig, sondern hilft dabei, die anvisierte Richtung einzuschlagen.


Zur Person: Jonas Kwaschik ist u.a. Mitinhaber von Sleighdogs, einem Studio, das digitale Services und Produkte entwickelt und Unternehmen bei der Digitalisierung hilft. Sleighdogs gestaltet Online-Software, Web-Apps, Mobile-Apps und Online-Shops. Das inhabergeführte Studio zeichnet sich zudem dadurch aus, IT-Expertise mit Unternehmensberatung und Organisationsentwicklung zu verbinden. Zur Unternehmenswebseite gelangt ihr hier.

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